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Mittwoch, 11. Auguſt.
Organ der deulſchen Vollsspa
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rtei in
1869.
Paden.
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C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Gambetta + ein Programm.
I.
Ö Kein Kompromiß, auch nicht mit den opponirenden
Fraktionen, mit denen der Demokrat hin und wieder zu-
ſammengehen mag. „Die applaudirende und unterwür-
fige Majorität hat ſich aufgelöſt; ein Tiers-Parti bildete
sich, der „für die gegenwärtige Monarchie die Verkleiste-
rung von 1830 träumte"; die ganze Kammer begriff
nichts von den demotratiſchen und radikalen Beſtrebungen,
welche die letzten Wahlkämpfe beherrſcht hatten. Die
Regierung begab sich auf die „Flucht“ vor der Aufzäh-
lung ihrer „Gewaltthätigkeiten, Plackereien, Freiheitsunter-
drückungen, zügelloſen Einschreitungen, Verfolgungen und
Verurtheilungen“n. Da mußte die Linke zur Preſſse
greifen. Sie hat nichts gethan, „sie hat ihr Unver-
mögen an den Tag gelegt“. Warum und wie ſo das ?
„Man hatte die Linke nicht organiſirt und k o n-
ſlituirt“. . Die Linke, das iſt „eine politiſche Partei
von gleichartiger Zuſammenſsetzung, idealistiſchem Ursprung
gemeinſamen Prinzipien“. Die Linke ist teine K o-
a lition „von geradezu entgegengeſeßten Tendenzen und
Syſtemen“. Eine heterogine Linke vermag nichts für
die Aktion. Man muß also die Linke erſt bilden.
Sie muß ſich scheiden von den Freunden des konſtitutio-
nellen Empire, von denen, die da glauben, das allgemeine
Stimmrecht könne sich mit gewiſſen „nothwendigen Frei-
heiten“ begnügen; ſie hat sich „ausſchließlich aus Denen
zu rekrutiren, welche denken und sagen, daß das Volk
ſich nur für befriedigt ertlären kann, wenn
es Diejenigen zu wirklich gehorſamen und
verantwortlichen Subalternen gemacht, die es
heute als Herren behandeln“.
Alſo nicht nur Miniſterverantwortlichkeit, ſondern „di-
rekte, unmittelbare Verantwortlichkeit eines Jeden, der
eine Funktion ausübt; vor Allew ernſtliche, organiſirte
und leicht praktikable Verantwortlichket des Chefs der
Erekutivgewalt; prompte und wirtſame Repreſſion für den
Fall, daß er die Rechte des Volkes verkennen oder die
großen Intereſſen des Vaterlandes verrathen sollte“.
„Volkommene Emanzipation des allgemeinen Stimm-
rechts, zur Begründung demofkratiſcher Inſtitu-
tionen.. ;
Aus wie vielen Perſonen dieſe Linke besteht, ist voll-
kommen gleichgültig. Pauei sed fortes, Wenige, aber
Starte, Männer! Diese Wenigen müssen „eingedenk sein,
daß sie die Zukunft und die Revolution hinter sich haben.
Wenn die Stunde kommt, wird ihnen das allgemeine
Stimmrecht Hülfstruppen und Waffenbrüder liefern. Bei
den nächſten Wahlen wird die radikale Demotratie alle
freien Stimmen für ſich haben. Es ſteht ſogar zu fürch-
ten, daß die Regierung dies weiß. und daß ſie die Auf-
löſung des geſeßgebenden Körpers aus diesem Grunde
nicht ausſprechen wird.
Die Regierung habe einmal den Mnth und sie wird
erfahren, „ob man das Volk mit parlamentariſchen Spie-
lereien amüſiren und das allgemeine Stimmrecht von der
vollſtändigen Rückforderung der unverjährbaren und un-
veräußerlichen Rechte abhalten kann“.
Mit dieser feſten Sprache und dieſen ehernen Grund-
ſätzen iſt der Kampf gegen das Empire erst wirklich er-
öffnet. Alles Bisherige war nur wie Glimme unter der
Asche; mit Gambetta schlägt. die helle Flamme heraus
und das Feuer umzingelt den morſchen Bau der Gewalt
und des. Truges. Dieſer Kampf ist nicht blos gegen den
zweiten oder dritten Napoleon gerichtet, ſondern gegen den
18. Brumaire. ſelbſt, gegen das Prinzip des Cäſaris-
mus, der ſoldatesken Willkür, der geſellſchaftlichen Kor-
ruption überhaupt. Wenn dieses Programm durchſchlägt,
t! ßtenteis und Europa von keinem Rückfall mehr
edroht.
_ Und damit diese Bewegung jede Einseitigkeit von sich
abſtreife, damit sie alle lebendigen Kräfte der Nation um-
faſſe und sich zur wirklichen Regeneration gestalte, fordert
Gambetta ſchließlich von der Linken :
Hülfe aller radikal gesinnten Individualitäten aus der
fchriſtſtelleriſchen, wiſſenſchaftlichen, künſtleriſchen, journali-
fliſchen, induſtriellen und geschäftlichen Welt ein weitver-
zweigtes politiſches Personal bilden, das stets zu Rath
und That bereit iſt. Die Deputirten müssen in ständiger
Gemeinsankeit mit ihren Wählern . leben; ſie müſſen
einen Strom von Ideen und Gefühlen ſchaffen,
dex ſteis von den Einen zu den Andern und
von Dieſen zurüt> zu Jenen woge..
dem Karser von Oesterreich geführten Briefwechsel.
Brief des Königs von Preußen lautet in seiner Hauptz
stelle: „Wir sind jetzt Beide gerüſtet, um einen großen
„Sie muß mit-
Cin Mann iſt wenig, aber dieser Gambetta iſt ein
Programm. Er iſt das wahre Reſultat der Maiwahlen.
MPolitiſche Ueberſicht.
Mannh eim, 10. Auguſt.
Fürstenrechte zu berauben." Die „Sächsische Zeitung“
bittet die preußischo Offiziöne um ein Dementi ſtatt des
zu befürchtenden Todtſchweigens.
Seitdem die Luft, die aus den Tuilerien kommt, et-
| was freiheitlich angehaucht iſt, sind die franzöſiſchen
* Die beiden Delegationen Oebſterreichs ſind bei | Senatoren alleſammt unter die Liberalen gegangen.
Berathung des Budgets des Ministeriums des Auswärtigen | Bald wird keiner mehr sein, der nicht mit Hand anlegen
in die „hohe Politik“ eingetreten. Ueber die Verhand-
lungen der ungariſchen Delegation und die in der-
selben hervorgetretenen Stimmung hat sich Graf Beust
nicht zu beklagen. Wohl tvurde von einer Seite dic Po-
litik der Wiener Regierung als eine durchaus falſche be-
zeichnet und als eine bloß ,„ſscheinbar" aufrichtige Frie-
denspolitik karakt.risirt. Es wurde behauptet, die Politik
der Regierung fordere durch ihre Aktion in und gegen
Süddeutschland das Mißtrauen Preußens heraus und
verlangt, Wien solle die preußiſche Oberherrſchaſt in
Deutſchland einsach als eine vollendete Thatſache gelten
laſſen. Aber in den Reihen der Delegation fand die
derart angegriffene Politik warme und beredte Vertheidi-
ger. So Graf Zichy und Pulſzkhy, die wohl auch auf-
ſtellen, daß Graf Beuſt hie und da gefehlt habe, die aber
mit der Anerkennung nicht zurückhielten, daß er mit den
Ueberlieferungen der Metternich'ſchen Politik vollständig
gebrochen habe und mit eben so großem Geschick als Er-
folg, unter voller Wahrung der Würde und der Macht-
stellung der Monarchie für die Crhaltung und Befestigung
des Friedens thätig ſei. Ein anderer Abgeordneter sagte:
Ossterreichs Aufgabe könne nicht sein, die preußiſche Ober-
herrschaft befördern zu helfen und ein anderer : er wünjſche
„ein Deutſchland auf demotktratiſcher G run d-
la g e, aber kein Deutschland unter einem demoktratiſchen
Junkerthum“. Die „N. Fr. Pr.“ erklärt, dieß nenne
man den Nagel auf den Kopf getroffen und wünscht :
solche politiſche Ideen möchten tiefer und tiefer die Poli-
tik der Ungarn durchdringen und diese werde dann wirk-
lich eine „gemeinsame“ sein; wie denn die öſterreichiſche
Delegation sich in gleichem Sinne wie die ungariſche
ausgeſprochen hat.
Die preußis <e Depesche vom 18. Juli und das
dieſelbe begleitende Promemoria an den preußischen Ge-
sandten in Wien, sollen beide ihre Redaktionen auf Var-
zin erfahren haben, wo der Legationsrath Lothar-Bucher
dem Grafen Bismarck seit deſſen Beurlaubung zur Seite
ſteht. Nach einer Mittheilung in der „A. A. Z. iſt
die Veröffentlichung der Depesche nicht bloß mit Zustim-
mung, sondern auf Anlaß des Bundeskanzlers Bismarck
erfolgt . . . und meint der betr. Korreſpondent, für den
Augenblick werde aus den Rekriminationen zwischen Wien
und Berlin eine Bedrohung des Friedens nicht entſprin-
gen; doch müßt e n die Zweifel an dem Bestand des
Friedens wachſen, denen auch Bismarck immer und im-
mer wieder Ausdruck leihe . . .
Ein interessanter Beitrag zu dem Verhalten Preußens
vor dem Kriege von 1866 liefert die „Sächsische Ztg.",
indem sie einen Einblick gewährt, in den vor der Kata-
ſtrophe von 1866 zwischen dem König von Preußen und
Feldzug unternehmen zu können. Die Welt glaubt, wir
werden uns gegenseiteg bekämpfen. Beweiſen wir, daß
deutsche Fürsten keinen Groll gegenseitig hegen, ſondern
daß sie nur das Heil des gemeinſamen großen Vater-
landes anstreben. Vereinigen wir unsere Streitkräfte
und maschiren wir gegen den Erbfeind Deutsſchlands jen-
ſeits des Rheines. Durch dieſen Krieg würden wir eine
Neugeſtallung Deutſchlands, dem vorhandenen Drange
nach Cinheit in den deutschen Volksſtämmen entsprechend,
herbeiführen können, indem Ew. Majestät die ſüddeutſchen
Staaten unter Ihrem Szepter vereinigen , ich dagegen der
Herrſcher Norddeutſchlands und der franzöſiſchen Rhein-
provinzen deutſchen Ursprungs werden würde. Wäre
dieses Ziel erreicht, dann wäre Europas Schickſal in
unsern Händen.“ Hierauf erfolgte von Wien nachſtehende
Antwort von Seiten Franz Joseph's: „Als mir Ew.
Majeſtät den Vorſchlag machten, unsere auf den Kriegs-
fuß gebrachten Streitkräfte zu vereinigen, appellirten Sie
an das Ehrgefühl eines deutſchen Fürſten und ſtellten
gleichzeitig die Möglichkeit der Annexion der ſüddeutſchen
Staaten Seitens Oeſterreichs in Aussicht. Als deutſcher
Fürſt muß. ich hierauf antworten, daß meine Gefühle
und Gesſinnungen mir verbieten, die Bundesgenoſſen
Osterreichs, die Beherrſcher deutſcher Stämme ihrer
Der]:
will, die Konstitution gründlich zu verbesſern und bemerkt
der „Gaulois“ ironiſch, wenn die umlaufenden Gerüchte
nur zum Theil wahr ſeien, so ſtehe zu befürchten, daß
die Senatoren, nicht damit zufrieden, den Senatus-Kon-
ſult zu berathen, sich soweit fortreißen laſſen würden: die
Verfassung so zu verändern, daß sie derjenigen vom
Jahre Uk, oder noch besſer, derjenigen der Vereinigten
Staaten von Nordamerika ähnlich werde . . .
Nach einer amtlichen Erklärung der Wiener
Regierung hat die rumäniſche Regierung aus An-
laß der neuesten Grenzſtreitigkeiten an der ſiebenbürgiſche
rumänischen Grenze Truppen in der Stärke von reichlich
700 Mann mit 12 Kanonen an die Grenze entſendet.
Denselben iſt öſterreichiſcher Seits ein entsprechendes Be-
obachtungskorps entgegengestellt worden. Gleichwohl ver-
ſichert die Wiener Regiekung, daß das Ganjze rein lokaler
Natur und ohne alle Bedeutung ſei. . . .
Der Vizekönig von Eg ypt en joll den Austkag
des mit der Pf ort e schwebenden Konfliktes vor einm
Schiedsgericht der Mächte gefordert, die Pforte aber, weil
es sich nicht um eine internationale, sondern um eine rein
innere Frage, um das Verhältniß eines Vaſallen zu seis
nem Oberlehensherrn handle, ein solches Verfahren als
unstatthaft abgewieſen haben.
Deutſchland.
* Mannheim, 10. Aug. Im vierzehnten Wahle
diſtrikte haben die Demokraten entschieden geſiegt; im
fünfzehnten und letzten Distrikte haben die „Preußen“ die
Mehrheit erhalten, denen es jezt unbenommen bleibt,
einen Abgeordneten schwarz-weißer Farbe zu ernennen.
Derselbe wird wohl die Mehrheit der Wahlmänner, kei-
neswegs aber die Mehrheit der hiesigen Bevöiterung hinter
sich haben; wie denn bei den hieſigen Wahlen sich auf
das unzweiteutigſte die Fehler und Mängel des jetzigen
Wahlsyſtems ergeben haben. Es iſt dies auch anderwärts
der Fall und ſselbſt die national-konservative „Warte“
ſchreibt heute: „Unmöglich kann man es eine freie Wahl
heißen, wenn jeder Wähler offen vorder Wahlkommission,
von der regelmäßig ein oder mehrere Mitglieder als Kan-
didaten aufgetreten waren, seine Wahlſtimme abgeben
muß. Das Wahlreſultat wird selten ein wahres, meiſt -
ein gefälſchtes.“
Auf der am 16. d. M. dahier zuſammentretenden
Konferenz von Bevollmächtigten der Rheinuferſtaatene um. | |
gemeinſame Bestimmungen zum Schutze der Fiſcherei im
Rhein zu faſſen, wird Bay ern von dem Staatsrath-
v. Weber, dem Reg.- Direktor der Pfalz M. de Lamotte
und. dem Bürgermeiſter Stubenraucth von Sondernheim
vertreten ſein.
Durch die am 5. Aùguſt eröffnete Bahnlinie
Jag sfeld-Meckesheim iſt der kürzeſte Weg hergestellt
um den Nordwesten Württembergs mit dem Rhein und
namentlich die beiden Handelsſtäßte Mann heim und
Heilbronn mit einander zu verbinden. Die Bahn iſt
im Ganzen 8,17 Stunden lang; 20,825 Fuß fallen das
von auf heſſiſches, 2031 Fuß auf württembergiſches Gebiet.
©. Weinheim, 9. Aug. In unſerer Schulangek |
legenheit fand. eine Versammlung hiesiger Bürger unter“
Vorsitz des Bürgermeisters state. Aus den seitherigen '
Verhandlungen ergibt sich, daß die 2 früheren Projekte:
erſtens die hiesige höhere Bürgerschule und, das Bender
sche Inſtitut in eine Staatsanſtalt, zweiténs beide in
eine Privatanſtalt zu verwandeln, aufzugeben und einem’
neuen von der Staatsbehörde vorgeſchlagenen Projette den
Vorzug zu geben ſei. Dieses Projekt läßt beide Anstalten -
selbstständig neben einander beſtehen, und zwar ſo, daß.!
die Bürgerschule Staatsanſtalt mit den 3 obern Klaſſen
bleibt. Beide zuſammen bilden dann 6 Klasſen eines
Realgymnasſiums mit der in Aussicht geſtellten Berechtis
gung, daß die Schüler, welche die 6. Klass
zum 'Eintritt in den einjährigen Kriegsdienst ohne ſspeziels
les Eramen befähigt, erklärt werden. Zu dieſem Pro-
jette hätte die Gemeinde jährlich eine Ausgabe vont
1800 fl. zu garantiren.
* Aus Baden, 10. Aug. Der heutige Tag iſt
der Gedenktag an die standrechtliche Verurtheilung des
e absolviren, .