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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 1 – No. 26 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0025

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Freitag, 8. Januar.

1869.







Majer- Mat L§ttt).-1t5- MI. Z§ tt

Die „Mannheimer Abendzeitung" wird
; Anzeigen-Gebühr :

Jiaunheimer Al

. Organ der deulſchen

:. mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich a
die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen



bei der Expedition C© 1 Nr.



Volkspartei in Baden.

18 Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

>



15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.



Ein böſes Beiſpiel.

* * Wir möchten ~+ in unserer Herzensangſt, daß am
n Europa's Republikaner werden
Heinrich von Bourbon den Her-

Ende noch die Fürſte
könnten ~+ den Herrn irt
sst Staatsanwälten zur gefälligen Berückſichtigung empfeh

gerichteten Schriftstücke, daß „ein
nöthiger sei, als ein Cäſar“, und
bin ein Republikaner“! Iſt Das nicht gar zu arg?

In allen Zeiten haben die hohen und höchſten Herr
ſchaften den
es. nun gar
ſchlichte Volk, die Mode des Herrn Heinrich
nachmachten und mit ihm ſagten: „Wir sind Republi

kaner!! Man kann gar nicht wisſ

zuſprechen: „Wir sind Repnblikaner!"

Paar Tauſend würde es ſchwer fallen, ſie alle vor Gerich
zu ſtellen, sie nach Feſtungen

paar Monate einzuſperren.

Mode annähmen, dann ~ würden ſelbſt die Herren Stie-
ber und Bismarck ein Cinſchen bekommen, und wärens
erſt eine Million, wie in Spanien, so würde alle Weli
mit dem tapfern General Prim „links um kehrt!“ machen

und ins Lager der Republikaner überlaufen. Also follt

man dafür thun, daß das böse Beiſpiel des Königsſohnes

Heinrich von Bourbon nicht verführeriſch wirke.

Wer ein wenig Geschichte kennt, weiß auch, daß, als
zur Zeit der französischen Revolution ein anderer Bourbon,
Philipp von Orleans, den Fürſtentitel abschüttelte und sich
einfach: Philipp Egalite, d. h. Philipp Gleichheit! hieß,
allen anderen Fürsten Frankreichs ein ſolcher Schrecken in
die Beine fuhr, daß sie ſämmtlich Reißaus nahmen und
ſich nach Deutſchland flüchteten. Freilich hat Das. ein an-
derer Philipp Cgalite, der Sohn des „Erſten“, dieſes Na-

mens, Louis Philipp, der Bürgerktönig von Frankreich, wie

der gut machen wollen und ein Gesetz erlaſſen, das Jeden
ſtraft, der nur öffentlich zu „wünſchen“ wagt, das die

Republik endlich den Sieg davon tragen möge. Das schöni
Gesetz, das in Folge des Fieschiſchen Attentats in Jrankreic

von Guizot und Thiers eingeſchmuggelt und in Jolge der

Reaktion von 1849 auch von Herrn Stabel ins Badisch
überſeßt wurde, hat aber nicht verhindert, sondern im Ge

gentheile tapfer dazu mitgeholfen, daß endlich Herr Philipp
Gleichheit Il. fortgejagt und die Republik in Jrantreich her-

gestellt wurde. Ja, so geht es! der einmal ausgeworfen

Same, wenn er Frucht getragen, ſät sich nachher von
ſelbſt. Das stolze Wort des klugen Heinrich, des „armen'
Heinrich von Bourbon ſollten wir ſagen, wird nicht wieder
verwischt werden. Die Mode wird Mode werden auch an-
derswo, als in Spanien. Wer hätte es geahnt, daß es
Vielleicht, wer weiß
es, gieht es Deren anderswo, etwa gar in Deutſchland +
entsezlich!h –~ noch mehr. Deswegen iſt es nicht genug
zu beklagen, taß nun gar ein Fürſt, ein Königssohn das
böſe Beispiel gibt und Alle, die es ſind, ſchamroth zwingt
„Auch wir ſind Republikaner!“

dort Millionen Republikaner giebt!

mit ihm offen zu sagen:



Ein Fürſt, ein Königsſohn, ein Vollblutbourbon
erklärt in einem an die proviſoriſche Regierung Spaniens
Waſhington für Spanien
spricht offen aus : „Ich

Ton angegeben, die Mode gemacht. Wenn
Mode würde, daß die kleinen Leute, das
von Bourbon

en, was daraus werden
könnte, wenn erſt ein Paar, dann Hundert Tausend, und

endlich die Millionen die Mode annähmen, öffentlich aus
Schon mit ein

zu befördern und auf ein
Wenn Hunderttausend die

wäre – wenn sie ſich beſtätigte — die von einem Ber-
liner Blatte geſtern gebrachte Mittheilung, daß die Pforte
auf Andringen der Mächte eingewilligt habe, den fünften
Punlt
Versprechen
ſtehenden Verträgen gemäß zu handeln, fallen
Von den versöhnlichen Geſinnungen der Türkei zeugen auch
die bereits erwähnten Milderungen, die sie in den Maß-
regeln wegen Ausweiſung der Griechen hat eintreten lassen.
Darnach können die auf türkiſchem Gebiet geborenen
griechischen Unterthanen unbehindert verbleiben und ſind
nur solche Personen auszuweisen, welche früher türktiſche
Unterthanen gewesen waren und erst ſpäter in den griechiſchen
Staatsverband eingetreten ſind. Aber auch Dieſen bleibt der
Aufenthalt gestattet, wenn sie ſich zur Wiederannahme der
türtiſschen Unterthanenſchaft entſchließen. Weniger verſöhn-
lich tlingt, was aus Griechenland neueſtens verlautet. Die
von griechiſcher Seite bisher angezweifelte, jett aber auch von
dorther als wahr anerkannte Unterwerfung der Kandioten hat
den Kriegsminister nicht abgetühlt, wenigſtens wird = aller-
dings nur durch ein ruſſiſches Organ ~ von fortgeſetten
griechiſchen Kriegsvorbereitungen, bereits begonnenen Truppen-
aushebungen, Zuſammenziehen der Armee an der Landes-
grenze und einer beabsichtigten Heereserhöhung auf 35,000
Mann regulärer und 15,000 Mann irregulärer Truppen
berichtet.

In Kadix iſt ~ wie eine telegraphiſche Depeſche aus
Madrid, s.: Jan. meldet [ der Belagerungszuſtand auf-
gehoben. Dieß ist das Einzige, was an thatſächlichen
Nachrichten aus Spani e n heute Neues vorliegt. Wir
beschränken uns demnach auf einen Rückblick auf das in
unserer gestrigen Nummer mitgetheilte Rundſchreiben des
Ministers des Innern an die Provinzgouverneure, aus wel-
hem unwiderleglich hervorgeht, daß die proviſoriſche ſpani-
sche Regierung es in der Kunſt, die Thatsachen zu ent-
ſtellen, bereits zu einer Höhe gebracht hat, deren. ſich ein
tauſendjähriges Regiment von Gottes Gnaden nicht zu
schämen hätte. Der Miniſter ~ so äußert ſich die Frkf.
Ztg. über das Rundschreiben ~ leugnet die Absicht der
Recſierung, einen Staatsſtreich zu begehen, natürlich ebenſo
bestimmt, wie den Plan, die Bürgermiliz zu entwaffnen.
Wir erinnern zur Karakteriſtik dieser Verſicherung an die

ihrer an Griechenland gestellten Forderungen: das
Griechenlands, dem Völkerrechte und den be-

zu lassen.

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[tee Fälſchuhg, welche derselbe Minister nach den Vorgän-

gen in Kadir in einem Telegramme an die dortigen Be-
hörden in Bezug auf eben diesen Punkt begangen hat.
Während am 5. Dezember Peralta in einer Proklamation,
deren Wortlaut mehrfach veröffentlicht und von der Regie-
rung niemals dementirt worden iſt, die Waffen der Gadi-
taner ausdrücklich und bedingungslos forderte, gab am 10.
Sagaſta seinen Organen den ſpeziellen Anftrag , diese
]Thatſache in der Presſe und auf jede andere Weise dirett in
Abrede zu stellen. Der Minister thut am 5. Januar 1869
ganz genau Dasselbe wie am 10. Dezember 1868 — er lügt;
die Entwaffnung der Bürgermiliz in Malaga war nach den
bisher eingelaufenen direkten Nachrichten ausgesprochene Ab-
ſicht der Regierung und ausdrüctliche Aufgabe des General
Caballero. Ein Muſter von Heuchelei bietet das Rundſchrei-
ben in seinem weiteren Tenor. Der Minister erklärt, daß die
Regierung entſchloſſen iſt, die Inſtitution der Bürgermiliz
überall zu ſchützen, wo diese ein Clement der Ordnung sei,
d. h. mit anderen Worten, wo die Bürgermiliz ſich zu willen-

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— |loſem Werkzeug der provisoriſchen Machthaber hergibt, bleiht

Politiſche Ueberſicht.

Mannheim, 7. Januar.

* In Bezug auf die Konferenzf rage liegi heute di
Meldung des amtlichen Pariſer Blattes vor, daß auf di
Cinladung zur Konferenz, deren Zuſammentritt am 9. er
folgen ſolle, bereits mehrere Mächte Ruſtimmend geantworte

und die sofortige Ueberſendung der Instruktionen und Voll-

machten an ihre Vertreter angekündigt haben. Ueberein
ſtimmend hiermit bezeichnet die miniſterielle preußiſche „Pro

der Konferenz, welcher sie, „falls nicht unerwartete Zwi

ſchenfälle eintreten," ein in wenigen Tagen zu erreichendes

gutes Crgebniß prophezeit, und fügt bei, daß die besonder
Vollmacht zur Vertretung Preußens an
Solms (den interimistiſchen preußiſchen Geſchäftsträger ſei
der ſchweren Erkrankung des Botſchaſters Grafen v. d

Goltz) bereits abgegangen sei. Einige in den jüngsten Ta-

gen aufgetauchte Gerüchte von einer Verzögerung des Kon
ferenzbeginns scheinen hienach auf ihren Unwerth zurüctge

y ſührt. Cin günſtiges Anzeichen für einen guten Verlauf
der Verhandlungen, soweit derſelbe von der Pforte abhängt,

§

vinzial-Korreſpondenz“ den 9. als den Tag des Beginns

den Grafen

ſie ug wo sie republikaniſche Anſichten kundgibt, wird
ſie aufgelöſt!

Wir haben kürzlich von einer aus England in Frank-
reich angekommenen chineſiſchen Geſandtſchaft
berichtet. Ueber die Aufgabe dieſer Geſandtſchaft, an deren
Spitze der Amerikaner Burlingame steht, macht die Liberte
folgende Angaben: - „China iſt bereit, als Grundlage sei-
ner künftigen Politik das Geset der Nationen anzunehmen.
Es will ſich den Beſtimmungen deſſelben auch in jenen
Punkten unterwerfen, infwelchen ſie mit seiner bisherigen über-
lieferten Politik im Widerspruch ſtehen. China will nicht
länger außerhalb der gewöhnlichen diplomatischen Beziehun-
gen gehalten werden; es wünscht, unter den Nationgs der
Erde als Ration anerkannt zu werden und in den euro-
päiſchen und amerikanischen Städten konſulariſche Privile-
gien zu erlangen. Als Entgelt wird die chinesſiſche Regie-
.\rung das] unbegrenzte Recht des Wohnsitzes auf ihrem Ge-
biete einführen, welches den Schutz einschließt, welchen sie
allen Bürgern ihres Staates angedeihen läßt. Sie wird
im ganzen Reiche die Kultusfreiheit ſichern und die Er-
laubniß ertheilen, Schulen zu errichten. Sie wird ihr
Münz-, Gewichte und Maßſyſlem reformiren. Mit einem

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Worte, China iſt bereit auf alle internationalen Verpflich-
tungen einzugehen, welche von der modernen Ziviliſation
benachbarten und befreundeten Staaten auferlegt werden.
(Mit der amerikanischen Regierung iſt bereits ein in 9 Ar-
tikeln abgefaßter Vertrag abgeschloſſen worden; über den
in England erzielten Erfolg der Geſandtſchaft hat unsere
Nr. 3 Ciniges mitgetheilt.)

In Wien hat eine am 4. ds. erfolgte Beſchlagnahme
eines dortigen Blattes einiges Aussehen erregt. Natürlich
nicht die Beſchlagnahme selbt derlei Maßregeln den
Reiz der Neuheit, ja auch nur der Seltenheit zu benehmen,
dafür iſt ja faſt allenthalben bestens geſorgt sondern wegen
des Artikels , durch deſſen Abdruck der „Volksfreund“ ſich die
Konfiskation zugezogen hat. Es war ein päpſtliches
Schreiben, worin dem Redakteur des ultramontanen
„Tyroler Volksblattes“ für deſſen Kampf wider die neue Ges
ſezgebung in Oesterreich höchſtes Lob geſpendet und allen
Denen, die sich diesem Kämpen (der inzwiſchen wegen seiner
ſo helobten Kämpfe zu einer Freiheitsſtrafe verurtheilt worden)
anſchließen, der apostoliſche Segen ertheilt wird. Die Staats-
anwaltſchaft scheint hierin eine durch das Strafgeſet verbotene
„Gutheißung ungeſetzlicher Handlungen“ erblickt zu haben,
und es wird vielleicht auch außerhalb Oeſterreichs verſtockte
Leute geben, die sich diesmal auf Seite des Staatsanwalts
ſtellen.



Deutſchland.

* Mannheim, 7. Jan. „Es iſt allerdings eim mühe
volles, zeitraubendes Geschäft“, die von den „Offenburgern"
beschloſſene neue Organisation der nationalliberalen Kräfte (!)
des Landes ein- und durchzuführen: „aber + Jo ſagt nämlich
die „Bad. Landesztg." ~ zu ihrer Ehre und zum Wohl des
Landes müſſen ſie das Werk vollenden.“ ~ Nun hat freilich
das Werk noch nicht einmal einen Anfang genommen, und iſt
auch keine Aussicht vorhanden, daß daſſelbe nennenswerthe
Fortschritte machen werde. Wenn daher „die Ehre“ der
„Offenburger“ und das „Wohl des Landes“ von der Durch-
führung der projektirten Orgarîssation der „nationallibera-
len Kräfte" wirklich abhängig ſind, so wären Beide:
„ihre Ehre“ und das „Wohl des Landes“ schlecht beſtellt.
Indeſſen, für ,die Chre“ der „Offenburger“ haben wir
keine Sorge zu tragen; im Interesse des Landes aber be-
grüßen wir die Haltung unserer Bevölkerung, welche die
Syrenengesänge der Nationalliberalen abweist, feſt in der
Zuversicht, daß das politische Schiff Deutschlands nur dann
den ſichern Hafen der Freiheit und Cinheit erreichen wird,
wenn das Volk selbſt am Ruder steht. . . .

* Karlsruhe, 7. Jan. Das Regierungsblatt, Nr. 70, vom
31. Dez., enthält Bekanntmachungen: 1. den internationalen Tele-
graphenvertrag; 2. den telegraphiſchen Verkehr im Lande betresfend.
. Prof. Dienger an der polytechniſchen Schule wurde bis zur
Wiederherſtellung seiner Gejundheit in Ruheſtand verſezt und ſeine
Stelle dem zum Profeſſor ernannten Px. J. Lüroth überiragen. >
Der Termin der nächſten Portepeefähnrichs-Prüfung iſt auf den
5. April feſtgesett. + Das großh. Kriegsminiſterium hat das an
ſein Kanzleigebäude anſtoßende Wohnhaus um 24,000 fl. erworben.

g' Vom Neckar, 6. Januar. Innerhalb der Mauern
Mannheims wictelt ſich gegenwärtig ein Prozeß ab, der in
den Annalen der Geschichte dieser Stadt einzig und allein
dasteht: er betrifft die Einführung gemischter Schu-
len. Sonderbarr Man ſollte meinen, diese Angelegenheit
sei in Anbetracht der Abſtimmung des großen Ausschuſſes
so gut wie entſchieden! Doch der Mensch dentt, und >
die schwarzen Herren möchten lenken. Plötlich entfaltet sich
bei der katholischen Geiſtlichteit Mannheims eine von Frei-
burg kommandirte Agitation, die durch Einwirkung auf
katholische Familienväter das Zuſtandkommen der in Aus-
ſicht genommenen gemiſchten Schulen vereiteln ſoll. Man
hätte vermuthen können, die Niederlage, welche ſeiner Zeit
die ſchwarzen Kaſino's gerade in Mannheim erlebten, habe
zur Genüge bewiesen, daß diese Stadt kein Gebiet für pfäf:
fische Umtriebe sei. Allein die Erfolge bei den Zollparla-
mentswahlen und diezResultate, welche durch den Einfluß
der katholiſchen Geistlichkeit in Offenburg, Baden, Neckar-
gmünd und einigen Landgemeinden gegen die „Mischſchu-
ſen" erzielt wurden, machten die Ultramontanen wieder
kühn. Welcher Siegesjubel, wenn auch Mannheim, dieser

in Baden, „ſchwarz" geworden wäre! Iſt es gerathen,
daß die Mannheimer Bürgerſchaft dieſem ultramontanen
Treiben ruhig zuſieht? + Wir ſagen: Rein! Wir wollen
nicht davon reden, daß in Mannheim auch bei Aufrecht-

Konfeſſionsſchulen der Einſluß der



haltung der seitherigen ;
geistlichen Herren doch nie von Bedeutung werden wird;

Herd, dieser Ausgangspunkt aller freiheitlichen Beſtrebungn qe


 
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