: Samſtag, 17. Juli.
1869.
Naunuheimer
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
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An die Volkspartei in Baden.
F Die Volkspartei in Baden hat eine große, unum-
gängliche Pflicht zu erfüllen, deren ganze Bedeutsamkeit
wir ihr heute ins Gedächtniß rufen und zum vollen Be-
wußtsein bringen wollen. Sie muß bei den bevorſtehenden
Erſatzz und Ergänzungswahlen alle ihre Kräfte entfalten ;
ſie muß das Unwahrscheinliche, um nicht zu sagen das
Unmögliche, möglich machen; sie muß, dem bestehen-
den Walhlgeſez zum Trotz, den Verſuch machen, ihre
Kandidaten in die Kammer zu bringen.
Wir haben gesehen, daß die Regierung sich vor dem
allgemeinen, direkten und geheimen Walſlrecht fürchtet,
daß sie dieſe entscheidende Probe auf ihre Berechtigung
zur CExriſtenz nicht herausfordert, weil sie ihrer Niederlage
ſicher und gewiß wäre. Angesichts dieser Rechtsver-
weigerung gibt es für die Volkspartei nur zwei Wege
einzuſchlagen: Enthaltung oder Kampf bis zum
A e uß erſte n. Die Enthaltung, welche überhaupt, in
allen Lagen, dreimal erwogen sein will, ehe man ſie
adoptirt, iſt im gegebenen Falle durchaus zu verwerfen,
da kein poſitives Geset, verleßkt worden iſt und keine Ueber-
ſchreitung der Form ſtattgefunden hat.
Allerdings iſt häufig summum jus summa injuria,
das klarſte buchſtäbliche Recht bisweilen die schroffste Ver-
höhnung des Rechtsgefühls, und ein Ministerium, welches
ſich wirklich im Besitze des öffentlichen Vertrauens fühlte,
hätte nicht ermangelt, den Volkswünſchen entgegenzukommen.
Aber solche Ministerien erblicken wir nicht auf deutscher
Erde und wir speziell ſind daher darauf angewiesen, den
Kampf auf der einzigen Wahlstatt anzunehmen, die man
für gut findet uns anzubieten. Wir müssen in den Kampf
irotß der indirekten Wahl, troß der albernen Beschränkung
des Wählerrechts auf die Ortsbürger.
Von Enthaltung kann aber um so weniger die Rede | . . .
sein, als die Herren Offe nb u r ger in ihrer bekannten
feigen Weise beigegeben haben. Die Pausbaten dieser
gewaltigen Freiheitsſchnauber ſind eingefallen, ſie flöten
nur noch vom ,deutſschen Staat,“ von der „Macht,“ von
der „Preisgebung der badischen Selbstſtändigkeit;“ sie, die
allerunterthänigſt Ersterbenden, thun gerade, als ob wir
keinen Landesfürſten mehr besäßen, und. als ob ſie die
Souveränetätsreche nur sſo an den –~ Meislfordernden
zu veräußern hätten. Sie haben sich mit Haut und
Haaren den Herren Jolly und Beyer hingegeben und
twwürden ſich keinen Augenblick besinnen, ſelbſt des Landes
Hingabe gut zu heißen. Die Offenburger Kandidaten sind
Regierungskandidaten, nichts weiter und gegen ſie
nmiuß gestimmt werden um jeden Preis; gegen ſie muß
stimmen, wer noch ein Gefühl für Freiheit, eine Erinne-
rung an deutſche Geschichte, eine Hoffnung auf deutſche
Zukunft hat. h :5
Indem die Offenburger ſich den preußiſchen Tendenzen
ohne Rückhalt anschlossen, haben sie Alle s aufgegeben,
was diesen Tendenzen widerstrebt, was sie irgend beein-
trächtigen, und folglich die Wohlfahrt des Landes irgend
fördern könnte. Sie haben aufgegeben: di e B es < rän-
kung der erdrückend en Militärla ſ, welche unſere
gesammte wehrtüchtige Jugend zu jahrelangem Kasernen- J oder jenem Punkte der Verfaſſung zuwidergehandelt. So
dienst verurtheilt ; aufgegeben die Ermäßigung unseres | besonders durch Verlegung der garantirten perſönlichen
ſtets wachſenden Budgets, welches unseren ge-
rühmten Wohlstand bald zur Fabel und Sage machen
wird; aufgegeben den föd er ativen Gedanken, der
allein Deutschland unangreifkbar macht und eine unge-
heure Entwaffnung ermöglicht; aufgegeben alle inneren
dringenden Reformen, da ja für nichts Bürger-
liches und Gemeinnütziges ein Heller mehr disponibel
bleibt; aufgegeben das allgemeine Stimmrecht,
die Focderung und das Bedürfniß des gesammten Volkes,
die Offenburger ſelbſt eingeſchloſsſen. Sie haben sich
s el bſt aufgegeben, woran herzlich wenig, sie haben einen
edlen deutſchen Stamm auf gegeben, woran ſehr
viel und für Baden Alls liegt. :
Wir müssen alſo ohn e sie, d. h. ge ge n sie zu Felde
ziehen. Und an den Städten zunächst iſt es, das ge-
ſammte volksparteiliche Ortsbürgerthum aufzubieten um
Farbe zu bekennen. Es sind Städte genug auf dem
Plan, um in kompakten Masſen agiren zu können.
Streichen wir Karl sr uh e und gehen wir vorüber; aber
es bleibn Konstanz, Freiburg, Offenhurg,
Bruchſal, Mannheim, und Heidelberg gesellt sich
im letzten Augenblicke zu ihnen. Von diesen größeren
oder kleineren Mittelpunkten volitischen Lebens und be-
wußter Gesinnung erwarten wir, daß jeder seine
Pflicht th ue. Cs müsſen Kandidaten aufgestellt, es
muß agitirt, es muß gewählt werden. Die Palme zum
Voraus dem Sieger !
Politiſche Ueberficht.
Mannheim, 16. Juli.
* Aus dem Bereiche der „Deutschen Vormacht“ die
erfreuliche Nachricht: auch der Staatsſcha ß ,habe
es ſatt“; er habe einen Beſtand von 30 Millionen er-
reicht und verlange „einstweilen keine weiteren Zuſchüſje.“
Der preußische Staatsſchaß iſt bekanntlich dazu ange-
sammelt, um bei Kriegsläuften nicht auf die unſichere
Stimmung der Börſen für Anleihen augewiesen zu sein.
D.ß dafür 830 Millionen erforderlich und ausreichend
seien, das wurde 1866 feſtgeſtellt; seitdem aber iſt durch
Bildung des norddeutſchen Bundes und die Oberfeldherrn-
ſchaft Preußens die militäriſche Aufgabe dieſes Staates
zumal bei schnell ausbrechendem Kriege eine ſo viel be-
deutendere geworden, auch haben ſich ja die Kosten der
Heeresunterhaltung an sich, wie das nach Ablauf der
eiſernen Etatszeit zu Tage treten wird , so gehoben , daß
man nicht verwundert ſein darf, in nächſter Session etwa
einer Vorlage auf höhere Normirung des Staatsſchates
u begegnen.
: Sons iſt ſie arm an hpeaolitiſchen Neuigkeiten
die Poſt aus dem Norden.. , . .. Der Militaris-
mus iſt mehr als je v orherrſchenn. Der Regent ist
Militär, der Miniſter- Präsident desgleichen. Auch ſind
die Soldaten die einzige Klaſſe, welche regelmäßige Zah-
lungen erhält und auf welche Ausgabe-Beſchränkungen
keine Anwendung. erleiden. Jeden Tag wird in diesem
Sicherheit.“ . . . Alſo klagt das Organ Bismarck's, in
einer Korreſpondenz aua s – Madrid. Ob ſich das
Organ des Grafen Bismarck der geübten Ironie bewußt
war; denn was es von Syanien erzählte, gilt sſo ziem-
lich zutreffend von seiner ~ Heimath.
HBism ärck er verschiedenen Zeichens bestreiten fortge-
ſett, daß Handel und Wandel unter den von Preußen
über Deutschland u. Europa gebrachten politischen Verhältnissen
leide. Sie, die sie nicht den Erfolg + aber die Folgen
des Erfolgs bestreiten ~ mögen sich von der Handels-
k ammer von Köln Raths erholen, die in ihrem soeben
veröffentlichten Jahresberichte für 1868 sich dahin aus-
spricht : „Die Ursachen, welche im Jahre 1867 dem
Wiederaufschwunge von Handel und Industrie entgegen-
wirkten, haben auch im Jahre 1868 ein ziemlich gleiches
Reſultat zu Wege gebracht. Di e fort ges eß ten Krie gs-
rüſtungen in Verbindung mit den direkten Aufforde-
rungen eines Theiles der ausländiſchen Preſſe zum Frie-
densbruche hielten die Befürchtung rege, daß, troß der
an maßgebenden Stellen wiederholt kundgegebenen fried-
lichſten Versicherungen, dennoch der Krieg zum Aushruche
kommen werde. Wir haben bei anderer Veranlaſſung in
einem früheren Jahresberichte darauf hingewiesen, daß für
den kaufmännischen Unternehmungsgeiſt, welcher mit bes
stimmten Faktoren zu rechnen gewohnt ist, der unerträg-
lichſte Zuſtand das stete Schwanken zwiſchen Furcht und
Hoffnung sei. Das Gesammtergebniß von Handel und
Induſtrie mußte daher im verfloſſenen Jahre um so mehr
ein unbefri e digendes bleiben, als den hemmenden
Einflüsſen der europäischen Verhältnisse die störenden Rück-
wirkungen sich beigeſellten, welche durch die andauernd
mißlichen Zuſtände in Amerika hervorgerufen wurden.
| Wenn auch in einzelnen Geſchäftsbranchen, namentlich in
ſolchen, welche die Befriedigungsmittel der nothwendigsten
Lebensbedürfniſſe zum Gegenstande haben, eine Besſerung
gegen das Jahr 1867 hervorgetreten iſt, und wenn auch
weiter die Ausführung bedeutender Ciſenbahnbauten
die Eiſeninduſtrie und in Verbindung hiermit den ge-
ſammten Bergbau während der letzten Jahreshälfte wieder
in Schwung brachte – so blieb dagegen in anderen
Branchen, namentlich in einzelnen Zweigen ter Textil-
Industrie, das abgelaufene Geschäftsjahr um ſo weiter
hinter den gehegten Erwartungen zurück. So lange
die Gemüther in der bisherigen Weiſe in
Spannung gehalten und di e b eſten Kräfte der
meisten europäiſchen Staaten in der gegen-
wärtigen Aus d ehn ung zu Krieg szwecken f ort-
gesetzt in Anspruch genommen werden, iſt an
eine dauernde Besserung der geſchäftlichen
Verhältnisse nicht zu denken!“
Die Liſte. der neuen Minister in Frankreich läßt
noch immer auf sich warten, obgleich Pariſer Nachrichten
es als „dringlich“ bezeichnen, „einer Unsicherheit ein Ende
zu machen, welche die Gemüther beunruhigt und lähmend
auf den Geschäften belaſtet. Es ſcheint dem Zäſar ſchwer
zu werden, das ihm geeignete Miniſterium zuſammenzu-
Caſtelar über Religionsfreiheit.
(Schluß.)
Sennor Manterola fragte, wann die katholiſche Kirche
die Juden schlecht behandelt habe. Nun ~ ſie hat die
Juden wie Sllaven, ja wie Laſtthiere behandelt. Ich
habe hier das Inventar des Mönchkloſters San Cosme
und San Damian von 978. Wisſen die Deputirten,
wie jene Mönche ihr Eigenthum verzeichneten? Hier ist
das Verzeichniß: 50 Stuten, 20 Maurinnen undJüdin-
nen, 30 Juden ditto ! Eigentlich begann jedoch die re-
ligiöſe Intoleranz in Spanien erst um die Mitte des
14. Jahrhunderts und im fünfzehnten. Damals hielt
San Vicente Serrer in der Kathedrale zu Toleda jene
Predigt , welche zur schrecklichen Abſchlachtung] der 3000
Juden in jener Stadt führte. Sennor Manterola sagte
höhniſch, die Juden hätten nur Schlappſchuhe zu machen
verſtanden ; und er forderte mich auf , ich ſolle angeben,
.. welche berühmte Männer aus dem spaniſchen Judenthum
seit seiner Vertreibung aus Spanien hervorgegangen ſeien.
Ich könnte Viele nennen, doch ich nenne nur Wenige.
Da iſt Spinoza, der erſte der modernen Philoſophen ;
wäre Eure Inquisition nicht geweſen, so hätte Spinoza
auf Spaniens Boden das Licht der Welt erblictt und ſein
Ruhm unseren Horizont vergoldet; denn er stammte von
spanischen Juden. Ihr könnt seinen Ideen widersprechen,
aber Ihr könnt sein Genie nicht leugnen. Eure Intole-
ranz hat uns seines Ruhmes beraubt. Disraeli –~ er |
iſt mein politiſcher Feind , ein Tory, ein Konservativer,
aber er iſt ein großer Novelliſt, ein großer Redner, ein
großer Staatsmann und das Haupt der britischen Aristo-
kratie; er stammt von spaniſchen Juden und wäre Eure
verbrecheriſche Intoleranz nicht gewesen, so würde sein
Ruhm Spanien gehören. Daniel Manin , der edle
italieniſche Patriot und einstige Diktator Venedigs, stammte
ebenfalls von spaniſchen Juden. Indem Ihr uns der
Juden beraubtet, habt Ihr uns eine lange Reihe von
Namen geraubt, welche der Glanz und Ruhm unferes
Landes gewesen waren.
Sennor Manterola's tnabenhafte Behauptung, daß
nicht die Kirche die Ketzer tödtete , sondern daß dieß die
ſtaatliche Gewatt that, gleicht der Behauptung des Meu-
chelmörders , der ſagt , nicht er habe sein Opfer getödtet,
sondern sein Dolch habe es gethan. Die Inquiſition war
der Dolch der Kirche. Die Verfolgungsſucht der katholi-
ſchen Kirche läßt sich auf jeder Seite der Kirchengeschichte
lesen. Will Sennor Manterola, daß ich die Cnzikllika
zitire, in welcher Papſt Innocenz UI. die Juden zu
ewiger Skaverei verdammte ? Soll ich ihm den Brief
weiſen, in welchem Papſt Pius V. dem König Philipp U.
' befahl, einen Meuchelmörder zur Ermordnung der Königin
Eliſabeth von England zu ſuchen ? ;
Sennor Manterola rühmt ſsich, daß die katholiſche
Kirche ein Depot der Gelehrſamkeit und die Gründerin
großer Universitäten gewesen. Ich gebe das zu. Als
Europa durch den Feudalismus zerfezt war , da, war die
Kirche die lebendige Idee, der Schild des Volkes und das
einzige Instrument der Intelligenz und Moral inmitten
der Barbarei. In jener Zeit mußte ſie progreſſiv ſein.
Aber vergleichen Sie die großen Universitäten, welche
Ideen das 16. und 17. Jahrhundert hervorriefen , mit
den berühueſten Universitäten Spaniens, z. B. mit Sa-
lamanca. Von den berühmten Univerſitäten Englands
und Deutschlands schweigt Sennor Manterola wohl-
weislich. Hinter ihnen stehen die ſpaniſchen weit zurück,
nicht weil die Spanier weniger intelligent und begabt
sind, als die Engländer und die Deutschen, ſondern weil
leztere vor den Spaniern den großen ſittlichen Schatz
der Gedaukenfreiheit erlangten. . ;
„SennorManterola sagt, ich ſei nie in Rom geweſen.
Nein ~– ich war in Rom. Ich habe Roms Ruinen be-
ſucht und seine dreihundert Dome betrachtet; ich wohnte
den Zeremonien der heiligen Weihe bei ; ich bewunderte
die gigantischen Sybillen Michel Angelos , welche ewige
Flüche zu schleudern ſcheinen ; ich ſah die Sonne in die
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