16.69.
Organ der deulſchen Volksparlei in
Die „Mannheimer äbendzeitung“ wird — mit Äusnahme der
Sonntage u
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Badiſcher Landtag.
* Karlsruhe, 10. Novbr. 18. Sitzung der Zw e i-
ten Ka mmer. Vorsitzender: Präs. Hildebrante.
Es werden die Abgg, Kirsner, Heidenreich, Hebting
und Eckhard entſchuldigt.
Cingelaufen : zur Vertheilung eine Schrift von Moritz
Müller in Pforzheim, eine Einladung des philharmoniſchen
Vereins, sowie ein vom Präsidenten des Handelsminiſtee
riums übergebener Nachtrag zum Bericht des Budgets
der Verkehrsanſtalten für 1870 und I8q1.
Min.-Präſ. v. Du ſch legt hierauf das Ciſenbahnbau-
Budget für die Jahre 1870 und 1871 und die Nach-
weiſung über die in der Budgetperiode 1866/67 für den
Eisenbahnbau verwendeten Mittel vor.
Die Abg.~Ki ef er und Mor ſta dt zeigen an, daß
die Berichte über Zivilehe und Maß- und Gewichtsord-
nung, welch letzterer nicht gedruct werden möge, fertig
seien und das Sekretariat meldet den Einlauf einer ge-
wiſſen Anzahl von Petitionen, meiſtens gegen das beab-
ſichtigte neue Wirthſchaftsgeſes (welches, gelegentlich be-
merkt, in der Kommission der Erſten Kammer, wohin es
zuerſt kommt, auf so entſchiedenen Widerspruch geſtoßen
sein soll, daß es vermuthlich fallen wird.)
Es wird nunmehr zur Berathung des durch den Abg.
Paravicini erſtatteten Berichtes der Budgetkommission
zz! das ordentliche Budget des Gr. Handelsminiſteriums
geſchritten.
Tit. L „Ministerium“ mit einer Anforderung von
jährlieh, 31,125 fl., wird ohne Diskuſſion ange-
nommen.
Zu Tit. 11 „Bearbeitung der Landessſtatiſtik“ bemerkt
der Abg. G e rw ig, daß die Wahltreiſe auf den Grund
jetzt durchaus veränderter Zahlenverhältnisse normirt ſeien,
weßhalb es noth thue, daß eine neue Eintheilung ſtatt-
finde, worauf
Min.-Präſ. v. D uſ ch die Erklärung abgibt, daß
ſolche im Werke sei. :
Tit. UI „Beförderung der Gewerbe“ fordert für
1870/71 je 21,054 fl. und anerkennt hiebei der
Abg. Tritſcheller die vortheilhafte Wirkung der
Bemühungen der gr. Regierung für Hebung der ſchwarz-
wälder Uhrenfabrikation, insbesondere durch das lette
Preisausſchreiben und empfiehlt diesen Induſtriezweig aufs
Angelegentlichſte. ;
Abg. G er wig unterſtütt diesen Wunſch des Vor-
redners und kommt auf die Förderung des Zeichnen-
Unterrichtes, der ſich immer mehr als Bedürfsniß der Ge-
werbtreibenden herausſtele. Cr habe ſchon ſeit Jahren
die Meinung gehabt, daß das sehr verbreitete Talent
zum Zeichnen aufzuſuchen und auszubilden sei. Ins-
heſondere Volksſchullehrer könnten dann zu Zeichnenlehrern,
Deſſinateuren u. dgl. herangezogen werden. Dazu sei
aber die Aufstellung einer bedeutenden Lehrkraft an einem
Seminar nöthig und er empfehle zum Zwecke der Kosten-
ersſparung, daß man ſtatt der drei konfessionell geſchie-
t Anstalten dieſer Art künftig nur eine einzige
erhalte. |
Abg. B a umst a rk stellt an den Min.-Präſ. von
Duſch die Anfrage, ob die unter die Mitglieder des
Hauſes vertheilte Denkschrift von Feod. Diez über Kunſt
und Getverbe offiziöſsen Inhaltes sei, worauf der Be-
fragte erwidert, daß in ihr eine reine Privatarbeit des
Verfaſſers vorliege. z
Abg. Baumſfſt ark wendet ſich nun besonders gegen
2 Stellen der genannten Broſchüre und bezeichnet den
in ihr wohnenden Geiſt als irreligiöss. Der Abg. Ger-
wig habe zwar gesagt, die Kunſt habe keine Religion,
doch sei der Geiſt der Kunst jeweils abhängig von dem
religiöſen Zuſtande der Völker gewesen. Der Verfasser
der Stärift wolle die nach jeiner Ansicht im Zerfallen
begriffene Religion durch ein neues Prinzip, das helleniſche
_ Jdeal erſeßen, dadurch ins Heidenthum zurückführen und
hiezu ſei die erstmalige Anforderung von 5000 fk.
bestimmt. Es beruhe der leitende Gedanke auf einer
ganz verkehrten geschichtlichen Anſchauung und widerspreche
dem Geist unseres Volts. Er warne deßhalb die Kam-
.: , Bewilligungen zu widerchriſtlichen Zwecken zu
machen. ;
Abg. R enk tadelt, daß der Referent des Miniſteriums
zu geringſchäßzig auf unseren Gewerbe-Unterricht schaue.
Allerdings sei Württemberg gewissermaßen voran und
verſtehe es, aus Ausstellungen Schauſtellungen zu machen.
auch solche von ganz ausgebildeten Leuten reifen Alters
zur Erhöhung des Effekts verwendet worden; doch ver-
kenne er nicht, daß man ſich dort mit aller Macht auf
Zeichnen und Modelliren geworfen habe. Der Referent
habe auch faſt nur große Anſtalten beſucht. Ungere be-
züglichen Reſultate seien zufriedenſtelend und es em-
pfehie ſich vielleicht, die gewerblichen Fachſchulen weiter
u bilden.
f Min.-Präſ. v. D u ſ < : Der Abg. Baumſtark spreche
immer von einem Kampfe der Regierung gegen die ka-
tholiſche Kirche als eine kulturfeindliche Macht. Herr
Staatsminister Jolly habe dagegen schon protestirt und
die geſammte Regierung erkenne an, daß die Kirche Vieles
geleiſtet habe. Sie werde ihrem Prinzip nicht untreu
werden und nur gegen Tendenzen in der Kirche den
Kampf führen. Die christliche Kunſt habe jeweils ſehr
ſtart aus dem Alterthum geschöpft. Er weise die durch
nichts begründete Aeußerung Baumſtarks auf's Entſchie-
denste zurück.
Bezüglich des gewerblichen Unterrichts gebe er die
Versicherung, daß, wenn auch nicht Alles geleiſtet werden
kann, doch das Mögliche geſchehen werde.
Abg. v. G ul at: Die Absicht der Diez'ſchen Schrift
gehe nur auf Erhöhung der Kunstschule zu einer in-
duſtriellen Hochſchule. Cs ſei nicht zu verkennen, daß ſeit
Aufhebung der Uhrmacherſchule ein Rückschritt dieſes In-
duſtriezweiges eingetreten ſei. Die technische Vollendung
leide durch häufig vorkommende Geschmacklosigkeit. Baum-
ſtarts Ansicht über die Schrift von Diez theile er nicht.
Indem letztere gegen Dogmen auftrete, verſtehe dieselbe
darunter hur oberſte Grundſsäße und Normen in der
Kunſt. Schillers Werke würden ja anch nicht verbannt
trog der Ode an die Freude und dem Gedichte auf die
Götter Griechenlands. Er ſchließt mit Befürwortung einer
industriellen Hochſchulee.
Abg. S chm etzer ſpricht für die Verbesſerung des Zeich-
nenunterrichts an Mittelſchulen. Auch höhere Bürger-
schulen bedürften hierin einer gründlichen Reform. Bei
techniſchen Fächern ſei Vorbildung hierin durchaus nöthig.
Abg. H of f hat die Diez'sche Broſchüre zu ſeinem
Bedauern zwar noch nicht geleſen , kennt aber im Allge-
meinen deren Inhalt und ſchließt sich den Ausführungen
von Gulats an. Nicht soin Bezug auf die Kunſtakademien ;
dieſe hätten noch nicht viel Erſprießliches geleiſtet, da
ſich unſere deutſchen Nünſtler, abweichend von den
franzöſischen, zu erhaben über das Gewerbe düntkten. Die
von Gerwig gewollte Aushilfe durch eine Mittelſtufe sei
nöthig. Baumſtarks Befürchtungen ſeien grundlos. So
lange hoffende Menſchen lebten , werde die Religion nicht
schwinden. Auch unter den Jüngern der antiken Kunst
habe es immer Nazarener gegeben.
Abg. Kuſel: Baumſtark werde bei nochmaligem
Durchlesen der getadelten Schrift finden, daß er sie miß-
verſtanden habe. Sie nenne unter Anderem Gleichgewicht
ein Dogma. Redner nimmt sodann die Künſller gegen
den ihnen von Hoff gemachten Vorwurf des Stolzes in
Schutz und erwähnt tünſtleriſcher Anerbieten zu Gewerbe-
Zwecken. Durch die Munifizenz des Großherzogs besihe
die Kunsſtſchule bedeutende Lehrkräfte und es sei nur ein
kleiner Zuſchuß nöthig. Die höhere Ausbildung Einzelner
ſei aber Bedürfniß.
Min.-Pr. v. Duſ < hält die Schaffung einer kunst-
gewerblichen Hochſchule nicht für dringend.
Abg. Gerwig: Am Fundament müsse begonnen
werden. Vor Allem seien Zeichnenlehrer nöthig, und da
Schullehrer ohnehin das Seminar zu beſuchen hätten,
könne der Unterricht im Zeichnen am beſten dort ertheilt
werden, weßhalb er einen Zuſot, zum Budget beantrage,
der tu Anstellung eines ausgezeichneten Lehrers hiefür er-
mögliche. ]
Abg. No kk hält das Budget für hinreichend, welches
1500 fl. für Ausbildung von Lehrern vorſehe. Die
Gründung einer höheren Kunstſchule sei nur der näheren
Erwägung der Regierung zu empfehlen.
Abg. Ki efer iſt Gerwigs Ansicht und empfiehlt, die
Hälfte der für kunstgewerblichen Unterricht bestimmten
5000 fl. dem Miniſterium des Innern zu dieſem Zwecke
zur Verfügung zu ſtellen. Nachdem er noch das von ihm
während des letzten Landtags ausgeſprochenen Wunſches
der Ertheilung gleichen Unterrichts in den Kasernen er-
wähnt, protestirt auch er gegen die Warnung Baumſtarts, |.
die unberechtigt sei und einer Mahnung an das Haus
gleichtommt, welches fich ſeiner Gesammipflicht bewußt ſei. |
Ultramontanismus in Kopf und Herz Baumfſtarks Platz
“gie hdt "v. Duſch verwahrt sich gegen Kiefers
Vorſchlag. Die ganze Summe von 5000 fl. sei nöthig
für den in der Karlsruher Gewerbehalle zu ertheilenden
Unterricht ; es laſſe sich mit dem Reſt von 2500 fl., der
nach Kiefers Vorſchlag bleibe, nichts Ershrießliches mehr
ausführen. tt zzusi
VBolitiſche Ueberficht.
Mannheim, 11. November.
* In dem preuß i ſ< e n Abgeordnetenhauſe hat
der Handelsminiſter die Antwort, auf die an die Regie-
rung bezüglich des Verkaufs der Ciſenbahnen in Braunz
schweig gerichtete Anfrage, auf 14 Tage hinausgesſchoben.
Dieß hat überraſcht; unangenehm berührt. Denn leider
kranken faſt alle preußiſchen Parteien an der von der
Krone betriebenen Eroberungs- Vergrößerungsſucht. Preußen
hat Hannover erobert; Hannover ſollte Braunſchweig
erben . . . folglich solle Preußen nun Braunschweig
Die zoller’ſchen Parteien ſind
erben, Land und Leute.
der Einverleibung Braunſchweigs ſicher. Die Braun-
ſchweiger etwa darüber zu befragen, ist eitel Kinderei!
Und so schauen die gekrönten und ungekrönten Zollern in
Habgier nach den Eiſenbahnen des zu verſchlingenden
Ländchens aus , die reichen Zuſchuß in die am Defizit
erkrankte Berliner Staatskaſſe verſprechen. Die zollerſche
Politik und ihre Anhänger huldigen, wie es ſcheint, dem
bekannten Proudhon’schen Sate: ,„Eigenthum iſt Dieb-
ſiahl“ .in umgekehrter Folge. Sie sagen : Dieh-
ſtahl iſt Cigenthum! Denn nur ſo allein erklärt ſich die
Phraſe: Was Preußen erobert, hat Deutſchland . . . ge-
wonnen.
Die h annover’ſ < en Legionäre in Frankreich treibt
es nach Beſchäftigung. Dieses Verlangen iſt schwer zu .
befriedigen, da die Leute beiſammen bleiben wollen. Der ein-
zige Weg bietet ſich in der Gründungeeine Kolonie und ſo haben
denn die Betreffenden ein Geſuch an die franzöſiſche Regierung
gerichtet, eine Kolonie 1n Algier zu gründen. Ein flüch-
tiger Offizier ſchreibt darüber an einen befreundetenBürger
in Hannover : Wenn auf diejſes Geſuch eingegangen wer-
den sollte, ſo würde aber doch immer von einer zwangs-
weiſen Ueberführung der Flüchtlinge nicht die Rede ſein. „So
wahr ich früher berichtet habe, daß nie einer der zu uns
gekommenen Landsleute zurückgehaiten werde, falls er uns
verlaſſen wollte, ebenſo feſt kann ich versichern, daß nie
einer gezwungen werden wird , Frankreich zu verlassen,
um nach Afrika zu gehen." :
Aus Dalmatien wird gemeldet, die Zupa ſei un-
terworsen. Dagegen iſt in der Landſchaft Crivoscie die
Bewegung neuerdings hervorgebrochen. Den Unterwer-
fungsanträgen iſt nirgends zu trauen ; wo die Truppen
den Platz verlaſſen, regen sich die Räubereien. Ohne
Aufgebot größerer Truppenmaſſen wird man ſchwer des
Ausstandes Herr werden.
In der belgiſch en Kammer wurde die Vorlage
diplomatischer Aktenſtücte nach Muſter des engliſchen Blau-
buches verlangt. Der Miniſter erklärte, er halte die Vor-
lage einer Dokumentenſammlung , nicht für nöhig...
Wir sehen Freude auf dem Geſichte der National-Liberalen
erglänzen: ihr Herr und Meiſter Bismarck chat einen
Kollegen gefunden. Doch nicht zu früh gejubelt, ihr
Bismärcker. Der belgische Miniſter sagte erklärend: er
halte die Vorlage nicht für nöthig, „da die Regierung
die Mittheilung von Dokumenten niemals verweigere, ſo-
bald die Kammer ſolche verlange."
Die Differenzen zwiſchen Portugal und Spanien
ſollen ausgeglichen ſein. Auch iſt neuerdings von der
Union die Rede. Will’s König Dom Fernando dennoch
mit der spaniſchen Krone probiren? In Preußen hatte
das Volk geſtern Veranlaſſung zu beten: Erlöſe uns vom
Uebel. Mag der portugiesiſche Kronenträger beten: Führe
mich nicht in Verſuchung.
Auf dem Lordmayorsbankett zu Lo n don gab Glad-
ſtone der bekannten Thatsache Ausdruck, daß die iriſche
Frage große Schwierigtkeiten biete. Wo langjähriges Un-
recht Aufregung geſchafsen, iſt Ruhe ſchwer herzu-
tellen. |
Der Staatsſektretär der Vereinigten Staaten von
Nordamerika erklärte auf eine ſpaniſche Note, daß
Amerika nicht die Abſicht habe, die Kubaner als kriege
In Siuttgart ſeien nicht allein Schülerarbeiten, sondern | Zu ſeinem Bedauern sehe er immer mehr, wie sehr der ! führende Macht anzuerkennen. :
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