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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 44
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Ein moderner Landschafter über seine Kunst
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Der Bund deutscher Architekten
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Die Kunst und der Groschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0604

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600

Die Werkstatt der Kunst.

Heft

stellung hat sich nun über seine Kunst der Künstler
selbst folgendermaßen ausgesprochen:
„So ungewöhnlich es sein mag, daß ein Maler
seinen eigenen Bildern Worte der Erklärung mit-
gibt, so erscheint es mir diesmal geboten. Ich würde
sonst den üblichen Vorwurf wieder herausfordern,
die modernen Künstler böten unfertige Skizzen als
fertige Bilder. Von vornherein sei ausgesprochen,
daß diese meine Skizzen und Studien betrachtet sein
wollen als mehr oder minder flüchtige Notizen, ab-
geschrieben vor der Natur, ursprünglich keineswegs
bestimmt, der Geffentlichteit gezeigt zu werden. Heute
sollen sie einer Probe dienen, wie oft findet das
Publikum beiin besten willen keine Brücke des Ver-
ständnisses zu den modernen Bildern, versuchen wir
also einmal sie dadurch zu schlagen, daß wir den
Ursprung von Bildern vorführen, wenn man sieht,
was den Maler in der Natur gefesselt hat, versteht
man leichter fertige Werke; vielleicht schon deshalb,
weil auch unser Publikum eine viel entwickeltere
Naturanschauung hat, als in früheren Zeiten der
Lall war. Unsere Urgroßeltern kannten wenig den
Reiz von Spaziergängen; Reisen waren beschwer-
lich, so verbrachten sie fast ihr ganzes Leben in den
Mauern der Stadt. Unser jetziges Naturgefühl ist
erst eiue Errungenschaft des HH. Jahrhunderts. Es
ist nicht pietätlos gegen Ruysdael, Hobbema, Claude
Lorrain und andere große Meister, wenn sich auch
der Küustler von heute dieser Tatsache bewußt ist.
Obwohl wir nuu doch ganz anders empfinden, be-
streitet uns oft das Publikum das Recht, uns auch
anders auszusprechen, wie kann man von einer
Kunst die Ausdrucksweise einer andern fordern?
Man denke sich, jemand hätte Rubinstein auf die
Schulter geklopft: .Brav, lieber Meister, aber warum
spieleu Sie nicht Geige wie Paganini?' Man ver-
gleiche z. B. Ruysdael mit Thaulow, Snyders mit
Liljefors und ziehe selbst die Konsequenzen. Zu diesen
Fragen sollen ineine Skizzen ihr Scherflein beitragen,
so unzulänglich sie sein mögen. Ich habe nicht ohne
Absicht einige der flüchtigsten Eindrücke beigefügt.
Ich verspreche mir gewiß nicht bei jedem den ge-
wünschten Erfolg. Zn der alten Pinakothek zu
München sah ich einst mitten unter der Menge der
Brotkopisten einen jungen Künstler das Brustbild
der Helene Fourment kopieren. Bewunderungswürdig
war die Meisterschaft, mit der er die flüssige Technik
Rubens wiedergab. Zn der Hitze der Arbeit achtete
er es nicht, daß der Boden weithin mit Farben-
klexen bedeckt wurde, während der Pause kameu
sie nun zusammen, die alten, ehrwürdigen Saal-
diener, die uniformierten Schützer des Tempels der
Kunst, und legten in ihrer blumenreichen Sprache
eine tiefe Entrüstung über diese Sudelei, der nicht
einmal der Parkettfußboden heilig sei, an den Tag.
Solche Hüter am Allerheiligsten gibt es überall, die
auch von der modernen Kunst eben nur die Spritzer
am Boden sehen. Zede neue Zdee hat derartige
Begleiterscheinungen. Ueberzeugen kann man diese

Leute nicht; sie tauen aber mit der Zeit von
selbst auf."
Der 6unct deutscher Architekten.
vor kurzem tagte in Kassel der Vorstand des Bundes
deutscher Architekten, der in bestimmten Zwischenräumen zu-
sammenzukommen pflegt, um über Maßnahmen zur Förde-
rung des Bundes zu beraten. Der Hauptgrund zur Bildung
des Bundes ist gewesen, daß die Interessen der Architekten-
schaft im ganzen Deutschen Reiche fast ohne Schutz dastehen.
Alle übrigen Stände haben sich organisiert und zusammen-
geschlossen und verteidigen sich und ihre Interessen gegen die
Uebergriffe unberechtigter Nachbarn. Fast nur der Stand der
Architekten hat sich bis jetzt noch keinen Schutz zu verschaffen
gewußt. Den Namen „Architekt" kann sich jeder beilegen, dem
das Vergnügen macht. Zst es doch überhaupt schon fraglich,
ob das Publikum weiß, was der Name „Architekt" bedeutet
und welche Aufgaben und Rechte, wie Pflichten dem wirk-
lichen Architekten eigen sind. Der Architekt soll gegenüber dem
Publikum im ganzen die Stellung eines Anwaltes in bau-
lichen Dingen bekleiden und so eine Vermittlung bilden zwischen
den Interessen des Bauherrn und der ausführenden Hand-
werker, einem jeden zu seinem Rechte verhelfend, insbesondere
aber als Vertreter der Interessen des bauenden Publikums.
So ist es selbstverständlich, daß diese Stellung möglichst befreit
sein muß von der Möglichkeit der Bevorzugung eigener und
selbstsüchtiger Bestrebungen oder der Befriedigung einfacher
Gewinnsucht, vielmehr sollte der Stand des Architekten ein
solcher sein, welcher auf rein künstlerischer und technischer Aus-
bildung und Grundlage aufgebaut, einen idealen und unab-
hängigen vornehmen Stand einzunehmen berechtigt und ver-
pflichtet ist. Deshalb hat sich der Bund deutscher Architekten
gebildet, um nach dem Vorbilde amerikanischer und englischer
Architektenkorxorationen zwischen sich und jenen, die diesen
Titel zu führen moralisch nicht berechtigt sind, eine feste Scheide-
wand zu ziehen, und um dem Publikum eine Bürgschaft da-
für zu bieten, daß diejenigen, die zum Bunde deutscher Archi-
tekten gehören, in der Tat berechtigt und geeignet sind, den
Titel Architekt zu führen und als die künstlerisch denkenden
und künstlerisch geschulten zuverlässigen Berater und Führer
des Publikums in Dingen der Baukunst zu dienen. Die Vor-
bedingung für eine solche Tätigkeit und ihre Ermöglichung
mußte die Trennung zwischen Künstler und Unternehmer sein.
Da auf eine andere weise eine solche Trennung zu erzielen
bisher nicht möglich war, so haben sich die Mitglieder des
Bundes dahin geeinigt, durch Hinzufügung der Anfangsbuch-
staben „L. v. zu ihrer Bezeichnung als Architekt sich eine
leicht erkennbare und zuverlässige Unterscheidung von jedem
anderen die Bezeichnung als Architekt unberechtigt führenden
Manne zu verschaffen und das Publikum auf denjenigen
Kreis hinzuweisen, bei dem es feine künstlerischen und tech-
nischen Interessen in der Baukunst zu befriedigen, vollkommen
in der Lage ist.
Die Kunst und der Groschen.
„Lin Bild von Leo Putz .Bacchanale' wurde",
so schreibt Leopold Weber-Müncheu im zweiten
Zuli-Heft des „Kunstwortes", „aus dem Münchner
Glaspalast nachträglich entfernt, weil es .wegen seines
Inhalts, nicht wegen seiner künstlerischen (Qualität,
wiederholt von Beschauern mißfällig kritisiert' wurde.
Mit dürren Worten, das Bild wurde entfernt, ob-
wohl die zuständige Künstlerjury weder am Stoff
noch an der Darstellung des Werkes etwas .An-
stößiges' gefunden hatte; es wurde entfernt, weil —
nun ja, weil eben die .Allgemeinheit' Anstoß am
Inhalte nahm. Ein übler Fall in seiner grundsätz-
lichen Bedeutung, und nur diese beschäftigt uns hier;
 
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