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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 26
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Inhalt / Arbeitskalender / Geplante Ausstellungen / Eröffnete Ausstellungen / Laufende Preisauschreiben / Erledigte Preisausschreiben / Geplante Denkmäler / Denkmals-Enthüllungen / Aus Akademien und Kunstschulen / Staatsauftrag etc. / Stipendien / Personal-Nachrichten
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"Kunstvereinsgaben"
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0351

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Heft 26.

Die Werkstatt der Kunst.

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schöpfende Benutzung künstlerischer Ausdrucksmittel
kann sie nicht betrachtet werden.
In der Tat verzichteten auch Radierung und
Kupferstich, so lange sie sich fast ausschließlich in
den Dienst der Reproduktion stellten, darauf, selbst-
ständige und der Malerei ebenbürtige Aünste zu
sein und bereiteten sich durch das Verkennen und
Verwischen ihrer künstlerischen Aufgabe selbst eine
vernichtende Niederlage.
Als sich die alten Meister der graphischen
Aünste bedienten, gingen sie nicht von dem Ge-
danken aus, ein Verfahren zu üben, mit dessen
Hilfe sie ihre Gemälde vervielfältigen konnten, sie
waren vielmehr der Ansicht — und sie haben diese
Ansicht klar zum Ausdruck gebracht —, daß die
graphischen Aünste eine ganz eigene Aunst bilden,
die ihre eigenen Ausdrucksmittel und ihr eigenes
geistiges Gebiet habe. Sie benützten die graphischen
Aünste völlig selbständig.
Erst Epigonen haben aus den graphischen
Aünstlern (zu denen wir auch frei arbeitende Re-
produzenten, wie z. B. Marc-Anton und die Rubens-
stecher rechnen) Aopisten gemacht. Der Schöpfer
wurde von dem Nachahmer, der subjektive Aünstler
von dem objektiv sein wollenden Aopisten, das
Vriginalkunstwerk durch das Surrogat verdrängt.
Das einzige, was die beiden Verfahren,Kupfer-
stich und Radierung, auf reproduktivem Gebiet noch
hält, ist die Ehrfurcht vor dem Alter. Ist erst diese
letzte Stütze ins Wanken geraten, so ist das Schicksal
jener Aünste auf dem Gebiete der Reproduktion be-
siegelt. Doch sie gehen nur unter, um als selbstän-
dige Aünste eine glänzende Wiedergeburt zu erleben.
was sollen nun die Aunstvereine tun?
Sollen sie die pflege des Kupferstiches und der
Radierung unter diesen Amständen ganz aus ihrem
Programm streichen? Keineswegs! Aber sie sollen
diese künstlerisch und technisch edlen und selbstän-
digen Verfahren in ihrer Reinkultur pflegen, näm-
lich als Griginalstich und als Griginalradierung.
In neuerer Zeit ist ja ein künstlerischer Auf-
schwung in den graphischen Künsten eingetreten,
und die deutschen Graphiker haben sich wieder der
Griginalradierung und dem Griginalstich zuge-
wandt. Auch die Radiervereine, welche der Radier-
kunst „in ganz besonderer weise" dienten, suchten
diese Aunst zu fördern. Das höchste Ziel wurde auch
jetzt oft wieder in der Reproduktion gesucht. Aller-

dings reproduzierte der Radierer nicht mehr ein
farbiges Gemälde, sondern seine einfarbige Zeich-
nung. was aber die Radierkunst spezifisch leisten
kann, das kam nur selten den Radierern zum
Bewußtsein.
Es heißt aber, Zweck und Ziel der Radier-
und Stechkunst verkennen, wenn der Aünstler nicht
über die Zeichnung hinausschreiten will, denn ihm
stehen bei diesen ausgezeichneten Verfahren eine
solche Menge technischer Mittel zu Gebote, daß es
eine unverantwortliche Selbstbeschränkung wäre,
wollte er diese Aünste nur als Mittel, eine Zeich-
nung wiederzugeben, und nicht als Selbstzweck, ein
eigenes, über die Zeichnung hinausgehendes Kunst-
werk zu liefern, ansehen.
Schon die bei der Radierung gegebene Mög-
lichkeit, schnell schaffen zu können, ist auf die Wir-
kung, auf den künstlerischen Gehalt der Werke von
größtem Einfluß. Dem walten der Phantasie der
Improvisation ist da der weiteste Spielraum gewährt.
Kraft, Tiefe, malerische große Wirkung, Ein-
fachheit, Verve, unterstützt und verstärkt durch reiche
technische Mittel, stempeln gerade die Radierung
zur edelsten graphischen Aunst, und es ist eine der
schönsten Erscheinungen in der Aunst der Gegen-
wart, daß den Umwälzungen in der Malerei auch eine
neue Entwicklung der graphischen Aünste gefolgt ist.
Sache der Aunstvereine ist es, endlich die„pand-
werkerunterstützungen" fallen zu lassen und die Mittel,
die sie für künstlerisch zweifelhafte „Nietenblätter"
ausgaben, der Aunst zuzuwenden. Die Mittel
denen zufließen zu lassen, die in heißem Bemühen
tätig sind, der Aunst neue Ausdrucksmittel zu ver-
schaffen, den Liebhabern ihr Eigenstes und Bestes
zu geben.
Leider sind auch die Liebhaber meist noch auf
dunklen Pfaden, und da viele von ihnen ihre Aunst-
kenntnisse und ihre Geschmacksbildung lediglich aus
den Aunstvereinen beziehen, so könnten diese Vereine
also auch hier eine segensreiche erzieherische Tätig-
keit entfalten und fördernd wirken.
Auf die äußere Horm der Aunstvereinsgaben
will ich nicht näher eingehen, doch scheint es über-
flüssig zu sein, daß die Aunstvereine sich, gehei-
ligten Traditionen folgend, ausschließlich nach großen
Blättern für den Wandschmuck umsehen. Größe
und Aunstwert stehen ja nicht immer im direkten
Verhältnis. Eine Vereinsgabe, bestehend aus klei-
 
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