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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 16
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Volkmann, Hans von; Glück, A.: Vertriebsstellen für Graphik
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Zur Kritik der deutschen Kunstzustände, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0223

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Heft 16.

Die Werkstatt der Aunst.

2s9

der gewonnenen Erfahrungen vorzunehmen. Die
in Echulwerkstätten erzeugten Gegenstände dürfen
nicht in einer Weise veräußert werden, daß daraus
dem Handwerk oder der Industrie ein Wettbewerb
erwächst.
2ur Kritik
äer äeutscken Kunstzustänäe.
(Fortsetzung statt Schluß.)
HI.
Nach dieser kleinen Abschweifung auf das Gebiet der
Medaillen-Verteilung bleibt uns noch übrig, zum Beweise,
daß das Ausland unser Entgegenkommen keineswegs erwidert,
dessen Verhalten gegenüber deutschen Künstlern bei feinen
großen jährlichen Ausstellungen kennen zu lernen. Diese tragen
kluger Meise, zur Abhaltung fremder Konkurrenz, durchweg
einen nationalen Charakter; und Deutschlands jährliche nationale
Ausstellungen mit „internationalein Charakter" haben hieran
deutschen Künstlern gegenüber nichts zu ändern vermocht. Viele
auf unseren Ausstellungen vertretene Nationen halten es nicht
einmal für nötig, ihre Programme nach Deutschland zu senden,
andere, wie England und Frankreich, geben allerdings ihre
Bestimmungen für die Beschickung der Royal-Academy und
des Salon kund, diese sind aber schon theoretisch so wenig ver-
lockend, daß ein praktischer Versuch, dort auszustellen, nur in
den seltensten Fällen gemacht werden wird. Die Bedingungen
lauten nämlich bei beiden: „Zur Beschickung der Ausstellung
ist es notwendig, die Werke wohl verpackt und franko an einen
Agenten (der nicht einmal genannt wird) in London bezw.
Paris zu senden, der sie ausgexackt der Jury vorzustellen
hat u. s. w." Läßt sich nun daraufhin ein deutscher Künstler
dennoch verleiten, ein Werk zu schicken, so kann er, falls er
nicht ausnahmsweise besondere persönliche Beziehungen hat,
mit Sicherheit darauf rechnen, sein Werk, belastet mit Spesen
und Transportkosten sowie mit dem höflichen Bescheid zurück-
zuerhalten, „daß es wegen Mangels an Platz'leider habe
zurückgewiesen werden müssen". So die praktischen Engländer
und Franzosen, die wir Deutschen mit Aufwendung aller nur
möglichen Mittel zu unseren jährlichen Ausstellungen heran-
zuziehen bestrebt sind.
Bedenken wir, welchen Eindruck dieses einseitige Liebes-
werben Deutschlands um die Kunst des Auslandes in dortigen
Künstlerkreisen und auch weiter erwecken muß, wie auch,
namentlich im pinblick aus die Medaillen-Resultate, dadurch
der eben so irrige wie erklärliche Glauben erweckt werden
muß, daß die deutschen Künstler selbst die Ueberlegenheit ihrer
fremden Kollegen fühlten, ja, Deutschlands Kunst ohne den
fremden Einfluß sich nicht erheben könne, so würde es schon
ohne weiteres erklärlich sein, daß im Lause der letzten Jahre,
wo die „Internationalen" Deutschlands dem Auslande be-
ständig solche Erwägungen nahe legten, der deutschen Kunst
auch der Privatmarkt im Auslande fast völlig abgeschnitten
worden ist. während früher eine bedeutende Ausfuhr deut-
scher Gemälde, namentlich nach England und Amerika, statt-
fand, hat diese jetzt aufgehört, und zwar ganz besonders in
den letzten Jahren, seit nun auch Berlin von der „Inter-
nationalen-Sucht" ergriffen worden ist. Um dieses Resultat
aber so schnell und gründlich zu erreichen, mußte neben den
„Internationalen" auch noch der zweite Faktor in die Rech-
nung treten, nämlich die Kunstpresse Deutschlands, die, wie
schon früher gesagt, in eben so unxatriotischer wie verständnis-
loser weise die deutsche Kunst herabdrückt, die fremde empor-
hebt. wie kann es wundernehmen, daß alle durch die
„Internationalen" noch ganz besonders provozierten abfälligen
Urteile deutscher Zeitungen über deutsche Kunst, alle Lob-
spendungen dagegen an die anderer Nationen eine breite Be-
sprechung in der ausländischen Presse finden, da es doch be-
kannt ist, daß diese Presse mit besonderer Genugtuung alle
diejenigen Artikel deutscher Zeitungen abdruckt, die geeignet

sind, das Ansehen des wegen seiner schnell errungenen Macht-
stellung allgemein beneideten Deutschlands nach irgend einer
Richtung hin herabzudrücken und zu schmälern? Durch das
Verhalten unserer Presse also und den Eindruck unserer „Inter-
nationalen" im Auslande wird dieses naturgemäß abgeschreckt,
nach deutschen Kunstwerken noch ferner Verlangen zu tragen,
wendet sich vielmehr der Kunst jener Nationen zu, deren
Presse die heimische Kunst besser und patriotischer beurteilt
In dieser Beziehung aber steht die Presse Frankreichs
obenan. Man muß einmal zur Zeit der Salon-Eröffnung in
Paris geweilt haben, um zu hören, wie die dortigen Blätter
ins Horn stoßen, um der Welt zu verkünden, daß die Zr-müs
nmion durch diese Ausstellung sich wieder einmal mit Ruhm
und Ehren bedeckt habe und wie keine Kunst der Welt sich
mit der Frankreichs messen könne. Nun, gleich den Lhamaden
der Deutschen dringen auch die Fanfaren der Franzosen in
die Welt und bewirken, daß die deutsche Kunst überall von
der französischen geschlagen wird. Aehnlich wie die fran-
zösische, verhält sich auch die Presse anderer Länder. Daß
an dem Aufhören des Exports deutscher Bilder nach
Amerika nicht etwa der oft vorgeschützte Zoll auf
Kunstwerke, sondern das Verhalten unserer Presse
die Schuld trägt, sagte mir einer der ersten Kunst-
händler New-Porks, der, selbst ein Deutscher, mit
Bedauern die Nachfrage nach deutschen Gemälden
geschwunden, dagegen die nach französischen wesent-
lich gesteigert sieht. Die deutsche Presse kann hieraus er-
sehen, welche schlimmen Folgen für die deutsche Kunst ihr
Verhalten gehabt hat. Zu ihrer Ehre nehme ich an, daß sie
diese Folgen weder beabsichtigt noch vorhergesehen hat, auch
muß man zu ihrer Entschuldigung sagen, daß die deutschen
Künstler durch ihr Verfahren bei der Einrichtung der „Inter-
nationalen", bei der Medaillen-Verleihung u. f. w. in gewisser
weise der Presse Veranlassung gegeben haben, eine irrige
Meinung von der deutschen Kunst zu gewinnen.
Fast aber sollte man meinen, es gehöre bei einem ge-
wissen Teile unserer Kunstreferenten zum guten Ton, zur
Mode, die Leistungen deutscher Kunst über die Achseln an-
zusehen, denn schon seit längerer Zeit hat diese von der
heimischen Presse nicht die Beachtung und Würdigung ge-
funden, die ihr in Wahrheit zukommt. Fast typisch sind ab-
fällige Urteile unserer Zeitungen bei der Eröffnung deutscher
Kunstausstellungen, wenn nun schon die Berichte über unsere
rein nationalen Ausstellungen im Auslande Beachtung finden,
um wie viel mehr müssen dann erst die Urteile der deutschen
Presse über die Internationalen interessieren und wie an-
genehm werden die fremden Nationen berührt werden, wenn
sie aus deutschen Zeitungen ersehen, „daß die Ausstellung
ihren wahren Glanz der reichen Beschickung des Auslandes
verdanke, deren Werke — mit Bedauern müsse man es ge-
stehen — die der deutschen an künstlerischem Gehalt und
Griginalität weit überragten". Daß die deutsche Kunst eine
so mißachtende Behandlung nicht verdient, habe ich schon
mehrfach betont und wird auch durch das anerkennende Ur-
teil unserer wirklich verständnisvollen Kunstkritiker bestätigt;
doch selbst angenommen, sie stehe nicht auf der Höhe,
so würde der beständige Tadel keineswegs dazu an-
getan sein, sie zu heben, denn wenn er auf der einen
Seite moralisch herabdrückt, so entzieht er auf der
anderen, wie wir gesehen haben, die Hilfsmittel.
Kunst aber ohne Gunst ist umsunst, das gilt ganz besonders
auch in materieller Beziehung. Eine Kunstkritik ist nur dann
am Platze, wenn sie auf Mängel, die, wie allem Menschen-
werk, so auch jeder Kunst anhaften, in wohlwollender und
verständnisvoller weise aufmerksam macht, dagegen auch das
wirklich Gute und Tüchtige anerkennt und hervorhebt. Tritt
aber die Kunst einer bestimmten Nation in einen inter-
nationalen Wettbewerb ein, so sollte die Kritik jener Nation
noch ganz besonders vorsichtig und auch ihrer patriotischen
Pflicht eingedenk sein, damit nicht Nachteile, wie die hier ge-
zeigten, entstehen.
Bisher habe ich die Wirkungen unserer jährlichen „Inter-
nationalen" und das Verhalten der Presse nur nach der
 
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