Dounerſtag, 25. 7rebruar.
Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile § kr.
Ausnahme der Sonntage und Feſttage + täglich als Abendblatt ausgegeben. D
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition Q 1 Rr.
.
er Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hohenlohe's deutſche Politik.
(Aus der Demokratiſchen Korreſpondenz.)
Die neuerdings in verschiedenen Blättern vielfach um-
laufenden Nachrichten über Hohenlohesſche Bemühungen zu
Gunsten des Südbunds oder richtiger: eines Südbunds
(um den Gedanken der Volkspartei ein für allemal gegen
ministerielle Entſtellungen zu ſichern) erhalten in einer aus
beſtex Quelle stammenden Mittheilung einen Kommentar,
der sowohl die Widersprüche zwischen den verschiedenen des-
fallſigen Behauptungen und Dementis einigermaßen aus-
gleicht, als auch den Werth jener Münchener Velleitäten
auf ihr Maß zurückzuführen geeignet iſt. Nach dieser Mit-
theilung nämlich bestrebt ſich oder ſchmeichelt sich der baye-
riſche Premier, die Vereinigung des außeröſterreichiſchen
Deulschland mit dem Nordbund herbeizuführen auf der Basis
und unter der Vorbedingung von > kurz geſagt + libe-
ralen Konzessionen Seitens des Nordbunds d. h. Seitens
Preußens. Die Wünsche, Vorschläge, Bedingungen Hohen-
lohe's gehen auf eine Erweiterung der Machtbefugniſſe des
Parlaments, auf eine Beschränkung des Militarismus, mit
andern Worten: auf etwas formulirten National- Libe-
ralismus.
Freiheitliche Konzeſſionen Großpreußens! So was
braucht man nur zu hören, um ſich zu sagen, daß ein
ſolcher Wunſch dem Gemüth ſeines Urhebers alle Ehre
macht, und damit iſt denn auch wirklich Alles geſagt. Ge-
dächtniß muß der Mann nicht haben, und Urtheilskraft
möglichſt noch weniger.
Wer ein Gedächtniß hat, Der weiß, daß diese Gemüths-
politit bereits eine ziemlich lange Geschichte hat. Die deut-
ſche Nation hat sie getrieben, Jahre lang, Jahrzehnte lang.
Gegen einen dentbar großen Machtzuwachs, meinte die
Nation, werde Preußen doch ſicher für eine freiheitliche
Einheit Deutschlands zu gewinnen sein. Die Reichsver-
faſſung mit der Kaiſerwahl war der Ausdruck dieser Gutmü-
thigkeit. Die Riederwerfung der Bewegung für die Reichs-
verfaſſung mit Waffengewalt war die Antwort auf ſo gut-
müthiges Hoffen. Der Nationalverein war der zweite
Verſuch in gleicher Richtung. Ueber die Antwort geben
die früh eren Reden der Bennigsen bis Völk genügende
Auskunft; auch in der Wochenſchriſt des früheren Rochau
iſt viel desfallſiges Material enthalten. Als letzter Verſuch
endlich galt bisher der National-Liberalismus, diese abge-
brühteſte Verdünnung der alten Sauce. Und mit dieser
alſo hätte jegt der bayeriſche Premier das diplomatische
Schaugericht seines Südbunds angerichtet, mundgerecht, ſo
hofft er, im Norden wie im Süden.
Alle jene Grstlingsversuche der Gemüthspolitik waren
v o r 1866 und ſcheiterten troßdem; die jetzigen Ausläufer
kommen n a < 1866 — welcher Menſch von nur einiger-
maßen geſunden Sinnen kann ſich einreden, daß ſie jett
zu beſſerm Ende führen werden?! Bei Professoren u. dgl.
Leuten, für die es Erfahrungen, Creigniſse und eine Logik
der Ereignisse nicht giebt, für die nur ihre eigenen Dok-
trinen und Dotkttrinarretheien exiſtiren, muß man feeilich
auf so etwas gefaßt sein; daß aber ein Mann, dem doch
_ + falls ihm die öffentlichen Erfahrungen von Millionen
nicht genügen ~ ein ganzes Archiv der vertraulichsten Be-
lege zu Gebote ſteht, auf solche Gedanken kommen kann,
iſt leider wieder ein neuer Beweis, daß die einfachſten und
klarſien Wahrheiten, die in der friſchen Volksluft kräftigſt
gedeihen, in miniſteriellen Bureaus gerade so elend ver-
kümmern wie in gelehrten Studirſtuben.
Denn woas ist die Geschichte der preußiſchen Politik
gegenüber dem nationalen Gedanken? Nicht vor Wider-
ſpruch zwar, aber vor jeder Widerlegung ſind wir ſicher,
wenn wir die innerſle Natur des preußiſchen Staats, das
eigenste Wesen der zollerſchen Staatsart dahin zuſammen-
faſſen: Kampf gegen den freiheitlichen Inhalt des nationa-
len Gedankens oder, soweit nicht Kampf, Mißbrauch des
. nationalen Gedankens zu Zwecken der Gewalt. Zum Ueber-
druß ja ist erwiesen und erprobt, daß der Zollernstaat jede
Horm nationaler Politik abgelehnt, zurückgewiesen, zurück-
geſchlagen hat, die ihm auch nur ein Tüttelchen freiheit-
licher Konzesſſion abnöthigen wollte; und daß der einzige
Gebrauch, den er jemals davon gemacht hat, der M iß-
brauch von 1866 geweſen iſt, Das hat er doch wahrlich
für ein Menschenalter hinaus blutig genug klar gemacht!
Nicht die Aussicht auf Macht hat ihn v or 1866 mit der
Freiheit befreunden tönnen; nicht i n 1866 hat ihn der
Aufschwung des Sieges noch die Rückſicht der Klugheit zu
bewegen vermocht, durch freiheitliche Konzesſſionen die Art
ſeines Beſitztitels in Vergeſſenheit zu bringen und die neu-
erworbenen Landestheile an ſich zu feſſeln; nicht na ch
1866 hat er bisher auch nur die Ma sk e des freiheit-
lichen Strebens vorzunehmen für nöthig erachtet T und
da meint man ihn mit einem Machtzuwachs ködern zu
sollen, ködern zu können zu dem Opfer freiheitlicher Zu-
geſtändniſsse; da meint man, Den haben zu können für die
Hälfte des Gewinns, dem um den Preis des Chrendienstes
der Freiheit ſelbſt das Ganze zu theuer erkauft ſchien?!
Und Der das meint, ist ein deutscher Minister, ist Leiter
der Politik des deutſchen Staates Bayern!!
Indeß, was sagen wir? Der Das meint, iſt noch
dazu der einzige süddeutsche Miniſter, der ſich wirklich um
die Zukunst Gedanken zu machen scheint, der noch ab uno
zu ein Zeichen davon giebt. Und da nun von diesem ein-
zigen süddeutschen Minister das einzige Projett dieſer
kindliche Traum iſt + ja, wahrhaftig, wenn der
Süden da nicht zu Grunde gehen soll, so muß es wohl
Gottes sehr besſondrer Wille sein.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 24. Februar.
* Die Angabe, daß die griechiſche Antwort auf die
Konferenzerklärung die zwei Vorbehalte: ,„Fortseßung des
Schutzes der Chriſten in der Türkei und gelegenheitliche Ge-
bietsausdehnung nach Maßgabe der d»olitiſchen und geo-
graphiſchen Bedürfniſſe des Landes“ enthalte, erweist ſich
nun, da der Wortlaut des fraglichen Aktenſtückes vorliegt,
als unbegründet. Diese Vorbehalte sollen in einem anderen
diplomatiſchen Schriftstücke der griechiſchen Regierung ~
nach einigen Angaben in einem Rundſchreiben an die helle-
niſchen Gesandten, nach anderen Angaben in einem Prome-
moria – niedergelegt sein. Der Kern der g:riechiſchen
Antwort liegt in den Worten, daß ,die helleniſche Regierung
den allgemeinen Grundsäten des internationalen Rechtes,
wie dieselben in der Konferenzerklärung enthalten sind, zu-
stimmt und daß ſie entſchloſſen iſt, ihre Haltung darnach
zu bemessen.“
; gut: Wall des definitiven Präsidenten der Kortes
hat sich faſt ganz daſſelbe Stimmenverhältniß herausgestellt,
wie bei der provisſoriſchen. Auf Rivero, der das erſte Mal
168 Stimmen erhalten hatte, sind 167; auf den ihm
von der republikaniſchen Partei abermals entgegengeſstellten
Orense, für welchen damals 50 Mitglieder ihre Stimmen
abgegeben hatten, ſind 47 Stimmen gefallen. Die Stellen
der Vizepräsidenten und Schriftführer. sind ebenfalls mit
denſelben Perſönlichkeiten beſeßt worden, welchen dieſe Funk-
tionen bisher proviſoriſch übertragen waren; bei diesen
Wahlen hat sich jedoch zu Gunsten der progressiſtiſchen
Partei, deren Kandidaten die meiſten Stimmen erhielten,
eine kleine Aenderung im Stimmenverhältniß gezeigt. Ein
ganz verlässiges Urtheil über die Stärke der einzelnen Kortes-
sfraktionen läßt sich übrigens noch nicht fällen, da nach den
vorliegenden Ziffern von den 328 gewählten Abgeordneten
beiläufig 100 ihren Sitz in der Versammlung noch nicht
eingenommen haben. General Dulce hat sich zur Aus-
übung seines Mandates als Kortesmitglied gemeldet. „Aus
Geſuudheitsrückſichten,“ so lautete eine frühere Mittheilung,
wolle derselbe seinen Posten als kommandirender General
auf Kuba niederlegen: wahrſcheiniicher iſt, daß sein Wunsch,
die Luft von Kuba mit der des Kortessſaales zu vertauſchen,
ihm von der Regierung eingeflößt worden ist, die die „Be-
ruhigung“ der auſfſtändiſchen Insel anderen Händen über-
tragen will. Die kürzlich angeordnete Absendung eines
französiſchen Kriegsſchiffes zum Schutze der auf Kuba
wohnenden Franzoſen beweiſt das andauernd Gefährliche
der dortigen Zustände.
Cinen neuen Beitrag zur Charakteriſirung des Anklage-
monopols der Staatsanwaltſchaft in Preuß en liefert der
neueste Bericht der Juſtiztommission des Abgeordnetenhauſes.
Bei der Reichstagswahl des Jahres 1867 waren in dem
Wathlprotokoll eines ſchleſiſchen Wahlortes 127 Stimmen
ſür einen Landrath und 37 für den Landtagsabgeordneten
Twesten verzeichnet. Auf eine bei dem Staatsanwalt wegen
Wahlfälſchung eingereichte Anzeige haben dann 55 Zeugen
eidlich erklärt, Stimmzettel für Twesten abgegeben zu haben.
Darunter bezeugten 45, wie ſie ſelbſt geſehen, daß ihre
Stimmzettel in die Wahlurne gelegt worden ſeien. Bei der
Stimmenzählung hatte der Wahlvorstand die Oeffentlichkeit
ausgeſchloſſen ; von dem Wirthe, in desſſen Lokal die Hand-
lung vor sich ging, wurde aber bemerkt, daß bei Beginn
der Stimmzählung in der Urne eine Anzahl Zetiel „übrig
geweſen“ und nach Beschluß der Wahlkommission „in den
Ofen geſtectt“ worden sei. Trotzdem hat die Staats-
anwaltschaft durch alle Inſtanzen hindurch + zu-
lekt auch der Juſtizminiſter ~ es abgelehnt, ge-
gen den Wahlvorſteher gerichtliche Unterſuchung zu
beantragen. Allerdings sei feſtgeſtelt, daß der Wahl-
vorſtand Wahlzettel kaſſirt habe, aber diese Zettel seien von
Unberechtigten abgegeben worden und nicht in die Urne ge-
langt; eine v orſä t. li ch e Veränderung der Stimmzettel
habe aber nicht stattgefunden. Die Juſtiz-Kommission hat
die betreffende Petition „zur Berückſichtigung“ überwiesen,
weil „der Staatsanwalt gerade in dem Augenblick, als es
durch die Aussage eines Zeugen Licht in der Sache zu werden
begann, das Verfahren ſchloß und die Denunziation zurückwies".
In demselben Berichte findet ſich eiue andere Petition, bes
züglich welcher es ſchwer iſt zu sagen, ob ihr Inhalt, oder
ob der durch sie hervorgerufene Kommissionsbeſchluß ſtau-
nenswerther iſte. In Muſchlen hatten ſich die Einwohner
aus Unzufriedenheit mit der gegen ihren Willen vorgenom-
menen Entwässerung, welche zu wenig befriedigenden Cr-
gebnissen geführt hatte, geweigert, die Beiträge zu zahlen.
So oft die Crekutoren und Gendarmen erschienen, fanden
sie alle Gehöste im Dorfe verſchloſſen. Der Regierungs-
präsident ordnete nun Crekution an, „nach zuvoriger Feſt-
nehmung der Haupträdelsfuhrer“. Diese wurden auf das
Landrathsamt zu einer Vernehmung vorgeladen, dort ſo-
fort verhaftet und erſt am dritten Toge, nachdem in-
zwiſchen die Crekution im Dorfe gelungen war, wieder
freigelaſſen. Im Dorfe hatte der Landrath erklärt, er
würde die Leute nicht eingeſtectt haben, wenn sie bei ihrem
Erscheinen im Termine erklärt hätten, ſie wollten bezahlen.
Die Kommission empfiehlt, über die Beſchwerde wegen
widerrechtlicher Verhaftung zur Tagesordnung überzugehen,
weil der Landrath die Verhaftung nicht „mit Bewußtlſein
ihrer Rechtswidrigkeit“ vorgenommen habe.
In einer Prager Nachricht, die wir vorgestern mitgetheilt
haben, iſt eine Erklärung des Kurfürſten von Heſſen erwähnt,
worin die im preußiſchen Abg.-Haus erfolgte Behauptung des
Grafen Bismarck, daß der Kurfürſt ſeinerzeit erſt nach
„unentgeltlicher“ Ueberlaſsung einer großen Anzahl von Attien
den Bau der Hanauer Cisſenbahn gestattet habe, zu den
anderen, „natürlich" eben ſo wahren Angaben Bismarcks
über das Hietzinger Komite, die welfiſchen Werbeagenten in
Stuttgart u. dergl. verwiesen wird. Die fragliche Erklä-
rung liegt nun nach ihrem vollen Wortlaute vor und gipfelt
in der Verſicherung, daß der Kurfürſt „weder direkt noch
indirekt“ eine derartige „unentgeltliche“ Altienüberlaſſung
verlangt oder erhalten habe. Der Schluß der Ertlärung
lautet: „Es iſt der erſte Miniſter S. Maj. des Königs
von Preußen, welcher in offizieller Funktion zu dieſer Be-
richtigung Anlaß gegeben hat. Man hat derſelben vor der
Oeffentlichkeit, vor welcher ein von ſJolcher Stelle unter-
nommener Verſuch, nach allem Anderen nun auch noch die
fürſtliche Chre Sr. K. Hoh. des Kurfürſten anzutaſten,
die „gebührende B eurtheilung“ finden wird, nichts
hinzuzufügen.“
Deutſchland.
* Mannheim, 24. Febr. In der geſtrigen Sizung
des demokratiſchen Vereins wurden einige Puntte der
feſtzuſtellenden Geschäftsordnung erledigt. Da Hr. Dresler
die auf ihn gefallene Wahl in den Ausschuß abgelehnt hat,
wurde eine Erſat wahl vorgenommen und Hr. A. Hug
erwählt. (Der Ausschuß hat Hrn. CEichelsdörfer zu seinem
Vorsitzenden, Hrn. W. Strecker zum Rechner und Hrn.
Ferd. Schneider zum Schriftführer ernannt.) Nach Erles-
digung der geschäftlichen Angelegenheiten berichtete Herr
Eichelsdörfer über die Frage des Wahlgeſeßes zum badischen
Landtage und beantragte: Der Verein wolle ſich mit einer
Agitation für Erlangung des allgemeinen und diretten
Wahtrechtes, beziehungsweise für Einberufung eines außer-
ordentlichen Landtages zu dem einzigen Zweck, das
Wahlgeſeß iu dem Sinne des allgemeinen und direkten
Wahlrechtes abzuändern, einverſtanden erklären. Nach kur-
zer Debatte wurde der Antrag einstimmig angenommen
und der Ausschuß beauftragt, die nöthigen Schritte zur
Cinleitung dieser Agitation zu thun. Der zweite Punkt
der Tagesoronung; Reform der Gemeindeordnung wurde
wegen der vorgerückten Zeit auf eine weitere Sitzung
tts! U usrheius, 24. Febr. Unſere Leſer dürfte es
inleresſiren, zu erfahren, daß ſich die Berliner „Krenzztg."
mit der Mannheimer Abstimmung über Einführung der
gemischten Schulen beschäftigt. Sie leugnet, daß
die hiesige Abſtimmung als der Ausdruck der ,„Voltsſtim-
mung“ angeſehen werden dürfe : da vorzugsweiſe eine
Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile § kr.
Ausnahme der Sonntage und Feſttage + täglich als Abendblatt ausgegeben. D
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition Q 1 Rr.
.
er Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hohenlohe's deutſche Politik.
(Aus der Demokratiſchen Korreſpondenz.)
Die neuerdings in verschiedenen Blättern vielfach um-
laufenden Nachrichten über Hohenlohesſche Bemühungen zu
Gunsten des Südbunds oder richtiger: eines Südbunds
(um den Gedanken der Volkspartei ein für allemal gegen
ministerielle Entſtellungen zu ſichern) erhalten in einer aus
beſtex Quelle stammenden Mittheilung einen Kommentar,
der sowohl die Widersprüche zwischen den verschiedenen des-
fallſigen Behauptungen und Dementis einigermaßen aus-
gleicht, als auch den Werth jener Münchener Velleitäten
auf ihr Maß zurückzuführen geeignet iſt. Nach dieser Mit-
theilung nämlich bestrebt ſich oder ſchmeichelt sich der baye-
riſche Premier, die Vereinigung des außeröſterreichiſchen
Deulschland mit dem Nordbund herbeizuführen auf der Basis
und unter der Vorbedingung von > kurz geſagt + libe-
ralen Konzessionen Seitens des Nordbunds d. h. Seitens
Preußens. Die Wünsche, Vorschläge, Bedingungen Hohen-
lohe's gehen auf eine Erweiterung der Machtbefugniſſe des
Parlaments, auf eine Beschränkung des Militarismus, mit
andern Worten: auf etwas formulirten National- Libe-
ralismus.
Freiheitliche Konzeſſionen Großpreußens! So was
braucht man nur zu hören, um ſich zu sagen, daß ein
ſolcher Wunſch dem Gemüth ſeines Urhebers alle Ehre
macht, und damit iſt denn auch wirklich Alles geſagt. Ge-
dächtniß muß der Mann nicht haben, und Urtheilskraft
möglichſt noch weniger.
Wer ein Gedächtniß hat, Der weiß, daß diese Gemüths-
politit bereits eine ziemlich lange Geschichte hat. Die deut-
ſche Nation hat sie getrieben, Jahre lang, Jahrzehnte lang.
Gegen einen dentbar großen Machtzuwachs, meinte die
Nation, werde Preußen doch ſicher für eine freiheitliche
Einheit Deutschlands zu gewinnen sein. Die Reichsver-
faſſung mit der Kaiſerwahl war der Ausdruck dieser Gutmü-
thigkeit. Die Riederwerfung der Bewegung für die Reichs-
verfaſſung mit Waffengewalt war die Antwort auf ſo gut-
müthiges Hoffen. Der Nationalverein war der zweite
Verſuch in gleicher Richtung. Ueber die Antwort geben
die früh eren Reden der Bennigsen bis Völk genügende
Auskunft; auch in der Wochenſchriſt des früheren Rochau
iſt viel desfallſiges Material enthalten. Als letzter Verſuch
endlich galt bisher der National-Liberalismus, diese abge-
brühteſte Verdünnung der alten Sauce. Und mit dieser
alſo hätte jegt der bayeriſche Premier das diplomatische
Schaugericht seines Südbunds angerichtet, mundgerecht, ſo
hofft er, im Norden wie im Süden.
Alle jene Grstlingsversuche der Gemüthspolitik waren
v o r 1866 und ſcheiterten troßdem; die jetzigen Ausläufer
kommen n a < 1866 — welcher Menſch von nur einiger-
maßen geſunden Sinnen kann ſich einreden, daß ſie jett
zu beſſerm Ende führen werden?! Bei Professoren u. dgl.
Leuten, für die es Erfahrungen, Creigniſse und eine Logik
der Ereignisse nicht giebt, für die nur ihre eigenen Dok-
trinen und Dotkttrinarretheien exiſtiren, muß man feeilich
auf so etwas gefaßt sein; daß aber ein Mann, dem doch
_ + falls ihm die öffentlichen Erfahrungen von Millionen
nicht genügen ~ ein ganzes Archiv der vertraulichsten Be-
lege zu Gebote ſteht, auf solche Gedanken kommen kann,
iſt leider wieder ein neuer Beweis, daß die einfachſten und
klarſien Wahrheiten, die in der friſchen Volksluft kräftigſt
gedeihen, in miniſteriellen Bureaus gerade so elend ver-
kümmern wie in gelehrten Studirſtuben.
Denn woas ist die Geschichte der preußiſchen Politik
gegenüber dem nationalen Gedanken? Nicht vor Wider-
ſpruch zwar, aber vor jeder Widerlegung ſind wir ſicher,
wenn wir die innerſle Natur des preußiſchen Staats, das
eigenste Wesen der zollerſchen Staatsart dahin zuſammen-
faſſen: Kampf gegen den freiheitlichen Inhalt des nationa-
len Gedankens oder, soweit nicht Kampf, Mißbrauch des
. nationalen Gedankens zu Zwecken der Gewalt. Zum Ueber-
druß ja ist erwiesen und erprobt, daß der Zollernstaat jede
Horm nationaler Politik abgelehnt, zurückgewiesen, zurück-
geſchlagen hat, die ihm auch nur ein Tüttelchen freiheit-
licher Konzesſſion abnöthigen wollte; und daß der einzige
Gebrauch, den er jemals davon gemacht hat, der M iß-
brauch von 1866 geweſen iſt, Das hat er doch wahrlich
für ein Menschenalter hinaus blutig genug klar gemacht!
Nicht die Aussicht auf Macht hat ihn v or 1866 mit der
Freiheit befreunden tönnen; nicht i n 1866 hat ihn der
Aufschwung des Sieges noch die Rückſicht der Klugheit zu
bewegen vermocht, durch freiheitliche Konzesſſionen die Art
ſeines Beſitztitels in Vergeſſenheit zu bringen und die neu-
erworbenen Landestheile an ſich zu feſſeln; nicht na ch
1866 hat er bisher auch nur die Ma sk e des freiheit-
lichen Strebens vorzunehmen für nöthig erachtet T und
da meint man ihn mit einem Machtzuwachs ködern zu
sollen, ködern zu können zu dem Opfer freiheitlicher Zu-
geſtändniſsse; da meint man, Den haben zu können für die
Hälfte des Gewinns, dem um den Preis des Chrendienstes
der Freiheit ſelbſt das Ganze zu theuer erkauft ſchien?!
Und Der das meint, ist ein deutscher Minister, ist Leiter
der Politik des deutſchen Staates Bayern!!
Indeß, was sagen wir? Der Das meint, iſt noch
dazu der einzige süddeutsche Miniſter, der ſich wirklich um
die Zukunst Gedanken zu machen scheint, der noch ab uno
zu ein Zeichen davon giebt. Und da nun von diesem ein-
zigen süddeutschen Minister das einzige Projett dieſer
kindliche Traum iſt + ja, wahrhaftig, wenn der
Süden da nicht zu Grunde gehen soll, so muß es wohl
Gottes sehr besſondrer Wille sein.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 24. Februar.
* Die Angabe, daß die griechiſche Antwort auf die
Konferenzerklärung die zwei Vorbehalte: ,„Fortseßung des
Schutzes der Chriſten in der Türkei und gelegenheitliche Ge-
bietsausdehnung nach Maßgabe der d»olitiſchen und geo-
graphiſchen Bedürfniſſe des Landes“ enthalte, erweist ſich
nun, da der Wortlaut des fraglichen Aktenſtückes vorliegt,
als unbegründet. Diese Vorbehalte sollen in einem anderen
diplomatiſchen Schriftstücke der griechiſchen Regierung ~
nach einigen Angaben in einem Rundſchreiben an die helle-
niſchen Gesandten, nach anderen Angaben in einem Prome-
moria – niedergelegt sein. Der Kern der g:riechiſchen
Antwort liegt in den Worten, daß ,die helleniſche Regierung
den allgemeinen Grundsäten des internationalen Rechtes,
wie dieselben in der Konferenzerklärung enthalten sind, zu-
stimmt und daß ſie entſchloſſen iſt, ihre Haltung darnach
zu bemessen.“
; gut: Wall des definitiven Präsidenten der Kortes
hat sich faſt ganz daſſelbe Stimmenverhältniß herausgestellt,
wie bei der provisſoriſchen. Auf Rivero, der das erſte Mal
168 Stimmen erhalten hatte, sind 167; auf den ihm
von der republikaniſchen Partei abermals entgegengeſstellten
Orense, für welchen damals 50 Mitglieder ihre Stimmen
abgegeben hatten, ſind 47 Stimmen gefallen. Die Stellen
der Vizepräsidenten und Schriftführer. sind ebenfalls mit
denſelben Perſönlichkeiten beſeßt worden, welchen dieſe Funk-
tionen bisher proviſoriſch übertragen waren; bei diesen
Wahlen hat sich jedoch zu Gunsten der progressiſtiſchen
Partei, deren Kandidaten die meiſten Stimmen erhielten,
eine kleine Aenderung im Stimmenverhältniß gezeigt. Ein
ganz verlässiges Urtheil über die Stärke der einzelnen Kortes-
sfraktionen läßt sich übrigens noch nicht fällen, da nach den
vorliegenden Ziffern von den 328 gewählten Abgeordneten
beiläufig 100 ihren Sitz in der Versammlung noch nicht
eingenommen haben. General Dulce hat sich zur Aus-
übung seines Mandates als Kortesmitglied gemeldet. „Aus
Geſuudheitsrückſichten,“ so lautete eine frühere Mittheilung,
wolle derselbe seinen Posten als kommandirender General
auf Kuba niederlegen: wahrſcheiniicher iſt, daß sein Wunsch,
die Luft von Kuba mit der des Kortessſaales zu vertauſchen,
ihm von der Regierung eingeflößt worden ist, die die „Be-
ruhigung“ der auſfſtändiſchen Insel anderen Händen über-
tragen will. Die kürzlich angeordnete Absendung eines
französiſchen Kriegsſchiffes zum Schutze der auf Kuba
wohnenden Franzoſen beweiſt das andauernd Gefährliche
der dortigen Zustände.
Cinen neuen Beitrag zur Charakteriſirung des Anklage-
monopols der Staatsanwaltſchaft in Preuß en liefert der
neueste Bericht der Juſtiztommission des Abgeordnetenhauſes.
Bei der Reichstagswahl des Jahres 1867 waren in dem
Wathlprotokoll eines ſchleſiſchen Wahlortes 127 Stimmen
ſür einen Landrath und 37 für den Landtagsabgeordneten
Twesten verzeichnet. Auf eine bei dem Staatsanwalt wegen
Wahlfälſchung eingereichte Anzeige haben dann 55 Zeugen
eidlich erklärt, Stimmzettel für Twesten abgegeben zu haben.
Darunter bezeugten 45, wie ſie ſelbſt geſehen, daß ihre
Stimmzettel in die Wahlurne gelegt worden ſeien. Bei der
Stimmenzählung hatte der Wahlvorstand die Oeffentlichkeit
ausgeſchloſſen ; von dem Wirthe, in desſſen Lokal die Hand-
lung vor sich ging, wurde aber bemerkt, daß bei Beginn
der Stimmzählung in der Urne eine Anzahl Zetiel „übrig
geweſen“ und nach Beschluß der Wahlkommission „in den
Ofen geſtectt“ worden sei. Trotzdem hat die Staats-
anwaltschaft durch alle Inſtanzen hindurch + zu-
lekt auch der Juſtizminiſter ~ es abgelehnt, ge-
gen den Wahlvorſteher gerichtliche Unterſuchung zu
beantragen. Allerdings sei feſtgeſtelt, daß der Wahl-
vorſtand Wahlzettel kaſſirt habe, aber diese Zettel seien von
Unberechtigten abgegeben worden und nicht in die Urne ge-
langt; eine v orſä t. li ch e Veränderung der Stimmzettel
habe aber nicht stattgefunden. Die Juſtiz-Kommission hat
die betreffende Petition „zur Berückſichtigung“ überwiesen,
weil „der Staatsanwalt gerade in dem Augenblick, als es
durch die Aussage eines Zeugen Licht in der Sache zu werden
begann, das Verfahren ſchloß und die Denunziation zurückwies".
In demselben Berichte findet ſich eiue andere Petition, bes
züglich welcher es ſchwer iſt zu sagen, ob ihr Inhalt, oder
ob der durch sie hervorgerufene Kommissionsbeſchluß ſtau-
nenswerther iſte. In Muſchlen hatten ſich die Einwohner
aus Unzufriedenheit mit der gegen ihren Willen vorgenom-
menen Entwässerung, welche zu wenig befriedigenden Cr-
gebnissen geführt hatte, geweigert, die Beiträge zu zahlen.
So oft die Crekutoren und Gendarmen erschienen, fanden
sie alle Gehöste im Dorfe verſchloſſen. Der Regierungs-
präsident ordnete nun Crekution an, „nach zuvoriger Feſt-
nehmung der Haupträdelsfuhrer“. Diese wurden auf das
Landrathsamt zu einer Vernehmung vorgeladen, dort ſo-
fort verhaftet und erſt am dritten Toge, nachdem in-
zwiſchen die Crekution im Dorfe gelungen war, wieder
freigelaſſen. Im Dorfe hatte der Landrath erklärt, er
würde die Leute nicht eingeſtectt haben, wenn sie bei ihrem
Erscheinen im Termine erklärt hätten, ſie wollten bezahlen.
Die Kommission empfiehlt, über die Beſchwerde wegen
widerrechtlicher Verhaftung zur Tagesordnung überzugehen,
weil der Landrath die Verhaftung nicht „mit Bewußtlſein
ihrer Rechtswidrigkeit“ vorgenommen habe.
In einer Prager Nachricht, die wir vorgestern mitgetheilt
haben, iſt eine Erklärung des Kurfürſten von Heſſen erwähnt,
worin die im preußiſchen Abg.-Haus erfolgte Behauptung des
Grafen Bismarck, daß der Kurfürſt ſeinerzeit erſt nach
„unentgeltlicher“ Ueberlaſsung einer großen Anzahl von Attien
den Bau der Hanauer Cisſenbahn gestattet habe, zu den
anderen, „natürlich" eben ſo wahren Angaben Bismarcks
über das Hietzinger Komite, die welfiſchen Werbeagenten in
Stuttgart u. dergl. verwiesen wird. Die fragliche Erklä-
rung liegt nun nach ihrem vollen Wortlaute vor und gipfelt
in der Verſicherung, daß der Kurfürſt „weder direkt noch
indirekt“ eine derartige „unentgeltliche“ Altienüberlaſſung
verlangt oder erhalten habe. Der Schluß der Ertlärung
lautet: „Es iſt der erſte Miniſter S. Maj. des Königs
von Preußen, welcher in offizieller Funktion zu dieſer Be-
richtigung Anlaß gegeben hat. Man hat derſelben vor der
Oeffentlichkeit, vor welcher ein von ſJolcher Stelle unter-
nommener Verſuch, nach allem Anderen nun auch noch die
fürſtliche Chre Sr. K. Hoh. des Kurfürſten anzutaſten,
die „gebührende B eurtheilung“ finden wird, nichts
hinzuzufügen.“
Deutſchland.
* Mannheim, 24. Febr. In der geſtrigen Sizung
des demokratiſchen Vereins wurden einige Puntte der
feſtzuſtellenden Geschäftsordnung erledigt. Da Hr. Dresler
die auf ihn gefallene Wahl in den Ausschuß abgelehnt hat,
wurde eine Erſat wahl vorgenommen und Hr. A. Hug
erwählt. (Der Ausschuß hat Hrn. CEichelsdörfer zu seinem
Vorsitzenden, Hrn. W. Strecker zum Rechner und Hrn.
Ferd. Schneider zum Schriftführer ernannt.) Nach Erles-
digung der geschäftlichen Angelegenheiten berichtete Herr
Eichelsdörfer über die Frage des Wahlgeſeßes zum badischen
Landtage und beantragte: Der Verein wolle ſich mit einer
Agitation für Erlangung des allgemeinen und diretten
Wahtrechtes, beziehungsweise für Einberufung eines außer-
ordentlichen Landtages zu dem einzigen Zweck, das
Wahlgeſeß iu dem Sinne des allgemeinen und direkten
Wahlrechtes abzuändern, einverſtanden erklären. Nach kur-
zer Debatte wurde der Antrag einstimmig angenommen
und der Ausschuß beauftragt, die nöthigen Schritte zur
Cinleitung dieser Agitation zu thun. Der zweite Punkt
der Tagesoronung; Reform der Gemeindeordnung wurde
wegen der vorgerückten Zeit auf eine weitere Sitzung
tts! U usrheius, 24. Febr. Unſere Leſer dürfte es
inleresſiren, zu erfahren, daß ſich die Berliner „Krenzztg."
mit der Mannheimer Abstimmung über Einführung der
gemischten Schulen beschäftigt. Sie leugnet, daß
die hiesige Abſtimmung als der Ausdruck der ,„Voltsſtim-
mung“ angeſehen werden dürfe : da vorzugsweiſe eine