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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#1149

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Organ der deulſchen Vollksparlei in Baden.











Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage + täglich als Abe
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bei der Expedition C 1 Nx. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten. i















Badiſcher Landtag.

* Karlsruhe, 27. November. 11. Sitzung der
Ersten Ka m m e r. Vorsitzender: Hr. Geheime Rath
v. Mohl.

y Vorsitzende macht einige Mittheilungen, darunter
dieſe, daß die Zweite Kammer die von der Erſten Kammer
beſchioſſene Aenderung des g 35 der Verfaſſung nicht
angeiiommen habe.

Petition des ev. Kirchengemeinderaths Heidelberg gegen
das Stiftungsgeſez, welcher ſich die evang. Kirchenge-
meinderäthe von Sinsheim, Eichtersheim, Wiesloch, Wein-
heim, Neider.ſtein und Eschelbronn angeſchloſſen haben.
Petitionen von 22 Gemeinden des Amtsbezirks Mettkirch,
den Bau einer Ciſenbahn von Meßkirch über Tutt-
lingen nach Immendingen betr.

Hierauf Berathung des Berichts des Hofraths Dr.
Woringen über den Geseßentwurf, die Erweiterung der
Gerichtsbarkeit der Schwurgerichte auf politiſche und Preß-
vergeben betr. Der Berichterſtatter beantragt Namens
der Kommission die Annahme der Vorlage.

Staatsraih Weiz el iſt kein grundsäglicher Gegner
der Schiourgerichte und hält das Recht der freien Mei-
nungsäußeruag durch die Preſſje und desſſen Schug durch
die Gerichte für ein ebenso geheiligtes Recht wie das
Recht auf Leben, Freiheit, Ehre und Eigenthum. Aber
gerade hieraus leiten ſich die Bedenken ab, die er dem
Gesezentwurfe gegenüber hegt: Aus dem Gang unſerer
Gesetzgebung laſse sich nicht abſtreiten, daß die Gerichts-
barkeit der Schwurgerichte für die geringen politiſchen und
Preßvergehen eine exzeptionelle (ausnahmsweise) sei und er
fürchte, daß ſchon hierdurch das Ansehen dieser Gerichte
geſchädigt werde. Die Geschworenen haben ſich nur über
Thatſsacyen auszuſprechen und die Frage nun, ob der
strafoare Inhalt einer Schrift wirklich dem Drucke über-
geben worden ſei, liege ſchon klar vor und Jo bleibe nur,
daß die Geſchworenen über die Schuldfrage zu urtheilen
hätten. Bei der Zusſammensezung der Schwurgerichte
habe er noch größere Bedenken, weil die Beurtheilung
einer größeren wissenſchaftlichen Schrift vom ftrafrechtlichen
Standpunkte aus doch gewiß von einem wissenſchaftlich
gebildeten Richterkollegium mit einem ausgiebigeren Rechts-
ſchuj verbunden ſei, als die eines Geſchworenengerichts.
Bei andern hpolitiſchen Vergehen ſei dies ebenſo und bei
der Frage komme es überhaupt nur darauf an, auf
welcher Seite die größere Garantie für das Recht liege.
Er findet diese auf Seite der bisherigen Gesetzgebung.

Geh. Rath Herr mann iſt aus den, gleichen Grün-
den wie der Vorredner gegen die Vorlage. Juſtizminiſter
Obkircher und Bluntsc<li ſprechen für die An-
nahme; ebenso Biſchof Kübel, welcher nur der Ansicht
iſt, daß das Vergehen des Mißbrauchs des geistlichen
Antes nicht zu denen gehöre, welche vor die Schwurge-
richte zu verweisen seien.

j Bei der Abstimmung wurde das Gesetz mit 14 gegen
7 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten: Fürſt

Löwenſtein, Graf Leiningen, Prälat Holtmann, Staats-

tzts Weizel, Graf v. Sponeck, Geh. Rath Herrmann und
rtaxia.. .



§ Karlsruhe, 27. Nov. 27. Sitzung der Z wei-
ton Kammer. Vorsihender : Präſ. Hildebrandt.
Berathung des Berichts des Abg. Lenz (Budgetkom-
mission) über das ordentliche Budget des Finanzminiſte-
riums für 1870 und 1871. Abth. I. bis v.
Salinenverwaltung werden die Einnnahmen
per Jahr mit 669,781 fl., die Ausgaben mit 524,895 fl.,
Reineinnahme per Jahr 144,886 fl. genehmigt. Ö
Die Abgg. Gerwig , Roder und Lindau ſprechen für
den Verkauf der Salinen Dürrheim und Raypenau;
letzterer aber noch für den baldigen Aufschluß des Stein-

_ ſalzlagers bei Wyhlen.

Finanzminiſter Ellſtätter erklärt, zu einem Ver-
kaufe der Salinen habe die Regierung noch keine Gelegen-
heit gehabt, und bemerkt, die Frage wegen Aufschluß
des Steinſalzlagers bei Wyhlen werde eben bei der Re-
gierung erörtert.

; Zollverwaltung: Einnahme je 3,847,488 fl.,
Ausgabe je 938,423 fl., Reinertrag 2,909,015 fl. per
Jahr > genehmigt.

Münzverwaltung: Einnahme je 232,012 fl.,
Ausgabe je 237,524 fl. genehmigt.

Der Abg. Kölle berührt die Frage des einheitlichen

internationalen Münzſyſtems und die Nachricht, wornach |







der Ausschuß des Nordbundesrathes für Handel und Ver- | mit Gewalt entgegen.

kehr zur Anbahnung einer gemeinſamen Ordnung des
Muünzwesens eine Berathung in Aussicht genommen habe.

Der Finanzminister erklärte, die Regierung könne allein

in dieser Sache nichts thun und bemerkt auf eine bezüg-
liche Anfrage des Abg. Ka yſ er, daß die Regierung ſich
für den Franken-Fuß erkläre.

Kataſtervermesſſung :
genehmigt.

Allgemeine Kaſssenverwaltung: Einnahme
für 1870: 56,488 fl., für 1871: 60,097 fl., Ausgabe
je 30,487 sl. genehmigt.

Bei der „Oberrechnungskammer“, Poſition „Beſoldung
der Beamten“, hatte das Ministerium eine Erhöhung
von 2900 fl., angeſeßt, zur Anſtellung von 2 weiteren
Reviſsionsbeamten. Die Kommission hält einen Rev.-Be-
amten für ausreichend und hat 1400 fl. gestrichen. Der

Einnahme je 28,886 fl.

Abg. Poppen beantragte Wiederherſtellung. Der An-

trag wird aber abgelehnt.

Bei „Schuldentilgung“ gibt der Abg. Kölle der Re-
gierung eine höhere Verzinsung der Kautionskapitalien,
etwa A'» statt 4 Prozent, oder wenigstens die Leiſtung
der Kautionen in verzinslichen badischen Staatspapieren
ſtatt baaren Geldes zu erwägen. Finanz-M. Cllistätter
weiſt nach, daß die Amortisationskasse mit einer Verzinsung
von 4 Proz. schon mehr thue, als sie eigentlich zu thun
in der Lage wäre. Das in zweiter Linie Vorgeschlagene
wäre gleichbedeutend mit der Rückzahlung der Kautionen
(die 110 bis 120,000 fl. betragen) und dieß könne die von
andern Seiten ſo in Anspruch genommene Amortisations-
kaſſe nicht.

Der , eigentliche Staatsaufwand des Finanzminisſte-

riums“ mit 2,182,966 fl. für 1870 und 2,257,789 fl.
für 1871 wurde hierauf genehmigt.

Poritiſche Uebersicht.
; Mannheim, 29. November.

* Die Fortschrittsphartei in Bayern hat auf tele-
graphiſchem Wege eine Agitation in Gang gesezt, um
durch Adreſſen, Depeschen und Deputationen den König
zu beſtimmen, die Entlaſſung des Ministeriums Hohen-
lohe nicht anzunehmen. Cine Entscheidung des Königs
iſt noch nicht erfolgt, und die Fortſchrittler, die bisher
die Entfernung aller im Geruche des Ultramontanismus
stehenden Beamten forderten und durchſetten, leben in
der Furcht, die obenauf gekommene ultramontane Par-
tei könnte Wiedervergeltungsrecht üben. Die Volkspartei
in Bayern empfiehlt Mäßigung und Enthaltung, um zu
zeigen, wie tief geſunken und verkommen der Liberalismus
einer Partei sein muß, w Icher sogar von den Ultramon-
tanen in dieſem Slücke übertroffen wird. Ferner empfiehlt
die Volkspartei, die ans Ruder gekommene Mehrheit wolle
einzig und allein die ebenfalls von der Fortſchrittspartei
gehinderte W a hlrefo rm 1m Sinne des allgemeinen
und direkten Wahlrechts durchführen: und hierauf das
Land entſcheiden lassen.

Die Verpreußung iſt in Bayern zum Stehen gebracht ; der
erſte und kräftigſte Schritt, ſie zu überwinden, iſt geſchehen. In
Württemberg stehen sie vereinſamt und verlassen die Ver-
künder und Lobpreiser der Vereinigung mit Preußen. Nur
in Baden sind sie noch obenauf. Die Vorgänge in den
Nachbarſtaaten werden aber nicht uhne Wirkung bleiben
und auch bei uns eine Erſchütterung hervorbringen. Leute,
äußerlich demotratiſch, von Herzen aber großpreußiſch,
wittern bereits die kommenden Dinge und ſquchen nach
einem Mittel, die Verpreußungsbesſtrebungen über Waſſer
zu halten. Sie empfehlen die Losſchälung der liberalen
Elemente von denen des unbedingt miniſteriellen Natio-
nalliberaliismus; die Bildung einer Fortschrittspartei. Die-
selbe würde, wie in Preußen, um einen Theil des Volkes
zu beſtechen, der Liberalität des Nationalliberalismus ſtets
um eine Pferdeläinge voraus gehen, in der Hauptſache
aber nichts anderes erſtreben, als den großpreußiſchen Ein-
heitsſtaat. Noch liegen diese Beſtrebungen verdeckt. Wir
wollen bei Zeiten darauf aufmerkſam machen: da am



schärfsten zuzuſehen, wo das Großpreußenthum im demo-

kratiſchen Gewande, wie der Wolf im Schafspelze, auftritt.

Unter dem Walten des Militarismus hat bei uns
der Kriegsminister für sein Vorgehen mit Verboten, Mah-
nungen und Belehrungen an Soldaten und Landwehr-
leute den Dank der Nationalliberalen, das „Vertrauen“
der National-Demokraten zu verzeichnen. In Preußen
tritt die Militärverwaltung den gerichtlichen Urtheilen

Der Kriegsminister erklärt, di-
Militärverwaltung sei bereit, nachdem ſie ihre Ahsich:
durchgeführt, die etwa gegen ſie auszuſprechende Strafe
zu zahlen . . . Der Juſtizminisſter erklärt, der betreffende
richterliche Erlaß sei kein richterliches Urtheil, sondern
nur eine richterlicce j, Verfügung“. Alles aber
übertraf der Minister des Innern. Er erklärte: wenn
ein richterliches Urtheil gegen meine Rechtsansicht ent-
ſcheidet, ſo behaupte ich gleichwohl mich in meinem Besitz

und zahle nur die vom Gericht mir auferlegte Strafe. !!

Das charakteriſirte Graf Schwerin mit dem Ausspruche:
Gewalt geht vor Recht! Und die Gewalt ſchreitet mächtig
einher. Blühende Aussichten, wenn das Volk dem mar-
schirenden Militarismus nicht „Halt“ gebietet. Die preu-
ßiſche Volksvertretung iſt davon noch weit entfernt; sie
hat den Ministern mit ſolchen Grundsätzen troy alledem
und alledem die geheimen Polizeifonds bewilligt. Und
an eine Verweigerung der Mittel für den Militarismus
denken weder Nationalliberale noch die Fortſchrittspartei.

Heute Nachmittag ein Uhr wird Napoleon die Sesſion
des geſet gebenden Körpers eröffnen. In einer Verſamm-
lung von 21 Mitgliedern der Tiers-Parti wurde he-
schlossen, die Regierung alsbald wegen Verzögerung der
Zuſammenberufung des gesetzgebenden Körpers zu inter-
pelliren. Bezüglich der Partei der 116 wird versichert,
daß troß einiger kaum zu vermeidenden Meinungsver-
schiedenheiten eine allgemeine Eintracht in der Partei
herrſche. ;

Die der republikaniſchen Partei angehörenden Deputirten
der spa ni chen Kortes sind wieder eingetreten. Das
von ihnen veröffentlichte Manifeſt iſt von 40 Abgeordneten
unterzeichnet, welche erklären, daß sie auf allen gesetzlichen

Wegen die Republik herbeizuführen ſuchen werden, daß

ſie aber, falls dieses nicht gelingt, für eine Königswahl
eine allgemeine Volksabſtimmung fordern.
das Schriftstück die Anwendung gewaltthätiger Mittel im
Allgemeinen, erkennt jedoch eine Revolution unter Umstän-
den für eine nothwendiges Uebel an. |

Deutſchland.

* Karlsruhe, 29. Nov. Antsvorſtandsſtellen
wurden übertragen: in Wolfach dem Oberamtmann Seiden-
ſpinner in Bonndorf ; in Adelsheim dem Amtm. Pfister
in Ueberlingen; in Bonndorf dem Amtm. von Theobald
in Raſtatt. Als Beamte wurden zugetheilt den Bezirks-
ämtern: Raſtatt Amtm. v. Rüdt in Freiburg ; Karlsruhe
Amtm. Bechert in Pforzheim; Freiburg Ref. Feter in
Waldshut ; Waldshut Ref. Raſina in Wolfach; Pforz-
heim Ref. Selzer, leßtee unter Ernennung zu Amt-
männern. Es wurden die Poſtpraktikanten: L. Rieger
von Karlsruhe zum Poſtkontroleur in Mannheim; A
Steinbach von Alfeld zum Poſtkontroleur in Heidelberg ;
Fr. Hartmann von Karlsruhe und M. Grimm von Dur-
lach zu Poſtkontroleuren in Karlsruhe ernannt.

[] Heidelberg, 27. Novbr. Herr von Freydorf
hat das Dementi seiner Erklärung wegen früheren Aus-
tritts aus dem Staatsdienſte als wiſsentliche und perfide
Lüge bezeichnet. Wenn er damit unsere Mittheilung vom
6. Novbr. gemeint hat, so bleibt uns nur übrig anzu-
nehmen, daß er an einer betlagenswerthen Schwäche des
Gedächtniſses leidet, jenem Uebel, das bei den heutigen
Staatsmännern bismärctſcher Richtung vorzuherrsſchen ſcheint.
Wir haben mit Ruhe und in Bewußtsein einer unange-
nehmen Pflicht, der Großſprecherei des genannten Herrn
den wa hr e n Sachverhalt entgegengeſtell. Die Thats
sachen, welche wir mitgetheilt, kennen wir als Augen- und
Ohrenzeugen, und sind dieſelben leicht attenmäßig zu be-
weiſen. Wer die Att.n des hieſigen Oberamts von 1848
einſehen wollte, würde ſich überzeugen, daß wirklich (wie
wir angegeben) Hr. v. Freidorf im Frühjahr 1848 nur
ganz kurze Zeit dahier zur Aushilfe beſchäftigt war und
gar keine Untersuchung gegen s. g. politiſche Vergehen
damals h i e r stattfand. Der Schluß, daß die angeblich
von ihm entwickelte „Energie“ eben auf jener ~ Schwäche
des Gedächtniſſes beruht, ergibt fich mithin von ſelbſt.
Ebenso haben wir die wahre Ursache der damaligen Ents
fernung des Herrn v. Freydorf ſtreng der Wahrheit ge-
mäß angegeben. Wir halten unsere Mittheilung vom
6. Nobr. in ihrem vollen Umfang aufrecht.

( Freibnrg, 28. Nov. Bei den Verhandlungen
der Zweiten Kammer über die Interpellation des Abg.
Biſſing, die Verwarnungen und Belehrungen auf den









Kontrolverſammlungen vor der Theilnahme an regierungs-
feindlichen Vereinen betr., iſt den Herren Deputirten ein

d .

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