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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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si 269.





Vie „Mannheimer

Abendzeitung“ wird – mt Ausnahme der Sonntage und Feſttage
Anzeigen-Gebühr : die elnſpaitige Netitzeile 3 kr.,

G

.

Sanriſtag, 13. November.

mm..i

1169.









täglich als Abendblatt ausgegeben.
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der i



Organ der deulſchen Volkspartei

Expedition Q 1 Nr.





in Paden.

Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Potftauiſchlag
15 in Mannheim und bei allen Voſtanſtalten. j









Badiſcher Landtag..

* Karlsruhe, 10. Novbr. 18. Sitzung der Zw e i-
ten Kammer. z



Schluß des Berichts.
"Abg. L en d er erinnert daran, das Ziel der Volks-
schule nicht außer Acht zu laſſen.) Sie leiſte, was über-
haupt möglich ſei ; die Zahl der Unterrichtsſtunden könne

nicht vermehrt werden zu Gunsten eines nicht in ihren

Bereich gehörigen Fachunterrichts. Der konfesſionelle Cha-

rakter der Seminarien ſchade nichts und sei von dem |

Abg. Gerwig unnöthigerweise herbeigezogen worden. Die
Zentraliſation ſei auch hier von Nachtheil.

Abg. Bau m.st a rk : Kuſel und von Gulat machten
ihm den Einwand, er habe die von ihm angegriffene Schrift
mißverstanden.s Der Kontext lasse gar keinen Zweifel,
daß nicht etwa Kunsſtdogmen, sondern religiöſe gemeint
seien. In dem einen Sate werde ja auch von religiöser
Ethik gesprochen. Die Mitglieder des Hauſes und der
Abg. Kiefer mit ihnen haben so gut die Pflicht , ſeine
Ausführungen geduldig anzuhören, als er ſich deren An-
griffe gefallen laſſen müſſe. Was ſeinen Kopf und sein
Herz betreffe, um die ſich Kiefer so sehr bekümmere, ſo
ſeien dieſelben nicht mehr engagirt, als Kiefers Verſtand
und Gefühl bei deſſen abweichender Anschauung.

Abg. G er w ig formulirt nun den von ihm in Aus-
ſicht geſtellten Zuſatz-Antrag dahin : Es wolle der Wunſch
zu Protokoll niedergelegt werden, die Großh. Regierung
möge in einem Nachtrage zum Budget des Miniſteriums
des Innern eine entſprechende Summe für die Ertheilung
von Zeichnenunterricht an den Schullehrerſeminarien zu
dem Zwecke aufnehmen, damit -aus dem Stande der
Volksschullehrer tüchtige Zeichnungslehrer hervorgehen.

Abg. Kuſel beantragt : diesen Antrag an die Bud-
getkommission zu verweisen.

Abg. P aravi cin i : Die Budget-Kommission trage

|







keine Schuld daran, daß das Konfeſſionelle in dieſe Frage |

hereingezogen worden ſei. Sie habe sich an den Regie-
rungsvorſchlag gehalten und bei deſſen Prüfung aus den
Akten geſchöpft. Er empfehle die Verwendung im Sinne
des Antrags. Wegen Schaffung eines Zeichnenunterrichts
in den Kasernen stehe das Großh. Handelsminiſterium
mit dem Krigsminiſterium in Unterhandlung. Den t n-
trag Gerwigs möge man fallen laſſen ; der beabsichtigte
Zweck werde doch nicht erreicht und zudem befinde man
ſich zur. Zeit noch nicht in der Lage , darüber zu be-
ſchließen. az c.

Abg. Re nk: Noch beständen drei Seminarien. Cs
ſei sonach die Ernennung von Lehrern 3 nöthig. Um den
dritten Theil von 2500 fl. werde man aber wohl einen
Zeichnenlehrer mit den gewünſchten Eigenschaften nicht er-

halten. Er empfehle die angeregte Frage der Erwägung

der Regierung anheim zu. ſtellen.
Abg. Ki efer iſt ſsür ſofortige Besſchlußfaſſung, da
die Sache einfach und eingehend genug erörtert sein.
Es folgen nun noch perſönliche Bemerkungen zwischen
Kiefer und Baumſtark.

AMbg. Ger wig : Kuſels, vom Berichterſtatter unter-
ſtütter Antrag bewirke..nur eme Verzögerung , wogegen
Kusel anführt, daß es doch nicht angehe, Bewilligungen
zu votiren, deren Größe man noch gar nicht kenne und

Min.-Pr. v. Du ſch zu erivägen gibt, daß das Bud-
get des Großh. Miniſteriums des Innern, das man noch
nicht kenne, vielleicht bezügliche Positionen enthalte.
QNKuſels Antrag auf empfehlende Ueberweiſung des
Wunſches von Gerwig wird darauf mit 25 gegen 17
Stimmen augenommen. . t

Für Tit. IV „Förderung der Landwirthſchaft" wer-
denverlangt pro 1870: 179/875 fl., pro 1871: 181,900 fl.

Abg. Friderich: erkennt an, daß in diesem Puntte
schon Großes geleiſtet worden sei. Die Großh. Regierung

und die landwirthſchaftlichen Vereine theilten fich in das

Verdient. Bezüglich der landwirthſchaftlichen Winter-
ſchulen sei jedoch zu bedauern , daß ſie den Zweck nicht
ganz erreichten, da sie zu ſchwach besucht würden. Cs
liege die Schuld wohl zum Theile in dem mangelnden
Sinne älterer Landwirthe für gewerbliche Weiterbildung.

Abg. Shutter: Viel Rühmliches sei von Seiten der

Regierung zwar ſchon geleiſtet worden, möge es auch in

Bezug .auf Fiſcherei geſchehen. Die Werthe in den Ge-
wiiſſern könnten nur nach Millionen geſchätzt werden,
dennoch gleiche aber die Fiſchzucht einem öden Felde, da
nichts für deren Beförderung gethan worden ſei. Die Fiſcher
ahmten die früheren Forſtleute nach, die unbekümmert



um die Zukunft nur ausbeuten wollten. Die erwachte
Forstwissenſchaft sei bereits zur That geworden ; man habe
die Nothwendigkeit von Saat- und Pflanzſchulen einge-
ſchen; nicht so bei der Fischerei, welche derselben doch
nicht minder bedürfe. Auch verfolgten die Waſſerbau-
Techniker zu exkluſive Zwecke; so habe man z. B. ganz
gute Weidenpflanzungen an den Flußufern, die gleichzeitig
den Fiſchen Schut gewährten, durch Pfläsſterungen ersetzt.
Er stelle deßhalb an Gr. Regierung das Anſuchen, die
Flußbaubehörden anweiſen zu wollen, auf künſtliche Fiſch-
zucht die geeignete Rücksicht zu nehmen.

Geh. Ref. D i ez : Die Regierung ſei im Begriff, ein
bezügliches Geſet vorzubereiten. Die Flußbaubehörden
hätten eben vor Allem den Uferſchut, im Auge zu haben.
Uebrigens ſtehe auch in dieser Beziehung Nöthiges in
Aussicht.

1 Betreff landwirthſchaftlicher Fortbildungssſchulen
wünſcht Abg. Paravicini, daß auch ältereLeute ſollten
theilnehmen können.

Bei Berathung der Poſition „Pferdezucht“ ergreift
Abg. Frank das Wort, um zu konſtatiren , daß trotz ſo
vielen in den lezten Dezennien durch die Regierung ver-
wendeten Ausgaben und Aufmertsſamkeit kein wesentlicher
Fortschritt erzielt worten ſei. Gewöhnlich werde die
Pferdezucht in den Gegenden der größten Güter-Zerstücke-
lung getrieben, und reichere Leute hätten sich oft deßhalb
von diesem Induſtriezweig zurückgezogen, weil sich dieſelbe
beſonders bei edleren Racen nicht hinlänglich lohne. Cs
werde zu viel Rüctſicht auf leichte, zum Kriegsdienst taug-
liche Pferde genommen, welche, wenn nicht remontirt, ge-
radezu unnütz seien. Redner wünſcht deßhalb Konzentra-
tion der Pferdezucht, hauptſächliche Rücksicht auf Erzie-
lung starker Pferde, Unterſuchung aller Fohlen, nicht nur
zum Zweck der Prämiirung, Verminderung der Stationen,
Unterstützung der Privatpferdezucht und insbeſondere keine
Aufdrängung von Hengſten, welche eine betr. Gegend
nicht wolle. Cin gutes Pferd ſei beſſer und billiger als
zwei ſchwache.

Geh. Ref. Di ez : Die Regierung ſei diesen Wünſchen
bereits zuvorgekommen , ihre Hauptabſicht gehe nicht auf
Militärpferde, ſondern auf gute, ſtarke Thiere. Jährliche
Muſterung, die der Vorredner wolle, gehe sa wenig wie
Zwang gegen Private.

Abg. Paravicini: Die Privat-Hengſthaltung werde
sſich ſicher in Zukunft vermehren. Ueber Güte der Hengſte
beſtehe große Verschiedenheit der Ansichten. Die Zahl
der Zuchthengſte sei bis auf 85 herabgemindert worden.
Die Kommission sei sehr gründlich zu Werke gegangen
und habe den Gegenſtand bis zum Jahre 1830 hinauf
verfolgt.

In Hinsicht der Prämien , die jeweils von der Re-
gierung in Ansatz gebracht würden, tadelt

Abg. Tritſcheller deren Nichtverwendung. Auch
dießmal werde die hiefür bewilligte Summe wohl nicht
zur Ausgabe kommen. Es beruhe dieß auf zu strenger
Beurtheilung. Es würden meiſtens zu theuere Pferde
angekauft , was die Privatpferdezucht beeinträchtige. B.-
sonders in der Gegend von Bonndorf würde man ſich
derſelben gerne widmen.

Hr. Min.-Pr. v. D u ſch: Man wolle eben nur
wirklich preiswürdige Thiere prämiiren und weise beson-
ders solche mit Erbfehlern zurück, da sie für die Zucht
untauglich ſeien. Der Hauptmangel liege darin, daß zu
wenig Liebhaberei in dieser Beziehung eriſtire. Cin Ge-
such Bonndorfs um eine Station werde mit Freude an-
genommen werden. . ru

Abg. Paravicini befürwortet eimn Zuſchuß aus

der Staatstaſſe bis zur Hälfte des Thierwerthes.

Ueher Tit. V „Wasser- und Straßenbau“ wird erſt
nach Beſchlußfaſſung über das Landſtraßenney Bericht er-
stattet werden.

Für Tit. V1 „Polizei im Geſchäftskreiſe des Han-
desministeriums“ werden für 1870: 10,309 fl. und für
18/1: 9986 fle und ſchließlich für

Tit. VU ,verſchiedene und zufällige Ausgaben“, die
seither bewilligten 5000 fl. in Ansatz gebracht..

Der Antrag der Kommission geht auf Genehmigung
und wird angenommen. .



Poiltilchhe Uebverſicht.

Mannheim, 12. November.

* Im deutſchen Muſterſtaa te hat der neue Fi-





| alles die







nanzminisſter den Stein der Weiſen gefunden : man trägt

die Schulden nicht ab und verkauft Grundſtücke um des
täglichen Brodes willen! Das iſt das finanzielle Ei des
Kolumbus ; allein keine Bauernregel. So spricht der
greiſe Friedrich Harkort in einem Schreiben an ſeine
Wähler, und ferner: Das Defizit iſt vertagt, um 1871
wieder zu erſcheinen. Der bewaffnete Friede iſt der
Wurm, der an den Finanzen nagt. Dieß weiß Jeder-
mann; nur die Wähler wiſſen es nicht oder es man-
gelt ihnen der Muth, zu ſagen : streicht 10 Millionen
vom Militär-Etat und alle Norh hat ein Ende. „1851
war der Militär-Etat 26 Mill., 1869 bereits 70 Mill.
Vir sind überbürdet, der Rückgang der Bundesſteuern,
der Schlachte und Malhlsſteuer, der Minderertrag der
Bank u. s. w. geben unwiderlegliches Zeugniß! Die
Morgenröthe der 1866 verheißenen goldenen Zeit ſcheint
in Varzin noch auf ſich warten zu laſſen !"

Zwischen Dänemark und Preußen waltet eine

Streitfrage. Die dänische Regierung weigert sſich, die

ſchleswig-holsteiniſchen Archive auszuliefern, welche 1848

nach Kopenhagen geschafft wurden. Jm Berliner Abge-

ordnetenhauſe wurde daraufhin der Antrag geſtellt, dien lu.

Ablösungsrente aus dem Sundzoll, die jährlich 240,000
Thaler beträgt und noch 7 Jahre zu zahlen iſt, ſo
lange zurückzuhalten, bis die Archive ausgeliefert ſind.
An dieser Stelle wollen wir noch von der telegraphiſchen
Meldung aus K op enha gen Vormerkung nehmen, daß
„das unter dem 10. September erlaſſene Verbot gegen
die Einführung von H o rnvi eh aus den Ländern des
norddeutſchen Bundes aufgehoben wurde."

In einer Privatverſammlung zu Paris hat Roche-
fort „seine Seele ausgeschüttet“. Er sagte : Werde ich
gewählt, ſo wohne ich den Sitzungen des geſeßgebenden
Körpers an. Wenn mich der Präſident aufruft, ſo er-
kläre ich, daß ich keinen Deputirteneid leiste, daß ich mich
aber troßdem als Deputirter betrachte. Will man mich
entfernen, ſo schieße ich den Crſten, der mir naht, nieder
wie einen tollen Hund ~ unter der Bedingung nämlich,
daß sich die eidesweigernden Kandidaten Barbés, Pyat,
Ledru-Rollin, wenn sie gewählt werden, an meiner Seite
befinden. Finde ich die Thore des geſegebenden Körpers
geſchloſſen, ſo rücke ich mit meinen 30,000 Wählern an,
um mir gewaltsam den Eingang zu erzwingen. Aber,
Bürger, wir müsſen gerecht sein. Von den 30,000
Wählern werden mir höchſtens 10,000 folgen. Mit
10,000 Mann, ſchlecht bewaffnet und undisziplinirt,
darf man ſich der Gewalt aber nicht gegenüberstellen.
Darum kann ich auch dieß nur thun, wenn ſich die
Cidesweigerer mit mir zugleich an die Spitze ihrer Wähler
ſtellen, um, gefolgt von 90,000 Wählern, uns Plat im
gesetzgebenden Körper und dem Volke Achtung für feine
Voten zu verschaffen. Sollten aber die Anderen aus-
bleiben, oder blieben ſie ungewählt, ſo würde ich den De-
putirteneid leiſten. Cinmal Mitglied der Kammer, würde
ich nicht etwa, wie ; die Linke, erhärmliche Amendements
ſtellen, sondern einfach die Tribüne beſteigen und sagen:
Ich bin kein Katholik und ſehe nicht ein, weßhalb ich
Steuern bezahlen ſoll, um die Pfaffen zu nähren und
das Kultusbudget auszuſtatten. . Ich bin cin Gegner der
stehenden Heere, die meiſt nur gegen harmloſe Arbeiter,
nicht aber dazu gebraucht werden, uus am Auslande zu
rächen; darum bezahle ich keinen Heller dafür. Ich ver-
weigere die Steuern. Und wie ich, werden meine 30,000
Wähler handeln! Man ſoll sie nur pfänden. Wenn aber
diese Regierung von Räubern und Dieben, die ſehr am
Gelde hängt, sehen wird, daß ſie nichts mehr zu beißen
und zu brechen hat, wenn man ihr ſo den Brodkorb

höher hängt, dann, Bürger, dann hraucht es keiner ben U

iwaffneten Revolution mehr, dann bricht das Gebäude des

Eidbruchs vom 2. Dezember von ſselbſt zuſammen, dann H

haben wir, was wir Alle erſehnen, die Republik!“ Die

| Erklärung Rocheforts wurde mit „donnerndem Beifall“

aufgenommen. Indeſſen liegt hierin keine Gewähr dafür,
daß die Wähler die von Rochefort geſtellen Bedingungen
für die von ihm in Aussicht geſtellten energiſchen Hattd-
lungen erfüllen werden.

In Rom wnvill man beim Konzile noch über das
Dogma von der Unfehlbarkeit des Sterblichen auf dem
römiſchen Stuhle hinausgehen und das Dogma von der
Unzertrennlichkeit des weltlichen Beſißes + der piäſtlichen
Staaten ++ ükkkünden. Außerdem ſoll iwie dieß
„Trieſter Ztg.“ berichtet ~~ an alle katholiſchn
Mächte, mit Ansnahine Italiens, ein Aufruf ergehen,
worin dieſelben unter Androhung der Exkommunikation
zu einem Kreuzzeuge aufgefordert iverden, welcher die


 
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