Organ der deulſchen Volksparlei in Paden.
Mittwoch, 6. Oktobeen.
Il )zeituug
„ 1869._
e
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtag
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SGE E M
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Eintritt oder Annerion?
F Karlsruhe, 4. Okt. „Ich dente, es iſt Sache
Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs, ſseiner Zeit zu be-
ftimmen, welchen Theil seiner Souveränetätsrechte Er der
Verwirklichung der nationalen Einigung Deutschlands zum
Opfer zu bringen für nöthig und für gut findet."
Mit dieſen, wegen ihrer Unzweideutigkeit ſo dankenswerthen
Worten überraſchte am 1. d. Mts. der Gr. Miniſterial-
präſident v. Freydorf das badische Volk.
Zwar wußten wir schon vorher recht wohl, daß Län-
der, Völker und fürstliche Regierungsrechte bis auf die
neueſte Zeit nach den Grundſäten der Stammgutsfolge
gleich Waidefeldern mit Schafherden und Triftrechten
bererht und veräußert wurden; ebenso war es uns aber
entgangen, daß hierin nur Ueberreſte einer weit hinter
. uns liegenden Zeit des jetzt allgemein verurtheilten Feu-
dalismus zu erblicken ſind. Dieser durchdrang ſeiner Zeit
das ganze Staatsrecht. ;
Faſt in allen Ländern Europas haben ſich jedoch in
den letzten hundert Jahren große Umgestaltungen voll-
zogen, überall drang die Ueberzeugung durch und ver-
ſchaffte ſich gesetzliche Geltung , daß das Volk nicht des
Fürſten wegen, sondern. daß .der Jürſt des Volkes wegen
exiſtire, mit einem. Wort, es wird. die Souveränetät des
Fürſten nur als ein Ausfluß der Volkssouveränetät, als
Mandat des Volkes betrachtet, denn die Lehre vom Recht
des Stärkeren hat dieſcem gegenüber die Anwendbarkeit
verloren. So in England und Frantreich, Holland und
Belgien, Italien und Spanien bis herab zu Griechenland
und Rumänien. “t :
Wohin wir im deutschen Vaterlande unſere Blicke
wenden, faſt überall. iſt dieſes Prinzip im Begriff, eben-
falls zum Durchbruch zu kommen und daß es in unſerer
engeren Heimath anerkannt iſt, dafür zeugen Zugeſtänd-
îgniſſe, die auf keinem. andern Grunde beruher können.
Wir meinen die dem. Volke zurückgegebenen Rechte der
Genehmigung von Staätsverträgen. und der Selbſtregie-
rung im Innern des'Landés, vor Allem das Recht der
Iniliative bei der Gesetzgebung.. Die Kammern sind da-
durch Faktoren der legislatoriſchen Gewalt geworden und
da ſie ihrer Idee gemäß nur. den Willen des Voikes aus-
drücken sollen, was fxeilich jet nicht der Fall iſt, so iſt
diese Eigenschaft auch auf. .das. Volk zurückzubeziehen.
Auch bei uns -iſt die Souveränetät. des Volkes also recht-
lich anerkannt und steht als das primäre Recht so fest,
wie das von ihr abgeleitete des Fürſten. Daß dieser für
ſich und die Seinigen verzichten kann, das zu beſstreiten,
fällt uns nicht ein, aber er kann. es nur zu Gunſten des
Volkes und gibt damit nur eine. Vollmacht zurück. Dann
wird das Volk, wieder eingeſeßt in den Vollgenuß aller
ihm von Natur aus zuſtehenden Rechte, zu entscheiden
haben, ob es für die Zukunft ein Sonderdaſein führen
oder ob und welchem anderen Staatswesen es sich anzu-
ſchließen für gut findet. Wir adoptiren hiemit den Aus-
ſpruch des Frhrn. v. Berlichingen: „Ein Anſchluß an
Preußen ohne des Volkes. Willen wäre ein Staatsstreich.“
Der auf die Verfaſſuag geleiſtete Eid unseres Fürsten
_ wurd uns vor einem ſolchen bewahren. Das. Volk ist
herangereift, iſt zum Bewußtsein seines Rechts gelangt
und dieſes Recht wird es festhalten, troß der in Aussicht
geſtellten Entſchiedenheit und der Solidarität der Herren
Minister.
Politische Ueverficht.
Mannheim, 5. Oktober.
* Zu den Gerüchten über das öſterreichiſch-pre u-
ß ische Einverſtändniß zitirt Glasbrenner als en m ..
Berliner Hofkreiſen zirkulirendes Witzwort : Varzin sei nicht |
mehr Gartenlaube, sondern Daheim, und General Man-
teuffel ſtrectt ſeine ſieben Fuß zu einem gewaltigen Wauz
wau aus.
Dem neuen Freundesbündniſſe + ſo meldet die „Zu
kunft“ = iſt einstweilen ein Unterpfand gegeben worden:
bei Fric, dem bekannten in Berlin verweilenden und an
der ,tſchechiſchen Korreſpondenz“ betheiligten Flüchttinge
iſt auf öſterreichiſche Requiſition Hausſuchung gehalten
und, wie die Wiener Blätter berichten, viel kompromit-
tirende Korreſpondenz gefunden worden. Auch hat Herr
Wolff seit zwei Tagen bereits keine telegraphiſchen Leitar-
tikel mehr aus den preuziſchen Blättern in Pest gebracht.
In einem Theile der Auflage des gestrigen Blattes
war noch die Meldung enthalten, daß der General der
Varfüßer-Carmeliter den Pater Hyacint he in Paris
E
unterm 26. September aufgefordert hat, innerhalb zehn
Tagen in das Kloster zu Paris, das er verlaſſen, zurück-
zukehren. Wir wiederholen diese Meldung mit dem An-
fügen, daß dem Pater Hyacinthe angedroht iſt, wenn er
nicht zurückkehre, ſo soll er kanoniſch enthoben werden von
allen Aemtern, die er in dem Orden der barfüßigen Kar-
meliter auszuüben, und daß er fortzufahren habe, unter
der Laſt der Zenſuren zu leben, welche das gemeinſame
Recht und die Konstitutionen des Ordens der Barfüßers |-
Harmeliter aufstellen. J
Es wird befremden, daß in unsern so überaus zur
Verständigung angezeigten Tagen der König von Däne-
mark nicht umhin konnte, in der Thronrede bei Eröffnung
des Reichstages die däniſch-deutſ <e Frage zu berüh-
ren. Der König sagte: „Meine Gefühle ſind ebenfalls
jenſeits der Grenze bei den Dänen in Schleswig, welche
uns für das neue Ehepaar rührende Beweiſe ihrer Sym-
pathie nnd Ergebenheit haben zukommen lasen. Wie
unsere Freude die ihrige iſt, so iſt auch ihr Schmerz der.
unſrige. Wir haben die feſte Ueberzeugung, daß Dieje-
nigen, welche Dänen bleiben wollen, von Neuem mit
Dänemark vereinigt werden. Es iſt wahr, daß die preu-
ßiſche Regierung keine genügenden Beweggründe gefunden
hat, die auf dieſe Angelegenheit bezüglichen Unterhand-
lungen wieder aufzunehmen. Im Interesſe der Gerechtig-
keit und des guten Einvernehmens hegen wir die feſte
Ueberzeugung und können uns der Hoſfnung nicht ent-
schlagen, bei der preußiſchen Regierung Ansichten, welche
unseren eignen entsprechen, Platz greifen zu ſehen, welche
ſchließlich zu einer dauernden Freundschaft zwischen Däne-
mark und dem norddeutſchen Bund führent werden.“
Letzten Nachrichten aus Spanien zufolge hätte der
Regent Serrano und der Marschall Prim, erſchrocten über
die Situation und die Unmöglichkeit einſchend, den Herzog
von Genua auf den Thron zu bringen, sich wieder mit
dem portugiesischen Ministerium in Verbindung geſett,
welches vorgestern Dom Fernando so ungefähr dazu über-
redet hätte die Krone anzunehmen, die er vor einigen
Es handelt ſich nun nur
Menaten so schroff zurückwies. Ö
darum zu wisſſen, ob die Spanier ihrerseits einen Prinzen
annehmen werden, welcher sie mit so vieler Verachtung
jüngſthin behandelt. Und doch iſt kein Augenblick zu
verlieren. Wenn Shanien binnen acht Tagen keinen
König hat, meint Serrano, so sei es im Recht und in
der Thalſache republikaniſch. . \duf;sd
Die in den Junitagen verhafteten und ininGar ua
und Alessandria eingekerkerten politiſ chen Ge-
fangene n ſind nun alle wegen Mangels an Grund-
zur Prozeßführung in Freiheit geſeßtt worden. Kaum
hörte die Vevölkerung in Mailand, daß der Abg.
Billia, Redakteur Bizzoni, Adv. Tiravani und Ghinosi,
die 4 zuleßt in Freiheit Gelaſſenen, Nachts 11 Uhr am
29. Sept. ankommen werden, als sie massenhaft zum
Bahnhof strömte, um den Heimkehrenden ein Zeugniß der
Verehrung abzulegen. Nach ihrer Ankunft wurden ſie
mehr in den Wagen getragen als begleitet, 50 andere
Wagen ſchloſſen ſich an, und eine Muſikbande spielte die
Nationalhhmne. Nach jeder Unterbrechung brachte man
J ein Pyriva . den Heimkehrenden und ein Nieder dem
Ministerium. + Die Genueſser feierten die Freilaſſung
der Gefangenen mit einem Banket. Nach vielen Toaſten
wurde beſchloſſen, folgendes Telegramm an Garibaldi und
Mazzini abzuſenden: „Die zur Feier der Freilaſſung der
— | holit. Gefangenen beim Banket versammelten Bürger
| grüßen in Euch den tugendhaften Bürger und unermüd-
lichen Kämpfer der Freiheit und Unabhängigkeit Italiens.
ff Seutſtha n. '
%+* Karlsruhe, 5. Okt. Am 1. d. M. hat der
Großherzog den bisherigen ſpaniſchen Gesandten an hiesi-
gem Hofe in Audienz empfangen und desſſen neues Be-
glaubigungsſchreiben als spanischer Ministerresident . am
Gr. Hofe entgegengenommen. Der Ministerresident wurde
zur Gr. Tafel geladen.
Wie die „B. Chr.“ vernimmt, wird die erste juriſti-
ſche Staatsprüfung, welche im November abgehalten
werden sollte, mit Rückſicht auf die durch den gegenwär-
tig verſammelten Landtag dem Juſtizminiſterium verur-
ſachten Geschäfte bis zu Anfang des nächſten Jahres ver-
ſchoben werden müssen.
U Heidelberg, 5. Okt. Gestern ſchon und heute
finden die Ahbſtimmungen zur Wahl des gemiſchten Orts-
ſchulraths statt. Cs beſteht kein Zweifel, daß die von
einer Wählerverſammlung in Vorschlag gebrachten Herren
A. Abel, Prof. Holzmann, Anwalt C. Klingel, Dr. Frz.
Mittermaier, Prof. L. Neff; Kaufmann S. Reiß gtrahlt
werden. “h
In Neck arwimmersbach, Filiale von Eberbach,
wurde die Einführung der gemischten Schule mit 30
gegen 8 Stimmen abgelehnt. Wenn der Gemeinde die
Augen aufgegangen, wird sie den Schritt bereeen.
* Konstanz, 2. Okt. Wie der „Bad. Beob.“
berichtet, erschien am letten September Hr. Ober-
amtmann Lang mit einem Aktuar und einem
Schloſſer im Pfarrhauſe zu St. Stephan. Als
Hr. Oberamtmann auf Befragen erfuhr, daß der Herr
Pfarrverweſer Burger mit Stadtpfarrer Zürrich von
Staufen nach Ueberlitgen zum Beſuche sei, entfernte er
sich wieder. Des Nachmittags erschien der Hr. Oberamt-
mann neuerdings und erklärte der Schwester des Pfarre
verweſers, er müſſe zur Erhebung einiger Aktensſtücke eine
Haussſuchung vornehmen. Dieſelbe wurde hierauf auch
vorgenommen. ~ Des andern Tags erschien im Pfarr-
hauſe St. Stephan Polizeiwachtmeiſter Egge mit einem
Schloſſer und einem Dienstmann, und zeigle dem Pfarr-
vertwweſer folgendes Schreiben vor: „Polizeiwachmeiſter Egge
wird angewiesen, die in dem Aktenschranke, überſchrieben
„Registratur der Stiftungskommission in St. Stephan“,
enthaltenen Akten abzuholen und hierher abzuliefern.
Zur Eröffnung des Schrankes ist, wenn der Herr Pfarr-
verweser ſich derſelben weigert, Schloſſer Weik beizuziehen.
Konstanz, 1. Ott. 1869. Der landesherrl. Nommiſſär
der Stiftung. Lang. Der Hr. Pfarrverweser öffrneee |
nicht. Darauf wurde der Schrank durch den Schloſſer
geöffnet und die Akten der Stiftungskommission auf einem
Wagen in das Amtsgebäude gebracht.
* Aus Baden, d. Okt. Heute Adreßdebatte |!
in der Zweiten Kammer. . .
.
Die national-konſervative „Warte“ mahnt zur That. : .
Sie hält es für an der Zeit, die Ketten, die franzöſiſche
Eifersucht und Empfindelei um unſere nationale Entwick-
lung geschlungen, endlich abzuwerfen auf ewige Zeiten
und proklamirt: wir haben lang genug geträumt vom
großen einigen deutschen Vaterland, wir haben viele ſchöne
Reden darüber gehalten, die Zeit des Handelns iſt gez
fommen, handeln wB'nbl.. + /
Die „Warte“ verweiſt die „Freunde" im national-
liberalen Lager auf die preußiſche Depeſche vom 4. Aug.,
in welcher Preußen Oesterreich gegenüber in klaren deut-
lichen Worten erklärt habe, daß die’ süddeutſchen Staaten
einzeln und in Gemeinschaft jederzeit das unantastbare
Recht besäßen, sich dem Nordbunde anzuſchlieeen.
Das national - konservative Organ glaubt nun nicht,
daß. die national - liberalen „Freunde“ einen „förmlichen
Antrag“ auf Eintritt Badens in den Nordbund ſtellen
werden; es hofft aber: „daß die Dringlichkeit der Anschluß-
frage als nothwendige. Konſequenz „aus „der Diskussion
hervorgehen und damit die Vaſis gewonnen werde, auf
der weiter gebaut werden könne, gebaut werden müſſe !“
Und das national - konservative Organ hat ſich nicht
getäuscht. Es soll vielmehr, wie es ſcheint, in seinen
Erwartungen übertroffen werden. . .Wie uns mitgetheilt
wird, spricht ſich der von dem Abg. Lameh verfaßte Ent-
wurf der auf die Thronrede zu erlaſſenden Adreſſe bezüg-
lich der nationalen Frage dahin aus, daß wenn es bis
jeßt nicht möglich gewesen sei, die „Einigung“ in entſchei-
dender Weise zu fördern, doch die Erkenntniß ihrer
Nothwendigkeit in dem Herzen der deutschen Nation in
dem Maße wachſe, als vor der Klarheit der Cinſicht in
die gefahrdrohenden Mängel. eines Eigenlebens der kleine-
ren Staaten die Trübungen mehr und mehr verschwinden,
| welche dieſes höchſte Endziel der nationalen Bestrebungen
da und dort versſchleierten und noch umſchatten. Mit
vollem Vertrauen auf die bewährlen deutschen Geſinnun-
gen und die Weisheit des Großherzogs erwarte man den
Beithbunkt, in dem es möglich ſein wird, daß dieſe hoffsz
nungsreiche Einigung ſich vollzieht. Die Vollziehung der
nationalen Einigung könne den Frieden nicht stören; wie
sie ein unveräußerliches Recht des deutschen Volkes sei,
so bedrohe ſie Niemanden und beſchädige Niemanden.
Nur Gewaltthat könnte sie zum Vorwand eines Angriffs
nehmen, den wir nicht besorgen , den aber auch das
deutſche Volk nicht fürchtet. Der Adreßentwurf ſpricht
schließlich den Wunſch aus, daß es Gott dem Großherzog
vergönnen möge, den Tag herbeizuführen, welcher
das badische Volk als freies und treues Glkéd des einigen
Deutſchlands begrüßt.
Die zweite Kammer wird gleich der erſten Kammer
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