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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 52
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Der Leipziger Künstlerverein und seine Stiftung
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0716

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7(2

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 52.

Vereins dienstbar, die Bündler — oder doch einige von ihnen —
spielten sich als die einzig wahren Künstler im Verein auf,
und standen im Begriff, trotz ihrer geringen Zahl, wie es ja
nicht selten einer gut organisierten und ohne Umstände vor-
gehenden Minderheit gelingt, die Herrschaft im Künstlervereine
zu dessen Schaden, aber zu ihrem Nutzen an sich zu reißen.
Unter den übrigen Mitgliedern hatte dieses Vorgehen schon
lange lebhafte Mißstimmung erregt. Ls hatte sogar schon
tüchtige Künstler aus dem Vereine hinaus getrieben. Hiergegen
nun allerdings glaubte der Vorstand als Vertreter der Inter-
essen aller Vereinsmitglieder, Front machen zu müssen. Lr
beantragte daher im November (der Anfall des Gröppler-
schen Vermächtnisses erfolgte im März t9v4), in die Satzungen
die Bestimmungen aufzunehmen, daß die Mitglieder des
Künstlervereins keiner anderen Leipziger Künstlervereinigung
angehören dürften. Die Entscheidung hierüber wurde aber ver-
tagt, weil eine Einigung zustande kam, insbesondere dadurch,
daß der Künstlerbund versprach, in Zukunft unter der Flagge
des Vereins zu segeln, d. h. bei seinen Ausstellungen neben
seiner Sonderbezeichnung auch seine Zugehörigkeit zum Leip-
ziger Künstlerverein zu erkennen zu geben. Dieses Ver-
sprechen ist aber nicht gehalten worden, und dies war
die Veranlassung zu dem neuen Vorgehen des Vereinsvor-
standes gegen den Künstlerbund. Daß dies nun zeitlich mit
der Begründung der Gröppler'schen Stiftung zusammentraf,
war rein zufällig. Uebrigens war der Vorstand inzwischen
von juristischer Seite darauf hingewiesen worden, daß die ge-
plante Satzungsänderung keine rückwirkende Kraft haben
könne und die neue Bestimmung auf die schon dem Vereine
angehörenden Mitglieder einer anderen künstlerischen Ver-
einigung nicht anwendbar sei. Die Bündler sind also nicht
aus dem Vereine ausgeschlossen, auch nicht zum Austritt ge-
zwungen worden, sondern in der Erregung über einen an sich
belanglosen Vorfall (die in einer Vereinsversammlung gegen
ein Mitglied des Bundes infolge eines Mißverständnisses aus-
gesprochener Entziehung des Wortes, die aber nachher zurück-
genommen wurde) freiwillig ausgetreten. Allerdings liegt auch
der Gedanke nicht fern, daß sie sich nur einen guten Abgang
sichern wollten, da sie jedenfalls einsahen, daß die Ausnutzung
des Vereins, nachdem dieser einmal stutzig geworden war, für
die Sonderinteressen des Bundes nicht mehr möglich sei. —
Wenn die erwähnte Satzungsänderung (übrigens noch vor
dem Austritt der Bündler) trotzdem noch beantragt worden
ist, so sollte das nur einen Schutz für die Zukunft bedeuten.
Die Mehrzahl der Generalversammlung hat das nach dem
Austritte der Bündler nicht mehr für erforderlich gehalten,
aber gerade daß der Vorstand den Antrag aufrecht erhalten
hat, beweist, daß es ihm nur auf die Sache angekommen ist,
und daß persönliche Abneigung gegen die Bündler nicht sein
Motiv gewesen ist.
Hiernach läßt sich beurteilen, was von der völligen ,Arg-
losigkeit' der Bündler bei der Beratung der Satzungen der
Gröppler'schen Stiftung zu halten ist. Aber auch von einer
Ueberrumplung kann keine Rede sein. Die Satzungen ent-
halten ^ kurze Paragraphen, kaum mehr als drei Druck-
seiten, das meiste rein formelle Bestimmungen, von wirklicher
Wichtigkeit (abgesehen von der von der Stifterin vorgeschriebenen
Begrenzung des Kreises der Empfangsberechtigten) nur die,
in welcher Weise über die Verleihung der aus den Stiftungs-
erträgnifsen zu gewährenden Reisestipendien entschieden werden
solle. Gegenüber dem von einem Bündler gestellten Anträge
auf Vertagung wurde gebeten, doch erst einmal den Entwurf
durchzusprechen, da sich dann vielleicht allgemeine Ueberein-
stimmung ergeben werde. In mehrstündiger Beratung wurde
sodann der Entwurf eingehend erläutert, auch — gerade auf
den Antrag von Bündlern — in einigen Punkten abgeändert,
uud endlich, nachdem die Frage verneint worden war, ob nun
der Vertagungsantrag noch aufrecht erhalten werde, einstimmig
genehmigt. Und das soll eine Ueberrumpelung sein? Erst im
Anschlüsse hieran erfolgte die satzungsmäßige Vorstandswahl.
Der damalige Vorstand wußte also vorher gar nicht, ob er je
in die Lage kommen würde, über die Verteilung der Gröppler-
schen Reisestipendien zu entscheiden. Er wurde aber — und
zwar fast einstimmig — wiedergewählt.

Das Urteil über die Satzungen selbst können wir getrost
allen denen überlassen, die sie kennen. Auf die gegenüber einer
im allgemeinen geäußerten Mißbilligung ausgesprochene Frage,
was denn nun eigentlich daran geändert, gebessert werden
solle, ist man uns stets die Antwort schuldig geblieben.
Wir sind überzeugt, jeder Urteilsfähige, der die Satzungen liest,
wird zugeben, daß dadurch nach menschlichem Ermessen eine
gerechte Verteilung der Reisestipendien so sicher gestellt ist, wie
nur irgend möglich. Insbesondere ist es ganzausgeschlossen,
daß der Vorstand, selbstwenner es wollte, dieStif-
tung als Machtmittel gegen eine ihm mißliebige
Minderheit benutzen könnte, denn in den Satzungen
§ 6 Satz 2 ist bestimmt, daß eine Minderheit dem Vor-
stande die Entscheidung über die Verleihung der Sti-
pendien aus der Hand nehmen kann, daaufAntrag
von zwölf Mitgliedern des Vereins die Entscheidung
einem Preisgericht übertragen werden itiutz, zu dem
die Generalversammlung vier, der Vorstand drei Richter er-
nennt. Bezeichnenderweise ist diese Tatsache in allen von
den Freunden des Künstlerbundes ausgehenden Veröffent-
lichungen sorgfältig verschwiegen worden.
Hieraus ergibt sich auch die Haltlosigkeit der gegen den
Vereinsvorsitzenden, Herrn Professor Seffner, gerichteten Be-
schuldigungen, namentlich, daß völlig ausreichende sachliche
Motive zu einem Vorgehen gegen den Künstlerbund Vorlagen.
Der Vorstand des Leipziger Künstlervereins.
8. Heroux, Teissig,
II. Vorsitzender. I. Schriftführer."
wir haben vorstehend aus den im „Kunstwart"
erfolgten Veröffentlichungen schon alles ausgeschie-
den, was uns geeignet erschien, den Kernpunkt dieses
Streites der beiden Parteien, den die Gröppler'sche
Stiftung bildet, zu verdunkeln. Dieser Kernpunkt
ist aus der Gesamtheit dieses Schriftwechsels in der
Tat mit Deutlichkeit gar nicht mehr zu erkennen.
Zur Orientierung in der Angelegenheit veröffent-
lichen wir daher gleichzeitig noch die Darlegungen
einer sehr gut unterrichteten Seite und hoffen, daß
mit diesem Schlußwort die Sache aus der Welt ge-
schafft wird:
Frau Sidonie, verw. Gröppler, hat (HO^ dem
Leipziger Künstlerverein (00 OOO Mk. vermacht mit
der Bestimmung, daß die Ertragnisse der Stiftung
vornehmlich an einzelne talentvolle und würdige,
dem Verein angehörende bildende Künstler zu Studien-
reisen zu verteilen seien. Ueber die Verteilung der
Stipendien soll nach Z 6 des Statuts der Stiftungs-
vorstand entscheiden, welcher laut H 3 aus demvereins-
vorstand und drei weiteren ordentlichen Mitgliedern
des Vereins besteht. Die Aufsichtsbehörde ist (nach
tz (2) der Nat der Stadt Leipzig, wie es scheint,
ist der Stiftungsvorstand der Ansicht, daß es besser
sei, die Erträgnisse jedes Jahr in mehrere Teile zu
teilen und lieber einer größeren Zahl von Mitgliedern
mit kleineren Stipendien zu bedenken, als etwa jedes
Jahr nur eiueu oder zwei Künstler reichlicher zu
beglücken.
Der Text der Stiftungsurkunde läßt wohl beide
Auffassungen zu. „Einzelne" Künstler sind ja wohl
auch sechs von dreißig oder fünfzig. Daß in 8
der Stiftungsurkunde, der von der Verleihung der
Keisestipendien handelt, gesagt ist, die Mitteilung
sollte dem Empfänger wenn möglich am 20. März,
dem Todestage der Stifterin, mitgeteilt werden, macht
 
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