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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 42
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Der Kongress zur Bekämpfung der Farben- und Malmaterialien-Fälschungen München 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0578

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574

Die Werkstatt -er Kunst.

Heft 42.

§) Es sollen genaue Normen bezüglich der Zusammen-
setzung, Untersuchung, Prüfung und Beurteilung der Normal-
farben aufgestellt werden.
b) Sämtliche schwarze Farben, wie sie durch Glühen der
verschiedenen organischen Substanzen bei Luftabschluß erhalten
werden und in diesem Sinne rein sind, sollen als Normal-
farben zugelassen werden.
Als leitende Gesichtspunkte betr. die Mal- und Binde-
mittel werden folgende Sätze festgeftellt:
Man hat bisher im Dekorationsmaler- und Anstreicher-
gewerbe unter „Firnis" ausschließlich einen reinen „Leinöl-
firnis" verstanden, es soll jedoch in der Zukunft bei den
Firnisbestcllungen genau der Firnis nach dem Gele, aus
dem er hergestellt sein soll, wie z. B. „Leinölfirnis", „Wall-
nußölfirnis" u. s. w. bezeichnet werden.
Es sei ferner auch jedes aus einem der bekannten in
der Mal- und Anstrichtechnik bisher verwendeten reinen, fetten,
trocknenden Gele, wie Leinöl, Mohnöl, wallnußöl, panföl,
Sonnenblumenöl u. s. w. durch einfaches, genügendes Rochen,
Einblasen von Luft u. f. w., wie auch die durch Zusatz von
Trockenmitteln genügend rasch trocknend geinachten Gele als
„Firnisse" zu betrachten. Auch die auf kaltem Wege zube-
reiteten Firnisse, z. B. aus harzsauren Salzen, sind als Fir-
nisse zu bezeichnen. Es soll jedoch angegeben werden, ob der
Firnis ein auf warmem oder kaltein Wege zubereiteter ist.
was die Lacke betrifft, so dürfen alle im Pandel be-
findlichen Lacke, welche als Bernsteinlacke oder Ropallacke be-
zeichnet werden, nur dann mit diesen Bezeichnungen versehen
werden, wenn sie als parz nur reinen geschmolzenen Bern-
stein oder reinen geschmolzenen harten Kopal enthalten.
Die aus anderen Materialien hergestcllten Lacke oder
die verschnittlacke sind mit anderen beliebigen zulässigen Be-
zeichnungen zu versehen.
Die verschiedenen Terpentinölsorten des Pandels sind
nach ihrem Ursprungsorte zu bezeichnen und sind Terpentinöl-
Imitationen und Ersatzmittel genau als solche zu kennzeichnen.
Für die Bindemittel, Firnisse und Lacke sind ebenfalls
Normen für deren richtige Bezeichnung, Zusammensetzung,
Untersuchung und Beurteilung wie bei den Rohfarben aus-
zuarbeiten und festzustellen.
Ebenso sind genaue Normen und Prüfungsvorschriften
für die jeweils erscheinenden Materialneuheiten aufzustellen.
Die weiteren Erörterungen und Vorschläge in diesen
Richtungen müssen dem Kongreß Vorbehalten werden.
5. Es ist eine Liste sämtlicher in der Mal- und Anstrich-
technik bisher verwendeten Farben und Rohmaterialien mit
ihren verschiedenartigen Bezeichnungen aufzustellen, und die
Begriffe darüber, was unter den einzelnen Bezeichnungen
verstanden werden soll, festzulegen.
6. Der Kongreß hat der Literatur über Maltechnik seine
Aufmerksamkeit zu widmen, zn derselben Stellung zn nehmen
und das Ergebnis der Stellungnahme zu veröffentlichen.
Eine besondere Aufmerksamkeit ist für die Folge den
neu auftauchenden Materialien und Verfahren und den über
diese erscheinenden Gutachten zuzuwenden. (Festsetzung der
Zeitdauer zur Beobachtung der zu beurteilenden Materialien
für Ausführungen im Freien und im Innern.)
Der Kongreß soll ferner einen Aufruf erlassen behufs
Schaffung einer Bibliothek der alten und neuen maltech-
nischen Fachliteratur und eines Archivs für Maltechnik. Letz-
teres soll eine Sammlung aller einschlägigen existierenden Fach-
zeitschriften, Patentschriften, Materialankündigungen, Gut-
achten, Atteste über Materialien und Verfahren, sowie
Protokolle und Berichte über die Ausführung bedeutender
Werke der Malerei und des Anstriches u. s. w. enthalten.
Die Bibliothek und das Archiv sollen der „Deutschen
Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren, e. v.
in München" überwiesen, von dieser verwaltet und der All-
gemeinheit zur Benützung zugänglich gemacht werden.
Ferner wolle der Kongreß für die Ergänzung und Er-
weiterung der Materialiensammlung der „Deutschen Gesell-
schaft zur Beförderung rationeller Malverfahren" in dem zu
erlaffenden Aufruf eintreten.

7. Es erscheint notwendig, auf dem Kongresse das
„Für" und „Wider" bezüglich der Erwirkung eines Gesetzes
oder von Verordnungen der einzelnen Bundesregierungen
betr. die Bekämpfung der Farben- und Material-Fälschungen
beziehungsweise betreffs einer entsprechenden amtlichen Kon-
trolle des Farben- und Malmittel-Pandels in Erwägung zu
ziehen und zur Diskussion und Beschlußfassung zu stellen.
8. Stellungnahme gegen die vielfachen Gepflogenheiten
der Behörden, bei staatlichen und städtischen Arbeiten vor-
zuschreiben, was für eine Farbe zu verwenden fei.
9. Stellungnahme gegenüber den Fabrikationsgeheim-
nissen bei Prüfung und Begutachtung der Materialien.
zo. Ernennung einer permanenten Vollzugs-Kommis-
sion für die Beschlüsse des Kongresses, welche im Vereine
mit der „Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller
Malverfahren" mit dem weiteren Verfolg und Vollzug der
Kongreßbeschlüffe betraut wird.
t t- Das Ergebnis des Kongresses ist dem 19. Deutschen
Malertag in München zur Kenntnis zu bringen.
Nach Erstattung der Referate über die Mehr-
zahl der obigen „Leitsätze" und der Verlesung
zweier dein Kongreß zugegangener weiterer An-
regungen, und zwar „Ueber die Farben- und Mate-
rialienfälschungen vom Standpunkte des Künstlers"
(Maler Prof. Tharles I. Palmie-München) und
„Ueber die Wichtigkeit einer genauen und bestimmten
Bezeichnung der Farben- und Malmittel" (Prof. Or.
Linke-Wien), hielt als ^Hauptanziehungspunkt der
Vormittags-Sitzung der kaiserl. russ. wirkl. Staatsrat
Prof. Vr. Naehlmann aus Weimar seinen bei-
fällig aufgenommenen Vortrag über: Die Technik
der alten Meister der klassischen Zeit, beurteilt nach
mikroskopischen Untersuchungen von Bruchstücken
ihrer Gemälde.
Prof. Vr. Naehlmann, auf dem Gebiete der
Farben-Phyfiologie seit laugen: tätig, hat, nachdem
er infolge der Nussifizierung der Dorpater Univer-
sität sich ins Privatleben zurückgezogen, einige wert-
volle Arbeiten über „Farbensehen" veröffentlicht. In
welchen: Zusammenhang das Thema seines Vor-
trages eigentlich mit dem Kongreß zur Bekämpfung
der Farbensälschungen steht, ist nicht recht zu be-
greife::, dem: die Techuik der Meister von: s4-, s5.
und (6. Jahrhundert hat doch mit den: modernen
„Farbenschwindel und Farbenschlendrian" nichts zu
schaffen. Die mikroskopische Untersuchung alter Ge-
mälde zun: Zwecke der Erkenntnis alter Maltechnik
ist in letzter Zeit auch von Prof. w. Ostwald
(Leipzig) mit Erfolg unternommen worden, inwie-
ferne aber die Resultate der beiden Gelehrten über-
einstimmen, läßt sich erst ermessen, wenn mehr da-
von an die Oeffentlichkeit gebracht sein wird. Daß
die neuesten wissenschaftlichen Methoden zur Erfor-
schung vielfach noch in: Ungewissen liegender Dinge
auf den: Gebiete alter Malerei herangezogen wer-
den, kann nur aufs freudigste begrüßt werden, wir
können jedoch unsere Bedenken nicht verhehlen, wenn
aus der Untersuchung eines einzigen Stückchens
Malerei, das den: Tizian, Tintoretto oder Bor-
done „zugeschrieben" wird, gleich auf die ganze
Technik eines Meisters oder gar einer ganzen Pe-
riode geschloffen wird. Man darf dabei nicht ver-
 
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