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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 38
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Ein dreistes Plagiat
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Meyer, H. Ch. H.: Kunstwucher
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0518

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Die Werkstatt der Aunst.

Heft 38.

5^

Ein clreisles Plagiat.
Unter den zahlreichen, originellen Exlibris, die
der junge Münchener Aünstler Willy Geiger bis
jetzt gezeichnet hat, verdient ein kleines Blatt für
Erich Haarmann (aus dem Jahre O02) ganz be-
sondere Beachtung. Wir sehen auf einem geöffneten
Buch einen großen, unregelmäßig geschliffenen Stein
liegen, den „Stein der Weisen", den einige Männer
(als Symbole der verschiedenen Stände) mit Auf-
bietung aller Aräfte an sich zu zerren versuchen.
Diese Komposition hat sich nun ein Herr E. Hloß
in H>rag mit einer Keckheit angeeignet, die ein
würdiges Pendant nur in der Geistlosigkeit besitzt,
mit welcher der Hlagiator zu Werke ging. Er hatte
für einen Herrn Viktor Schick in Hrag (der von
dem Plagiat wahrscheinlich keine Ahnung Hat) ein
Exlibris zu zeichnen. Da Schick Kaufmann zu sein
scheint, so verwandelte Herr Hloß den „Stein der
Weisen" kurzerhand in einen — Zuckerhut (!) und
das Buch in ein Hauptbuch (mit den Aufschriften
„Soll" und „Haben"); dagegen ließ er die Geiger-
scheu Figuren vollkommen unverändert, und es ist
nun höchst ergötzlich zu sehen, wie diese (offenbar
sehr naschhaften) Männer sich um den Zuckerhut
ebenso emsig bemühen wie auf dem Geiger'schen
Original um den „Stein der Weisen". Die ganze
miss en scene des Plagiats beweist eine Skrupel-
losigkeit, die ihresgleichen suchen dürfte. Da der
ingeniöse „Aünstler" wahrscheinlich auch noch auf
anderen Heldern Beute zu machen versuchen wird,
so seien die Exlibriszeichner hiermit nachdrücklichst
vor diesem Herrn gewarnt. Herr Geiger hat sich
selbstverständlich eine gerichtliche Verfolgung des
Plagiators Vorbehalten.
Runslvvucker.
von I). 6b. I). Meyer.
Unter dieser Ueberschrift erschien kürzlich in
Nr. 20 der „Südd. Montagsztg". in München ein in
mannigfachster Hinsicht sehr verdienstvoller Aufsatz, den
wir mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Verfassers
sowohl, wie der genannten Zeitung nachstehend
folgen lassen, namentlich um unseren auswärtigen
Lesern die Kenntnis desselben zu vermitteln. Der
dargelegte Gedankengaug beleuchtet die Lage sehr
scharf und ohne Umstände, eine Beleuchtung, die
natürlich notwendig ist, wenn Auswege gefunden
werden sollen. Der genannte Verfasser schreibt:
„Wohl zu keiner Zeit hat der Aünstler, besonders aber
der Maler, so schwer um seine Existenz zu kämpfen gehabt
als in der Gegenwart, in welcher die Zahl der Aunstbefliffenen

jeder Feststellung spottet, in welcher dem Berufskünstlertum
eine Unzahl von Dilettanten sich anreiht und auch letztere zu
verkaufen suchen. Und während früher der Aünstler in feiner
Umgebung nach und nach feine Abnehmer und Auftraggeber
fand, zieht sich das moderne Aünstlertum in die Großstädte,
haust vier Stockwerke hoch in Ateliers und hat in der Haupt-
sache nur zwei Absatzmöglichkeiten: die Ausstellungen, in denen
sich Bild an Bild reiht und sich gegenseitig entwertet, und
die Aunsthändler, welche mit dem Aunsthändlertum der früheren
Zeiten nur noch den Namen gemein haben.
Man vergegenwärtige sich doch die alten Malerwerk-
stätten besonders der Holländer und Niederländer, zur ebenen
Erde gelegene, hallenartige, luftige Gemächer, und die Aünstler
bei ihrer Arbeit! Das fertige Bild wurde, soferne es nicht
bestellt war, in der einfachsten weise dem vorübergehenden
Publikum zur Besichtigung geboten. Zu einem relativ nied-
rigen Preise konnte das Bild abgesetzt werden und wurde es
auch. Gegenwärtig aber ist die Verkaufsmöglichkeit auf ein
Minimum reduziert und die Spesen sind in Anbetracht der oft
hohen Ausgaben für Modelle, Rahmen, Transporte, Versiche-
rungen u. dergl. bedeutend geworden. Die Preise werden dem-
entsprechend äußerst hoch gestellt, so daß nur noch sehr wohl-
habende Leute daran denken können, sich das Bild eines nam-
haften lebenden Malers zu erwerben. Das Publikum sucht
daher auf andere weise zu einem künstlerischen Zimmer-
schmucke zu gelangen. Die Farbendrucke werden bevorzugt,
man wartet auch wohl eine Nachlaßausstellung ab, bei welcher
ja oft die besten Bilder um einen Spottpreis zu haben sind.
Auch von Aunstvereinen werden einzelne Bilder billig er-
worben und unter die Mitglieder verlost. Der lebende Aünstler
aber steht vor seiner Staffelet und wartet — bis feine Zeit
kommt. Dabei wird er alt. Auch war er oft genötigt, auf
einem anderen Gebiete kleine Aufträge zu suchen, feine Kraft
zu zersplittern und sich feiner Aunst zu entfremden. Schon
ein Albrecht Dürer hat geklagt, daß er mit Delgemälden nichts
verdiene, daß er ohne seine Stiche nicht leben könne. Gegen-
wärtig ist diese Alage allgemein. Gft genug schon wurde da-
rauf hingewiesen, daß Ausstellungen im größten Stile, in
welchen sich Bild an Bild in endlosen Sälen reiht, dem Absatz
der Aunsterzeugnisfe nicht förderlich sind. Man betonte, daß
Architekt, Plastiker und Maler Zusammenarbeiten, einen Innen-
raum künstlerisch ausgestalten müssen und so allein ihre Schöp-
fungen zur vollen Geltung bringen können. Es fehlt aber
an den Möglichkeiten, solche Ideen zu verwirklichen. So sieht
sich der Aünstler immer auf den Aunsthändler ange-
wiesen. Dieser aber ist für den Aünstler geradezu
verhängnisvoll geworden. Sein ursprünglicher Zweck,
den Absatz zu vermitteln, ist fast allenthalben einer wucherischen
Ausbeutung der Aünstler gewichen.
Der Aunsthändler ist selbst eine Art Näcen geworden,
nur mit dein Unterschiede, daß er nicht dein Aünstler zu
einen: sorgenfreien Leben verhilft, sondern allein sich selber
die Taschen füllt. Die modernen großen Aunsthändler ver-
fügen über bedeutende Kapitalien und sind vom Aünstler selbst
völlig unabhängig. Dieser aber gerät sofort in eine Abhängig-
keit von ihnen, wein: er seine Zuflucht zu ihnen nimmt.
Niemals sucht ein Aunsthändler ohne ganz besondere Gründe
Beziehungen zum Aünstler. Er behandelt den letzteren stets
als guLvrlle ne§Ii§ibls. wenn er sich nach einigem Zögern
bereit finden sollte, ein Bild käuflich zu erwerben, so zahlt er
eine in: Verhältnisse zun: werte lächerlich kleine Summe, die
aber der Aünstler momentan nicht entbehren kann und so an-
zunehmen gezwungen ist. Dieser Kaufpreis macht oft nicht
den zwanzigsten Teil derjenigen Summe aus, um welche der
Aunsthändler bald darauf das erworbene Bild wieder ver-
kauft. Denn der letztere ist sich ja keinen Augenblick darüber
im unklaren gewesen, ob und an wen er das Bild abfetzen
und welchen Mindestpreis er erzielen würde. Der Aunsthändler
nimmt auch wohl Verkaufsaufträge entgegen, Aollcktions-
ausstellungen, welche das kaufkräftige Publikum anlocken —
und inan versteht sich ja vortrefflich auf alle Lockmittel! Aber
in diesen: Falle hat der Aünstler das ganze Risiko, die Transport-
auslagen u. s. f. zu tragen, muß eine Verkaufsprovision selbst
 
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