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Samſtag, 16. Januar..
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ei in
1869.
15 in Mannheim und bei allen Poftanſtalten.
Die Philister in Spanien und die
Philiſter anderswso.
Y „Shanien iſt für die Republik nicht reif!" — war
vor wenig Wochen das heuchleriſche Klagelied auch der
deutschen Philiſter, die nichts in der Welt so ſehr fürchten,
als in ihrer Behaglichkeit geſtört zu werden. Spanien hat
nun ſeitdem den Beweis geliefert, daß es rücksichtlich seines
politiſchen Bewußtseins weiter war, als Diejenigen, welche
ſich auf ihre politiſche Weisheit und Klugheit etwas zu
gut thun. Spanien hat in 50 Städten ausschließlich re-
publikaniſche Ortsvorſtände gewählt; eine Thatſache von
ſolcher Beweiskraft, daß die liberalen Schwätzer inner- und
außerhalb Spaniens wirklich ganz eigenthümliche Phrasen
erfinden möchten, sie zu entkräften. Innerhalb Spanien
haben die gegenwärtigen Gewalthaber von dieser Thatsache
ſehr Notiz genommen, und senden deßhalb den Schlächter
Caballero de Rodas in jene „Nester“ der Gefahr für „ihr
Heil“, um die Waffen abzufordern, und nöthigenfalls die
Herzen mit Belagerungszuſtand und Pulver und Blei zu
beruhigen. Vorsicht schadet nicht! Olozaga und seine an-
dern Freunde: Waſch' mir den Pelz und mach’ mich nicht
naß — nationalliberal- oder liberal - national in's Deutsche
überſektt ~ ſchwärmen noch immer für ,konſtitutionelles“
Königthum während gerade ihre Charakterloſigkeit dem
straffen Königthum „von Gottes Gnaden“ den größten
Vorſchub geleiſtet hat. Sie werden ernten, was ſie geſäet.
Cs gibt übrigens nichts Neues unter der Sonne! Wie
ging es in Deutschland im Jahre 1848? Wir hatten
keine Militärrevolution. Die Unzufriedenheit, welche Jahre
lang unter der Asche der Loyalität geglüht, lohte nach der
Verjagung des „Bürgerkrieges“ in hellen Flammen auf.
Jm entscheidenden Augenblick theilten sich die liberalen Füh-
rer in „Besonnene", wie man es nannte, und in Republi-
kaner. In einer vorher nie dagewesenen Beſtürzung hatten
die Machthaber sich hinter Zugeſtändniſſe geflüchtet, und es
gelang ihnen nur mit Hilfe der „Beſonnenen“ nur zu
bald, das Volk in die Parlamentsfalle zu verlocken. Die
„Vertrauensfräcke" kamen wieder zu Vorschein! stet fih:
„Man war
meten die „Privilegirten“ aller Grade auf.
dießmal so merkwürdig aus der goldenen Frivolität und
andern Dingen aufgeschreckt worden!“ Das Vorparlament
trat zuſammen, und in der erſten Situng erkannten die
Eniſchiedenen, wohin ihr Vertrauen zu den Besonnenen sie
gebracht hatte. Der einzige vernünftige Antrag Hecker's:
„daß ſich das Vorparlament permanent erklären ſolle“, wurde
durch die nachmaligen Gothaer vereitelt. Dieſe Angstmen-
ſchen wußten, daß die Unauflösbarkeit des Vorparlaments
die Republit in Gefolge oder zur Folge haben mäüùſse.
Hätte doch ein Aufruf an die deutſche Jugend damals ge-
nügt, Hunderttauſende nach Frankfurt zu entbieten, um
mit Leib und Leben für's Vaterland einzuſtehen. Auch
das deutſche Volk wurde damals von ſeinen politischen
Wetterfahren für „Republik-unreif“" erklärt, und heute noch
hahen dieſe Wortfechter, die sich bei dem gegenwärtigen
Stande der Dinge ganz wohl verſorgt sehen, vor nichts so
ſehr Angst, als vor einer That, die sie überflüssig machte.
. Nationalen in Spanien von 1868 ſind unsere Go-
thaer. i
Auch die ſpaniſchen Gothaer werden den Depotismus
groß ziehen, und dann ihre Erbärmlichkeit und das Unglück
des Vaterlandes den Republikanern in die Schuhe schieben;
gerade wie in Deutschland.
Thatſachen nnd Redensarten.
V. In dem öſlterreichiſchen Rothbuch , welches jeit drei
Monaten gedruckt vorliegt, steht eine amtliche Depeſche des
Freiherrn v. Cder aus Buchareſt vom 24. Auguſt 1868,
worin derſelbe meldet, wegen der bekannten Berliner Waffen
ſendungen nach Rumänien habe ihm Bratiano erklärt:
„s genügte ein konfidentieller Schritt des Königs von
Preußen, um den Befehl zu erwirken, daß die Waffen un-
gehindert und ohne Aufenthalt durch die russischen Staa-
ten geführt werden, während dagegen von der Türkei und
von Osterreich — ,in Ungarn bestehen viele den Jürſten-
thümern ungünstige Vorurtheile!" Schwierigkeiten erho-
ben worden wären. Auf diese ſehr positive, sehr amtliche,
ſehr öffentliche, ſehr thatſächliche Angabe fehlt bis jetzt jede
Erwiderung von Berlin oder Petersburg ; nicht einmal der
Verſuch einer Berichtigung iſt gemacht worden. Das ſtür-
mische Verlangen nach „Waffen“, welches derselbe Bratiano
kürzlich in der rumänischen Kammer geäußert, gibt einen
Aus dem ſJüdlichen Buchareſt, aus Athen, kam dieser
Tage die Nachricht, daß das dortige Blaubuch Depeschen
des bisherigen griechiſchen Gesandten bei der Pforte enthält,
worin derselbe meldet, ſein ruſſiſcher Kollege habe ihm ,bei
verſchiedenen Anlässen“ eröffnet: „was die griechische ste-
gierung auch immer unternehme, die Türkei werde nicht
wagen, dagegen einzuſchreiten." Auch diese Angabe iſt ſo
poſitiv, wie amtlich. g .
Die ,„Nordd. Allg. Ztg.“ wird. gut thun , die beiden
vorstehenden thatſächlichen Mittheilungen aus der Welt zu
ſchaffen, ehe ſie in den Federkrieg gegen Oeſterreich sich tie-
fer einläßl. Da ſie jezt ein tägliches Penſum Heye ab-
macht, so hat sie ja die beſte Gelegenheit. Für den Fall
freilich, daß sie troßdem die Gelegenheit versäumte, müßte
die Richtigkeit ſo ſtark gravirender Thatsachen als zugeſtan-
den gelten.
Politische Uebersicht.
Manndheim, 15. Januar.
* Wir ſind noch ohne Nachricht, ob die auf gestern
anberaumt gewesene dritte Sizung der Konferenz abge-
halten worden iſt. Nach einer telegraphiſchen Depeſche aus
Paris hat man dort geglaubt, daß dieſe Sitzung die ent-
ſcheidende sein werde. Höher hinauf, als zu der Erwar-
tung einer gemeinsamen Erklärung der Konferenz - Mächte
über ihre „Ansichten? über die Streitfrage, versſteigen ſich
sſelbſt die am Meiſten optimistiſchen Pariſer Blätter nicht,
und die Hoffnung, daß Griechenland dieſer Erklärung
beiſtimmen werde, wird nur von der „France“ ausgesprochen
Noch weniger roſig erſcheint die Lage der Dinge der Lon-
doner „Times“, welche die Besorgniß ausspricht, die Kon-
ferenz werde wegen der Haltung Griechenlands ſcheitern.
Ueber das geringe Vertrauen, mit welchem die Türkei den
Konferenzverhandlungen entgegengeſehen hat, gibt ein Rund-
ſchreiben, welches die Pforte unterm 30. Dezember an ihre
diplomatiſchen Vertreter im Auslande hat ergehen laſsen,
klaren Aufschluß. Wir finden in dieſem Altenqſtück folgende
Stelle: . „Die Weisheit der europäiſchen Großmächte und
ihre Sorgfalt für den Frieden des Orients könnten die
gütliche Löſung der Streitfrage beſchleunigen. Wir tragen
aber kein Bedenken, zu erklären, daß das Mittel, welches
in ihren Berathungen als das zweckdienlichſte anerkannt
worden zu sein ſcheint, uns keineswegs als zur Herbeifüh-
rung eines praktiſchen Reſultates geeignet vorkommt.“ Das
Rundschreiben iſt noch in gzwei anderen Beziehun-
gen bemerkenswerth, indem es einestheilßs die Ansicht
der Pforte über die Unmöglichkeit eine Begrenzung
des Krieges auf die Türkei und Griechenland ande-
rentheils den Wunsch konſtatirt, den Konflikt mit Griechenland
ohne Anwendung der äußerſten Mittel zu beseitigen. Nach Auf-
zählung der vielfachen Verlegungen des internationalen
Rechtes, welche Griechenland ſich hatte zu Schulden kom-
men laſſen, ſagt das Rundschreiben: „Hwei Mittel boten
ſich uns dar, um diesem Zuſtande ein Endezu machen: die un-
mittelbare Kriegserkläruug an Griechenland oder der einfache
Bruchder diplomatiſchen und kommerziellen Beziehungenmit die-
sem Lande. Sicherlich hatte uns Griechenland Grund ge-
nug zu Beſchwerden geboten, um von unserer Seite eine
Kriegserklärung reichlich zu rechtfertigen. .. Die Ueber-
legenheit unserer Land- und Seemacht sicherte uns einen
ſchnellen und vollständigen Erfolg. Wir dachten aber,
daß bei dem gegenwärtigen Zuſtande Europas je-
der Funke, der irgendwo niederfiele, eine Mine
entzünden könnte. Da wir für ſolches Unheil leine
Verantwortung übernehmen wollten, zogen wir das lettere
Mittel vor, das ohne Blutvergießen uns gleichfalls zu der
beabsichtigten Pazifikation zu führen vermag. In der
That zieht Griechenland seine bedeutendſtenHilfsqucllen aus
dem Handel mit unseren Häfen, und nur in der Türkei
finden die Hellenen ein hinreichend großes Feld der Aus-
beutung. Wir glauben alſo, daß dieſer aus maßlosem,
unerſättlichem Ehrgeize hervorgegangene Starrſinn, der we-
der der Vrrnunft, der Gerechtigkeit und der Achtung der
i
Obertribunal mit 184 gegen 182 Stimmen bewilligt und dem
in einer telegraphiſchen Depeſche in unserem geſtrigen Blatte
gemeldeten Antrag auf Schaffung dreier neuer Rathsſtellen
Worauf der Herr Juſtizminiſter, der vor kaum zwei Wochen
seinen feſten Eniſchluß zu fernerer Verwendung von Hilfs-
richtern trot aller Besſchlüſſe des Hauſes in ſo herausfordernder
Weise angekündigt hatte, das Zugeſtändniß machte, daß die
Würde des Obertribunals durch die Hilfsrichterfrage erheh-
lich gelitten habe, und an diese verſpätete Erkenntniß das
Versprechen anreihte, Hilfsrichter beim Obertribunal nicht
mehr zuzulassen und die dermalen verwendeten 4 Hilfsrich-
ter zurückzuziehen. Wie in dieser parlamentariſchen Fehde
ein definitiver, ſo iſt in der Zeitungsfehde der Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung gegen die öſterreichiſche Politik und
Presſſe ein proviſoriſcher Friede eingetreten. Das Bismarck-
ſche Blatt kündigt an, es werde ſeine Polemik gegen die ?
öſterreichiſche offizielle und offiziöſe Preſſe, da diese jetzt eine
rücksichtsvollere Haltung gegen Norddeutſchland an den T
lege, einſtellen, um nicht die Gemüther zu beunruhigen.
Seine Polemik habe der öſterreichiſchen Politik des vorigen
Jahres gegolten und sei nur ein Alt der Vertheidigung
gegen die Verlezung der nationalen Würde gewesen. Nord-
deutschland hege warme Wünsche für das Wolhlergehen
Oeſterreichs ; Oesterreich solle aber auch anerkennen, daß
Norddeutſchland auf eigeneu Füßen ſtehe.
Bei dem bekannten Umstande, daß Ungarn in dem
Kalkuk der Berliner Politik ein so bedeutender Faktor
iſt, daß ſselbſt die wiederholteſten und derbſten Abfertigun-
gen, welche sie gerade von den Organen der Deak-Partei
erfährt, für ſie kein Hinderniß zu ſein ſcheint, immer wie-
der und wieder anzubandeln, iſt es von Interesse, die Hal-
tung der ung ar iſchen Preſſe zu beachten. Besonders
iſt es der zu dem Ministerium Andrassy in intimen Be-
ziehungen stehende ,„Pesther Lloyd“, dessen Auslassungen
für eine richtige Beurtheilung der Lage von Gewicht sind.
Da lesen wir denn, im Leitarliket ſeiner neueſten Nummer,
einige Stellen, die an Deutlichkeit für Niemand zu wünschen
ubrig laſſen. Anlnüpfend an die Enthüllung des griechi-
ſchen Blaubuches, wonach der ruſsiſche Gesandte in Kon-
ſtantinopel seinem griechiſchen Kollegen für jedes Vorgehen
Griechenlands im Voraus Straflosigkeit zugesagt hat, sagt
der P. Lloyd : „Es ist in diesem Augenblick nicht bloß in-
tereſſant, sondern von fattiſchem Gewicht, den aktenmäßigen
Beweis dafür in Händen zu haben, daß Rußland im
Oriente wieder einmal die Rolle des Spitzbuben gespielt,
der einem ehrlichen Manne nachſchreit : „Haltet den Diehl!“
Während Berliner und Petersburger Organe um die Wette
die Verlogenheit so weit treiben, Oesterreich der Hetzereien im
Orient wieder einmal anzuklagen, beſchuldigt jezt der Re-
präsentant des Königs Georgios laut den Vertreter des
Czaren, daß er Griechenland gegen die Türkei aufgeſtachelt
habe. . . . Offenbar und mit vollem Rechte sind Bulgaris
und Bratiano im höchſten Grade erbittert über die Herz-
loſigkeit, mit der Fürſt Gortsſchakoff sie im entscheidenden
Augenblicie hat sitzen lasſen, nachdem er ſie monatelang
in's Feuer gejagt. Ein Gefühl bitterer Beſchämung, die
in kleinlichen Aerger umſchlägt, hat sich darüber bei den
Staatsmännern in Athen und Bucharest eingenistet. Ge-
segnet ſei dieser Aerger; er verhilft uns zu zwei kostbaren
Geständniſſen, die gegenüber den frevelhaften Ver-
suchen der groß preußiſchen Preſſe ~ !! ~, die öffent-
liche Meinung durch ſchamlosſe Lügen irre zu führen, im-
merhin von hohem Werthe ſind“ ~ das eine iſt, daß
Bratiano den Rachezug gegen Ungarn predigt wegen Sie-
benbürgens; das andere ist jene Denunziation des griechi-
ſchen Gesandten gegen Rußland als Urheber des Konflikts.
„Wird nun die Nordd. Allgem. Ztg. auch Bratiano und
Deljannis zu Beuſt’ſchen Agenten ſtempeln?“! – Als weis
tere Wühlerei Rußlands, welches für ſeine griechiſch-erumä-
niſchen Sünden auf der Konferenz zu Kreuz triechen müſſe,
wird ſchließlich die Aufhezung Montenegro's in Aussicht
gestellt, desſſen Fürſt eben nach Petersburg berufen iſt. Da-
neben behandelt der P. LI. in fortlaufenden Besprechungen
nternationalen Rechte und Verträge Gehör, noch den Rath-|die für Ungdrn gegen Norden und Often d. h. gegen
ſchlägen der Großmächte die dem griechiſchen Staate zutom-
mende Beachtung schenkte, daß dieser Starrſinn der Rück-
ſicht auf die materiellen Interessen weichen wird.“
_ Aus Preugen kommen zwei Friedensbotſchaften. Der
Kampf, der dort zwiſchen Regierung und Abgeordnetenhaus
wegen der Hilfsrichter beim Obertribunale ausgebrochen
war, hat eine verſöhnliche Löſung gefunden. Das Abge-
Rußland nothwendigen Befestigungen. In einem Augen-
blick, wo die Berliner Politik in ihren offiziösen Organen
Rußland als ,treueſten Allirten“ feiern läßt, wird ſie
diese Pesther Auslassungen ſehr ungern leſen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 15. Jan. Zu den Nachrichten über
recht paſſenden Kommentar zu jener preußiſchen Sendung, ſordnetenhaus hat geſtern die bei der Vorberathung abge-[angebliche Verhandlungen zwischen den ſüddeutschen Staaten
zu dieſer ſeiner Aussage.
lehnten 2600 Thaler für den neuen Oberſtaatsanwalt am:
wegen Errichtung gemeinſchafilicher Konsulate
bei dem genannten Gerichthshofe seine Zuſtimmung ertheilt. é! ;