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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 1 – No. 26 (1. Januar – 31. Januar)
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Mittwoch, 13. Januar.

















Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3. kr.

bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition 0 1 Nr.

1

age und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.











Eine verkannte Unſchuld.

Königin Isabella hat auf ihrer Flucht bekanntlich nicht
nur Herrn! Marfori und ihren Beichtvater, sondern auch
eine runde! Summe in Realen mitgenommen. Rechnet
man dieß Reiſegeld zu dem Erſparten, das ihre kluge Mut-
ter und später wohl auch fie ſelbſt nach dem Beiſpiele an-
derer hoher Personen in der engliſchen Bank angelegt, ſo
erhält man die tröſtliche Ueberzeugung, daß die Cr-Königin
bis an ihr gottſeliges Ende ein ſehr anständiges Auskom-
men haben wird. Das iſt ihr umsomehr zu gönnen, als
sie ſofort nach ihrer Antunft in Paris den edelſten Ger
brauch von: ihrem Vermögen zu miaachen begann. Was
kann rühmenswerther und löblicher sein, als daß man der
Welt die Augen öffnet und die Verleumdung vernichtet,
welche die Tugend fälschlich anklagt? Frau JIſabella ist in
dieser Beziehung ungemein thätig und spart die Realen
nicht im Mindesten. Daß sie ſselbſt es iſt, deren Unschuld
nachgewiesen. wird, thut nichts zur Sache. Für seinen gu-
ten Namen darf man ſtreiten, zumal wenn es ſich nebenbei
um eine Krone handelt.

„Broſchüre der Königin Isabella von Spanien gegen
die Urheber der spanischen Revolution, sowie gegen ihren
Schwager, den Herzog von Montpenſier, und die Mitglie-
der der Familie Orleans“ = so lautet der vollständige
Titel der Flugschrift, die in Paris veröffentlicht worden ist
und uns bereits in einer deutſchen, in Berlin erschienenen
Uebersſeßzung vorliegt. Sie fällt gleich auf der zweiten
Seite mit der Thür ins Haus und sagt: „Rechtliche und
unparteiiſche Männer in Spanien . . . fragen ſich ſchon jetzt,
was denn das Pronunziamiento von Kadir genützt habe,
und oh nicht die verſtändigſte und beſte aller Löſungen da-
rin beſtehen würde, daß die verfassungsmäßige Königin nach
Madrid zurückkehrtet" Warum aber iſt Iſabella damals
geflohen? Nicht aus Furcht, Gott bewahre; vor Genera-
len, vor Männern überhaupt hat Jſabella sich nie gefürch-
tet. Sie floh, wie die Broſchüre versſichert, aus reiner
Malice, „damit ihr Volk Gelegenheit fände, die Männer,
die ſich allein zur Regierung befähigt glaubten, nach ihren
Werken zu beurtheilen."“ Zugleich tröſtet sie Sbpanien, ſie
habe nicht abgedankt und werde niemals abdanten.

An der Regierung ihres Landes hatte JIſabella, wie ihr
Vertheidiger weiter ertlärt, keinen anderen Antheil, als daß
fie unterſchrieb, was die jeweiligen Minister ihr zur Unter-
zeichnung vorlegten. Die kleinen Hände = sie waren da-
mals noch nicht fett und roth ~ untersſchrieben allerdings
viele, viele Todesurtheile Das aber war nicht Mangel
an Gefühl, bloß Mangel an Verſtand. Daß ſich Jſabella’s
Geiſtesgaben nicht ausbildeten, daran war Niemand ſchuld,
als der böſe Olozaga. „Er war der Lehrer der Frau, be-
vor er Miniſter der Königin wurde,“ sagt die Broschüre.
Gewiß iſt Das ſehr zart ausgedrückt, der Verfasser hat Ta-
lent zum Hofpubliziſten. Er übertrifft ſich aber ſelbſt,
wenn er das eheliche Verhältniß der Königin in folgenden
Worten ſchildert: „Jm Jahre 1849 zwingt die Politik
ihr einen Gatten auf, zu einem Zwecke, welchen die Vor-
ſehung vereitelt." Diese Stelle ist ſo ſchön, daß ſie einen
kleinen Kommentar verdient.

Man weiß, welche Sorge Louis Philipp die „spanischen
Heirathen machten. Unabläſſig strebte er danach, seine
Familie auf den spanischen Thron zu bringen und beide
Töchter Ferdinand's des Siebenten mit seinen Söhnen zu
vermählen. Der Widerſtand der Mächte, besonders Eng-
lands, zwang ihn, oie Hälfte des Planes fallen zu laſſen.
Nur Einer seiner Söhne, der Herzog von Montpenſier,
zog als Bräutigam über die Pyrenäen. Nun wußte der
ſchlaue Louis Philipp als Entschädigung die Heirath Jsa-
ſabellcns mit ihrem Vetter Ton Franzisko durchzuſeten,
in der wohlbegründeten Voraussetzung, daß besagter Sohn
des Bourborengeſchlechts zur Fortpflanzung desseiben nicht
beitragen werde und der Thron ſomit von ſclbſt dereinst
an die Kinder ſelnes Sohnes fallen müſsſe. Da irrte ſich
aber der französische König bedeutend. In Madrid feierte
Man eine Taufe nach der anderen, Dank der „Vorſehung“
welche cin beſonderes Intereſſe deran zu nehmen schien

daß das Bourbonengeschlecht wachſe und gedeihe. Einer ſo
frommen Frau wie Jſabella ſchentt der Himmel Kinder,
ſie weiß ſelbſt nicht wie; die Wunder alter Zeiten haben
fich in Madrid wiederholt. König Franz hat zwar manch-
î mal bedentlich mit dem Nopfe geſchüittelt und einst sogar
vor den NKortes ſehr unehrerbictige Cnthüllungen über seine
Hrau und Königin gemacht; Das beweiſt aber weiter nichts,
als daß er nicht deu rechten Clauben an das Walten der
„Borsehung“ hatte und an Frömmigkeit weit hinter ſeiner
Gattin zurückſtand.

>

Alle Männer, die an der Spitze der Septemberbewe-
gung standen, werden in der Broſchüre mit Vorwürfen
persönlichſter Art überhäuft. Geſchont wird nur ein Ein-
ziger: General Prim. Das geschieht gewiß nicht darum,
weil Prim in der That der im Volke beliebteſte unter sei-
ncn Kollegen iſt, sondern hat einen politischen Grund.
Prim's eigentliches Programm kennt bis jezt kein Menſch,
er hüllt sich in undurchdringliches Schweigen. Man hat
Prim im Verdachte, der Cromwell Spaniens werden zu
wollen. Wie aber, wrnn er lieber seinen Monk ſpielen
möchte ? (N. Freie Presſe.)



Politiſche Ueberficht.
Mannheim, 12. Januar.

* Die am 9. abgehaltene erſte Konferenzſitz ung
scheint den glatten Verlauf, den die gestrigen Nachrichten
ihr nachgerühmt hatten, denn doch nicht gehabt zu haben.
Die ,Liberte“ berichtet, der griechiſche Gesandte habe, nach-
dem er von der Verſammlung eingeladen worden, seine
Auseinanderſegungen zu geben, eine zwar maßvolle, aber
darum nicht minder energiſche Erklärung verlesen, in wel-
cher er gegen die seiner Regierung geſchaffene Lage und
gegen die ihm angewiesene, lediglich berathende Rolle pro-
teſtirte. Cs handele sich um einen zwiſchen der Türkei und
Griechenland schwebenden Prozeß; es sei alſo billig und
natürlich, beide Mächte mit gleichen Rechten zuzulassen oder
alle beide auszuſchlieken. Die Türkei könne nicht Richter
und Partei zugleich ſein. Wolle man ſsagen, daß die
Pforte als Mitunterzeichnerin des Pariſer Friedens zuge-
laſſen sei? Dieser Friede ſtehe in keinem Zuſammenhange
mit dem gegenwärtigen Konflikt. Oder als Großmacht?
In einer Gerechtigkeitsfrage gebe es keine großen und klei-
nen Mächte. Er habe, wenn die Konferenz seiner Vor-
ſtellung nicht willfahre, die Instruktion, nicht mehr vor der-
ſelben zu erſcheinen. Nach diesen Erklärungen habe ſich
Hr. Rangabe zurückgezogen und die Konferenz ihre Ent-
ſcheidung auf die nächſte Sitzung vertagt. Die häufig zu
halbamtlichen Mittheilungen der franzöſiſchen Regierung
benüzte Agence Havas bestätigt diese Angaben im We-
sentlichen mit den Worten: „Nach Versicherungen aus
gut unterrichteten Privatkreiſen hat der griechiſche Geſandte
nicht gegen die Stellung Griechenlands zur Konferenz prote-
ſtirt, sondern nur gleiche Bedingung n für Griechenland wie
für die Türkei verlangt." Die Herren am Konferenztisſche
werden wohl einen Ausweg zur Beseitigung dieses Zwischen-
falles finden; wenigstens wiederholt sich von Paris her die
Versicherung, daß die Konferenz zur vollſtändigen Löſung
ihrer Aufgabe höchſtens noch zweier Sitzungen bedürfen werde.
Die über den erſten Zuſammentritt nach Wien erstatteten Be-
richte des öſterreichiſchen Gesandten in Paris ,konstatiren +
wie die N. Fr. Pr. meldet + eine dem Frieden günſtige
Stimmung der Konferenz.“ Aus einem englischen Blatte erfährt
maninzwiſchen, daß Rußland bereits dafür zu sorgen begonnen
hat, daß die Ergebnisse dieser friedlichen Stimmung nicht allzu
nachhaltig ſind. Wie bekannt, iſt der Konferenzberathung das
türkiſche Ultimatum zur ausschließlichen Grundlage gegeben und
jede Erörterung der kandiotiſchen Frage ausgeschlossen worden.
Die ruſsiſche Regierung hat nun, wie die „Morningpoſt“ mit-
theilt, die Niedersetung einer internationalen Kommission zur
Unterſuchung der Beschwerden der Griechen über die Verwal-
tuyug Kandia's vorgeschlagen, und nur der „unzweideutigſten“
Erläuterung der Streitlage durch den engliſchen Konferenz-
bevollmächtigten sei es gelungen, diesen Vorschlag zu beseitigen.
Rußland hat ein doppeltes Interesse, die Wunde der türtiſch-
griechiſchen Zwiſtigkeiten immer offen zu halten. Einmal, da-
mit es bei ihm gelegener Zeit den „kranken Mann“ am Bospo-
rus ſeine Kur angedeihen lassen kann, und dann, um der
von Griechenland aus nach Rumänien getragenen natio-
nalen Aufregung stets neue Nahrung zu geben.

In Rumänien will man einerſeits die Souzeränetät der
Pforte abſchütteln, anderseits das Land auf Kosten Oeſterreichs
vergrößern. In ersterer Beziehung liegen, wie ein osfiziöſer
Wiener Korrespondent der Karlsr. Ztg. unterm 9. ſchreibt,
neueſte Enthüllungen vor, die „den unwiderſprechlichen Ber
weis führen, daß zwiſchen Rumänien und Griechenland ein (e-
meinſamer Angriffsplan gegen die Türkei vereinbart war und
daß nur die nicht erwartcte Energie der Pforte die noch nicht
reife Ausjührung verhindert hat." Die gegen Oesterreich ge-
richtele Agitation wird dermalen, nachdem der preußiſche Prinz
auf dem rumäniſchen Fürſtenſtuhl von seinem hiezu noth-
gedrungenen Vetter in Berlin eine Verwarnung vor unzeiti-
gem Vorgehen erhalten hat, in oſtenſibler Weiſe nur in



nichtamtlichen Kreiſen unterhalten. In Butchareſt iſt, wie

1

dem Pesther Lloyd von dort gemeldet wird, in vergangener
[Woche ein panrumäniſcher Rath abgehalten worden über
die Frage, auf welche Weiſe die Aufmerksamkeit Europas
auf die Leiden der Rumänen in Siebenbürgen gelenkt
werden könnte. Es wurde beſchloſſen, in Berlin, Paris,
London, Petersburg einige Redaktionen zu gewinnen, welche
das Publikum über die Ausrottungs-Politik der Magyaren
zu unterrichten hätten. In Paris ſoll das Sidcle ſchon
für diesen Zweck gewonnen Fein.

Friedensbedürfnisse der Völker ſo entsprechende Berſicherung,
daß die Armeen hinlänglich ſtart und gerüſtet ſind, um
losſchlagen zu können. Der franzöſiſche „Armeemoniteur"
verkündet: „Der gegenwärtige militäriſche Zuſtand Frank-
reichs setzt es in die Lage, allen Eventualitäten gegenüber
zu treten. Wir ſind jett ſtark genug dazu. Wir leben
mit allen Mächten Europas in ſo vollständiger Harmonie,
daß wir derjenigen Macht, welche einen ungerechten Krieg
unternehmen und uns zwingen wullte, den Tegen zu ziehen,
leicht begegnen konnten.“ Und die preußiſchen „Militäriſchen
Blätter“ antworten: „Die militäriſchen Verhältnisse des
norddeutſchen Bundes siud jett definitiv geordnet, es be-
darf nur eines kurzen Telegranms, um faſt eine Million
Soldaten unter die Waffen zu rufen." Angesichts dieser
ſichtbaren Kulturfortſchritte iſt vielleicht nicht ohne Interesse,
zu hören, wie man jenseits des Ozeans hierüber denkt. Der
ehemalige Gesandte der Vereinigten Staaten am öſterreichi-
ſchen Hofe, Herr Motley, hat vor nicht langer Zeit einen
in Waſhington gehaltenen Vortrag über die freiheitliche
Entwicklung Oesterreichs mit folgenden Sätzen geſchloſſen:
„Leider muß der Fortſchritt gehindert und gefesſelt erſchei-
nen, so lange die Militärherrſchaſt in Europa anhält. Die
fünf leitenden Mächte des Kontinents allein, alſo ohne
England und die kleineren Staaten, halten in runder
Summe etwa fünf Millionen Mann für den Krieg bereit,
während unsere große Republik ſich mit 80,000 begnügt.
Kein Epigramm könnte mehr sagen; denn hier iſt der
Punkt, wo den Bürgern aller dieser Monarchien ſyſtematiſch
das Herzblut entzogen wird.“" Der Das ſaglte, iſt freilich
nur ein Nordamerikanerund nur ein Republikaner. Noch wei-
ter zurück in der modernen Ziviliſation des Zäſarenthums
iſt man in ~ Afrika. Dort, in dem Regerfreiſtaat Li-
beria, hat der Präsident Payne in ſeiner jüngsten Botſchaft
an die Volksrepräſentanten ausgeſprochen: „Wir leben der
Ueberzeugung, daß die Welt voranschreitet in der Erkennt-
niß guter Grundsäte und wahrer politiſcher Sittlichkeit.
An die Stelle der Aufsaugung und Niederdrückung ſchwacher
Mächte tritt allmälig eine Neigung zur Hebung und zur Beſ-
serung. Die Lehre, daß Macht Recht sei, fängt an, in dem
Moralſyſtem der Völker als völlig unwürdig erkannt zu wer-
den; ihr gebührt darin kein Plat." Sonderbarer Schwär-
mer dieſer Afrikaner.

Deutſchland.

* Mannheiur, 12. Jan. Die „Offenburger“
fangen an zu t ha te n; da mag die Welt erzittern. Wie
offiziöós mitgetheilt wird, hat „der in Offenburg beſtellte
geſchäftsführende Ausſchuß inzwiſchen den Druck von einigen
tauſend Exemplaren des Programms veranlaßt und dieſel-
ben nach allen Richtungen des Landes an einflußreiche
Parieigenoſſen verſandt.!" Wir erlauben uns hier die
Frage, wer den sog. ,gesſchäſtsführenden Ausſchuß“ be-
ſtelt hat. Von Seite der Offenburger Verſammlung iſt
Dieß bekanntlich nicht geschehen, und die Herren, die in
derselben befürworteten, es ſolle die zu erſtrebende Organis-
sation auf „volksthümliche" Weise eingerichtet werden, ſchei-
nen sofort wieder „bureaukratisch“ geworden zu ſein, als
ſie von der Theorie an die Praxis tamen. Die ,„Offen-
burger“ zweifeln nicht, daß „das Volk ſelbſt nunmehr
eine Pflicht erfüllen wird, ohne welche die liberale Rich-
tung in unſerem Lande einer dunkeln und gefährlichen
Zukunft entgegen gienge." Auch wir zweifeln nicht, daß
unſer Volk seine Pflicht erfüllen wird. Aber daran zwei-
feln wir sehr, daß daſſelbe ſich den „Offenburgern“ an-
ſchließen, daß es ein Programm genehmigen wird, das lis
berale Bestrebungen im Munde führt, in der That aber
darauf hinausgeht, unſer Land und Volk der Unfreiheit,,
die im Norden den Szepter schwingt, botmäßig zu machen,
die Selbstſsländ.gkeit unseres Landes einer uniformirten
Einheit zum Ohfer zu bringen. Die Herren „Offenbur-
ger“ werden Niemand täuſchen. Ihr plötzlich demokratisch
gefärbtes Auftreten iſt nicht aufrichtig, iſt nicht die Folge
innerer Ueberzeugung. In der Noth, allen Halt im öffent-
lichen Lehen zu verlieren, werfen ſie den Köder der „Volks-









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Aus Frankreich und Preußen tömmt die dem . ſh



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