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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 153 - No. 179 (1. Juli - 31. Juli)
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F. 154.

7zreitag, 2. Juli.











iaunheimer

> [:

183619).





Organ der deulſchen Volkspartei in Vaden.









Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der

Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.

Sonntage und Festtage + täglich als Abendbl

Beſtellungen bei

att ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich
der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen

Ein Gulden, ohne Poſtauſſchla
Poſtanstalten.







m



Einladung zur Bestellung.

]



„Die italienische Campagne oder frei bis zur Adria“,
ausgeführt von sämmtlichen Herren und Damen der Ge-

Die ..Mannh eimer Abendzeitung’ hat sich in sellschaft. Plon Plon als „König von Etrurien“ roi le

.

der kurzen Zeit ihres Erſcheinens zahlreiche Freunde | Pg. die dicke Mathilde als Siegesgöttin auf weißem

erworben. Durch treues Feſthalten an der Sache des
Volkes will sie serner die Theitnah me und Unrer-
ſtütung verdienen, die ihr in reichem Maße ge-
worden.

In den letzten Tagen des ablaufenden Onartals
laden wir unsere alten Freunde zur rechtzeitigen Er-
neuerung der Beſtellung ein. Lin Diejenigen, welche

die „„Mannheimer Abendzeitung“ bisher nicht be- |

stellt haben, richten wir das freundliche Erſuchen, den
Kreis unserer Abnehmer zu vermehren. Ebenſso em-
pfehlen wir die freundliche Benützung der „Mann-
heimer Abendzeitung.‘ zur Veröffentlichung von An-

zeigen aller Art.

Beſtelungen werden von allen Poſterpeditionen,
auf dem Lande von den Poſtboten entgegengenommenyz
in Mannheim von den Austrägern und der Erpe-
diton der „Mannheimer Abendzeitung/'/ Lit.C. 1. 15.

Der Zirkus Napoleon.

I] Das engliſche Reiterſtüct zu Paris naht sich dem
Ende ; die Pferde ſind aufgebraucht und wollen nicht
mehr springen, die Kavaliere darauf haben den Reiz der
Illuſſsion verloren , unter den bestaubicn und abgerissenen
Paradekoſtimen kommt der Stallknechtt zum Vorschein.
Die Lampen brennen trüb und verpeſten die Luft des
Zirkus. Das Publikum gähnt in der „unwiderruflich
letzten Vorſtelung“, und ein gähnendes Publikum von
Franzoſen iſt sehr gefährlich.

Mr. Bonaparte, einer der größten Reiter des Jahr-
hunderts , Erfinder einer nach ihm benannten „Schule",
führt im Schweiße ſeines Antlites allerlei Thiere vor,
die wunderbar dreſſirt sind; .er geht ſchnalzend mit der
„langen Peitsche in den hohen Kanonen nebenher und thut
ſein Beſtes, um die Mißſtimmung des hohen „Hauſes“
zu brechen. Alles vergebens , man ist der „Geſellſchaft“
müde, ſie ſoll ſich trollen, der ganze Zirkus iſt auf den
Abbruch zu verkaufen.

Sehen Sie hier, ſo näſelt Mr. Bonaparte, das Ma-





melukenpferd „Mackau“, ferm eingeübt auf die Abſtim-
mung , routinirter Riederſtimmer aller Opposition , tanzt
die ſchwierigſten Pas unter Vortritt des Herrn Rouher,
apportirt ,„ſtarke Regierung“ und „liberale Institutionen“.
Es ist das personifizirte Cquilibre und wirft niemals ab.
— Das Publikum aber ruft : Fort mit den Mameluken,
wir wollen Gambetta und Bancel!

Der Herr Obersſtallmeiſter führt den mexikaniſchen
Renner „Bazaine" ein. Sehen Sie, dieſes edle Thier
ſtand schon im Nanonendonner von Solferino, trug dann
den neuen Ferdinand Cortez, warf ihn ab, als die
Azteken heranſchwärmten und ſalvirte sich mit vielem Ge-
päck über den Ocean zurück. (Es heißt: „Marfchall“
und wiehert lauter „Ziviliſation." ~ Der Publikus:
Geh’ Du mit Deinem Marschall nach Querataro !

Zwei elegante Schulpferde kommen reich beharniſcht in
die Arena. Mach Dein Kompliment, „Schneider“ ! ſpricht
Mr. Bonaparte; verbeug’ Dich, „David“ ! So. Sehen
Sie, meine Hertſchaften , diese Beiden nennt man auch
das eiferſüchtige Zwiegespann; „Schneider" hat die
ſchönſte Schabracke, aber er will nicht leiden, daß „David“
die zweitſchönſte trägt. Und „David“ möchte gern den
Chrenplaj des „Schneider“ an der Krippe. Gewahren
Sie nicht die Blicke voll Eifersucht und Neid , welche die
beiden Roſſe ſich zuwerfen? Jett haben Sie Acht!
Klitſch, klatsch, sſchwirrte die lange Peitſche. Klitſch, klatsch!
Alla „Schneider“, vorwärts „David“ ! Und richtig,
die beiden Thiere näherten ſich die Köpfe und applizirten
ſich einen Kuß. + Das Publikum ziſchte und rief nach
Rochefort, wo iſt Rochefort?

Der Herr Oberstallmeiſter ließ drei Trakehner aus
Westpreußen kommen. Wild , zügellos , auf den Hinter-
beinen gehend, die Vorderbeine hoch in der Luft, gingen
die Trakehner auf Mr. Bonaparte los und trieben ihn
bis an den Rand des Zirkus. Sehen Sie hier, die
Varbaren von der ruſſiſchen Grenze! Sie ſcheinen ge-

fährlich zu sein, ich werde sie jedoch zu Paaren treiben.
Und er drehte die Peitſche herum , hielt den Trakehnen
den Stiel vor die Naſe und trieb ſie durch den ganzen
Zirkus vor sich her, bis ſie mit einem Sate über die
Barriere des Ausgangs wegseßten und in den Stall
rannten. – Ach was, dummes Zeug, brüllte die Masse,
wir wollen Friede und Freiheit!

Jezt kündigte der Franconi aus den Tullerien eine

große pantomimisch-equeſtriſche Schluß - Vorſtellung an :

Zelter; Mac Mahon auf dem Schlachtfelde von Magenta;

| der Oberstallmeiſter in Person vor der berühmten Brücke,

















Conſerven aus einer Blechbüchse verſpeiſend; General Niel
wie er zum Marschall erhoben wird. Aber das Publikum
ward äußerſt ungeduldig , tobte und ſchrie: Spielt doch
Mexiko und die Cinſchiffung der großen Armee und zeigt
uns im Hintergrunde die Republik mit dem Sternen-
banner in der einen Hand, mit der andern im Kreiſe
deutend : Macht daß Ihr forttommt. Vive la République!
Das war das Signal.

Es sind doch nur drei ſchlichte Worte und jedes Nind
kann sie aussprechen: Vive la République! Aber wenn
sie von Tauſenden von Menſchen ausgerufen werden,
wenn die Geſichter flammen und die Fäuſte ſich ballen,
da kracht so eine Bretterbude gar ängſtlich zusammen und für
die engliſchen Reiter scheint der jüngste Tag angebrochen
zu ſtin. Vive la République, und dazwischen der fatale
Reim, das Schickſals-Schlagwort Mexique! Hu, wie
das donnerte und krachte und polterte und ſtaubte ! Wie
die Gasflammen erloſchen und die Nacht sich über den
Zirkus lagerte und Alles durch einander wirbelte, Staub,
Bänke, Stimmen , Hüte, Müten ~ eine wahre Götter-
dämmerung. Vive la République !

Wenn es wieder hell geworden ist , wollen wir sehen
und sagen, was aus Mr. Bonaparte und Plon-Plon
und der dicken Mathilde und den Roſſen Mackau, Ba-
zaine , Schneider, David nebſt den drei Trakehnen ge-

worden iſt.







Politiſche Uebersicht.

Mannheim, I1. Juli.

* Dießmal scheint es auf einen längeren Urlaub des
Herrn Präsidenten des preußiſchen Staatsminiſteriums,
Ves Grafen Bismarck, abgeſehen zu sein, da, wie die
„Prov.-Korr." ausführt , der Graf wohl schon „mehrfach
in ländlicher Zurückgezogenheit Erfriſchung und Stärkung“
geſucht habe; bisher jedoch „niemals in ſo nachhaltiger
Weise, um sich für die dauernde Crfüllung der umfassen-
den Aufgaben ſeines vielseitigen Berufes wieder in vollem
Maße zu kräftigen." Cs iſt nicht ganz recht, geſchwächten
Nerven gegenüber in dieſer Weiſe zu reden; aber zu bedauern
iſt der Graf dennoch, daß die „unausgeſezten Arbeiten
und Anstrengungen der aufeinanderfolgenden Seſssionen,“
die ihn im letten Winter und Frühjahr „erheblich in
Anspruch“ genommen haben ~ ſo geringes Reſultat an
Steuern und Betreibung der „Einigung Deutſchlands“
ergeben.

In Wien hält man mdcht hinter dem Berge. Die
Offiziösen erklären, die durch die Blätter laufende Zu-
sammenfaſſung der Rathſchläge, welche Graf Beuſt in dem
belgiſch-franzöſi ſch en Konflikt nach Brüſſel habe
gelangen laſſen, sei in allen weſentlichen Theilen genau
verzeichnet. Nur Eines dürfte hinzuzufügen sein: daß, wenn
die fragliche Depesche auf den Zollverein hinweise, zum

Beweise, daß ſelbſt ein derartiger Verband die Souveräne-

tät und Integrität der in ihm geeinten Staaten nicht
aufhebe –+ ſie doch gleichzeitig auch durchſchimmern ließe :
daß die Bedrohung dieſer Souveränetät und Integri-

tät der deutſchen Zollvereinsſtaaten (durch Preußen) „in

anderen und späteren Verträgen gegeben sei.“

Zur Haltung der Regierungen gegenüber dem rö -
miſchen Konzile wird aus Ungarn gemeldet, die
dortige Regierung sei ſchon jetzt fest entſchloſſen, für den
Fall, daß Ro m bezüglich des Geiſtes und der Richtung
des immer näher rückenden Konzils nicht ganz bestimmte
Garantien zu leiſten geneigt und. im Stande wäre, den
Mitgliedern des ungariſchen Episktopats die Reiſe
nach Rom strengſtens und unbedingt zu untersagen. Daß
eine ſolche Maßregel auch für die Entſchließungen des
nichtungariſchen Oesterreichs bestimmend werden könnte,
vielleicht deßhalb hervorgerufen wird, dürfte als auf der
Hand liegend, angenommen werden können.

Ueberhaupt ſcheint ein Umschlag in der anfänglich
aufgetretenen Beurtheilung des Konzils eingetreten zu
sein. Während man Anfangs eine Verständigung „über
eine gemeinſame Haltung" der Regierungen dem Konzile
gegenüber ablehnte,, weil der Ausfall und die Tragweite
der Besſchlüſſe des Konzils doch noch zu problematiſch
und ungewiß wären, ſcheint jezt die Ansicht überwiegend







geworden zu sein , daß doch schon Anzeichen genug vor
handen ſeien, welche über den Charakter des Konzils und
der von ihm zu erwartenden Beschlüſſe kaum einenZweifel
laſſen. Namentlich wird in dieser Hinſicht auf die Zu-
ſammenſezung der Sub-Kommissionen hingewiesen, welche
die eigentliche Vorbereitung für die innere Leitung und
Gestaltung des Konzils zu treffen haben. Dieselben Jollen
in ihren bedeutendsten und einflufreichſten Persönlichkeiten
aus so prononzirten Anhängern der ultramontanen Rich-
tung bestehen , daß dadurch die Ansicht bestätigt wird,
daß es auf eine Befestigung des ultramontanen Syſtems,
besonders auch in den Beziehungen zu den Staats- Auto-
ritäten abgesehen sei. Unter solchen Umſtänden gewinnt
die Mittheilung an Glaubwürdigkeit , die französiſche
Regierung bereite im Zuſammenhange mit der von ihr
gemachten, die Rechte der gallikaniſchen Kirche wah-
renden Mittheilung , einen Schritt vor, um die übrigen
Mächte zu dem kollektiv gefakten Ausdruck der allerdings
allgemein gehaltenen, aber doch bestimmte Grenzen andeu-
denden Erwartung zu vermögen, daß das Konzil alle
(Erörterungen von Fragen, welche unmittelbar das Gebiet
der staatlichen Rechte und Interessen berühren, grundſäh-
lich fernhalten und abweisen werde.

Die belgischen Kommissäre, die sich von Paris nach
Brüssel begeben hatten, um mit den Ministern zu bera-
then, ſind nach Paris zurückgekehrt. Es wird nun auch
aus Paris versſichert, daß die Rathſchläge Englands
einen großen Eindruck auf die belgische Regierung ge-
macht haben, und daß sie entſchloſsen sei, ihnen Rechnung
zu tragen, und iſt man dort der Meinung, daß eheſtens
eine neue Sitzung der Kommission stattſinden wird.

In Spanien iſt der Miniſterpräſident mit dem
Finanzminiſter vorübergehend in Zwist gerathen und drohte
dieser Zwiſt einen Augenblick, die Auflösung des dermali-
gen Miniſteriums herbeizuführen. Das Gefühl der ZU-
sammengehörigkeit der Königsſucher scheint indesſen noch
einmal die Oberhand gewonnen und neue Cinträchtigkeit
gestiftet zu haben . . . ſchon, weil solche den Republi-
kanern gegenüber äußerſt nothwendig iſt, die muthesvoll
den Kampf gegen die beſchloſſene Monarchie fortseßzen und
dieß zunächſt, indem sie überall die Parteigenoſſen sam-
meln und organisſiren. So waren kürzlich in Eibar,
einer kleinen Stadt bei Vergara, die Vertreter der repu-
blikaniſchen Vereine des Nordens zuſammengetreten, um
den republikaniſchen Bundesvertrag der baskiſchen Provin-
zen und Navarras abzuſchließen.



Deutſchland.

* Karlsruhe, 1. Juli. Aus der Reihe neuester
Ordensverleihungen verzeichnen wir, daß der Großherzog
den Grafen Bismarck zum Ritter des Hausordens
der Treue ernannt hat. – Kreisgerichtsrath W. Ketterer
in Offenburg wurde zum Mitglied des dortigen Appela-
tionsſenats ernannt; Kreisger.sRath A. Pfeiffer in Baden
nach Offenburg verſett; die Amtsrichter A. Mayer in
Karlsruhe und JI. Schmitt in Baden wurden zu Kreis-
gerichtsräthen, Letzterer beim Kreisgericht in Baden, Erſte-
rer beim Kr.-G. in Offenburg ernannt ; Oberamtsrichter
H. Reich von Raſtatt nach Karlsruhe verſezt und An-
walt Schäfer in Waldshut zum Staatsanwalt inKonſtanz,
mit dem Range eines Kreisg.-Rathes ernannt.

— Heidelberg, 22. Juni. Als Verfaſser des
angeklagten Artikels des „Pfälzerboten“ Nr.. 16. vom
A Fehruar d. I., den Kaminfegerei-Erbbeſtand der Ge-
brüder Walther dahier betreffend, worin der Regierung
Gewaltmaßregeln vorgeworfen werden, hat ſich nunmehr
Hr. Rechtsanwalt Dr. Schulz bekannt. Es geſchah dieß,
nachdem gegen einen der Zeugen wegen Verweigerung
des Zeugniſſes eine Gefängnißſtrafe ausgesprochen werden
sollte. Gegen Hrn. Dr. Schulz iſt, wie wi! vernehmen,
auch bereits Anklage wegen dieſes Artikels erhoben. Wir
erleben es daher bald, daß, was ſchon lange nicht mehr

der Fall war, ein Anwalt als Angeklagter figurirt. _

* Mus Baden, 1. Juni. Fiebergluth rollt unjeren
Großpreußen durch die Adern. Ihre Sehnsucht ver-
langt ,Leiſtungen , Erfolge“ den „monarchiſchen
deutſchen Staat.“ Die Umgestaltung des Zollparlamentes
in ein Vollparlament iſt ihnen eine „Nothwendigkeit",
die ſich „vollziehen muß“, toſte es was es wolle. Wir
leben ja im Zeitalter von „Blut und Eiſen“. Alſo
Vorwärts ! So ſsprudelte es in den letzten Tagen in dem
politiſchen Kochtopfe der „vereinigten Offenburger und
Karlsruher National-Liberalen“ auf und das gestern ge-
meldete Trompetengeſchmetter der „Heideib. Ztg." ließ

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