Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dehio, Georg
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Band 4): Südwestdeutschland — Berlin, 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10980#0407

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Str — 394 — Str

in ganzem Umfange sein Werk. Wichtigste Grundlage der Unter-
suchung bilden 3 Baurisse aus dieser Epoche (im Frauenhaus,
publiziert und eingehend erörtert in der Sonderschrift von H. Kunze
1911 und in den Münsterblättern von J. Knauth). Ihre Bedeu-
tung geht über die Geschichte des Münsterbaus hinaus. Sie waren
in LH. 14. Jh. vielbenutzte Studienobjekte, so daß sich an aus-
wärtigen Bauten Motive aus ihnen benutzt finden, die am Münster
selbst nicht zur Ausführung gelangt sind. Gemeinsam ist ihnen
genaue Kenntnis französischer zwischen 1250 und 1270 entstan-
dener Fassaden, besonders S. Nicaise in Reims und Querschiff
der Notre-Dame in Paris. Die dort ausgesprochenen Ideen sind
mit hoher Selbständigkeit — schon die nach französischem Maße
sehr niedrigen Proportionen des Lhs. nötigten dazu — weiter-
geführt. Für die Ausführung ist zu beachten, daß die rorn. Turm-
fundamente beibehalten, nur nach außen verstärkt wurden. Die
rom. Abschlußwand des Lhs. wurde erst niedergelegt, als die
Fassade im Erdgeschoß fertig war. Man begann 1276 mit dem
NTurm, 1280 mit dem STurm. An diesem ist bereits ein zweiter
Meister, Erwin, tätig. Der erste ist der Erfinder des Risses B.
Diesem gegenüber ließ Erwin Reduktionen eintreten, die wir
hier nicht genauer beschreiben, da sie nur an der Hand des
Risses nachgewiesen werden können. Am ausgeführten Gebäude
empfindet man es als eine Härte, daß die erste starke wage-
rechte Teilungslinie an der Pfl. Gruppe der NWEcke sich am
Turme selbst nicht fortsetzt, sondern erst 3 m höher unter der
Bank des ersten Fensters wieder aufgenommen wird. Dieser Bruch
im horizontalen Linienzug ist durch Erwin herbeigeführt. Ferner
gestaltete er den Wimperg über dem Mittelportal anders als die
der Seitenportale (der erste Meister hatte alle 3 gleichartig geben
wollen). Mit der Rose griff Erwin auf Riß A und damit auf das
Vorbild von Paris zurück. (Die leichten Veränderungen sind nicht
Verbesserungen.) Endlich gehört ihm die im Detail elegante, in
der Komposition trockne Dekoration der inneren Wandseite und
die nichts weniger als wohlgelungene Gestaltung der die Türme
tragenden Freipfeiler (nach Abbruch der rom. Wand). Nach Erwins
Tod, wenn nicht schon früher, trat'eine Stockung ein. Die Türme
erreichten den Abschluß des 3. Geschosses im Jahre 1365. Das frei
vor die Mauer gesetzte Stabwerk wurde, in vergröberter Form
zwar, beibehalten. In den großen Linien trat darin eine Aende-
rung ein, daß die Ausdehnung der über der Rose als Abschluß
der Mittelfassade angeordneten Statuengallerie auf die Türme unter-
blieb, um Raum für die Erhöhung der Turmfenster zu gewinnen.
Für die Türme als solche eine Verbesserung der Proportion, für
das Ganze, durch das Einsinken der Mitte, doch nur eine Ver-
 
Annotationen