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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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F. 272.



Mittwoch, 17. November

... HID uam Mm.Jbi

mer Abeudzeitung.

1869.

Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.

Die „Mannheimer Abendzeitung“ wir

Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Vetitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.



Badiſcher Landtag.

** Karlsruhe, 183. Nov. 19te öffentl. Sitzung
der Zweiten Ka m m e r. Vorsitßender Präsid. Hilde-
brandt.

Der Abg. Lindau erhält einen A4tägigen Urlaub. Es
werden hierauf g e w ä h 1t :

1. in die Kommission für die revidirte Rheinſchiff-
fahrtsakte: Buſch, Lenz, Huffschmid, Kölle, Hoff.

2. in die Kommission für Aufhebung der persönlichen
Schuld-Haft : v. Rottek, Ciſenlohr, v. Gulat , Kiefer,
Wundt.

3. in die Kommission für das Verfahren bei Minister-
anklagen: von Feder, Eckhard, Nokk, Kuſel, Winter, ver-
ſtärkt durch Kiefer und Kirsner.

4. in die Kommission für Errichtung einer Bank:
Morstadt, Lenz, Hummel, Schuſter, Näf, verstärkt durch
Blum, Frey, Lamey, Tritſcheller.

Nach Anzeige einer großen Zahl von Petitionen
verliest der Abgeordnete M or s a d t den Kommissions-
bericht über die neue Maß- und Gewichtsoronung und
spricht die Hoffnung aus, daß die Einführung einer all-
gemeinen Münzordnung in naher Aussicht stehe.
ſpricht die Vorzüge des metriſchen Syſtems , sowie die
Mängel des vorliegenden Entwurfs, der übrigens ſchon
im anderen Hauſe angenommen und nicht einseitig zu
ändern sei. Seit dem Handelstag von Heidelberg (1861)
habe man noch 7 Jahre lang berathen bis die gegen-
wärtige Vorlage erfolgt sei. Doch besser spät als gar
nicht. Besonders vermißt der Berichterstatter eine gesetzliche
Normirung des Holzmaßes. Auch sei das Entfernungs-
maß unpraktiſch und werde in Zukunft die Bezeichnung
Meile nicht umgehen lassen.

v. Duſch hält die Unvollständigkeit des norddeutschen
Geſezes nicht für wesentlich beeinträchtigend.

Hu mmel legt, wie der Kommissionsbericht, Werth
auf sofortigen Gebrauch der neuen Maße und Gewichte,
besonders bei den deutschen Eiſenbahnen. Bei Aichung
der Schiffe seien dieſelben bereits eingeführt.

Auch er theilt den Wunſch des Kommissionsberichts
wegen einheitlicher Münze; doch sei die Zögerung vielleicht
deßwegen gut, weil man neben einer spez. deuiſchen Münze
noch eine internationale erhalten würde, an welch’ letzterer
Baden ein besonderes Intereſſe habe. Frankreich habe
ſchon begonnen, 25 Frankenſtücke zu prägen , was ein
Schritt zu einer allgemeinen Münze sei. England und
Amerika würden nicht lange zurückbleiben. Der nord-
deuiſche Bund und in erſter Reihe Preußen habe sich in
letzter Zeit mit dieser Frage beschäftigt. Er erlaube ſich
den Wunsch auszuſprechen, daß Baden sich bei Zeiten
einen Platz in der internationalen Münzkonferenz ſichern
möge.

Poppen: Auch Ciſenbahnen bedienen ſich des
Kilometers, wie der Kom.-Bericht wünſche.

Abg. Baum star > ist für die Vorlage, wenn auch
nicht freudig, da er in ihr nnr eine Nothwendigkeit sieht.
Das metriſche Syſtem beruhe auf falſcher Grundlage , sei
auch nicht vollſtändig angenommen und habe nicht unſere
Terminologie. Es liege weder eine deutsche noch eine
zweckmäßige internationale Institution vor. Er sehe nur
eine nothdürftige Befriedigung der Bedürfnisse darin.

v. Duſch iſt fir Hummels Wunsch.

Lindau ſtimmt im Großen und Ganzen zu und
wünſcht insbesondere zu Art. 1, daß Garne nur in der neuen
Gewichtsbeſtimmung im Handel zugelassen würden.

Geh. Ref. Di ez: Da könne weder Verordnung noch
Geſet, sondern lediglich das Verſtändniß des Publikums
helfen, doch hält Lin d au seinen Wunſch aufrecht, daß
wenigstens so viel als möglich gethan werde. Auf den
Antrag des Abg. Lenz wird der nachträgliche Druck des

Kom. Berichts genehmigt, und wird das ganze Geset ein-

ſtimmig angenommen.

L Cs folgt hierauf der Bericht des Abg.: von Feder
über die bürgerrechtlichen Verhäitniſſe von Auswanderern.
Zur Vermeidung von Scheinauswanderungen sei 5jähriger
ununterbrochener Aufenthalt und darauf folgende Natura-
liſation verlangt. Das Kontumazial - Verfahren werde
nicht gehemmt. Antrag auf GenehmiguuaaIn.

v. Freydor hf. Jeder Zurückkehrende könne ſich
nun seine Rechnung ſetbſt machen. Gerne hätte man
den Vortlaut der Vereinbarung beibehalten, es sei aber
wegen Ungenauigkeit nicht möglich gewesen. In anderen
Kammern habe man Zweifeln und verſchiedener Aus-

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legung durch protokolariſche Erklärungen vorbeugen wollen,
diese Erklärungen stimmen aber unter sich nicht überein.

Abg. K ölke bedauert, daß einzelne amerikanische Staa-
ten Schwierigkeiten bei Vermögensausfolgungen machen.

v. Freydorf: Man ſuche hier durch die Konſuln
zu helfen, denn ein Vertrag mit der Union geht nicht
wohl an, da dieß Gegenſtand der innern Geseggebung
der einzelnen Staaten sei. Die 5 jährige Ununterbrochen-
heit sei juristisch zu verſtehen nicht körperlich.

Abg. Lender tadelt eine ihm bekannte Verweigerung
der Vermögensausfolgung, die aber von

Abg. Ro ßhirt unter Zuſtimmung des Minisſt.-Präſ.
von Freydorf als in der Zeit von 1864 fallend er-
klärt wird. Ö

Abg. von Feder wünscht Veröffentlichung der bei-
tretenden Staaten, worauf

Min.- Präs. von Freydorf erwidert, daß dieß
eſchehe.
ehe: Vertrag wird hierauf einstimmig genehmigt und
i e. 15. Nov. 20. öffentliche Sitzung
het Zweiten Ka mmer. Vorsitendender : Präſ. Hilde-
randt.

Nach Eröffnung der Situng widmet der Abg. Kuſel
dem geſtern dahier beerdigten frühern Abgeordneten Nä-
gele ehrende Worte des Andenkens.

Zunächſt werden nun Mittheilungen aus der Ersten
Kammer gemacht (Verfaſſungsänderung betr.) und eine
Petition des Mannheimer Konſumvereins über das Ge-
noſſenſchaftswesen angezeigt, worauf Min.-Präſ. Ellſtätter
Vorlage macht über die Steuererhebung in den Monaten
Dezember 1869 und Januar 18710.

Weitere Petitionen sind eingelaufen über Verhältnisse
der Schullehrer, Freiwilligenbrüfung, Gemeindeordnung,
Bahnbau, Aufnahme ins Straßennet.

Hierauf beginnt die Berathung über den Bericht der
Budget-Kommission, erstattet von dem Abg. Hebting über
die Budgets des gr. Staatsminiſteriums und des Mini-
ſterinms des gr. Hauſes und der auswärtigen Angelegen-
heiten.

Nach Ersterem vermindern ſich die Anforderungen
durch das Ableben der Frau Fürſtin von Jeürsſten-
beree, un 2000 fl. und bleibt. noh eine. jähr-
liche Ausgabe von 901,889 fl. ( Apanagen 85,714 fl.)

Im zweiten Budget entspricht Tit. 1, Miniſterium,
dem ſeitherigen Saße. Bei Tit. 1, Gesandtschaften,
findet sich eine Mehrforderung von 2000 fl. für Auf-
beſſerung bezw. Wiederherſtellung des früheren Gehaltes
des Geſandischaftspoſtens in Berlin und von 500 fl. für
den badischen Konsul in Mühlhauſen. Geſammtforderung
107,110 fl. für jedes Jahr. (Gesandtſchaften allein
63,300 fl.)

Abg. B au mſt ark hält die Wiederbewilligung der
im Jahr 1864 bei obigem Geſandtsſchaftspoſten von
16,000 fl. abgeſtrichenen 2000 (blieben 14,000 fl.) nicht
gerechtfertigt. Die höheren Lebensmittclpreiſe und den
gesunkenen Geldwerth, welche man zur Begründung an-
führe, könnten alle Beamten zu ihren Gunſten betonen.
Die Bedeutung der Berliner Geſandtſchaft werde immer
geringer. Seien doch die Tendenzen der Regierung, mit
Ausnahme derjenigen hinſichtlich der katholiſchen Kirche,
vollklommen identiſch mit denen des Berliner Kabinets.
Auf verschiedenen Gebieten ſseien ſie bereits durchgeführt.
Eines Herzens und Einer Seele mit der preußiſchen Re-
gierung bedürfe die unſere höchſtens eines einfachen Ge-
ſchäftsträgers in Berlin wie dieß auch in Wien der Fall
sei. Er stelle nicht den Antrag auf gänzliche Streichung
des Poſtens, da derſelbe völlig aussichtslos sei, glaube
aber, man solle wenigstens die 2000 fl. nicht wieder be-
willigen te. x

Abg. Lender unterſtüßt den dahin gerichteten An-
trag Baumſtarks. 11:44

Min.-Pr. v. Fr e y dorf dankt der Konmmiſſion für
die Unterſtizung der Regierungsforderung. Schon 1858
habe die Budgetkommission die Nothwendigkeit anerkannt,
den Poſten hinaufzuſezen. Nur die Schaffung der jett
aus dem Budget weggefallenen Florentiner Gesandtschaft
hätte seiner Zeit zur Minderung Berlins um 2000 fl.
geführt. Die Herſtellung entspreche der Billigkeit. Die
ideale Uehereinſimmung genüge nicht, sie müsſſe auch in
die Praxis übergehen ; der Gesandte sei auch im BYoll-
bundesrathe und ſelbſt die Nordbundsstaaten hätten ihre
Gesandten noch nicht aus Berlin abgerufen.

Baumſstarks Antrag fällt. Dafür: seine eigene, Len-



d ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage + täglich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanfſtalten. f

LGG: TEST ECKE

ders und Kayſers Stimme.! (Lindau, Biſſing und von
Feder kommen durch Ciſenbahnverſpätung erſt am Schluß
um noch gegen die ganze Vorlage zu ſtimmen)y +

Abg. B aum stark: Nach öffentlichen Blättern besteht
der Florentiner Posten noch fort, weßhalb er ſich die
Anfrage nach dem Sachverhalt erlaube.

v. Freydo rf: Der Poſten erſcheine nicht im Budget,
es sei alſo auch kein Anlaß vorhanden, ihn zur Sprache
zu bringen, (NB. der Großherzog zahlt ihn selbſt ſoweit
nöthig aus seiner Chatouille) da der Gesandte auch Pen-
sion bezieht.

Gegen das erſte Budget stimmen Baumstark und
Lender, gegen das zweite : Biſſing und Lindau.

Politiſche Uebersicht.

Mannheim, 16. November.

* Während der Norden unter dem Schatten ſeiner
Bajonette mehr und mehr einer den Deſpotismus nur
noch zum Schein verhüllenden Zentraliſatio n zu-
ſteuert , erblüht in O eſterreich der Freiheit gerade das
entgegengesetzte Streben. Alle Theile verlangen nach
Eigenleben, nach voller Anerkennung ihres Selbstbeſtim-
mungsrechtes, und nur aus dem freien Zuſammenwirken
der Glieder soll das große Ganze zum gemeinſamen
Schutze Aller sich aufbauen. Diesem zuerſt von den
Provinzen kundgegebenen föderalistischen Zug folgt endlich
zur großen Bestürzung der dortigen Altliberalen sogar der
seitherige Hort des Zentralismus, Wi en! Es fordert
kurzer Hand Reichsunmittelbarkeit, mit seinem Banngebiet
eine Stellung, ähnlich der von Waſhington in Nord-
amerika.

Was dieſem Begehren eine ganz beſondere Bedeutung
gibt, iſt der Umstand, daß es, ohne irgend einen An-
flug von theoretiſcher Syſtemreiterei1, ja im direkten Wi-
derſpruch mit den seither von Wien gehegten Anschauun-
gen ſtehend, sich lediglich auf pratktiſc<h e Erwägungen
stützt.

Wien, der Sit der Reichsregierung, iſt zugleich Haupt-
stadt der bescheidenen Provinz Niederöſterreich, von deren
Cinwohnern Wien die Hälfte beherbergt und zu deren
Landeseinkünften es zwei Drittel beiträgt. Statt nun
aber, wie es den ganzen Verhältnissen nach sich von ſelbſt
zu verſtehen scheint, das entscheidende Wort in allen Pro-
vinzialangelegenheiten zu sprechen, ſchickt Wien in den 60
Mitglieder zählenden Landtag nur 12 Abgeordnete und
wird daher regelmäßig von den Vertretern der Kleinstädte
und Landbewohner niedergeſimmt. Nun ſcheint es frei-
lich, daß dem ganzen Uebelſtand sehr leicht durch eine
richtigere Vertheilung der Landtagssite obzuhelfen wäre,
allein die Erfahrung hat endlich erkennen laſſen, daß auch
damit nichts gewonnen sein würde. Der wahre Grund
der ohne Unterlaß vorkommenden Mißverständnisse und
Streitigkeiten liegt in der wesentlichen V.rſchiedenheit der
Interessen der großen Metropole von denen des Landes.
Hier iſt kein Ausgleich möglich und welche Form der
Verkoppelung man auch wählen möge, immer muß durch
Bestimmungen, welche zugleich für Stadt und Land gelten
sollen, eins von beiden leiden. So hat denn endlich die
praktiſche Erfahrung den Wienern das Verſtändniß der
Föderation eröffnet, und sie betreten mit ihrer gegenwär-







tig beginnenden Agitation eine Bahn, auf der allein die

Sicherung des ungestörten Fortſchrittes gefunden werden
kann: die Bahn der freien, jeder willkürlichen Beſchrän-
kung ledigen Selbstbeſtimmung, ausgedehnt auf jeden
Theil des Ganzen. ;
Mit der Nachricht von der Verlobung des Prinzen
Wilhelm von Württemberg mit der Prinzeſſin Marie von
Preußen ist es nichts. Die von den Nationalliberalen
auf beiden Seiten des Mains an diese Nachricht ger
knüpften Hoffnungen ~ für die Verpreußung Württem-
bergs -– fallen wie ein Kartenhäuschen zuſammen und
nun ſtolpert der aus „guten Quellen“ ſchöpfende Stutt-
garter Berichterſtatter der „Köln. Ztg." hinterdrein, mit
der Meldung : Die Reise des Königs von Württemberg
nach München habe den Zweck gehabt, den Preußen
freundlichen Miniſter Hohenlohe zu ftürzen und König
Ludwig für die am Hofe zu Stuttgart herrſchende Preuſen
feindlichen Tendenzen zu gewinnen. it
Die Richtigkeit, oder Unrichtigkeit dieser . Meldung
müſſen wir dahin gestellt sein laſſen. Bemerkenswerth
indeſſen bleibt für „alle Fälle" w as die „Köln. Ztg.“
im Anſchluſſe an dieselbe sagt: nämlich, daß auh „bei
den meiften übrigen deutſchen Höfen eine
ähnliche Abneigung gegenüber Preußen herrſche. „Darüber


 
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