Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

DOI Heft:
No. 76 - No. 101 (1. April - 30. April)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0387

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


J. 96.







Organ der deulſhen Volksparlei



1869.









1dzeitung.

in Paden.





Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit' Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. — Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

. Anzeigen-Gebühr : die einspaltige Petitzeile 3 kr.,

bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition Q 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtansſtalten.







Da s ba di ſ < e V o lk

und

die Wahlreform.
“ q:
Eine beſſere Wahlordnung.
. (Schlußkz)yn.

** (Fs iſt ferner sehr möglich, daß eine durch dirckte
Wahlen zuſammengeseßte Kammer ein ganz anderes Wort
in mancher Beziehung mit den Herren Miniſtern ſpricht,
als die bisherige, und daß ſie es namentlich mit den
Militairgeſezen, den Steuergeſeßzen etwas schärfer nimmt
als bis jetzt geſchehen iſt; allein das ſoll auch sein, denn
die Volksvertretung hat gerade für das Wohl des Volkes
nach allen seinen Richtungen zu sorgen und soll nur im
Falle der Noth die persönliche Freiheit der Bürger und
ihren Geldbeutel beschweren laſſen. Cine ſolche Kammer
wäre freilich ein bedeutender Fortschritt in unserm Staats-
leben, eine Bürgschaft für die Volkswohlfahrt und gegen
die Allgewalt der Bureaukratie und der Miniſtez. Daher
der Widerſtand und der Lärmen. Nur Schade, daß man
den alten Bundestag nicht mehr beſitt, um ſsich auf ihn
berufen zu können! Schade auch, daß man den Grafen
Bismarck und den norddeutschen Bund nicht vorſchieben
lann, denn Graf Bismarck hat ſelbſt die unmittelbaren
Wahlen in Deutschland zu Chren gebracht. Gibt es kei-
nen Wauwau gegen das Begehren der Wahlreform ? Doch
ja, darum iſt man nie verlegen. Weil man ſich nicht
hinter den Bundestag und den Grafen Bismarck verstecken
fann: ſo beruft man ſich zum Schrecken aller ſchwachen
Seelen auf ein Gespenst, den ~ Ultramontanismus. Es
iſt ein überall gepredigtes Dogma der neuärariſchen Schule,
daß die unmittelbaren Wahlen eine ultramontan gesinnte

Kammer zu Wege bringen würden. Sonderbare Zuver-

ſicht zu dem politischen Sinne des badischen Volkes!
Glaubt man im Ernste, daß das badiſche Volk, nachdem
es in dem fünfzigjährigen Beſize einer Verfaſſung iſt
und zahlreiche politiſche Kämpfe bestanden hat, in ſeiner
Mehrheit die Kammern für eine Art Kirchenverſammlung
ansieht, in welche man nur Leute von besonderer kirchlicher
Qualität zu schicken brauchte? Glaubt man, daß die
Städte Mannheim, Mosbach und Wertheim, Karlsruhe,
Durlach, Pforzheim, Raſtatt, Baden, Lahr, Offenburg,
ſelbſt Freiburg und Constanz nun plötzlich ultramontane
Abgeordnete wählen werden ? Vergißt man tie yrotestan-
tiſche Landbevölkerung, die Auchkatholiken und den Ein-
fluß der Regierung, der auch bei den unmittelbaren Wah-
len immerhin noch ein bedeutender iſt? Es iſt nichts als
eitel Vorwand und Angstmacherei, mit der man denselben
entgegentritt. Nur ſo viel ist richtig und bci den tirch-
lichen Kämpfen, in denen wir über Gebühr ſtecten, sehr
natürlich, daß die Vertreter besonderer kirchlicher Richtun-
gen in einer frei gewählten Kammer zahlreicher sein
werden, als bisher: allein dieſes ſchadet nicht nur Nichts,
sondern iſt geradezu nützlich und darin stimmen wir mit
einer von dem Abgeordneten Kiefer mehrfach ausgeſproche-
nen Ansicht vollkommen überein. Denn dann kommen
alle im Volke vorhandenen Parteiansichten genügend in
der Volksvertretung zu Gehör und dann iſt dort der
Boden gewonnen, um die verschiedenen entgegenſtehenden
Ansichten, wo immer möglich, zum Ausgleiche zu bringen.
Gerade der Umstand; daß die jeßzige Wahlordnung es
außerordentlich erschwerte, den verſchiedenen Parteiansichten
eine genügende Vertretung zu verschaffen, beweist ihre
Mangelhaftigkeit und die Nothwendigkeit ihrer Reform.
Und wie die Furcht vor dem Ultramontianismus, so
iſt die vorgegebene Furcht vor einer antinationalen Hal-
tung einer freigewählten Kammer bodenlos ; ja es iſt die
lezte noch eine größere Beleidigung des Geiſtes des ba-
diſchen Volkes. Das letztere wird seinen nationalen Pflich-
ten nie untreu werden; allein es will sie in freier Selbst-
beſtimmung erfüllen; und es will nicht gedrückt, gedrängt,
herabgeſett und beleidigt werden.
Das allgemeine und direkte Wahlrecht iſt nicht nur
eine Jorderung des Rechtes und der Freiheit, sondern es
bietet auch das richtige und einzige Mittel zum Ausgleiche
der Kämpfe, in denen wir befangen sind. Darum die
Wahlireform. Wir haben noch die Mittel zu beſpre-

hen, um ſie zu erzielen.

. Die Mittel [ ssthttetorn.
Ur Mittel, um die Wahlreform zu erreichen, ſind
| 1) Intereſſire man fich um die Sache und ſuche ſich

... § Vz















eine feſtbeſtimmte Ueberzengung zu verſchaffen. Wer

weiß, was er will, wird sich nicht scheuen, ſeine

Ueberzeugung zu bekennen und darnach zu handeln.
2) Leſe man eine Zeitung, die für die Wahlreformbe-

wegung eintritt, um sich von den Fortschritten der-
ſelben zu unterrichten. Will man auch gegneriſche

Zeitungen lesen, ſo haben wir dagegen gar nichts
einzuwenden. Aus dem Zorne und dem Schimpfen
derselben wird man entnehmen, daß der Hieb geſeſſen
und man einen wunden Fleck getroffen hat.

3) Untersſchreibe man Petitionen für das allgemeine
und direkte Wahlrecht; wenn es Noth thut mehrere,
denn auf den erſten Hieb fällt selten ein Stamm.

4) Wähle man zu Wahlmännern und Abgeordneten nur
solche Leute, die ſich entschieden, ohne Rückhalt und
Hinterthüre als Wahlreformer laut und offen
bekennen.

5) Mache man ſich mit andern Gesinnungsgenossen zu
Wahlvereinen zuſammen, um, wenn es gilt, in
Gemeinschaft für die Wahlreform aufzutreren und
auf etwaige Wahlen einzuwirken.

Nützt man diese Mittel aus, so wird bald die allge-
meine Üeberzeugung ſich befeſtigt haben, daß die Wahl-
reform eine Nothwendigkeit iſt, und vor dieſer Ueberzeu-
gung wird jeder Widerstand zu Schanden werden.

Darum auf, ihr Bürger des badischen Landes, legt

Hand an's Werk. Es gilt Euer und des Volkes Wohl,
Freiheit, Ehre! Seit Jahren haben wir ſchweigend hin-
genommen, was man uns auferlegte. Was mit dem
Schweigen herauskommt, werdet ihr bereits empfunden
haben. Es gilt einen Damm aufzurichten gegen weitere
Üeberbürdung und Bejaſtung. Das ſoll geſchehen, da-
durch, daß ihr Eure Meinung zur gesetzlichen Geltung
bringi.

Viele der besten Männer, die dem Volke in seinen
früheren Kämpfen zur Seite standen, sind schon von dieser
Welt geschieden, ohne ihre Hoffnungen und Wünſche er-
füllt gesehen zu haben. Keiner hat mit größerer Zuver-
ſicht auf das Wiedererwachen des badischen Volkes gerech-
net, als der kürzlich verſtorbene wackere Welder in
Heidelberg. Erlebte er den Tag auch nicht, an dem das
badische Volk sich für eine politiſche That zu rühren bes-
ginnt, so iſt doch das Andenken an diesen alten, bewähr-
ten Freiheitskämpfer dadurch gefeiert.

Politische Uebersicht.
Mannheim, 23. April.

* So weit die bisher vorliegenden Berichte reichen, iſt
die konſtituirende Versammlung Spaniens in der Bera-
thung des Verfaſſungsentwurfes bis zum Art. 18 vorge-
rückt. Aus den Beſchlüſſen der letzten Tage iſt hervor-
zuheben, daß Konfiskationen für unzulässig erklärt und
das Volksrecht feſtgeſtelt wurde, die Zahlung jeder von
den Kortes nicht bewilligten Steuer zu verweigern. Fünf-
zehn Artikel müſſen noch erledigt sein, bis jener zur Be-
rathung gelangt, der die künftige Regierungsform beſtim-
men ſall. Der Thronſesſel iſt noch nicht gezimmert; Das
hat jedoch die monarchiſtiſche Partei nicht abgehalten, in
einer Parteiverſammlung am 20. die Frage, wer auf
denselben zu setzen sei, neuerdings zn berathen. Von
einem Mitgliede wurde beantragt, die Aussſchließung aller
Zweige der bourboniſchen Familie vom Königsthrone aus-
zuſprechen, womit alſo auch die Kandidatur des Herzogs
von Montpensſier abgethan wäre. Das Ergebniß der Be-
rathung lieferte einen abermaligen Beweis von der Zer-
fahrenheit der monarchistiſchen Partei, indem die Ver-
sammlung selbſt über dieſen negativen Ausspruch zu keiner
Beſchlußfaſſung gelangen konnte, da — wie die telegra-
phiſche Mittheilung ſo kurz als vielſagend lautet — viele
Deputirte sich vor dem Ende der Diskussion entfernten.“
Auch in der Kortesverſammlung, und zwar am Tage
nach dieser verunglückten Parteiverſammlung, kam die Kö-
nigsfrage zur Sprache. Der Minister Zorilla erklärte —
aus welchem Anlasse, iſt noch nicht berichtet , „der Mo-
narch Spaniens werde früher bekannt sein, als die Re-
publikaner es dächten. Cine allgemeine Anarchie würde eine
Restauration herbeiführen. ‘“ Einen Namen hat der Mini-
ſter nicht genannt, wobei er jedenfalls klüger handelte, als
der Pariser „Conslitutionnel“, der vor einigen Tagen den
Prinzen Friedrich Karl von Preußen als den funtelnagel-
neueſten Thronbewerber präſentirt hat.

Wie ,die Kultur alle Welt belectt“, so ſcheint die in
einigen europäischen Staaten ſchon ſeit Jahren bekannte
und geühte Industrie, durch Erfindung von Verſchwö-







rungen und sonstigen hochverrätheriſchen Unternehmungen
die geheimen Fonds für s Spionirwesen anzuzapfen, nuw
auch in Afrika importirt zu sein. Ueber die Entstehung
des im Theater von Kairo angeblich beabſichtigt geweſe-
nen Attentates auf den Vizekönig von Aegypten wird
von dort gar Absonderliches berichtet. Unsere Leser wiſſen,
daß unter den aus diesem Anlasſe verhaſteten Perſonen
ſich auch der Theaterintendant Manasse befindet, und daß
dieſer ſelbſt es gewesen, der das Verdienſt der Attentats-
entdecung für sich beanſprucht und durch Mittheilung
derselben den Vizekönig vom Besuche des Theaters abge-
halten hatte. Da ſchreihbt nun ein Berichterſtatter aus
Kairo : „Darf man umlaufenden Gerüchten trauen, ſo

hätte der Intendant gesſtanden: er habe die ganze Sahe ' u MH

nur gemacht, um ſie rechtzeitig entdecken zu laſſee und
ſich durch diesen Dienst, den er dem Vizekönig in Erhale
tung seines Lebens ſcheinbar geleiſtet, eine beträchtliche
Belohnnng zu verschaffen. So unglaublich Dieß klingt,
so iſt doch ein ſolcher Gedanke auf ägyptiſchem Boden
keineswegs undentbar. Geld zu gewinnen unter jeder
Form beschäftigt in Aegypten die Gemüther im Durch-
schnitt mehr als jeder andere Gedanke. Uns erſcheint die
Angabe des Intendanten nicht unwahrscheinlich. Es iſt
kaum zu glauben, daß, wenn die Sache von Halim oder
Muſtapha Paſcha angezettelt gewesen wäre, der Intendant
sie auf seine eigene Rechnung übernommen hätte. Auch
iſt die ganze Vorbereitung so eigenthümlicher und verwickel-
ter Art, daß ſie ſchwerlich von türkiſcher Seite ausgehen
konuite. Im Orient ſchafft man seine Feinde auf andere
Weiſe aus dem Wege.“

Ob's mit der in Mailand entdeckten mazzini ſti-
ſ < en Verſchwörung und den dort aufgefundenen
Orsinibomben viel anders beſtellt iſt, als mit der ägypti-
ſchen Höllenmaschine, bleibt abzuwarten. Außer der Nach-
richt, daß die Zahl der Berhafteten von 6 auf über 200
(darunter ein Engländer, Namens Nathan, und viele
Unteroffiziere,) gestiegen sei, iſt bis heute keine weitere An-
gabe über dieß Komplott hier eingetroffen. Welche Ge-
danken man ſich in Mailand selbſt über die ganze Sache
am Tage vor der angeblichen Entdeckung derselben ger
macht hat, darüber gibt ein Mailänder Berichterſtatter
Aufschluß, welcher der Allg. Ztg. unterm 19. ſchreibt :
„Seit zwei Tagen ist unsere Behörde der öffentlichen
Sicherheit in großer Bewegung, um das Hauptquartier
der angeblichen Verschwörung aufzufinden, die hier ihren

Sitz aufgeschlagen haben soll. Von wem und zu weee_

chem Zweck dieses Gerücht ausgeſprengt wird, wissen wir
nicht. Wir hätten geglaubt, daß die Regierung solchen
Gerüchten nicht die mindeſte Bedeutung beil.gen
würde; aus den Maßregeln jedoch, die ſie neuerlichſt
nimmt, müſſen wir ſchliegen, daß ſie ſ elbſt dazu
beigetragen hat, dieselben zu verbreiten (was nicht zum
erſtenmal der Fall wäre), um einen plauſibeln Vorwand
zu haben, Hand an Jene zu legen, die ihr miß-
allen.“

f Ueber eine Stadt der Schweiz ist vorgeſtern ein in
beſter Form ausgesprochenes kirchliches Interdikt
verhängt worden. Zwistigkeiten, die in Bezug auf eine
ökonomische Frage im vorigen November zwiſchen dem
katholiſchen Pfarrer und dem Kirchenausſchuſſe in Lachaux-
defonds ausgebrochen, hatten am Ende Januars zu einem
biſchöflichen Erlaſſe geführt , durch welchen dem Admini-
ſstrationsrath seine Enthebung vom Amte angekündigt
und die ökonomiſche Verwaltung der Kirchengemeinde dem

| Pfarrer übertragen wurde. Auf Rekurs des Ausschuſſes

hatte sodann der Staatsrath entſchieden, daß derſelbe in
ſeinen Funktionen zu verbleiben habe, welchem Ausſpruch
der Pfarrer die ſchriftliche Erklärung gegenüber ſette,
keinen anderen, als einen vom Bischof ernannten Avssſchuß
anzuerkennen. Die ſtaatsräthliche Antwort hierauf war
die Enthebung des reuitenten Pfarrers von ſeinen
Funktionen und die Susbendirung des pfarramtlichen
Gehaltes bis zur Neubesſeßung der Stelle. Darauf hin
hat der Bischof die Ausübung des Gottesdienstes 1
Lachauxdefonds einstellen und die Kirche ſchließen laſſen;
jede Zeremonie iſt untersagt; ſelbſt die Darreichung der
Sakramente an Kranke darf nur durch Prieſter aus
anderen Orten vorgenommen werden. So verkündet am
21. April 18 69!

Deutſchland.

Karlsruhe, 23. April. Amtliches. Der Haupt-
mann 1. Klaſſe M. Schäffer im 5. Inf.-Reg. iſt auf sein
Ansuchen , wegen körperlicher Leiden , definitiv; der










 
Annotationen