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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 26
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Die Kgl. Gemäldegalerie in Burghausen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0490

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§86

Die Werkstatt der Aunst.

Heft 36.

daß wir jedoch aus technischen Gründen, welche
in der Eigenschaft unseres Blattes als Wochen-
schrift liegen, den genannten Herrn Verfasser im
darauffolgenden Heft 35 nicht mehr zu Worte kom-
men lassen konnten. Herr Liebenwein schreibt:
„In Erwiderung der geschätzten Ausführungen des Herrn
Geheiinrates Prof. vr. v. Reber habe ich folgendes zu sagen:
Ich muß selbstverständlich der Berichtigung, daß die Bilder
der Kgl. Gemäldegalerie in Burghausen nicht hier, sondern in
den Restaurierräumen der Münchener alten Pinakothek ge-
firnißt wurden, Glauben schenken, wenn auch andere Aussagen
entgegenstehen. Tatsache ist aber, daß sie frisch gefirnißt wurden,
wenn nicht alle, doch viele, und daß ich die Befürchtung von
allein Anfänge hegte, daß die Firnisschicht die Bilder nickt
schützen, sondern schädigen werde.
Ich führe das Abblättern auf folgenden physikalischen
Grund zurück: Die Farbschichte, innig mit dem Grunde ver-
bunden und die darüberliegende Firnisschichte haben bekannt-
lich verschiedene Ausdehnungs-Koeffizienten. In heizbaren
Räumen, in welchen eine annähernd gleichmäßige Galerie-
temperatur erhalten werden kann, wird dies keine ernsten
Schäden an den Bildern Hervorrufen, anders aber in Kirchen
und ungeheizten Räumen. Bei uns ist allein der Unterschied
der Tages- und Nachttemperatur, abgesehen von dem Tem-
peraturwechsel der Jahreszeiten, ein sehr großer.
Daher befürchtete ich dasselbe Ereignis, das ich oft in
Kirchen an frisch gefirnißten Altarbildern erlebt habe, in unserer
Galerie, und sehe auch heute noch im Firnis die Ursache des
Abblätterns. Daß das Abblättern vom Grunde aus geschieht,
ist kein Gegenbeweis; durch die verschiedene Ausdehnung und
Zusammenziehung der Schichten wird eben auch der Zu-
sammenhang des Grundes mit der Leinwand erschüttert; der
Einfluß der Atmosphäre tut dann das übrige und führt zum
Abblättern vom Grunde aus.
Damit, daß ich die drei angeführten Bilder ,künstlerisch
höher stehende Leistungen' nannte, will ich durchaus keinen
Spaß machen. Meisterwerke find es nicht, und das »höher
stehend' ist relativ aufzufassen. Aber sie zeigen unleugbare
künstlerische und technische (Qualitäten, und ich schäme mich
auch vor dem Kunsthistoriker nicht im mindesten, zu sagen,
daß es mir um den rechtshäugenden der beiden Falcone so-
gar recht leid tut.
Daß die Galerie vernachlässigt wäre, weil sich an
einigen Bildern Schäden zeigen, habe ich nicht gesagt; eben-
sowenig, daß der Herr Geheimrat der Anregung des Galerie-
dieners bedürfe, um die Galerie instand zu halten. Die Tat-
sache jedoch, daß letzterer keine Instruktion besitzt, Schäden an
Bildern zu melden, geht daraus hervor, daß er auf mein Lr-
snchen das Zugrundegehen der drei Bilder seinem Vorgesetzten
zu melden, antwortete: »Des merkt der Herr Geheimrat scho'
selm, wenn a paar hin wern.' Auf meine Frage, ob er solche
Schäden nicht dienstlich zu melden habe, antwortete er mit
einem bündigen »Nein'. Nun meine ich, daß in einer Galerie,
die durchschnittlich einmal im Jahre vom Leiter und einmal
vom Restaurator besucht und untersucht wird, eine solche In-
struktion wohl am Platze wäre.
Darin, daß »mit dem gegebenen Raume jeder vernünf-
tige rechnen muß', gebe ich Herrn Vr. v. Reber vollkommen
recht. Der Raum spielt immer die erste Rolle, und das Maß
gibt uns auf die Frage Antwort, wie viele Bilder untergebracht
werden können, wenn das Augenmaß nicht ausreicht, nimmt
man das Metermaß. Man wird auch örtliche und zeitliche
Trennung der Schulen und Kunstepochen niemals tadeln, weil
sie zum kunstgeschichtlichen Verständnis führt.
Nur muß die Wandausstattung, wenn sie auch gedrängt
ist, wirklich »normal' sein. Als »normal' bezeichne ich, und
mit mir wahrscheinlich jeder Maler, die Ausstellung eines Bildes
dann, wennderHorizontdesBildessichinderAugen-
höhe eines mittelgroßen Beschauers befindet. Man
darf also nicht Bilder mit Draufsicht hoch und mit Drunter-

sicht tief hängen. Nur bei einer solchen Aufstellung wird die
»miserL plells', von der mich der Herr Geheimrat gütig aus-
nimmt, zur Kunstanschauung erzogen.
Die Frage, ob man die Fensterwände etwa frei-
lassen solle, beantworteich für jene Räume, die bloß
auf einer Seite Fenster haben, unbedenklich mit ja. Die
den Fenstern gegenüberliegenden wände wird man aus Raum-
mangel benützen müssen schon deshalb, weil sie meist die größten
sind. In den drei Räumen auf der Südseite des Schlosses,
die an drei Seiten Fenster haben, können selbstverständlich alle
drei Fensterwände benützt werden, weil sie nicht dunkel sind,
und von je zwei andern Seiten Licht bekommen. —
Dafür, daß ich Melchior und Gillis Hondekoeter zu ver-
wechseln scheine, bietet sich in meinen Ausführungen kein An-
haltspunkt, und ich muß deshalb für die gütige Belehrung danken.
Ich verlange auch nicht, daß man eine Galerie nach
dem Geschmack jedes einzelnen Besuchers hängt. Dies wäre
ein undurchführbarer Unsinn. Es ist aber eine moderne For-
derung, die heute wenigstens auf den meisten größeren Aus-
stellungen durchgeführt wird, daß man Bilder so aufhängt,
daß sie auch genossen und ungehindert betrachtet werden können.
Ist nun nicht genug Raum vorhanden, alles gut unterzu-
bringen, so muß man eben eine Auswahl treffen und sich da-
mit begnügen weniger unterznbringen, aberdaswenigegut.
Nun komme ich zu der bewußten pastellreihe im Fürsten-
saale, die ich als »Kitsche' bezeichnet habe: Die »dekorative
Wirkung' dieses sogenannten »Frieses' hat von den
vielen Künstlern, die die Galerie besuchten, noch keiner ent-
deckt. Die Bilder schädigen lediglich die Wirkung der wert-
vollen unteren Reihe, ohne selbst zu erfreuen. Der Jugend
Burghausens aber, der man mit dieser Reihe von Bildnissen
ein Stück Vaterlandsgeschichte geben wollte, würde nur dann
ein Dienst damit erwiesen, wenn man ihr zeigen wollte, wie
die Fürsten Bayerns nicht ausgesehen haben. Nur so kann
ich mir ihre Verwendung als Lehrmittel denken. Die Jugend
würde durch eine Reihe von Reproduktionen guter zeitge-
nössischer Bilder oder graphischer Blätter, ja selbst durch Münz-
abgüsse besser mit den Herrschern des Heimatlandes bekannt
gemacht. Denn für die Jugend ist das Beste gerade gut genug.
Ich gestehe unumwunden, daß ich als Gesterreicher keinen
Augenblick zögern würde, diese Bilder ebenso scharff zu be-
urteilen, auch wenn sie Habsburger darstellen würden, denn
mein Tadel trifft logischerweise den Darsteller und nicht
den Dargestellten. Ich bin daher in der glücklichen Lage,
den Vorwurf der gelinden Roheit und der Undankbarkeit
gegen das gastliche Bayern dankend ablehnen zu können.
Dafür möchte ich aber der Galerieleitung mehr Respekt
vor einem Fürsten im Reiche der Kunst empfehlen :vorRubens.
wir haben in unserer Galerie eine Madonna, die als
schlechtes Schulbild aus der Schule Rubens klassifiziert werden
muß. Dieses Bild trug zuerst die Aufschrift »Rubens (Schule)',
später »Rubens (?)', seit einiger Zeit aber »Peter Paul Rubens'.
Es ist mithin im Verlauf einiger Jahre zum »echten Rubens'
avanciert.
wer die Zeichenfähigkeit eines Rubens kennt, der muß
mir zugestehen, daß an diesen verzeichneten Köpfen der Mutter
und des Kindes nie die Hand des Meisters mitgearbeitet hat.
Aber man will, wie es scheint, der »missra plolos' einen echten
Rubens zeigen. Gb die besuchenden Künstler darüber lächeln,
ist gleichgültig.
was nun die »Briefmarkensammlung' betrifft, so be-
greife ich ein solches System bei älteren Galerien, wo der
Ranm mit der im Laufe der Zeiten anwachfenden Bilder-
zahl im Mißverhältnis steht, und augenblicklich die Mittel zur
Erweiterung fehlen, sehr wohl. Bei Neueinrichtungen sollte
man aber von vornherein damit brechen.
Die gebieterische Forderung unserer Zeit, Kunstwerke
auf Ausstellungen und in Galerien anders zu hängen als
dies durch ein ganzes Jahrhundert Brauch war, erkannte
bereits ;883 kein geringerer als Wilhelm Busch, als er im
Vorworte zum »Maler Klexel' mit höchst ernsthaft zu nehmender
Ironie vom Kunstverein schrieb:
 
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