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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 26
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Inhalt / Arbeitskalender / Geplante Ausstellungen / Eröffnete Ausstellungen / Laufende Preisauschreiben / Erledigte Preisausschreiben / Geplante Denkmäler / Denkmals-Enthüllungen / Aus Akademien und Kunstschulen / Staatsauftrag etc. / Stipendien / Personal-Nachrichten
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"Kunstvereinsgaben"
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0350

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3H6

Heft 26.

Die Werkstatt der Kunst.

sung der Hrage bot, wurde bald in Deutschland
viel nachgeahmt. In ihrer Weiterentwicklung er-
wiesen sich die Kunstvereine auch als lebensfähig.
Leider besaßen die fast ausschließlich aus Lieb-
habern bestehenden Korporationen in: allgemeinen
wenig Empfänglichkeit neu auftauchenden Pro-
blemen gegenüber, waren schwer anpassungsfähig
und im ganzen konservativ.
Besonders scharf tritt die konservative Rich-
tung in der pflege der graphischen Kunst zutage.
Es ist daher angebracht, aus diesen Punkt die Auf-
merksamkeit der beteiligten Kreise zu lenken, um
einem Fortschritt womöglich die Wege zu ebnen.
Hast alljährlich verteilt die Wehrzahl der deut-
schen Aunstvereine unter ihre Mitglieder Blätter in
Aupferstich oder Radierung, die zumeist sich durch
einen höchst zweifelhaften Aunstwert auszeichnen, als
Bereinsgaben. Diese Gaben, auch „Nietenblätter"
genannt, waren früher vielleicht geeignet, Leuten,
denen geringe Ruttel die Erwerbung von Gemälden
unmöglich machten, einen passenden Wandschmuck
zu bieten und ihnen Gelegenheit zu geben, sich von
irgend einem berühmten Bild, welches ihnen im
Original nicht zugänglich war, eine entsprechende
Borstellung zu machen. Damals kannte man als
geeignetes Reproduktionsmittel nur den Aupferstich,
dem sich später die Radierung wieder zugesellte. —
Diese Verfahren liefern aber keine genaue Repro-
duktion, sondern eine sogenannte „Rebersetzung",
eine „freie Nachdichtung" des Originales. In ihrer
reproduktiven Eigenschaft werden sie durch die me-
chanischen Reproduktionsverfahren (Photographie,
Lichtdruck, Heliogravüre u. s. w.) bedeutend über-
troffen.
Hier taucht auch eine andere Hrage auf: Hat
die einfarbige Wiedergabe eines farbig gedachten
und gemachten Bildes eine ästhetische Berechtigung,
sobald sie als selbständiges Kunstblatt auftritt?
Ich verneine diese Hrage aus folgenden Gründen:
Beim Gemälde liegt natürlicherweise das Haupt-
gewicht in den Harben, die zeichnerische Kompo-
sition ist der farbigen Komposition untergeordnet,
so daß viele Bilder — ich erinnere nur an Stim-
mungsbilder — ohne Harbe überhaupt nicht denk-
bar wären. Es leuchtet ein, daß also der einfar-
bigen Reproduktion, mag sie an sich auch vorzüg-
lich sein, vom ästhetischen Standpunkt aus ein un-
verbesserlicher Mangel anhastet, da sie das wesent-
lichste des Gemäldes — die Harben — nicht be-

rücksichtigen kann. — In seinem Werke „Walerei
und Zeichnung" gibt Wax Alinger über diese
ästhetische Hrage folgendes geistvolle und scharf-
sinnige Urteil:
„Ein Kunstwerk kann nur dann vollendet sein,
wenn es mit dem Material geschaffen worden ist,
welches den erschöpfenden Ausdruck seiner Grund-
idee möglich macht. Deshalb war die Raffaelische
Zeichnung kein vollendetes Kunstwerk, denn ihre
Idee fand erst Genüge in der Harmonie der Bilder.
Deshalb sind die Reproduktionen und die weite
Wehrzahl der Illustrationen keine Kunstwerke, denn
auch ihnen lag die farbige Darstellung zu Grunde."
Wan könnte allerdings den Praktiker Alinger
gegen den Theoretiker Alinger ins Held führen und
sagen: Dadurch, daß er Reproduktionen radierte,
habe Alinger selbst seine Theorie ins Wanken ge-
bracht. Ich bin nicht dieser Ansicht, ich sehe in
dem Umstand, daß Alinger seine Theorie durch-
löchert und Reproduktionen radiert hat, weniger
einen Hehler in der Theorie, als einen Beweis für
die Schwierigkeiten, die sich selbst einem Alinger
denn Borwärtsschreiten über alte Borurteile und
Traditionen entgegenstellen. Alingers theoretische
Ausführungen über diesen Punkt sind unbedingt
unanfechtbar, und so sehr ich mich für Alingers
ergreifende Radierungs-Zyklen begeistere, so muß
ich doch sagen, daß ich in seinen — zu Huldigungs-
zwecken wohl ganz geeigneten — Reproduktions-
radierungen eigentlich Kunstwerke nicht zu erblicken
vermag.
Ich gestehe gern, daß ich den Wert guter Re-
produktionen nach Gemälden als Studienmaterial
zu Erinnerungszwecken durchaus nicht unterschätze—
aber wohlgemerkt — nur als Wittel zum Zweck.
Sobald die Reproduktion Selbstzweck sein will,
sobald sie den Anspruch erhebt, ein selbständiges
Kunstwerk zu bieten, ist sie vom künstlerischen Stand-
punkt aus zu verwerfen.
Will aber jemand sich von einem Gemälde
eine Wiedergabe verschaffen, so ist es geraten, daß
Stich und Radierung, wenn nicht außergewöhn-
liche Gründe dazu zwingen, nicht berücksichtigt, son-
dern die ungleich bessere mechanische Reproduktion
gewählt wird. Denn für das Studium hat nur eine
objektive Wiedergabe Wert. Eine Reproduktion in
Stich oder Radierung erregt meist lediglich vom
mechanisch-technischen Standpunkte des Stechers oder
Radierers aus Interesse, als Kunstwerk, als er-
 
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