Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.
Freitag, 22. Oktober.
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Der , Constitutionnel‘’ gegen Preußen.
h Unsere Herren Nationalen haben jetzt Gelegenheit, das
Vaterland zu retten, reſp. dem Vaterlande mit Gut und
Blut aufzuwarten. Was die jetige franzöſiſche Regie-
eines Millitärstaates von 45 Millionen im Herzen des
Kontinents" ausgeht, der an der Kehler Brücke zur Offen-
rung, deren Erhaltung der Diplomatie so schwer am | sive bereit stände etc. Louis Napoleon beabsichtigt, die
Herzen liegt, über die peußiſcht Politik, den Prager Frie- | Augen der Franzoſen nach Außen zu richten ~ ſo viel
den, die militäriſchen Allianzen mit dem Süden dentt,
das verräth uns so eben der Pariſer ,„Conſtitutionnel“,
der in der auswärtigen Politik noch immer hochoffiziös
iſt, wenn auch der ,Peuple. in den inneren An-
gelegenheiten ihm den Rang abgelaufen hat. Besagter
„Constitutionnel“ klagt geradezu Preußen an, die einzige
Urſache des bewaffneten Friedens und der Unmöglichkeit
einer Entwaffnung in Europa zu ſein!
Der Pariſer Infpirirte iſt ſchlau genug, vor den
Augen der Völker die Fata Morgana kleiner Militär-
budgets spiegeln zu laſſen und sogar für einen Augenblick
bei der Friedensliga in die Schule zu gehen. Wenn
nämlich Preußen endlich vernünftig wird, wenn es seinen
Anmaßungen entſagt, so „werden sich alle großen euro-
päiſchen Staaten über die Bedingungen einer allgemeinen
Abrüſtung verſtändigen können. Keine Regierung wird
ſtark genug sein, der friedlichen Strömung der öffent-
lichen Meinung zu widerſtehen. Die Militärbudgets wer-
den auf die Hälfte und n och weniger herabgesetzt
ſcin und das Erträgniß der friedlichen Arbeit wird den
Werken des Friedens zugeführt werden können.“
Iſt dieſe Sprache viclleicht deßhalb weniger bederntlich,
weil ſie von Reinecke's Lippen kommt? Hat uns nicht
ſchon Kant gelehrt, daß, sich „die großen Mächte nie vor
dem Urtheile des gemeinen Haufens, sondern nur eine vor
der andern ſchäme und daß sie nur das Mißlingen be-
ſchämt machen tönne“! ?
Was jetzt noch in Compiegne gesſchnitt werden mag,
wiſſen wir nicht; aber Bonaparte steckt soeben einen
zweiten Pfeil in seinen Koller. Dieser Pfeil iſt nach
Außen beſtimmtk. Der ,Constitutionnel“ stellt ein förm-
liches Ultimatum, welches die norddeuiſchen Offiziösen und
Nationalen wohl dazu treiben wird, Oesterreich vorläufig
in Ruhe zu laſſen und, wenngleich eontre coeur, nach
Paris hin zu ſcharwänzeln. Jenes Blatt erklärt nämlich:
Der Prage Friede müßte s re n g ſt e ns eingehalten wer-
den, Preußen habe nur an ihm die Garantie seines
jeßzigen Beſizes. Und das ſei nicht nur eine Thatſache,
ſondern dieſe Thatsache müſsſe Preußen durch ein förm-
liches „Verſprechen“ anerkennen, und noch mehr, dieses
„Verſprechen“ „mit Bürgſchaften umgeben“!
Und nun folgen die Bürgschaften. Preußen ſoll die
Schuß- und Trugtbündnisse, die es vor der U:terzeich-
nung und zum Nachtheil des Prager Friedens mit
den Südſtaaten geschloſſen, wieder auflösen. Das allein
ſei „ein ſolides Pfand Feiner friedlichen Geſinnnungen.“ |
Und, was das Bitterſte iſt, der ,„Conſtitutionnel“ he-
hauptet, damit opfere Preußen „nichts Reelles, sondern
nur seine Eigenliebe.“
_Die Allianzverträge seien „vom Sieger den Besiegten
î_ auferlegt" worden, und ,diese könnten wohl versucht ſein
ſich davon zu brfreien, sobald der Dr : > aufgehört“.
habe. Hier wird also geradezu die Vermuthung ausge-
ſprochen, daß die Südſtaaten jene Verträge als aufge-
zwungen betrachten. Freilich fragen wir erſtaunt: welche
Südſtaaten, reſp. südlichen Regierungen ? Die badische
gewiß nicht; die bayeriſche auch nicht, denn Fürst Hohen-
lohe betrachtet den Mllitärvertrag als das nationale
_ Band zwiſchen dem Süden und dem Norden.“
Herr von Varnbüler und das = ſüddeutſche Volk.
Sehr boshaft iſt dann die Parallele zwiſchen diesen
Allianzverträgen und den Verträgen Oeſterreichs mit den
italieniſchen Jürſten, welche 1859 den Ausgang des ita-
lieniſchen Krieges bildeten. Der „Conſtitutionnel“ fragt:
ob dieſe Verträge damals Oeſsterrich „beſchütt und ihm
Hülfe gewährt“ hätten? „Könnten dieselben Ursachen
nicht heute dieſelben Wirkungen hervorrufen?“ Hier ist
alſo Preußen die deepotiſche Macht des Auslandes, welche
fremden (deutschen) Fürſten Hülfe verſprochen hätte und
Frankreich giebt sich die Rolle des Befreiers, der solche
Zl ticht achtet, ſie im Gegentheil auf immer zer-
äſktören will!
_ WVWunderlicher Vergleich, der aber bedrohliche Dinge in
ſei nen Eingeweiden trägt. Es icheint, Louis Napoleon
will die Ent waffnun gsfrag e aufs Tapet bringen;
Bliebe
das ,liberale Kaiſerthum“ will Crleichterungen und Er-
ſparungen in Ausſichi ſtellcn, Crleichterungen und Er-
iſt für heute klar. Noch nie seit 1866 hat ein offiziöſes
If Blatt so bestimmt gegen Preußen Poſto
Voalitiſche Uebersicht.
Mannheim, 21. Oktober.
* In einer Korreſpondenz der „N. fr. Pr." erinnert Karl
Blind die anschlußgierigen National Liberalen in
Baden daran, eine Schrift des alten Welcker zu ſtudiren:
Wichtige Urkunden für den Rechtszuſtand der deutschen
Nation. In der bezeichneten Schrift befindet ſich die
Denkschrift eines preußischen Staatsmannes aus dem Jahre
1822. Dieselbe deutct die Wege an, auf denen Preußen
zur Vergrößerung seiner Macht gelangen könnte; wie
Preußen es machen müſſe, damit Deutschland von ihm
„wie mit einer Kette umzogen“ werde. Als nächstes Ziel
wurde empfohlen: die Herbeiführung einer ,„Theilungs-
linie des Einflusses in Deutſchland durch den Main." ~
Die Ereignisse seit 1866 weiſen darauf hin, daß Preußen
die Rathschläge jener Denkschrift genau befolgte, auch in
Bezug auf Ba d en, von dem es heißt : „Mit Ba'en
könnte ein allgemeines freundſchaſtliches Verhältniß... unter-
halten und dazu benützt werden, ein zu enges Anschließen
Badens an irgend einen andern Staat zu hintertreiben.“
Die „Kette“ ist im Norden durch die Bundesverfassung,
im Süden durch die Schutß- und Trutzbbündniſsse und
sonstige militäriſche Verträge, um Deutſchland geschlungen.
Noch iſt sie nicht feſt angezogen; noch ein Entrinnen
möglich. Das letzte Ziel Preußens iſt auf die Wieder-
herſtelung des Absolutismus gerichte. Wer nur an-
nähernd ein Freund der Freiheit und des Volkes ist,
muß deßhalb die preußiſche Politik bekämpfen und dieß
im Süden zunächſt in den Personen, die bewußt oder
unbewußt den volksverrätheriſchen Beſtrebungen der Ber-
liner Politik Vorſchub leiſten, ſie unterſtützen.
In Wiener leitenden Kreiſen wird, wie die ,„N. fr.
Pr.“ vernimmt, an eine Abberufung des Fürsſten Metter-
nich von seinem Botſchafterpoſten in Paris absolut nicht
gedacht. Dagegen beſtätigt ſich, daß der Fürſt vor seinem
Renkontre mit dem Grafen Beaumont seine Demission
einreichte, welche nicht angenommen wurde. Die ganz
undiplomatiſchen Abenteuer des Botſchafters in Paris
scheinen alſo von ſeiner Regierung als ein integrirender
Beſtandtheil seiner Miſſion betrachtet zu werden.
In O eſterr eich hat der Schluß der Landtag e
bis zum 20. Oktober zu erfolgen. Ueber die Eröffnung
des Reichs ra th s iſt nur beſtimmt, daß dieselbe erſt
(Ende November erfolgen soll, da der Kaiser perſönlich
die Thronrede zu halten gedenke.
Das. + Manifeſt. der Linkene .der „fr.angzößä;ſ;ch.ear
Kammer hat, wie wir dies voraus geſehen, in den ent-
ſchieden radikalen Kreiſen nur Mißfallen erwectt und ge-
funden. Die radikalen Blätter greifen das Manifeſt
jcharf an; der ,„Reveil“ ertlärk, daß die „Linken abge-
dankt haben“ ~ z in einer in der Rue de Clichy abge-
haltenen Privatverſammlung wurde das Manifeſt am
schärfsten gegeißelt und dessen Urheber nicht weniger.
Zur Versammlung waren die Deputirten der Linken ein-
geladen. Es erſchienen jedoch nur Bancel Jules Simon,
Jules Ferry und Pelletan. Alle vier ſprachen zur Ver-
sammlung + ohne größeren Eindruck hervorzubringen.
Ihnen erwiederte der Clubredner Briosne; er wies nach,
daß eine am 26. Oktober veranlaßte Demonſtration er- *
folgreich gewesen wäre, wenn ſich alle 40 Deputirten der
Linken daran betheiligt hätten. Auch er habe ſeine Polizei,
auch er kenne die Stimmung in den Ateliers und könne
verſichern, daß man, wenn man 40 Mann ſtart vom
Bastillenplat ausgezogen, mit 500,000 Mann auf dem
Concordienplate angelangt wäre. Den 40. Deputitirten
der Linken hätten ſich ſicher unterwegs nicht wenige vom
Tiersparti angeschloſſen, das seien kluge Leute, die als
schlaue Ratten das ſinkende Schiff des Kaiſerthums wohl
zu verlaſſen wiſſen würden. Und die Anführer der Truppen
endlich möchten schwerlich die Verantwortlichkeit übernehmen,
gegen 120 Deputirte und 500,000 Menſchen mit Kar-
tätſchen einzuſchreiten. Jetzt aber freilich würde die Kund-
sparungen, die nur leider an den böſen Absichten | gebung am 26. Oktober nur eine nutloſe Metelei sein.
| Preußens ſcheitern, daran, daß Preußen „bis an die
| Zähne bewaffnet“ iſt, daß es sogar auf ,die Bildung
Dank der Feigheit der Volksvertreter, die nun entweder
auf jeden Einfluß zu verzichten hätten oder sich ihr
Mandat durch das allgemeine Stimmrecht erneuern laſſen
müßten. Man würde ſchon noch dazu gelangen, die
Linke hinzureißen . . . aber dann nicht vergeſſen, daß
ſie nichts gethan hätte, als man sich ihr angeboten habe.
Die Reise des Fürſten von Ru mä nie n in Weſt-
europa endet mit einer Hochzeit. Die Braut , Prinzesſin
ECliſabeth zu Wied, bringt, wie die „Zukunft“ hört, nach
Rumänien einen ansehnlichen Brautſchaß mit und iſt,
wenn eben durchaus etwas Politiſches damit verbunnn
ſein soll , unter den Augen Roggenbach's, des bekannten
badiſchen Staatsmannes und Freundes von Bismarck
erzogen.
hot London steht eine Kundgebung unter freiem
Himmel auf den 24. Ott. bevor. Am „Reformations-
Baum“ im Hydepark soll wieder einmal für die gefange-
nen Fenier das Wort eingelegt werden; ob in der wür
thend englandfeindlichen Weiſe, wie neulich in Dublin
und Kork, bleibt zu sehen noch übrig. Die Masse der
Theilnehmer wird natürlich aus Jren bestehen, und in-
sofern darf man ſsich wohl auf einige theatraliſche Vor-
gänge gefaßt machen. Der Regierung kommt die Kund-
gebung sehr ungelegen. Gladstone und Bright sollen per-
sönlich nicht abgeneigt sein , eine allgemeine Amnestie zu
ertheilen. Die öffentliche Meinung. in England ist jedoch
keineswegs dafür, denn man fürchtet, durch allzu große
Milde die Losreißungsgelüſte eher noch zu befördern, und
man hat in London auch die Klerkenweller Pulverſpren-
gung noch nicht vergessen.
Deuiſchland.
* Karlsruhe, 21. Ott s Kameralpraktikant A. S toll
von Staufen wurde zum Bahnverwalter in Mergentheim er-
"eth jetter iſt zu Bruchſal Geh. Rath . à.tretn
des Gr. Verwaltungshofes geſtorben.
boren, wurde 1824 als Rechtspraktikant rezipirt, 1880 Amtsasseſſor
in Müllheim, 1832 Bezirksamtmann in Hornberg , 1836 Ober-
amtmann in Lörrach; ſpäter Direktor des ev. Oberkirchenrathes,
dann Direktor der Regierung des Unterrheinkreiſes und endlich
Direktor des gr. Verwaltungshofes. ;
Freiburg , 20. Okt. Die Mitglieder des ta-
tholiſchen Adels haben am Montage dahier die von Rom
eingesandten Statuten berathen, welche die Erneuerung
des Maltheſer Ordens bezwecken. Nach den neuen
Satzungen können Mitglieder des Ordens nur Adelige
kath. Religion werden. Die Gelübde der Armuth und
Ehelosigkeit fallen weg; dagegen wird zum unbedingten
Gehorsam gegenüber dem Papſte verpflichtet und die Ver-
theidigung seiner Aussprüche, Anordnungen und Rechte
zur Aufgabe geſtell. An der Spitße des Ordens ſteht
ein Ordensgeneral , deſſen Weiſungen unbedingt Folge
zu leisten iſt. Die Mitglieder machen sich ferner verbinds
lich, täglich beſtimmte Andachtsübungen zu pflegen und f
das Ansehen und die Machtſtellung der katholiſchen Krehenn.
ihre Lehren und Heilmittel in jeder Lage und Stellung- |
zu. fördern. Dagegen erhalten die neuen Ordensritter
die Crlaubniß, eine rothe Uniform mit goldenen vollen
Epauletten, den Degen an der Seite, das Maltheser
Kreuz am Halse zu tragen. Für dieſe Erlaubniß zahlt
jeder Neueintretende eine Taxe von 1000 Frauks in die
päpſtliche Kaſſe. Es sollen diese neuen Satzungen zur Bie-
derbelebung einer mittelalterlichen Einrichtung in der be-
zeichneten Versammlung Billigung gefunden und fünf
der Anwesenden ihren Eintritt in den Orden angezeigt
haben.
* Aus Baden , 21. Okt. Ueber den Verlauf
und das Resultat der Verſammlung der Vertreter
der größeren Städte, welche am 14. d. zu Karls-
ruhe unter dem Vorsiße des Oberbürgermeiſters von
Mannheim, Herrn Achenbach, ſtattgefunden, bringt die
„Stimme vom Wiesenthale“ einen Bericht. Nach dem-
selben haben die versammelten Herren ſich tadelnd der
Regierung gegenüber ausgesprochen , w eil dieſelbe die-
Vorlagen über Abänderung einiger Paragraphen des Gez
meindegesces, des Armengeſetes, Verehelichungsgeſeßes und
des Geſezes überdas Aufenthaltsrecht nicht früher veröffentlicht
und der allgemeinſten Besprechung unterbreitet hat. Es
wurde ausgeführt, daß die Vorlagen nach den offiziös
gefloſſenen Aeußerungen über freiheitliche Entwicklung der
Gemeinden kaum die Beseitigung deſſen bieten, was über-
haupt unhaltbar geworden sei. Wenn man die Entwürfe
leſe, ſo „friere“ einen , weil ſie von Jemandem geschrie-
ben sein müßten, der eine eiskalte Hand aber kein Herz
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