Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0608
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Heft 44
DOI article:Todesfälle / Gedenktage / Aus Künstler-Vereinen / Aus Kunstvereinen / Vom Kunsthandel / Aus Galerien und Museen / Auktionen / Vermischtes / Literatur-Umschau / Briefkasten der Schriftleitung / Werbung
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60H
Die Werkstatt der Aunst.
Heft 44.
ist, hinfällig ist. Die Zeichnung und die nur auf Rund be-
rechnete Komposition des Petersburger Bildes lassen beim Ver-
gleich das quadratische putbus'sche Exemplar als eine wenig
glückliche Kopie erkennen, die nichts von Raffaels Hand zeigt.
Berlin. (Aus der Korrespondenz Vincent van
Goghs) veröffentlicht das kürzlich erschienene Juli-Heft der
Eassirer'schen Monatsschrift „Kunst und Künstler" neuerdings
einen Brief an den Bruder des Künstlers, dem wir folgende
interessante Stelle entnehmen: „Ich kann nicht ohne Modelle
arbeiten. Ich drehe wohl der Natur kühn einmal den Rücken
zu, aber ich habe eine furchtbare Angst davor, die Richtigkeit
der Form zu verlieren. Vielleicht später einmal, nach zehn
Jahren Studium — aber wahr und wahrhaftig, ich habe eine
so brennende Neugier nach dem Möglichen und Wirklichen,
daß ich weder den Wunsch noch den Mut habe, ein Ideal zu
suchen, das aus meinen abstrakten Studien entstehen könnte.
Andere mögen für abstrakte Studien begabter sein, sicherlich
gehörst Du dazu, auch Gauguin, vielleicht auch ich einmal,
wenn ich alt bin, inzwischen füttere ich mich durch die Natur.
Ich übertreibe wohl 'mal oder ändere am Motiv, aber ich er-
finde nie das ganze Bild, im Gegenteil, ich finde es sogar
fertig vor und brauche es nur aus der Natur herauszuschälen."
Düsseldorf. Zu einer würdigen Feier des 90. Geburts-
tages Andreas Achenbachs werden in Düsseldorf umfang-
reiche Vorbereitungen getroffen. Da der eigentliche Geburts-
tag, der 29. September, noch in die Ferien der Kunstakademie
fällt, wird die Feier erst später stattfinden.
Florenz. (NeuentdeckteHandzeichnungenMichel-
angelos.) Mbwohl die Handzeichnungssammlung in den Uf-
fizien in Florenz, die größte der Welt, nicht weniger als
H5 500 Blätter beherbergt und die besten Meister von Venedig,
von Umbrien, von Siena, von Bologna, von der Lombardei u. s. w.
in reicher Fülle vertreten sind, haben doch die Sammlungen
in London, Paris und Wien eine viel größere Anzahl echter
Blätter Michelangelos aufzuweisen, als das storentinische Ka-
binett. Die in den letzten Jahren gemachten Entdeckungen
bisher unbekannter Handzeichnungen Michelangelos in den
Uffizien durch den Konservator der Sammlung, Prof. Fern,
und I)r, Emil Iacobsen erregten daher in der gesamten Kunst-
welt berechtigtes Aufsehen. Nach langwierigen Untersuchungen
war es den genannten Forschern gelungen, nachzuweisen und
durch ihre Forschungen festzustellen, daß in den Uffizien noch
eine beträchtliche Anzahl von höchst wichtigen Handzeichnungen
verborgen war, die jahrhundertelang mit Kopien und wert-
losen Blättern vermischt, unbeachtet dagelegen hatten. Z8 Blätter
mit an so Studien zu den berühmtesten Werken Michelangelos
aus den verschiedensten Epochen wurden die Ausbeute der
Nachforschungen, darunter befinden sich Studien zu den herr-
lichen Deckengemälden in der Sixtina, Studien zu der Nacht
und den sitzenden Statuen der Mediceischen Kapelle, Studien
zu den Sklaven, zum Moses und endlich Studien zu dem
Riesenwerk seines Alters, dem Jüngsten Gericht der Sixtinischen
Kapelle. Diese neuen Studien des großen Meisters sollen in
einer würdigen Publikation demnächst veröffentlicht werden.
In Karl W. Hiersemanns Kunstverlag in Leipzig wird das
Merk mit einem beschreibenden Text aus der Feder der Entdecker
in kurzem erscheinen und sämtliche neuentdeckten Handzeich-
nungen Michelangelos in Lichtdruckreproduktionen darbieten.
Kufstein. (Das große historische Stadtfest), das
unlängst Hierselbst abgehalten wurde, bot als einen seiner
Glanzpunkte ein großartiges Festspiel. Das allgemeinste Krteil
bezeichnete die einzelnen Bilder desselben als überaus reiz-
voll mit großer Kunst und Kostümtalent arrangiert. Der
älteren Geschichte der Stadt und Festung Kufstein war
der Stoff entnommen, drei Nornen ein weit ausgreifender
Kommentar in den Mund gelegt zu den ganz hervorragenden
Darstellungen: Flucht der Räter und Aufzug der Römer; Auf-
zug der Germanen. — Armin führt die Schlacht im Teuto-
burger Walde; die Nibelungen; Rüdiger von Bechlarn wird
als Toter Kriemhilden gezeigt; Karl der Große belehnt den
Grafen Gerold mit Kufstein; Friedrich Rotbart im Kyffhäuser.
Aufmarsch der Landsknechte; Beschießung Kufsteins; Gefangen-
nahme Pienzenaus; Begnadigung seiner Gefährten durch
Kaiser Max; Siegfried der Drachentöter. Den Schluß machte
eine glanzvolle Apotheose, in der Germania Mesterreich und
Tirol die Hand reicht unter dem Schirm des römisch-deutschen
Doppeladlers. Das Festspiel, das die Kostümschönheiten des
Festzuges in konzentrierter künstlerischer Form unter Verwen-
dung von über HOO Darstellern zu Fuß und zu Pferd mit
überaus wechselreichen Typen vor Augen führte, errang sich
bei den Festbesuchern, unter denen der Vertreter des Erz-
herzogs Eugen, der Statthalter von Tirol sich befand, in der
Tat einen enthusiastischen Erfolg, mit dem die Stadt auch bei
den anspruchsvollsten Besuchern Aufsehen erregt hat. Das
gesamte Arrangement und die Leitung des Spieles lag in
den Händen des Malers Sieber-München.
Leipzig. (Moritz von Schwinds Aschenbrödel-
fresken), die beim Abbruch des „Römischen Hauses" zu-
gleich mit Prellers Ddyssee-Landschaften abgelöst und provi-
sorisch im Kunstgewerbemuseum untergebracht wurden, haben
jetzt ihre endgültige Aufstellung in der Schule für Frauen-
berufe gefunden.
Lüttich. (Lin Kunstkongreß.) vom Z5.—2 z. Sep-
tember dieses Jahres findet in Lüttich der dritte internationale
Langes äs l'LN public statt. Es handelt sich darum, die öffent-
liche Kunstpflege mit sozialem Geist zu durchdringen, die Kunst
mehr und planmäßiger als bisher für die Volksbildung heran-
zuziehen. Hieran schließen sich dann die weiteren Fragen der
Kunsterziehung, des Kunstunterrichtes und des öffentlichen
Kunstlebens überhaupt. Die Arbeiten des Lütticher Kongresses
sollen in fünf Sektionen geteilt werden: die Schule; 2. Aka-
demien und Kunstgewerbeschulen; z. Museen und Ausstel-
lungen; H. das Theater, die dramatische und lyrische Kunst;
5. Gestaltung des Landes, der Straßen und Plätze. Präsident
des Kongresses ist der belgische Staatsminister August Bernaert.
Mainz. Das in dem Besitz der Stadt befindliche be-
rühmte Koloffalgemälde des Iordaens „Der ;2jährigeJesus
im Tempel" wurde am 22. Juli auf Ersuchen der Bürger-
meisterei in Antwerpen der dort stattfindenden Ausstellung
von Werken dieses Meisters mittels eines besonderen Schiffes
leihweise übersendet. Das Gemälde ist für V2 Million Mark
versichert.
Nürnberg. (Femrichter über das Ausstellungs-
plakat.) wenn das so weiter geht, kann sich Professor Ree
gratulieren. Abermals hat er zur Verteidigung des weißgerber-
schen Ausstellungsplakates in der von ihm geleiteten Aus-
stellungszeitung vom Leder ziehen müssen. Dem Ausstellungs-
komitee ging nämlich von einem gewissen „Natus Norim-
bergus" das folgende zärtliche Brieflein zu: „wohin auch die
sinnigen Plakate des Ausstellungsjahres ;906 versandt werden,
ertönt eine Stimme des Erstaunens, wohin der Geschmack
und Kunstsinn des Nürnberger Komitees der Landesausstel-
lung gekommen sein möge. Ein Nürnberger, der auswärts
kommt, muß sich schämen für seine Landsleute, Spott, Hohn
und mießliebige Kritik nehmen kein Ende. Die Herren, die
diesen Plakatentwurf gewählt haben, wagen viel, wenn sie
ihren zweifelhaften Geschmack für Simplicisfimus-Karikaturen
dem allgemeinen Urteil von Sachverständigen und Nichtsach-
verständigen preisgeben. Pfui Teufel ruft ein jeder, dieses
abscheuliche Blau, welches Himmel und Fahnen als ein ganzes
erscheinen läßt, abgeteilt durch ein paar schwarze Striche.
Alles echt Muster Simplicissimus. Dann die drei schwarzen
Simplicisfimus-Karikaturen, darunter der bedauerungswürdige
Jüngling mit dem steifen Genick, und die alte Kaiserburg,
getüncht mit gelber Küchenfarbe. G Vandalismus in höchster
Potenz, 0 sogenannter Kunstsinn der Neuzeit, wohin hast du
dich verirrt? Deine Anhänger sind würdig, verbrannt zu
werden, würdiger als die Gpfer des grasten Aberglaubens
in der grauen Vorzeit der Inquisition. Sehet euch das Plakat
mit den vier Rössern der Internationalen Kunst- und Len-
bach-Ausstellung ;905 München an und nehmet alsdann
euere Siplicissimus-Karikaturen, alsdann legt euch die Frage
vor, ob sich die auswärts kommenden Nürnberger nicht
schämen müssen ob eures sogenannten Kunstsinnes. Schaffet
ein anderes Plakat im Rahmen des normalen Geschmackes
und übergebet die Simplicisfimus-Karikaturen dem Fegefeuer!"
Die Werkstatt der Aunst.
Heft 44.
ist, hinfällig ist. Die Zeichnung und die nur auf Rund be-
rechnete Komposition des Petersburger Bildes lassen beim Ver-
gleich das quadratische putbus'sche Exemplar als eine wenig
glückliche Kopie erkennen, die nichts von Raffaels Hand zeigt.
Berlin. (Aus der Korrespondenz Vincent van
Goghs) veröffentlicht das kürzlich erschienene Juli-Heft der
Eassirer'schen Monatsschrift „Kunst und Künstler" neuerdings
einen Brief an den Bruder des Künstlers, dem wir folgende
interessante Stelle entnehmen: „Ich kann nicht ohne Modelle
arbeiten. Ich drehe wohl der Natur kühn einmal den Rücken
zu, aber ich habe eine furchtbare Angst davor, die Richtigkeit
der Form zu verlieren. Vielleicht später einmal, nach zehn
Jahren Studium — aber wahr und wahrhaftig, ich habe eine
so brennende Neugier nach dem Möglichen und Wirklichen,
daß ich weder den Wunsch noch den Mut habe, ein Ideal zu
suchen, das aus meinen abstrakten Studien entstehen könnte.
Andere mögen für abstrakte Studien begabter sein, sicherlich
gehörst Du dazu, auch Gauguin, vielleicht auch ich einmal,
wenn ich alt bin, inzwischen füttere ich mich durch die Natur.
Ich übertreibe wohl 'mal oder ändere am Motiv, aber ich er-
finde nie das ganze Bild, im Gegenteil, ich finde es sogar
fertig vor und brauche es nur aus der Natur herauszuschälen."
Düsseldorf. Zu einer würdigen Feier des 90. Geburts-
tages Andreas Achenbachs werden in Düsseldorf umfang-
reiche Vorbereitungen getroffen. Da der eigentliche Geburts-
tag, der 29. September, noch in die Ferien der Kunstakademie
fällt, wird die Feier erst später stattfinden.
Florenz. (NeuentdeckteHandzeichnungenMichel-
angelos.) Mbwohl die Handzeichnungssammlung in den Uf-
fizien in Florenz, die größte der Welt, nicht weniger als
H5 500 Blätter beherbergt und die besten Meister von Venedig,
von Umbrien, von Siena, von Bologna, von der Lombardei u. s. w.
in reicher Fülle vertreten sind, haben doch die Sammlungen
in London, Paris und Wien eine viel größere Anzahl echter
Blätter Michelangelos aufzuweisen, als das storentinische Ka-
binett. Die in den letzten Jahren gemachten Entdeckungen
bisher unbekannter Handzeichnungen Michelangelos in den
Uffizien durch den Konservator der Sammlung, Prof. Fern,
und I)r, Emil Iacobsen erregten daher in der gesamten Kunst-
welt berechtigtes Aufsehen. Nach langwierigen Untersuchungen
war es den genannten Forschern gelungen, nachzuweisen und
durch ihre Forschungen festzustellen, daß in den Uffizien noch
eine beträchtliche Anzahl von höchst wichtigen Handzeichnungen
verborgen war, die jahrhundertelang mit Kopien und wert-
losen Blättern vermischt, unbeachtet dagelegen hatten. Z8 Blätter
mit an so Studien zu den berühmtesten Werken Michelangelos
aus den verschiedensten Epochen wurden die Ausbeute der
Nachforschungen, darunter befinden sich Studien zu den herr-
lichen Deckengemälden in der Sixtina, Studien zu der Nacht
und den sitzenden Statuen der Mediceischen Kapelle, Studien
zu den Sklaven, zum Moses und endlich Studien zu dem
Riesenwerk seines Alters, dem Jüngsten Gericht der Sixtinischen
Kapelle. Diese neuen Studien des großen Meisters sollen in
einer würdigen Publikation demnächst veröffentlicht werden.
In Karl W. Hiersemanns Kunstverlag in Leipzig wird das
Merk mit einem beschreibenden Text aus der Feder der Entdecker
in kurzem erscheinen und sämtliche neuentdeckten Handzeich-
nungen Michelangelos in Lichtdruckreproduktionen darbieten.
Kufstein. (Das große historische Stadtfest), das
unlängst Hierselbst abgehalten wurde, bot als einen seiner
Glanzpunkte ein großartiges Festspiel. Das allgemeinste Krteil
bezeichnete die einzelnen Bilder desselben als überaus reiz-
voll mit großer Kunst und Kostümtalent arrangiert. Der
älteren Geschichte der Stadt und Festung Kufstein war
der Stoff entnommen, drei Nornen ein weit ausgreifender
Kommentar in den Mund gelegt zu den ganz hervorragenden
Darstellungen: Flucht der Räter und Aufzug der Römer; Auf-
zug der Germanen. — Armin führt die Schlacht im Teuto-
burger Walde; die Nibelungen; Rüdiger von Bechlarn wird
als Toter Kriemhilden gezeigt; Karl der Große belehnt den
Grafen Gerold mit Kufstein; Friedrich Rotbart im Kyffhäuser.
Aufmarsch der Landsknechte; Beschießung Kufsteins; Gefangen-
nahme Pienzenaus; Begnadigung seiner Gefährten durch
Kaiser Max; Siegfried der Drachentöter. Den Schluß machte
eine glanzvolle Apotheose, in der Germania Mesterreich und
Tirol die Hand reicht unter dem Schirm des römisch-deutschen
Doppeladlers. Das Festspiel, das die Kostümschönheiten des
Festzuges in konzentrierter künstlerischer Form unter Verwen-
dung von über HOO Darstellern zu Fuß und zu Pferd mit
überaus wechselreichen Typen vor Augen führte, errang sich
bei den Festbesuchern, unter denen der Vertreter des Erz-
herzogs Eugen, der Statthalter von Tirol sich befand, in der
Tat einen enthusiastischen Erfolg, mit dem die Stadt auch bei
den anspruchsvollsten Besuchern Aufsehen erregt hat. Das
gesamte Arrangement und die Leitung des Spieles lag in
den Händen des Malers Sieber-München.
Leipzig. (Moritz von Schwinds Aschenbrödel-
fresken), die beim Abbruch des „Römischen Hauses" zu-
gleich mit Prellers Ddyssee-Landschaften abgelöst und provi-
sorisch im Kunstgewerbemuseum untergebracht wurden, haben
jetzt ihre endgültige Aufstellung in der Schule für Frauen-
berufe gefunden.
Lüttich. (Lin Kunstkongreß.) vom Z5.—2 z. Sep-
tember dieses Jahres findet in Lüttich der dritte internationale
Langes äs l'LN public statt. Es handelt sich darum, die öffent-
liche Kunstpflege mit sozialem Geist zu durchdringen, die Kunst
mehr und planmäßiger als bisher für die Volksbildung heran-
zuziehen. Hieran schließen sich dann die weiteren Fragen der
Kunsterziehung, des Kunstunterrichtes und des öffentlichen
Kunstlebens überhaupt. Die Arbeiten des Lütticher Kongresses
sollen in fünf Sektionen geteilt werden: die Schule; 2. Aka-
demien und Kunstgewerbeschulen; z. Museen und Ausstel-
lungen; H. das Theater, die dramatische und lyrische Kunst;
5. Gestaltung des Landes, der Straßen und Plätze. Präsident
des Kongresses ist der belgische Staatsminister August Bernaert.
Mainz. Das in dem Besitz der Stadt befindliche be-
rühmte Koloffalgemälde des Iordaens „Der ;2jährigeJesus
im Tempel" wurde am 22. Juli auf Ersuchen der Bürger-
meisterei in Antwerpen der dort stattfindenden Ausstellung
von Werken dieses Meisters mittels eines besonderen Schiffes
leihweise übersendet. Das Gemälde ist für V2 Million Mark
versichert.
Nürnberg. (Femrichter über das Ausstellungs-
plakat.) wenn das so weiter geht, kann sich Professor Ree
gratulieren. Abermals hat er zur Verteidigung des weißgerber-
schen Ausstellungsplakates in der von ihm geleiteten Aus-
stellungszeitung vom Leder ziehen müssen. Dem Ausstellungs-
komitee ging nämlich von einem gewissen „Natus Norim-
bergus" das folgende zärtliche Brieflein zu: „wohin auch die
sinnigen Plakate des Ausstellungsjahres ;906 versandt werden,
ertönt eine Stimme des Erstaunens, wohin der Geschmack
und Kunstsinn des Nürnberger Komitees der Landesausstel-
lung gekommen sein möge. Ein Nürnberger, der auswärts
kommt, muß sich schämen für seine Landsleute, Spott, Hohn
und mießliebige Kritik nehmen kein Ende. Die Herren, die
diesen Plakatentwurf gewählt haben, wagen viel, wenn sie
ihren zweifelhaften Geschmack für Simplicisfimus-Karikaturen
dem allgemeinen Urteil von Sachverständigen und Nichtsach-
verständigen preisgeben. Pfui Teufel ruft ein jeder, dieses
abscheuliche Blau, welches Himmel und Fahnen als ein ganzes
erscheinen läßt, abgeteilt durch ein paar schwarze Striche.
Alles echt Muster Simplicissimus. Dann die drei schwarzen
Simplicisfimus-Karikaturen, darunter der bedauerungswürdige
Jüngling mit dem steifen Genick, und die alte Kaiserburg,
getüncht mit gelber Küchenfarbe. G Vandalismus in höchster
Potenz, 0 sogenannter Kunstsinn der Neuzeit, wohin hast du
dich verirrt? Deine Anhänger sind würdig, verbrannt zu
werden, würdiger als die Gpfer des grasten Aberglaubens
in der grauen Vorzeit der Inquisition. Sehet euch das Plakat
mit den vier Rössern der Internationalen Kunst- und Len-
bach-Ausstellung ;905 München an und nehmet alsdann
euere Siplicissimus-Karikaturen, alsdann legt euch die Frage
vor, ob sich die auswärts kommenden Nürnberger nicht
schämen müssen ob eures sogenannten Kunstsinnes. Schaffet
ein anderes Plakat im Rahmen des normalen Geschmackes
und übergebet die Simplicisfimus-Karikaturen dem Fegefeuer!"