Organ
Tie „Wannheimer Äbendzetinug" wixb ~ niit Uusnahme der Sonntage und üFeittage
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E:
Die Vorgänge in Frankreich.
) Die dermalige von dem linken Zentrum der franzö- |
ſichen Kamrter ausgehende Bewegung dürfte ihren Höhe-
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punkt erreicht haben. Heute steht die Entscheidung zu |
erwarten. Heurc mird sich die Kammer konſstituren
und vielleicht während die;é Zeilen zum Drucke gehen, |
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bestimmt erwarteten Eröffnungen über die Entſchließungen
bringt der Telegraph Bericht über die in heutiger Sitzung
des Zäſars.
Der Kaiser ſcheint nach den vorliés!nden Pariser
Meldungen entſchloſſen, nachzugeben . . . jedoch nur in-
soweit, als ſich Aenderungen durch einen Senatsbeſchluß
erzielen laſſen und sie gegen die Grundlagen des Ver-
faſſungswerkes von 1852 nicht verſtogen. Man doll
nachgeben wollen, dadurch, daß man die Adreßdebatte
wieder herstellt ; das Amendementsrecht verleiht, die Präsi-
dentenwahl und die Wahl des geſammten Kammer-Bureau?’s
den Volksvertretern wieder zugesteht, die Form der Zu-
lassung von Interpellationen vereinfacht und überdieß den ,
Senat einzuberufen entſchloſſen iſt, um durch denselben
den Artikel 44 der Verfaſſung dahin abändern zu laſſen
daß durch ihn <ausgeſprochen wird, es könne ein Miniſter
U . auch zugleich das Amt eines Veolksvertreters
ausüben.
Diese Zugeständnisſe werden nicht befriedigen. Die
Forderung eines gleichartigen, verantwortlichen Ministeriums
iſt gerade diejenige, welche die einschneidende Rolle ſpielt.
Napoleon mörhte vielleicht unter Rouher's Vorsitz ein
partamentariſches Miniſterium bilden, aber die Männer
der Tierspartei, die er dazu .nöthig hätte, verſagen ihm
jeden Beiſtand , ſobald es ſich um ein Zuſammengehen
mit Rouher und nicht um die Bildung eines auf ge- ;
meinſamer Basis stehenden Kabinets handelt. Dazu kommt,
daß der Kaiser gegen einzelne Mitglieder der Tierspartei,
wie gegen Buffet, große Abneigung hat und daß ander-
seits wieder Solche sind, welche die Uebernahme eines
Miniſterportefeuilles überhaupt abiehnen, und wie Ségris, die
Verantwortlictkeit ſolch amtlicher Bürde vollends scheuen,
während Ollivicr, der ſich gerne aufſparen möchte, von
dem Eintritt in das neue Kabinet nichts hören will, weil
er demſelben keine lange Lebensdauer zutraut.
Auf diese Weiſe kann Napoleon in dieselbe Stellung,
wie nach dem 19. Januar kommen. Wie damals ~
wird er auch jett vielleicht weitreichende Zugeständnisse
machen, für die ihm Niemand Dank wisſen wird, weil
er – wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird ~ ſich aus
Eigenliebe nicht entſchließen kann, sie im rechten Augen-
blicke und s o zu geben, wie sie dem wirktlichen Bedürf-
niſſe des Moments entsprechen. Für ihn und ſeine jeti-
gen Rathgeber scheint alſo die Regierungskunſt darin zu
beſtehen, viel Zugeſtändniſſe zu machen ~ aber den An-
ſchein zu bewahren, als ob man noch viel mehr einbehielt,
als man gibt. Und gerade das iſt der Stein des An-
ſtoßes, denn in einem Lande wie Frankreich, wo die
Maſſen nur durch Formeln bewegt werden, kommt es
viel weniger darauf an, die Sache, als den Namen zu-
zugeſtehen, während hier gerade umgekehrt der Name —
ein verantwortliches, solidarisches Ministerium > vorent-
halten bleibt, indeß man die Sache doch im Wesentlichen
zu geben im Begriff ist. .
Die Hauptführer des linken Zentrums haben nicht die
Neigung, sich mit ſchönen Worten und halben Maßregeln
abſpeiſen zu laſſen. Sie wisſen, daß die Wünſche des
Volkes zum großen Theile weiter gehen, als viele Depu-
tirte und ſie haben deßhalb eine vollſtändige Modifikation
des jetzigen Regimes als das einzige Mittel, um einer
Kataſtrophe zuvorzukommen, in Vorschlag gebracht. Die
Führer des linken Zentrums werden deßhalb aber auch
ſchwerlich sich bereit finden lassen, auf die hier wahrschein-
lich gehaltenen Zugesſtänoniſſe des Kaiſers hin, Miniſter-
ämter zu übernehmen, wie enn überhaupt Frankreich in
diesem Augenblicke den unnatürlichen Anblick darbietet,
eine Verfaſſjung zu besitzen, welche der Vervolllommnung
dringend bedarf, die aber geſetlich nicht vervollkommnet
werden darf, weil der Senatsbeſchluyg vom Juni 1866
dem gesetgebenden Körper, alſo mithin der eigentlichen
Verkörperung des Volkswillens, es ausdrücklich untersagt,
fich mit Verfaſſungsfragen zu beschäftigen.
Die augenblickliche Lage in Frankreich hat den Charak-
ter einer friedlichen Revolution, welche die Mittelpartei der
Volksvertretung und die Regierung durchmachen. Die
Linke, die „Unverſöhnlichen“ verhält ſich unthätig; ſie
will in den Handel zwischen Mittelpartei und Regierung
der deulſchen Volkspartei in Baden.
Ed
| ſich nicht miſchen. Sie wird aber mit ihren Beſtrebungen
und Forderungen ſchon auſtreten und es könnte hiernach
um so ernster werden, als es der Regierung jetzt nicht
gttingt, get Ernst ist, die weniger gefährliche Kriſis zu
Politiſche Uebersicht.
Mannheim., 12. Juli
* Das Intereſſe des Tages nimmt Paris in An-
spruch. Das persönliche Regitment“ kämpft zwischen
Nachgiebigkeit und Troß. Am Hofe unterſtüßt man das
letztere Gefühl, indem manden Kaiſer aufzuſtacheln ſucht, wenn
er den dringenden Anträgen der 116 nachgäbe, so müsse er
ſich „gedemüthigt“ fühlen. Es iſt der „Liberte" unmöglich,
auch nur einen Augenblick ein ſolches Gefühl zuzugeben.
Sie sagt : Wenn es wahr iſt, daß die Regierungen für
die Völker gemacht sind und nicht die Bölker für die Re-
gierungen, so liegt durchaus keine Demüthigung darin,
ſich zu einer Erfüllung der Wünſche einer Nation herab-
zulaſſen. Der Fürſt, der eines Tages sagte: „Der lette
Sieg gehört immer den öffentlichen Meinungen“ kann
nicht dadurch gedemüthigt werden, wenn er ihren regel-
mäßig ausgesprochenen Wünſchen nachgiebt . . . Es
iſt immer falſch , aber vielleicht ein Glück für die Völker.
daß. die gewaltsamen Regierungen an maßloſer Eitelkeit
leiden. Diese Untugend trübt ihnen nicht ſelten den ſonſt
klaren Blick berechnender Klugheit und sie stoßen den
Völkern in Momenten vor den Kopf, welche die aller-
ungünſtigſten für ſie ſind. Der Sturz vieler Dynaſtien
und gewaltsamen Regierungen spricht dafür. . .
Im Englichen Unterhauſe ſtellte Salomons die An-
frage, ob die Regierung nicht von neuen Jud enver-
folgungen in den Donau-Fürſtent „ ümern, von
der Vertreibung ganzer Familien aus ihren Wohnungen
gehört habe, und ob ſie ihren humaniſirenden Einfluf,
auf die rumäniſche Regierung ausübe, um dieſelbe zu
einer unſerem Zeitalter mehr entsprechenden Politik zu
bewegen.» Der Unter-Staatssekretär des Aue wärtigen be-
ſtätigt in Beantwortung dieser Frage die Judenmißhand-
lungen in den Donau-Fürſtenthümern und ſetzte hinzu, daß
die englische Regierung deßhalb bereits Vorstellungen erho-
ben habe. Das Organ des Grafen Bismark iſt von
diesem Vorgange im engliſchen Unterhauſe ganz „über-
raſcht," da über neuerliche Judenverfolgungen in dem
von einem Hohenzollern glücklich regierten Lande „von
anderer Seite bisher nicht das Geringſte bekannt geworden.“
Aus New - York wird gemeldet: Es geht das
Gerücht, Präsident Grant habe, nachdem er die Ansichten
des Miniſteriums zu Rathe gezogen, beſchloſſen daß die
Wahlen in Texas und in Miſſiſſippi den 3. November
ſtattfinden ſollten. Mehrere Organe der demotratiſchen
Partei erwarten. auf die Wahlen des Staates Virginia
ſich berufend, eine Reattion zu Gunsten der Demotratie.
Deutſchland.
* Mannheim , 12. Juli. In unserer Berichter-
ſtattung über die Ar beiter b ewe gung haben wir zu
verzeichnen : Der Präsident des allg. deutſchen Schneider--
Vereins, Hr. Schob, ist ebenfaus von Schweitzer abge-
fallen. Im Schweitzeriſchen Verein ſind die Wahlen zum
Vorstande bis zum 25. d. M. zu vollziehen. Hr. Schweitzer
empfiehlt, die von ihm Vorgeschlagenen zu wählen, um
„zur Verschmelzung der Elemente beitragen zu wollen."
In Nürnberg fand am 3. und 4. Juli auf Anregung
der Fürther und Nürnberger Mitglieder der internationalen
Arbeiteraſſoziation eine Verſammlung statt, in welcher die
Gründung einer ſozial-demokratiſchen Partei für Bayern
beſchloſsſen wurde. – Auf einer Konferenz von Vertretern
der verſchiedenen Fraktionen der deutſchen Sozial- Demo-
kratie, zu Leipzig abgehalten, wurde einstimmig der Be-
schluß gefaßt, den „Allgemeinen deutschen ſsozial-demokra-
liſchen Arbeiterkongreß“ auf Samſtag, 7. Juli, Sonntag,
den 8. und Montag, den 9.* Auguſt nach Eiſena ch
zu berufen. + Gleichzeitg beruft A. Bebel im Namen
des Vororts der deutschen Arbeitervereine dem „Sechsten
Vereinstag des Verbandes" auf Montag, den 9. Auguſt
nach Eiſenach. Die Tagesordnung lautet : 1 Bericht des
Vororts, 2) die Frage : Welche Stellung soll der Verband
zu der neuen Organisation der sozial-demokratiſchen Par-
tei einnehmen ? event. Auflösung des Verbandes. Die
übrigen Punkte, welche Anfangs für die Tagesordnung
des Vereinstages feſtgeſeßt waren : Direkte Geſeßgebung
durch das Volk, die politiſche Stellung der deutſchen So-
zial-Demotratie, die Frage der Volkserziehung in Beziehung
B täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſezlag
Beſtellungen bei der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und ei allen Poſtanftalten.
EE
zum Militärſyſtem und die Gewerksgenoſssenſchafls - Ange-
legenheit, werden durch die Tagesordnung des ſozial--
demoktratiſchen Kongresses bereits erledigte.
* (us Baden, 11. Juli. Die Vorarbeiten sür
die Kammerwahlen schreiten vorwärts und dürften die
Wathlhandlungen alsbald angeordnet werden. Der neueſte
St aatsa nz eig er veröffentlicht die Liſte der ſstimm-
fähigen und wählbaren Grundherren. Ferner die Anord-
nung zur Vornahme einer Erſagwahl tür Herrn Pro-
fesſor Wundt in Heidelberg. Als Wahlkommiſssär wurde
Herr Kreis- und Hofg.-Direktor Stempf in Mannheim
ernannt. – Die Nachrichten über das Bes inden des
G roßh erzogs lauten nicht allzugünſtig. Wie der „Köln.
Ztg.“ gemeldet wird, solle das Nervensyſtem des Groß-
herzogs der Kräftigung bedürfen und werde derſelbe deß--
halb später wahrscheinlich ein ſüdliches Klima aufsuchen.
Die „Warte“ iſt der „Köln. Ztg." auch für diese Nach-
richten, „wenn sie auch beunruhigender Natur sind“",
dankbar, da man in Karlsruhe in vollſtändiger Unkennt-
niß über den Geſundheitszuſtand des Fürſten lebe. Viel-
leicht werde die Notiz der „Köln. Ztg.“ dem offiziöſen
oder einem halboffiziößsen Blatte Veranlaſſung zu einem
Dementi geben und man werde dann erfahren, wie es
dem Großherzoge ginge. ~ Schon ſchwebt eine hübſche
Zahl Preßprozeſſe über dem Haupte des „Bad.
Beobachters.“ Neuerdings wurde dieselbe vermehrt durch
eine Ehrenkränkungsklage, welche der Herausgeber der
„Bad. Ldsztg.," Herr C. Macklot, gegen denselben erhoben.
Dieselbe Klage iſt zugleich gegen 34 katholische Geiſtliche
und den Drucker des Beobachter gerichtet und ſoll die
Ehrenkränkung verübt sein, in Dructſchriften und in Folge
vorausgegangener Verabredung. ~ Auf einem „Bürger-
abend“ zu K onſtanz ergriff ein „Schwarzer“ das Wwor, "
um vor den sog. „Offenburgern“ zu warnen, die ausge-
zogen seien, um Opposition zu machen, später aber ein
Verſöhnungsfeſt gefeiert hätten. Der Vorsitzende des
Bürgerabends nahm die „Offenburger“ in Schuy, die
erklärt hätten, ſie seien eine ſelbſtsſtändige Partei, die keine
grundsätzliche Opposition mache, sondern das Miniſterium
in allen Fragen, worin Cinverſtändniß herrſche, unten.
ſtüten wolle. Brav gesprochen, Herr Ammon. Mie
ſteht es aber in den Fragen und Angelegenheiten, in
welchen dieſes „Einverſtändniß“ nicht vorhanden iſt. Und
in der zu Offenburg ausgegebenen Broſchüre „Woher die
Opposition“ iſt doch die Rede von: Rückſichtsloſigkeit gegen
die Kammer; von der Neubildung eines Ministeriums,
„für welches dem Volke jegliches Versſtändniß fehle ;“ von
der provisorischen Einführung eines Theiles der Militäen. |
ſtrafgeſeßgehung, gegen welche die Kammer ſich ausge-
ſprochen; von der Belaſſung des Gesandten in Florenz,
„ungeachtet des Abschluſſes der Volksvertretung,“ von
zahlreich eingeleiteten Penſionirungen von Oſfizieren, einer
zufriedenstellenden Erklärung des vormaligen Kriegsmini-s
steriums gegenüber; der Lahmlegung eines Beſchluſſes der
Kammec bezüglich des Gagentarifs ; von Bestrebungen des
Miniſteriums „uns mit preußiſchen Einrichtungen aller
Art“ zu beglücken; ein Beſtreben, welches in „dem präch-
tigen Koder des Cherechts der Offiziere“ bethätigt worden
sei; von der Verſezung Kiefers „aus politiſchen Gründen,“
einer persönlichen Angelegenheit, hinter welcher ein ge-
wichtiger politischer Hinergrund steckt; der Berſuch, durch
die abſchreckende Wirkung einzuſchüchtern und den Be-
amten welche zugleich Volksvertreter sind, ins Gedächtniß
zurückzurufen, daß ſie ihre Beamteneigenschaft keinen Augen-
blicé aus dem Gedächtniß verlieren dürfen." Waren diese
Anichuldigungen unbegründet, haben ſie ihren Gegenstand
verloren oder nicht ? Wir glauben „nicht“ — und empfeh-
len Herrn Ammon die bezeichnete Broschüre nachzuleſen
leg auch dete Sagi Geite 20,, zu beachten. wg es
heißt: „die Offenburger Partei will nicht die dermaligen
Miniſter grundlos um ihre Portefeuilles bringen; noch
weniger kann sie aber diesem Miniſterium, gleich als ihrer
amtlichen Vertretung, ſchlechthin vertrauen." Und weß--
halb machen wir diese Ausführungen? Nicht
um den erzbiſchöfl. Verwalter Herrn Hug dem Herrn
Ammon gegenüber in Schutz zu nehmen; ſondern ein-
fach: um wiederholt auf den großen Anlauf zu verweiſen,
den die Offenburger am 26. Dezember 1868 genommen
Gb ver am 23. Mai 1869 in der Verbrüderung mit
den Miniſteriellen ſo kläglich verlaufen iſt; um wiederholt
darauf zu verweiſen, was die gelegentlich vorgebrachten
Verſprechungen: man wolle „die Würde und den ver-
faſsungsmäßig der Volksvertretung gebührenden politiſchen
Einfluß mit Ernst und Nachdruck zu wahren bestrebt ſein
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