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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 27 – No. 50 (2. Februar - 28. Februar)
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Mittwoch, 3. Februar.

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Organ der deulſchen Vollsparlei in Paden. |



1869







Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 tr.,

age und Festtage ~ täg
bei Lokalanzeigen 2 kr.

lich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition C0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.





“Glocke und Mantel.

Die unbegründete Nachricht, daß Württemberg und
Bayern bei dem Präsidium des norddeutschen Bundes An-
_ träge wegen Ableiſtung der Millitärpflicht ihrer Staatsan-
gehörigen in Staaten des norddeutschen Bundesgcbiets ge-
stellt haben sollen ~ erfüllte die Nationalliberalen mit
freudiger Hoffnung. Sie erbliclten in jenen Anträgen eincn
neuen Fortſchritt zur Einigungr und Verschmelzung Süd-
weſtdeutſchlands mit dem norddeutschen Bunde. Die „Magd.
Ztg.“ ſchrieb in dem Vertrauen auf die Richtigkeit jener
Nachricht: y f

M : was der praktiſche Engländer längst erkannt
hat, es wird auch der verblendeten Leidenſchaft mehr und
mehr zum Verſtändniß kommen: die deutsche Cinheit iſt
faktiſch und in allen Hauptsragen ſchon hergestellt; sie
gleicht der friſch gegoſſenen Glocke, von welcher eben nur
der Mantel noch abzuräumen iſt. Und daß gerade in Dem,
was das Ausland allein fürchtet, in der immer innigeren
Cinigung der militäriſchen Kräfte Deutschlands, unaufhalt-
ſame Fortschritte gemacht werden, und daß dem Auslande
ſchon jett eigentlich kein Anlaß mehr geboten iſt, dieser
militärischen Einigung entgegen zu arbeiten, da sie bereits
vollzogen iſt und täglich feſter wird: Das gibt uns die
Zuverſicht, daß es in friedlicher Weiſe gelingen wird, die-
sen Mantel von dem ſtolzen Reiche deutſcher Nation abzu-
ftreifen.“

VWo ist denn das ,ſolze Reich deutscher Nation?“
Cine deutſche Nation gibt es freilich; aber von ihrem ,ſtol-
zen Reiche" zu ſprechen, iſt gegenüber der thalſächlichen
Trennung Deuiſchlands in ſechs Theile eine lächerliche
Phraſe. Die äußerliche Trennung des Landes wäre frei-
lich leicht zu überwinden, wenn nicht die innere Zerriſſen-
heit der Nation mit derselben bestände. Die Nationallibe-
ralen ſind zwar immer mit der- Verſicherung da, daß die
ganze Nation, mit Ausnahme weniger Demotraten, Ultra-
monlanen und Aristokraten, einig sei und nichts lebhafter
wünſche, als die Unterwerfung unter das norddeutjche
Bundes-Präſidium. Aber nicht nur weist die ungeheure
Mehrzahl der Südweſtdeutſchen eine ſolche Unterwerfung
zurück, ſondern, mit Ausnahme der Altpreußen, tragen
auch faſt ſämmtliche Bundesangehörige Norddeutſchlands
mit Unmuth ihr bolitiſches Geschick. Freilich tritt überall
nur eine verhältnißmäßig geringe Zahl mit ihren Ueber-
zeugungen offen und rückthaltslos hervor; aber die schwei-
genden Massen stehen hinter ihnen. Wenn Dem nicht so
wäre: würden wir in Hannover einen q,partikulariſtiſchen
Bürgerabend“ und einen q,deutſchen Volksverein“ haben ?
Nur das Vertrauven, ihren sichern Boden im Volke zu
finden, ließ dieſe Vereinigungen entstehen. Nein + die Eini-
gung und Verſchmelzung liegt gerade deßhalb noch im
weiten Felde, weil, mit Ausnahme der Altpreußen, das
deutſche Volk von derselben auf dem Wege, auf welchem
dieſelbe verſucht wird, nichts wiſſen will. Ganz richtig
bezeichnet die „Magd. Ztg." den Weg als den durch die
„militäriſchen Kräfte". Ein solcher aber führt nicht zur

Einigung, sondern zur Unterwerfung, nicht zur Freiheit,| '

sondern zum Zäsarismus, für den das deutsche Volt noch
nicht reif iſt und hoffentlich nie reif wird. Nicht die
Glocke der deutschen Cinheit ist gegoſſen : der Mantel nur
iſt fertig, der Mantel „militärischer Kraft“. Und wenn
dieſer abgeworfen worden, wird man die Grube ~ leer
finden. Möge diese von dem Mantel des Rechts über-
baut werden, dann wird das deutſche Volk das Metall
der Freiheit hinzutragen und die Glocke des ,ſtolzen
Reiches deutſcher Nation“ wird alsbald hell und freudig
durch alle deutschen Lande schallen. Cher aber nicht. Die
Glocke, von der die Nationalliberalen träumen, könnte nur
zum Grabgeläute deutschen Rechtes und deutscher Freiheit
dienen. (Deutſche Volks-.)

Politiſche Ueberſicht.

i Mann heim, 2. Februar.
* In Bezug auf ten Stand der Dinge in Athen
sind wir heute, da die bisher hierüber so redjeligen Pariser
Blätter geſlern ~ seit langer Zeit zum erſten Male –
inen weiteren Beitrag zu „Dichtung und Wahrheit“ nicht
gebracht haben, einzig auf eine Berliner telegraphiſche Nach-
richt angewiesen, welche der „Weſerzeitung“ gestern zugegan-
gen iſt. Darnach ſoll Griechenland die Konferenzertlärung
„vorläufig im Prinzip“ angenommen haben, seinen for-



[cp

ſchon in alten Zeiten die treueſte Pflegerin von Kunst und
Wissenſthaft ~ geweſfen.

lung, die am 25. Januar Abends im ,grünen Hauſe“

freudigen Wirken der Lehrer in der Schule abhängt. Diese

ſchen Beziehungen ergreife und die bereits ausgewiesenen
griechischen Unterthanen entschädige. An der Beseitigung
der noch bestehenden Schwierigkeiten werde nicht mehr ge-
zweifelt. ~ Die vielerwähnte K onfer enz erklär ung
soll nach Mittheilung eines Londoner Korreſpondenten der
„Independance“, der eine Abschrift derselben gelesen haben
will, folgendermaßen lauten: „Die Konferenz erklärt, daß
ſie es der helleniſchen Regierung an's Herz legt, in Zu-
kunft in ihren Beziehungen zur Türkei die Regeln des Be-
tragens zu beobachten, welche allen Regierungen gemeinſam
sind, und auf diese Weiſe den Forderungen der Pforte Be-
trefs der Vergangenheit beizutreten, indem sie sie gleich-
zeitig für die Zutunft sicher stellt. Griechenland foll sich
in Befolgung Dessen künftig enthalten, die Bildung aller
gegen die Türkei beſtimmten Banden auf seinem Gebiete zu
begünstigen oder zu dulden, und soll die nöthigen Maßre-
geln ergreifen, um die Ausrüſtung von Schiffen, die auf
irgend eine Art irgend welchen Inſurrektionsverſuch in den
Besitzungen Se. Maj. des Sultans zu unterſtüten bestimmt
ſind, in seinen Häfen zu verhindern."
So ſchweigſam die neueſten Pariſer Blätter über die
Konferenzangelegenheit sind, so lebhaft beschäftigen sie sich
mit den Verhandlungen des preußiſchen Abgeordneten-
hauſes über die Beſchlagnahme von Vermögenstheilen des
Königs von Hannover und des Kursürſten von Hessen.
Der rechtlichen oder vielmehr unrechtlichen Seite der Frage
wenden sie weniger Aufmertkſamkeit zuz was sie hervor-
heben, iſt hauptſächlich das Bismarck sche Geständniß des
in ſchönſter Blüthe stehenden preußiſchen Spionenweſens
und das böſe Gewisſen ſowohl als die Frivolität, womit
im deutschen Muſterſtaate der Raub von Privateigenthum
durch die Gefahren gerechtfertigt wird, welche dem Bestand
der preußiſchen Monarchie durch eine ~ Denfschrift, wie
ſie der Kurfürſt von Hesſen versendet hat, und durch die
französischen Spaziergänge 1400 unbewaffneter Hannove-
raner drohen ſollen. In erſterer Beziehung bemerkt, ~
anknüpfend an die eigenen Worte Bismarck's, daß er ſich
durch ſein Spionenweſen ,beſudele: ~ tie „France“ :
„Welch' Geständniß! €Es iſt gewiß löblich, gegen ſich ſelbſt
ſtreng zu sein; aber, offen geſagt, Bismarck war bei die-
ſem Ausspruch mehr als ſtreng gegen ſich und ſeine Regie-
rung .. er war grauſam.! z

Im lieben Deutschland flattern bereits die Faſtenver-
kündiger, die biſchöflichen Hirtenbrief e auf. In Bayern,
wo durch den dem Landtag vorliegenden Schulgeſeßentwurf
wenigsſlens das Faulste im dortigen Volksſchulunterrichte
weggeſchnitten werden ſoll, iſt es natürlich die Sorge um den
Verluſt des klerikalen Einfluſſes, welche aus den oberhirt-
lichen Sendſchreiben am Lauteſten hervortönt. Der Erz-
biſchof von München beklagt die „Entchriſtlichung“, deren
Geiſt schon in die Schulen der Kleinen einzudringen ſuche.
Das nächſte Konzil aber, verſpricht der Herr Erzbiſchof,
werde ſchon Mittel zur Abhilfe bringen; sei doch die Kirche



Deutſchland.
H. Manndqheinrt, 1. Febr. Bri der Volksverſamm-

aus Anlaß der bevorſtehenden Wahlen für eine gemiſchte
Schule hier abgehalten wurde, trat auch ein Redner auf,
der ſeinen Antrag auf Zuſtimmung für gemischte Schulen
dadurch begründete, daß er nachwies, welche nie geahnte
Vortheile die Wormſer Kommunalſchule gegenüber den früher
vorhandenen Konfessionsſchulen biete. Derselbe schloß seinen
mit großer Wärme gesprochenen Vortrag mit dem Wunſche.
Mannheims Bürger mögen ſich an den ehrenwerthen Bür-
gern von Worms ein Vorbild nehmen und sich, reſp. ihren
Kindern die Vortheile der gemischten Schule nicht länger
vorenthalten. Der fstürmiſche Beifall der Anwesenden be-
wies, daß man den Wunſch gerne annahm. Nun weiß
aber Jedermann, daß das Gedeihen der Schule von dem
Jreudigkeit zum Berufe iſt aber wesentlich bedingt durch
geſichertes Auskommen. Daher hat der Stadtrath in Worns
am 27. Januar d. J. die Besſoldungen der dortigen Volks-
ſchullehrer nicht nur dankenswerth erhöht, sondern auch
beſchloſsſen, daß der Gehalt aller Lehrer (der Haupt- und
Unterlehrer) von zwei zu zwei Dienstjahren um je 50 fl.
ſte ige. Mannheims Bürger haben nun durch die beiden
denkwürdigen Tage der vergangenen Woche auf's Spre-
chendſte bewiesen, daß sie das Herz auf dem rechten Fleck





mellen Beitritt jedoch davon abhängig machen , daß die
Pforte die Initiative zur Wiederantnüpfung der dipl

haben, wenn es gilt, für die Freiheit des Geistes, für das
omatis!Wohl der Menſchheit, für die Zukunft zu sorgen. Die

|

[fete so zweifeln wir um so weniger an dem gewünſch-
ten guten Erfolg, als die"hiesigen Bürger gewiß den vor-
ſtehend erwähnten Beschluß des Stadtraths in Worms auch
als Vorbild annehmen.

gemiſchte Schule iſt nun hier eine vollendete Thatsache; es
bedarf nur ihrer Organiſation. Und da wir verbürgen
können, daß auch hier + wie in Worms = die Volks-

chullehrer ein warmes Herz für die gemiſchte Schule mit-

* Mannheim, 2. Febr. Die Königin von Preu-

ßen macht „,moraliſche Eroberungen“, ~ die militäriſche
Gewöhnung dazu: so werden wir in unserm geliebten Baden
bald eine ganz ansehnliche Truppe haben, jederzeit bereit,
die Mainlinie zu durchbrechen. |
d etten, die ſich zur höhern Ausbildung in dem Kadetten-
institute zu Berlin befinden, hatten am 16. Januar die

Die 26 badiſchen Ka-

Ehre, von der Königin Auguſta empfangen zu werden.
Die Königin = ſo schreibt einer der Kadetten –~ „war
ſehr huldvoll und gnädig.“ Allrliebſt für einen künftigen
Vaterlandsvertheidigee. Die Königin erinnerte fich an
Dinge, ,die sich ſchon bald vor 20 Jahren ereignet haben.“
Bei uns erinnern ſich gar Viele der Dinge, die ſich ſchon
bald vor 20 Jahren ereignet haben, und dies Gedächtniß
iſt ein nicht „ſtaunenewerthes", sondern ein ganz natur-
gemäßes, weil eben kein wahrer Vaterlandefreund vergeſſen
tahn, wie es vor 20 Jahren zugegangen, wie unter dem
jetzigen König von Preußen –~ dem damals allgemein
als „Kartätſchenprinz“ bezeichneten Prinzen Wilhelm ~
uns in Baden die Begriffe „breußiſcher Beglückung“
durch „Pulver und Blei“ beigebracht wurden. Die Kös-
nigin gedachte des schönen Landes Baden, ,das sie ſo ſehr
liebe,“ und nahm es gar nicht unfreundlich, wenn die Ka-
detten „Heimweh“ verſpürten; sie fügte tröſtend bei, die Zeit,
welche die Kadetten noch von der Heimath entfernt zuzue
bringen hätten, sei eine nur noch kurze . . . und die
große Liebe, welche die Kadetten „für ihren Stand“ heg-
ten, „werde ohnehin Alles überwinden." ~ Schließlich
ſprach die Königin ihre Freude aus, die Kadetten ,später
als tüchtige Diener des Staates in ihren versſchiedenen
Stellungen wieder zu ſehen.* ~ Der General v. Wartensz .
berg, Kommandeur des Kadettenkorps, überreichte hierauf
der Königin das Namensverzeichniß der „Sechsundzwanzig“
und die Königin dankte dafür: „denn ſie habe von ihrer
Tochter, der Großherzogin von Baden, die Verpflichtung
übernommen, sich der Kadetten besonders anzunehmen, und
ſie wolle ihr Wort halten." ~ Ja, ja, so eine Kadetten-
ſchule hat ihre Vorzüge. Den „Sechsundzwanzig“ wurden
nach dem Empfang ,auf allerhöchſten Befehl Ihrer Ma-
jeſtät“ die „inneren Räume des königl. Schlosses gezeigt"
und dann haben sie die Aussicht, Mitte Februar „Sr.
Majestät dem Könige“ vorgestellt zu werden. Da mag ihr
Herz in unterthäniger Ehrfurcht erſterben'

A Karlsruhe, 2. Februar. Die „Karls. Ztg."
beſtätigt, daß gegen Weihbiſchof L. Kübel und Pfarr-
verweſer M. Burger Untersuchung eingeleitet worden ſei.
Zum beſſeren Verſtändniß der Angelegenheit wiederholen
wir den Verlauf der Sache. Der Crlaß des erzbiſchöflichen
Kapitelvikariats, welches Herrn Bürgermeiſter von den tirch-
lichen Gemeinſchaftsrechten rc. ausschließt, iſt vom 14. Ja-
nuar; derſelbe wurde am 28. Januar durch Schreiben des
kath. P,arramts St. Stephan dem Gemaßregelten eröffnet.
Herr Stromeyer gab dem Bezirksamt Konſtanz offizielle
Kenntniß von dem Geschehenen. Das Bezirksamt erstattete
Bericht an das Miniſterium des Innern, weil durch das
Verfahren der Kirchenbehörde die Beſlimmungen der §§
618 und 685 c des St.G.-B. verleßt erscheinen. Das
Ministerium des Innern erſtattete Vortrag an das Staats-
miniſterium, das Juſtizminiſteriuum einen Beivortrag. Hier-
auf erfolgte Genehmigung zur ſtrafgerichtlichen Verfolgung
der oben Genannten und erhielt die Staatsanwaliſchaft in
Freiburg eine erforderliche Weiſung. Auf Antrag derſelben
hat die Raths- und Anklagekammer in Freiburg durch Bes-

ſchluß vom 30. Januar den kreisgerichtlichen Unterſuchungs>
richter, Kreis-Gerichts-Rath Deimling, mit Führung der
Untersuchung beauftragt. ~ Und nun der Prozeß. Das
Vorgehen gegen pfäffiſchen Uebermuth iſt ganz in der Ord-
nung. Nur möchten wir rathen, über den Streit mit der
Kurie unsere übrigen Schmerzen nicht zu vergeſſen und

ſo das bekannte „schwarze Gespenſt“ nicht auſtommen zu

laſſen, hinter welchem unsere Großpreußen gar gerne ihre
Netz
Schwarzrö ; |
die Unfreiheit iſts, ihr gilt der Kampf, ſtecke ſie nun im
schwarzen oder bunten Rocke und auch im Rocke mit
Gold.

e ſpannen und das Volk verlocken möcaten. Nicht die
e allein sind es, welche wir zu betämpfen haben;


 
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