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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 284 - No. 309 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Dienstag, 28. Dezember



Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.



Die „Mianvheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage Ü täglich als Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poftauſschlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.



Politische Uebersicht.
: 1 Mannheim, 27. Dezember.
* Hilf Dir selbt, soll Dir geholfen werden. So

haben wir in unserm Weihnachtsgruße ausgeſprochen und

wir w.rden es fort und fort bestätigen, daß nicht Glaube
und Hoffnung, sondern nur werkthätige Freiheitsarbeit
unſerm Volke ~ allen Völkern > die erſehr.ten Einrich-
tungen der freiheitlichen Entwicklung bringen wird. Zur
werkthätigen Förderung der Freiheitsarbeit iſt aber unum-
gänglich : ein klarer Blick über die ganze Aufgabe hin-
weg; der feſte Entschluß, die ganze Freiheit, die Freiheit
für Alle zu wollen, die Fre ih eit, aus welcher Glück
und Wohlergehen für Alle mit Nothwendigkeit ſich er-
geben muß.

Aus ‘der Unentsſchiedenheit und Maitherzigkeit ziehen
die Gegner allein Vortheil; eine blöße Verneinung der
Gewalt und verhaßter Einrichtungen: wird die Letzteren
nicht beseitigen. Die Frucht der Unentſchiedenheit und der
bloßen Verneinung ist einig Stock un g in der Freiheits-
arbeit und Stockung in derselben iſt nicht allein Still-
ſtand, ſondern Rückſchritt, Zurückweichen vor dem Gegner.
Wir im Süden müſſen feſter, energiſcher die vorläufige,
proviſoriſche ~ aber freiheitliche Vereinigung der ſüd-
deutschen Staaten auf harlamentariſcher Grundlage er-
ſtreben, um der drohenden V e r pr eu ß u ng rinen Rie-
gel vorzuſchieben, den sie nicht durchbrechen kann. Im
Großen und Ganzen muß die Demotratie mchr die in
ihrer Abſicht liegende Umgeslaltung, Beseitigung d.r sozialen
Mißverhältniſse hervorkehren und bezeichnen, um bei Vielen
die verzeihliche Gleichgültigkeit auf Ziele, deren formale
Erreichung im Wesentlichen nichts ändern, zu überwinden ;
die Maſſen auf Grund eines greifbaren, Jedem verſtänd-
lichen und damit Jedem Intereſſe bietenden volkswirth-
schaftlichen Programme zu vereinignn und im wahren
Erg! des Wortes eine unwiderstehliche Volk sp artei
zu bilden. !

Das im Gegenſatze zum Volksthume ſtehende K önig-

thum findet in Wilhelm dem Adler den hervorragendſten
Vertreter. Sein „,tief bewegt, mit Thränen in den Augen“

beſchäftigt nahezu die ganze Preſſe. Thränen wegen der
Kinderklapger, wie Napoleon I. die Orden nannte! Und
keine Thränen für die Opfer der Kartätſchen von 1848
in Berlin ; von 1849 in Baden und 1866 im Vater-
lande? Noch mehr! Keine tiefe Bewegung und keine
Thränen für die Deutſchen in den ruſſiſchen Oſtseepro-
vinzen. Die ruſſiſche Regierung betreibt die Aus -
Örottung des deutſchen Elements in den ruſſiſchen
Oſtseeprovinzen, und im Herzen Wilhelms des Adlers rührt
ſich ~ Ni ch ts ! Ein neuer kaiſerlicher Ukas vom 16 Nov.
beſtimmt, daß sämmtliche Unterrichtsanſtalten des Dorpater
Lehrbezirks ihre Korreſhondenzen in ru sſiſche r Sprache
zu führen haben. Auch macht die Regierung, um die
Ruſſifizirung der deutſchen Verwaltung t er Warschau-
Wiener CEiſenbahn allmälig herbeizuiühren, neueſtens 1hren
Einfluß dahin geltend, daß die deutſchen Eiſenbahnbeanten
gelegentlich entlaſſen und durch ruſsiſche erseßt werden.
So geht es fort . . . und was thut Preußen? Rettet es













Rußland: „Kein Menſch darf heutzutage noch wegen
Race, Farbe, Nationalität oder Religion verfolgt werden.“
Anlaß zu dieser Depeſche gab ihm die Judenverfolgung

die öſtlichen Vorpoſten vor dem gänzlichen Untergang
im ſslaviſchen Despotismus. Es thut nichts. Hier iſt
keine Anwendung der stolzen Rede: was Preußen erobert,
~ hat Deutſchland gewonnen. Und das deutſche Volk?
Dieß ist zerſplittert und ſtumm. Wann wird in ihm
das Bewußtſein thatkräftig werden, daß es traur g beſtellt
sein wird allerwärts : bevor nicht das Volk ſselbſt die
bestimmende Macht ist, so lange nicht der freie Volksſtaat
nach innen und außen jede Ausbeutung vernichten kann.

Die Mittheilungen aus Wien bieten zur Minister-
kriſis nichts Neues. Dagegen erzählen ſie uns von emer
nachträglichen Razzia gegen die FFührer der Arbeiterpartei,
die im Verdachte ſtehen die Masſenkundgebung veranlaßt
zu haben, die am Tage der Eröffnung des Reichsrathes
stattgefunden. Eine deßfalls erlaſſene Proklamation an
die Arbeiter in Wien warnt vor „unüberlegten Handlungen.“
Verharret ruhig auf dem Boden des Gesetzes ~ ſo ſchließt
die Ansprache > die Zeit wird kommen, wo die Ideen,
deren Vorkämpfer Ihr seid, zum Siege gelangen müſsſen.

Das Beiipéel Marimilians ſcheint noch nicht genug-
sam abſchretend gewirkt zu haben. Die Mitglieder d s
italient1ſchen Königshauses wollen zu einem Familien-
rathe zuſammentreten, um in Erwägung zu ziehen, ob

beim Czar zu verwenden.



Deutschland.

* Aus Baden, 27. Dez. Unsere Folgerung, daß
nach der geſchehenen Verkündigung des Gesetzes üher das

des dermaligen Landtags und eine Neuwahl der Kammer

unterſtüßung. Möge unsere Bevölkerung recht ernſthaft
an die Frage herantreten und wenn Regierung und Kam-
mer vermeiden, den folgerichtigen Schritt thun, ſofort

und jede weitere Thätigkeit derselben als unberechtigt er-
klären.

den sollen...... |

Auf die Vorſchläge der Regierung von Washin g-
t on, wegen der Alabama-Frage neuerdings Verhand-
lungen zu eröffnen, hat England geantwortet, es habe
in dem letzten Vertragsentwurfe viele seiner Forderunzen
beſchräntt und könne ſich alſo einem zweiten Fehlſchlagen
der Unterhandlungen nicht aussetzen, ehe es nicht g.naue
Kenntniß der LVasis erhalten habe, auf welcher Amerika
unterhandeln wolle. JIndeſſen hat England jetzt ſchon
erklärt, es sei bereit, die Gejeße zu verändern, um ein
ähnliches Vorkommniß zu verhindern.

YM us Jrland läuft die M ttheilung ein, daß die
militäriſchen Vorkehrungen im Süden des Landes gegen
einen etwaigen Erhebungsverſuch der Fenier nunmehr
ſämmtlich getroffen ſind. Die fliegenden Kolonnen sind
mit den nöthigen Train-Abtheilungen ausgerüſtet und
können sofort ausrücken. In der Zwſſchenzeit üben sich
die mit dieſen Korps verbundenen Truppenabtheilungen
durch Märſche in ihrer nächſten Nachtarſchaft und die
Kasernen und Waffenvorräthe werden mit einer Sorgfalt
bewacht, als befände man sich in der unmittelbaren Nähe
des Feindes und hätte jeden Augenblick einen Ueberfall
zu gewärtigen.

Das Rundschreiben der türki ſche n Regierung, von
dem wir ſchon geſprochen haben, wird auch Veranlaſſung
nehmen, die volle Bereitwilligkeit der Pforte zu ertlären,
soweit die Wahrung ihrer eigenen Lhbensintereſten es
i gend gestattet und soweit deßfalls vorgängig eine Eini- | dungen, nach Ablauf eines Jahres vom Funde an, ohne
gung mit Egypten erzielt worden, bezüglich der Verhält-

Beglaubigung von Urkunden, welche die Erwirkung von

ehemalige amerikaniſche Soldaten oder deren Wittwen und

niſterrum des Auswärtigen in Karlsruhe jeweils dieſer
Betrag beizu1chließgen ; für die Beglaubigung von Urkunden

Die Diensſtprüfung wird jährlich einmal um Ostern ge-
meinſchaftlich für beide Klaſſen der Lehramtspraktiktanten

meldung hat im Januar zu geschehen.



ohne Zinsen, auszufolgen.
Goldene Worte telegraphirte di ſer Tage der

















Des Verbrechens Fluch.
(8. Fortjeßung.)



Als sich j doch die Bühne verwandelte und Lady
Macbeth mit dem Briefe auftrat, da war plöttich der

Stumpfsinn aus Frau Dorn’s Gesicht verschwunden. Sie

lehnte ſich über die Brüſtung und borchte in athemloſer
Et auf jeden Laut der Künſtlerin. Bei den
orten:
„ ommt, ihr Geister,

Die ihr auf Mordgedanken lauſcht, entweibt mich ~*
blickte ſie ſchen und entſezt um ſich, als umſchwirrten
ſie böſe Geiſter. Sie ſah nur Operngucker, die auf die
Bühne gerichtet waren, strich sich über die Stirn, als
könne ſie dort etwas verſcheuchen und starrte jetzt wieder
mit einer Aufmeikſamkeit auf die Bühne, als rollten dort
die Räder ihres eigenen Geſchicks. Bei der Szene, in
der Lady Macbeth ihren Mann zur unglücſseligen That
aufstachelt, ſchien ſich das Scelenleben der unglücklichen
Frau nur noch in ihre Augen zu drängen.

Scheuſt Du Dich,

Derſelbe Mann zù ſein in Kraſt und That,
Der Du in Worten bitten. :

i. mms
I



Leiſe ſprach sie dieſe Worte nach und ein tiefer Seufs war mindeſtens eine ebenſo große Künſtlerin und kopirte

zer entraug ſich ihrer Bruſt. Die Aufmertſamkeit der die große, tragiſche Schauſpielerin mit großem Glück.

Zuſchauer war zu schr auf das ausgezeichnete Spiel der Schon richteten ſich die neugierigen Blicke einiger Zu-

in Bessarabien und die darauf erfolgte Bitte einer Juden- |
Deputation, sich für ihre unglücklichen Glaubensgenosſen Ö

neue Wahlv erfahr e n zur Kammer die Auflölun.

ſtattzufinden habe begegnet ungetheilter Zuſtimmung und

von allen Seiten der Kammer das Mandat kündigen J

Penſionszertifikaten oder die Erhebung von Pensionen für |

Ninder zum Zwick haben, zur Erhebung komnt, beträgt.
fortan 50 Cents oder 1 fl. 12 kr. Es iſt daher ben.
Vorlage von Urkunden der bezeichneten Art an das Mir ||

zur Erhebung von Soldrückſtänden, Prämien u. dergl. it.
der betreffende Saß von 3 ) kr. unverändert geblieben.

Die Verordnung über die Vorbereitung zu dem öffent. |
lichen Dienſt eines wisſenſchaftlichen Lehrers an den Mitte.
telſchulen im Großherzogthum wurde dahin abgeänderte.

von dem Oberſchylrath kostenfrei vorgenommen. Die Ansz |

Ein kleiner Geſeßentwurf bezüglich des Rechts dervan
Eiſenbahnverwaltungen gefundenen herrenloſen Se J
chen paßt die Vorsſchriften des Landrechts bezüglich solche. |
Sachen den besonderen Verhältnissen des erweiterten Ven.
kehrslehens an. Hiernach ſollen dieſe Verwaltungen die
| in allen Räumlichkeiten ihr s Betriebs gefundenen Saehen
und ebenſo die verwerthbaren Poſt- und Eiſenbahnſeen.

| Weiteres veräufern können. Zwei Jahre lang vo dee
niſſe des Su ezkan als denjemgen Wünſchen Rechnung | Veräußerung an gerechnet, bleibt jedoch die Verwallunn
zu tragen, welche (nicht von einz.1nen Mächten) von der verpflichtet, dem vorigen Inhaber den Reinerlös, jedoeh
| Gesammtheit der Mächte ausgeſprochen werden möchten. | J
| Zu Freibur g findet am 29. d. M. eine Zuame _
Präsident der Vereinigten Staaten an den Kaiſer von moenkunft der Gemeindebehörden von Freiburg, Breiſach ||

_ Das Gesetßes- und Verordnungsblatt Nr. 39 veröffen:..

licht den mit Nordamerika, wegen Regelung der Staats.
bürgerrechte der Ausgewanderten abgeſchloſſenen Staatsvre.
ſie nicht troßg alledem ihren Thomas nach Spanien ſen- j trag; ferner den ebenfalls mit Nordamerika abgeſchloſenn.
Vertrag, die Verlaſsenſchaften in amerikaniſchen Kriegs-

dienſten verſtorbener Badener betreffend. Die Taxe, dſ'e
von Seite der Agenten der Vereinigten Staaten für d'e.

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Künſtlerin gerichte, als daß man das Benehmen der | ſchauer auf Frau Dorn. Frau v. Wille wurde unuigz. IL .

Fremden hätte beobadten sollen, nur als der Vorhang
des erſten Attes fiel und ſie gläſernen Auges , todtbleich,
noch immer hinabſtarrte, wurde ilr' Tochter autmerk- .
ſam: „Du biſt nicht wohl, Mutter? Laß uns nach „Weg, du verdammterFleck! Weg, sag ich. ~ Eins,
Hauſe fahren."“ zwei " sprach Lady Macbeth auf der Bühne. ~ Die
„Nein, mir iſt wohl!“ sagte Frau Dorn und sie | Frau in der Loge zählte mit. | (. (
rührte ſich nicht von der Stelle. Wie in eien Zauber- „Ja wohl, dann iſt es Zeit zur That. ~ DieHölle
bann gelegt , verfolgt sie die Szene des Stücks und als | ist finſter! ~ Pfui, mein Gemahl, pfui ein Soldat und
endlich der Vorhang zum füntten Mal aufrollte, Lazy furchtſam?“ : Uu:
Macbeth mit der Kerze in der Hand als Nachtwandlerin | In athemloſer Spannung folgte das Publikum diesem
über die Bühne schreitet, da erreichte ihre Aufregung den | erschütternden Monolog der Tragödie.
höchſten Grad. Krampfhaft faßte ſie die Brüſtung des | „Ja wohl, ja wohl, ja wohl!“ preßte Frau Dorn
Baikons, ihre Augen wurden noch ſtarrer, gläſerner das | zwischen den bleichen Li pen hervor.
Blut ihres Herzens begann zu ſtocken, ſie riß den Hand-
ſchuh von der zitternden Hand und begann, wie
dort Lady Macdveth auf der Bühne, die Hände zu
reiben.

und wollte die Mutter ſchonend hinwegziehen , aber dieſe
| wich nicht von der Stelle. „Da iſt auch noch ein Fleck“,
sagte sie halblaut uud wies auf ihre Hand.

mand zieht unsere Macht zur Rechenſchaft + doch —
wer konnte denken, daß der alte Mann noch so viel But
in sich gehaht ?“

„Was haben wir zu fürchten , wer es weiß ? Nies

Jetzt ſprang Frau Dorn auf, ihre Tochter wollte sie I . J

Die Künstlerin spielte mit einer erschütternden Wahr- ; kr! FIE |
heit, aber die Frau in der Loge + mit dem verzerrten | niederhalten, aber mit der Kraft einer Wahnsinnigen ſien. J
Antlit , den starren , halb todten Augen, den zuckenden | sie dieſelbe zurück. Die Hände auf die Bruſt gepree



Fingern, die wie Schlangen sich um sich ſ.Ibt ring.llen ~ | beugte sie das todtenbleiche Antlit weit über die Brüſtung

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mm E . s § E


 
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