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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 42
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Cornils, Hermann: Offener Brief an die Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes!
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0574

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570

Die Werkstatt der Kunst.

Heft §2,

Ich kann mich nach ineinen Erfahrungen nicht
von der Empfindung frei machen, daß man in meiner
Arbeit eine bestimmte Dichtung sah, mit der man
sich nicht befreunden konnte. Gehört denn das (Christ-
liche nicht mit zum Arbeitsgebiet des deutschen Kunst-
schaffens? Sind alle jene Ideen, die in: Cinquecento
die Künstler begeisterten, rostiges Eisen geworden?
Ich muß gestehen, mich nicht von dem Gefühl be-
freien zu köunen, daß dem Deutschen Künstlerbunde
große Gefahren erwachsen dürften, wenn damit
fortgefahren wird, daß ein Vertreter des Kunst-
handels mit dem Bunde in so engen Beziehungen
steht, wie dies hier der Fall ist. Dieser Vertreter des
Kunsthandels sei persönlich ein Ehrenmann durch
und durch — notwendigerweise werden sich, infolge
seiner Eigenschaft als Kunsthändler, Einflüsse gel-
tend machen, die mit den rein künstlerischen Auf-
gaben der betreffenden Körperschaft nicht zu ver-
einbaren sind. Bei meiner Arbeit z. B. handelte es
sich um eine cyklische Darstellung auf dein Gebiete
der Friedhofskunst. Diese bietet zur Erzielung geschäft-
licher Erfolge freilich kein Objekt. Liegt also die
Vermutung außerhalb des Bereiches aller Mög-
lichkeiten, daß sich gegen Arbeiten dieser Art eine
gewisse Abneigung des Kunsthändlers bemerkbar
macht? —
Der Kunsthändler Herr Hanl Eassirer verfügt
auch in Hainburg über Ausstellungsräume. Als ich
bei ihm anfragte, ob er eine Anzahl meiner
Arbeiten ausstellen könne, reagierte er, aller Wahr-
scheinlichkeit nach, einfach deshalb nicht darauf, weil
er sie nicht verkaufen konnte. Es waren damals die-
selben Arbeiten, welche ich jetzt der Jury des Künstler-
bundes unterbreiten wollte. Man kann sich darum
meine Neberraschung denken, als plötzlich Herr haul
Eassirer, von dessen Bedeutung für den Deutschen
Künstlerbund ich keine Ahnung hatte, auch dort, mit
Vollmachten ausgerüstet, mir wieder entgegentrat.
Daß der Kunsthändler auf Rentabilität seiner
Unternehmungen sieht, ist ja begreiflich, aber im
Deutschen Künstlerbund handelt es sich doch nicht
um die Interessen des Kunsthandels in einer ge-
wissen Richtung, sondern zugestandenermaßen um
Iuteresseu der deutschen Annst. hat aber das
deutsche Volk ein Anrecht an die Kunst, dann wird
inan eine Handlungsweise wie mir gegenüber —
womöglich sind noch mehrere der Herren Kollegen
ähnlich behandelt worden — nicht ohne Einspruch
geschehen lassen dürfen. Mehr wie jeder andere
Künstlerverein fordert der Künstlerbund zur Kritik
heraus, weil er sich satzungsgemäß den höchsten
künstlerischen Standpunkt wählte. Erfüllt er
darum nicht das versprechen, nun auch wirklich das
Allerhöchste zu bieten, so läuft er Gefahr, sich da-
mit iu seinem Ansehen bedenklich herabzusetzen. —
ß f des Statuts lautet: „Der Deutsche Künstler-
buud ist eiue vereiuigung von Künstlern uud
Kunstfreunden zwecks idealer und wirtschaft-
licher Förderung der deutschen Kunst durch

Mittel, die geeignet sind, die freie Entwick-
lung der deutschen Kunst zu ermöglichen. .."
In erster Linie ist das Interesse des Bundes
ein ideales, erst die Kunst und dann der Künstler.
Der wesentliche Unterschied des Deutschen Künstler-
bundes gegenüber anderen Vereinen, namentlich
gegenüber der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossen-
schaft, besteht ja gerade darin, daß zuerst und aus-
schließlich die Förderung der Kunst in Frage kommt,
desgleichen das wirtschaftliche Moment mit Beziehung
auf die Kunst und nicht auf den Künstler hervor-
gehoben wird, um jeden Schein persönlicher Inter-
essen zu vermeiden. Nun sind aber Kunst und Künstler
nicht fein säuberlich auseinander zu halten, denn der
Künstler ist mit seiner Kunst eng verwachsen wie
Leib und Seele; darum bedeutet die Förderung der
Kunst auch immer die Förderung des Künstlers. Aber
eine Förderung der Kunst kann eben nur stattfinden,
wenn sie nicht in einseitiger Voreingenommenheit
vorn Standpunkt des Kunsthändlers oder sonstiger
engherziger Gesichtspunkte, sondern in freier Beur-
teilung nach ästhetischen und ethischen Grundsätzen
sich regelt. So wie die Dinge augenblicklich liegen,
zeigt sich in der Tätigkeit des Deutschen Künstler-
bundes eine Propaganda für eine gewisse
Richtung im künstlerischen Leben, der die Be-
zeichnung „deutsch" doch wohl nur in ganz be-
schränkten: Maße zukommt. Um deutsch zu sein, ist
diese Richtung, das heißt also die von der Leitung
bevorzugte Kunst, viel zu äußerlich, viel zu sehr dekor
und von: Wesen anderer Völker berührt; wir ver-
missen allzusehr das Intime der deutschen Volksseele
und ihre Eigenart. Darum ist es Sache der Jury
des Deutschen Künstlerbundes, in Ansehung ihres
hohen Amtes als Richter über das deutsche Kunst-
schaffen, in peinlicher Gewissenhaftigkeit die
eingelieferten Werke zu prüfen zur „Förderung
der deutschen Kunst".
Aber die idealen Interessen des Deutschen
Künstlerbundes find mit der gewissenhaften Prüfung
der eingelieferten Werke keineswegs erschöpft, wie
oft kommt es vor, daß ein Künstler, dessen Bega-
bung und Streben bekannt ist, durch pekuniäre Ver-
hältnisse unterdrückt wird. Auch hier will der Buud
helfend und fördernd auftreten. Daß aber in der
von der Ausstellungsleitung beliebten Manier keine
deutsche Kunst gefördert wird, darüber werden sich
wohl die meisten der Herren Kollegen mit mir
einig sein.
Ich bin ganz sicher, daß die Entwicklung der
deutschen Kunst im Grunde nur eine Frage der ob-
jektiven Kunstbeurteilung ist. Darum ist es Sache
der Künstlervereine, vor allem darauf hiuzuwirken,
daß eine Beurteilung nach Verkaufschancen gänz-
lich ausgeschlossen wird; dann erst wird eine Ent-
wicklung der Kunst sich vollziehen, die als Volks-
kunst dein deutschen Gemüt etwas zu bieten weiß.
Die deutsche Kunst leidet unter der Bedrük-
kung eines rigorosen Geschäftsgeistes, nicht Aesthetik
 
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