1869.
Organ der de
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aden.
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IRC
Marſchall Niel.
| Hr. Rouher raucht die Friedenspfeife, auch Hr.
Lavalette iſt ſehr nett; aber Hr. Niel ſchlägt grimmige
Quarten in der Luft. Was will der „unbewegliche Ge-
danke“ in den Tullerien ſelbſt? Er fährt da mit einem
kuriosen Dreigespann: das Mittelpferd und der linke Gaul
ſind störrig bedachtſam, das Handpferd rechts macht Ka-
priolen und setzt ſich beständig in Trab. ;
Hat es denn dicſer Kulſcher jemals anders gemacht ?
hat er nicht beständig balancirt: Frieden, Krieg + Frei-
heit, Autoritäi – Demotratie, Kaiſerthum ~ Italien,
Rom ~ Nationalität, diplomatischer Zweck ? Die letzte
und jüngſte Antithese heißt: Rouher-Lavalette ~ Niel,
die deutſche Cinheit schadet uns nichts ~ die Cinheit
unter Preußen darf nicht zu Stande kommen.
Uns will es bedünken, als ob die HH. Rouher-Lava-
lette für die Börſe angestellt wären, Marschall Niel aber
für Preußen; die Einen für die Hauſſe, der Andere für
die Baiſſe. So decken sich die Differenzen und die Bilanz
des Naiſerreichs gleicht sich ~ vorläufig – aus. Wenn
aber der Kaiser nicht wollte, daß Marschall Niel so spräche,
wie er geſprochen, so spräche Marschall Niel nicht so; und
wenn Marſchall Niel nicht anders sprechen wollte und
könnte, nun, ſo wäre Marschall Niel eben nicht da, näm-
lich an der Spitze des Kriegsministeriums.
Jrantreich muß ſchlagfertig sein, erklärte der Marschall
am 20. Mörz, einen Tag vor dem Ausſchlagen des Ka-
ſtanienbaums in den Tuilerien, denn: „Wir sehen gegen-
wärtig Mächte, welche nie d erg ew orf en, Völker,
welche ann e k l irt oder mit - dem Verluſt ihrer Selbſt-
ſtändigkeit b e d r o ht sind, und diesen Augenblick halten
Sie für günſtiqg, die permanenten Armeen abzuschaffen?“
„Niedergeworfen“ sind Oesterreich und Dänemark, wenn
man Dänemark für eine „Macht“ gelten laſſen will; „an-
nektirt“ wurde Schleswig-Holſtein, Hannover, Kurhessen,
Nassau, Frankfurt, wenn Frankfurt für ein „Volk“ zählt.
„Bedroht“ sind außer Deulſch-Oeſterreich die ſüddeutſchen
Staaten, vielleicht auch Holland. Da erklärt Hr. Niel :
„Die permanenten Armeen ſind das beſte Heilmittel gegen
den Mißbrauch der Gewalt.“ Das iſt deutlich, Frankreich
denunzirt durch den Mund des Reorganiſators der Armee
die Siege und Anneéktirungen Preußens sammt seinen fer-
neren Gelüſten als einen „Mißbrauch der Gewalt“, und
es weiſt auf seine eigene Armee hin, welche diesem Miß-
brauch nicht ferner ruhig zuſehen werde.
Ferner aber: „Cin fremder Schriftsteller hat gesagt,
wir seien dermaßen leichtfertig, daß wir nicht einmal haſſen
könnten. Das iſt wahr, aber unser Volk kann auch kei-
nen Schimpf ertragen, und sein größtes Unglück wäre,
einen Schimpf zu erfahren, in dem Augenblicke, da es
wehrlos wäre. Es würde dann Alles um ſich her
einreißen, die Regierung . dafür verantwortlich
machen, und es hätte Recht. Nun denn, das wird
nicht geſchehen, weil wir vollkommen in der Lage ſind,
wenn der Krieg nothwendig werden sollte, den Krieg
aufzunehmen. Ich glaube, daß wir mit unsern Armee-
einricktungen auf dem Pnnkte angelangt sind, den man in
einer nach Außen ziemlich umwölkten polis
ti ſchen Epo che vernünftigerweiſe verlangen kann.“
Wie das Handpferd auf die Trense beißt und auf der
ganzen Haut erzittet ! Wo isſt denn Frankreichs E hre,
und was wäre Frankreichs B e s < im p f un g ? Frank-
reichh E h re iſt dem Marschall Niel sonder Zweisel der
Prager Frie den und deſſen strike Einhaltung;
Frankreichs S < im p f wäre die Ueberſchreitung jener
Friedensgrenze, z. B. am Main. Die Ausführung des
letten und 79. Artikels der Norddeutschen Bundesverfassung :
„Der Cintritt der ſüddeutſchn Staaten oder eines dersel-
ben in den Bund erfolgt auf Vorschlag des Bundespräſi-
diums im Wege der Bundesgeseßggebung“ + das wäre
ein ganz flagranter Casus belli. „Nun denn, das wird
nicht geſchehen,“ nämlich nicht ſtraflos. Preußen hat die
„internationale Cxiſtenz“ des Südens unterſchrieben und
beſiegelt; es mußte wisſen, was es that. Dem Vertrags-
bruch widersetzt ſich Frankreich mit aller Macht + ſo denkt
der Marschall Niel.
_ Der Marschall praktizirt aber im ſelben Athem noch
eine andere Wendung, die wir ächt bonapartiſch erkennen.
Er sagt: Ließe Frantreich ſich solchen Schimpf gefallen, so
würde das Volk die Regierung dafür verant-
wortli < machen und Alles umſtürz en, und das
Volk hätte Recht. eh
Die Alternative, die man der vierten Dynafſtie immer
tellt, lautet :
het lottet Da du die Freiheit nicht geben kannſt, ſo
mußt du Krieg führen, und zwar um do eher, je lauter
und dringender der Freiheitsruf ſich erhebt. Der Mar-
schall dreht die Sache herum: Wenn wir uns gewiſsſe
Dinge draußen gefallen ließen, so hätte das Volk R echt,
uns zu stürzen. Wir müſſen die Chre Frankreichs hoch-
halten, sonji verdienen wir nicht, über Frankreich zu herr-
schen. Die Abwehr des Schimpfs wird so zur nationalen
Entweder Freiheit im Innern oder Gloire
der Nation.
Das Handpferd dünkt uns doch eine sehr große Be-
deutung zu haben, und bis es nicht ausgeſpannt wird,
scheinen uns die beiden andern Thiere weit eher Parade-
pferde zu sein. Wie aber, wenn der Braune Lavalette
auf der nächſten Station dem Grauſchimmel D ro u y n
d e l'H u y s Platz machte! Hr. Rouher kann zur Noth
auch traben. ?
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 29. März.
* Aus S p a ni en verlautet ~ in einer dem „Moni-
teur univerſel“ zugegangenen telegraphiſchen Depeſche aus
Madrid + daß die verſchiedenen Fraktionen der Kortes-
mehrheit, durch die Ereigniſſe in Andalusien und die Kund-
gebungen in der Haupilſtadt zu einträchtigem Zuſammen-
gehen gedrängt, übereingekommen jeien, den CErkönig Fer-
der spaniſchen Königskrone zu erſuchen. Die altteſtamen-
ſabon keinen Thronbewerber finden werden, kann nach den
des Don Fernando kaum bezweifelt werden.
Die durch den Telegraphen gemeldete Aufregung, welche
durch das in P o r t u g a l verkündete neue Wahlgeset
in Liſſabon und andern Städten des Landes hervorgerufen
und in öffentlichen Versammlungen ſtürmisſch kundgegeben
worden ist, richtet ſich vornehmlich gegen die im neuen Ge-
ſeß angeordnete Verminderung der Deputirtenzahl. Diese
iſt dadurch, daß künftig jeder Wahlbezirk nur einen Abge-
ordneten wählen und mehrere Wahlbezirke aufhören ſollen,
von 179 auf 107 herabgeſett. i
Ueber die vorgeſtern erwähnten, von der Regierung
I t a l i e n s mit Besorgniß betrachteten Agitationen unter
dem Heere finden unsere Leſer an einer anderen Stelle der
heutigen Nummer einen ausführlicheren Bericht. Die jüngſt
in Ancona vorgefallenen Tumulte waren, laut den neuesten
Nachrichten, durch eine dort angeordnete Erhöhung einer
ſtädtiſchen Verzehrsabgabe veranlaßt. Zu einem Einschreiten
der bewaffneten Macht ſcheint es nicht gekommen zu ſsein ;
nachhem der Bürgermeiſter zuerſt und dann sämmtliche
Mitglieder des Munizipiums ihr Amt niedergelegt hatten,
trat Ruhe ein. Das mißliebige Munizipium iſt gegangen;
die Abg1benerhöhung wird wohl zaher sein.
In Betreff der Gerüchte über eine f r a nz ö s i f ch-
italieniſ<{- ü ſt err eich i ſ< e Alli a nz liegt
heute eine Erklärung des Pariſer Hofblattes „La France“
vor. Darnach soll zwar zwiſchen den genannten drei Re-
gierungen nichts bestehen, was sie trennen oder die Unter-
haltung freundschaftlicherBeziehungen verhindern könne: durch
einen Vertrag seien ſie aber nicht gebunden. Die „France“
bezeichnet diese Lage der Dinge als ein den Hoffnungen
auf Friedenserhaltung günſtiges Moment und ertheilt der
„Nordd. Allg. Ztg.", welche bekanntlich vor wenigen Ta-
gen sich so gewaltig gegen die Gerüchte der erwähnten
Tripelallianz ereifert hatte, den Rath, ihren Groll zu be-
ſchwichtigen.
Der Fürſt von Montenegro iſt von feiner
Reise zurückgekehrt und von ſeinen Unterthanen mit gro-
[ßem Jubel empfangen worden. Noch am Abend feiner
Ankunft veranstaltete er eine Verſammlung der Notabili-
täten des Landes, welcher er mittheilte, daß er den Zweck
ſeiner Reiſe, der aber einstweilen noch geheim zu halten
ſei, vollſtändig erreicht habe. In nächster Zeit werde ein:
hochgestellte Persönlichkeit aus Rußland, sowie eine Sen-
dung von 10,000 Zündnadelgewehren eintreffen.
. Aus Preußen hatte vor einiger Zeit verlautet, daß
in der Fraktion der Frei-Konſservativen der Gedanke ange-
regt worden sei, im Reichstag einen Antrag auf MU
sungsänderung einzubringen, wönach dem Nordbunde ein
Ehrensache gemacht, der Krieg entspricht dem Selbstgefühl
dinand von Portugal durch eine Deputation um Annahme
tariſchen Ueberlieferungen erzählen uns von Cinem, der
auszog, um seines Vaters Eſel zu ſuchen, und dabei ein
Königreich fand. Die Geschichte umzudrehen, verbietet die
Höflichkeit: ~ daß die Herren Königemacher aber in Liſ-
entſchiedenen und erst neuerlichſt wiederholten Weigerungen
monarchiſche Spitze gegeben werden solle. Der Gedanke
tuurde als „nicht gelegen“ fallen gelaſſen und hat nur in
dem Tweſten’ſchen Antrage auf Cinsſezung von Bundesmi-
niſlerien einen erſten Anlauf zu größerer Zentraliſirung und
zur Anbahnung des Einheitsſtaates als Folge gehabt. Die
„Zukunjt" erfährt nun, daß der hannoveriſche Graf Münſter,
der „neu Annetktirte, jedoch ſchon ins Herrenhaus Avan-
cirte", es gewesen ist, welcher die königliche Spitze in Vor-
ſchlag gebracht hat. Aber — so bemerkt die „Zukunft“
zu dieser Mittheilung ~ „Hr. v. Blankenburg, der als
Vertrauter des Bnndeskanzlers gilt, hat: „Noch nicht"
geflüsſtert, und dieſer Laut ist leiſſe im Rohre weiter ges
gangen, bis Konservative und Freikonſervative nnd Natio-
nalliberale einmüthig den Kopf geschüttelt haben. Aber die
Nationalen ſchütteln nicht, ohne daß dabei etwas heraus
oder abfiele, und wärs nur der Tweſten’ſche Antrag auf
Cinſetkung von Bundesministerien. Wie es ſcheint, wollle
man den Liebhabern des deutſchen Königthums dadurch
Muth machen, indem man ſ ie vorher Desſen versicherte,
daß dies Königthum auch ein konſtitutionelles ſein ſolle.
Wiederum aber wird Herr v. Blankenburg sein „Noch
nicht!“ flüſtern, aber über diesen Antrag wird man irot-
dem doch wenigstens debat.iren können.“
„Noch nicht“: so lautet alſo die Bismarck'ſche Parole
in Bezug auſ die Ernennung des preußiſchen Kronenträ-
gers zun K önig v on Nord de ut ſ < la n d.
Aber auch nur: „noch nicht‘. Daß das Verlangen be-
ſteht und freiwillig nicht aufgegeben werden wird, dafür
bürgt die Beharrlichkeit, womit Preußen seine ſchon im vo-
rigen Jahrhundert begonnenen Beſtrebungen zur Aufrichtung
eines von ihm beherrſchten Nordbundes ſtets ſeſthielt und
zu jeder gelegenen Zeit auf's Neue aufnahm, bis die Frevel-
thaten des Jahres 1866 zu der Zerreißung Deulſchlands
führten. Wir lassen aus der Geschichte dieser Beſtrebungen
nachstehende Daten folgen: 17€ 5~87 kleindeutſcher Fürſtensz
bund Friedrichs Il. gegen den Kaiser. 1791 deutſcher
Fürſtenbund gegen die ſranzösiſche Revolution, Erklärung
von Pillnit, 1792 preußiſcher Feldzug in die Champagne,
1795 Baſeler Scparatsrieden, Neutralität Preußens und
Abtretung des linken Rheinufers gegen (1801) Annexion
Hannovers. 1806 Projckt des ,nordiſchen Reichsbundes“:
Der König von Preußen nimmt „auf Einladung der Kur-
ſürſten von Heſſen und Sachſen“ den Titel Kaiſer von
Norddeutschland“, diese nehmen „auf Cinladung des
Königs von Preußen“ den Königstite an. Das Direk-
torium besteht aus Preußen, Sachſen und Heſſen. Preußen
führt den „Vorsit“. Die Direktoren theilen oie Güter des
Deulſchordens und mediatisiren die Reichsritterſchast. ' 15. Okt.
1806 Termin zur Abhaltung eines Fürſtentongresſes in
Dessau Behufs Annahme dieſes älteren Nordbundsprojekts.
14. ejusdem Schlacht bei Jenna. 1814—15 Annexion
von Sachſen , Poſen, Rheinlanden. 1849 Drei-Königs-
Bündniß , Erfurter Unionsparlament. 1863 Enthaltung
vom deutschen Fürſtenkongreßk. 1866 abermalige Annexion
Hannovers und sonstige Auuexionen. N o r d d e u t ſch e r
B u n d. j .
Deutſchland.
* Aus Baden, 29. März.
O f f en b ur g e r, „das immer noch mißtrauiſche Volk
mit dem nationalen Ziele der Gebildetern? – dem An-
ſchluſſe an Preußen ~ auzszuſöhnen, iſt mißlungen. Das
„dumme“ Volk will von den An- und Ahsichten der „ge-
bitdetern“ Offenburger nichts wiſſen, und von den Offen-
burgern ist es ſtiller geworden im Lande Baden. Der
ſchwache Verjuch, sich durch eine „gemäßigtere Oppoſition“
bei der Regierung in Erinnerung und Gunſt zu bringen,
iſt kläglich verputſcht, und so jammert denn das Organ
der Offenburgerci, daß nun die ,reine demokratische Pars
tei“ auftrecen und den Offenburgern over, wie ſie ſich
nennen, der „nationalen Demokratie“, erklären werde : „Ihr
ſeid die Halben und wir ſind die Ganzen“. Die Furcht
der Offenburger vor der „reinen“ Demokratie iſt groß;
iſt so groß, daß ſie ihr Organ zu dem Geständniß bringt:
„Die Ultrumontanen ſind lange nicht so gefährlich; ſie
mögen so viel ſie wollen von deutscher Freiheit und gegen
die Steuern und das Militärwesen predigen, ma.! glaubt
ihnen nicht, denn sie ſind eine abgenüßte Partei gd das
Volk hat doch größtentheils neben vielem guten Glauben
einen unüberwindtichen Willen gegen das Pfaffenthum .
Und deshalb doch bis daher Mörder und Räuber? Jn
der That, ein Freund vom See, der uns ſchreibt, hat
Recht, wenn er bemerkt: „Ich ſtelle mir die Herren Na-
Das Beſtreben der
etionalliberalen in einer Slimmung vor, wie ein Traumen-