“Mamhein
_ Donunerſtag, 21. Januar.
18369.
er Abendzeitung.
Organ der deutſchen Volkspartei in Vaden.
Die „Mannheimer ~ mit A e di
Anzeigen-Gebühr : die cinſpaltige Petitzeile 8 kr.
Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täg
, bei Lokalanzeigen 2 kr.
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr.
lich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Drei Worte nenn’ ich euch,
inhaltsſchwer !
D.C. Neulich iſt für die öſterreichiſch-ungarische
Monarchie eine Heeres-Organiſation geſetzlich beſchlosſen
worden, wonach eine Streitmacht von gegen 800,000
Mann geschaffen wird. Preußen entſette sich darob ſehr
und erklärte sich in ſeiner bekannten Friedensliebe höchlich
bedroht. Zur Beruhigung seiner Freunde vermuthlich ge-
ſteht es nun amtlich, es habe, natürlich einschließlich des
Nordbunds, eine Streitmacht von 803,000 Mann, zu
deren Einberufung es nur einiger Telegramme bedürfe.
Gleichzeitig verkündet Frankreich im Moniteur de l’Armée,
es sei auf alle Fälle ausreichend gerüſtet, alſo nach dem
ſtatiſtiſchen Verhältniß ebenfalls im Besitz von mindeſtens
800,000 Mann. Summa Summarum rund 29/2 Mil-
lion an Heeresmannschaft. Die Friedenssicherheit Curopa's
iſt dadurch unermeßlich. Wer unter der Hut von ſo viel
Friedenswächtern nicht ruhig schlafen kann, Der muß ein
sehr ſchlechtes Gewissen haben. Ö
Im Ernst bezeichnen diese Ziffern einen Krantheitszu-
ſtand, wie ihn Europa schwerer nicht gekannt hat ſeit min-
deſtens einem halben Jahrhundert. Wir verdanken ihn
den Zollern und ihren Junkern. An ihre Adresse sind die
Aeußerungen zu richten, in denen der gute Bürger seinem
Herzen etwa Luft zu machen für gut findet. Wir bitten
ihn, ſich dabei nicht zu geniren, aber noch mehr bitten wir
ihn, es dabei nicht bewenden zu laſſen. Jene Ziffern be-
zeichnen neben der schweren Laſt auch eine heilige Pflicht;
ſie vergegenwärtigen eine Gefahr, der gegenüber es keine
Trennung der Stände, der Berufe, der Stämme und der
Nationen mehr geben darf; sie zeigen mit eindringlicher
Schärfe dem Arbeiter wie dem Bürger, daß sie Thoren
ſind mitſammen, wenn sie ihre nächſte dringendſte Aufgabe
anderswo suchen als in der Beseitigung ſo verheerender
Uebel; ſie legen sich wie Bieigewichte an die Füße Derer,
die an Main und Rhein, an Donau und Theiß ſich ver-
hetzen laſſen ſollen zu Gunsten des Regiments, welches
diesen Fluch über das friedlich ſchaffende, brüderlich wett-
eifernde Europa zu bringen für seinen Beruf, seine göttliche
Sendung hält.
Bürgerſreiheit gründen ~ Artbeiterwohl fördern: wer
das bei solcher Sündfluth zu können vermeint, Den benei-
den wir nicht einmal um seine noch ſo edle Schwärmerei,
geſchweige denn um seine Einsicht.
Der preußfßziſche Federkrieg gegen
Oesterreich
iſt eingeſtellt; auf die frechſten Angriffe iſt plötzlich Stille
eingetreten, und entſprechend hat man auch in Wien die
Parole geändert. Eine auffallendere Erſcheinung hat ſelbſt
die an überraſchenden Wendungen reiche Berliner Politit
noch nicht geboten. Heute ein Gebell der „Meute“,
Ausdruck des edlen Deutſchen Namens Bismarck ~, daß
man hätte meinen ſollen, ein märkiſcher Menzikoff sei be-
reils mit paletötlichſter Jeindſchafl unterwegs, und morgen
Rückzug im beſten Styl. Vor den Staubwolken, die man
ſelbſt erregt? Wir glauben kaum. Wenn nicht Alles
täuſcht, iſt die Erklärung des Räthſels in Ungarn zu ſuchen.
Bismarck hat's mit der Deak-Partei verdorben, sie iſt ihm
zu deutlich für Beuſt eingetreten ; nachdem das Organ des
Ministeriums Andrassy, der „Pesther Lloyd“, die Möglich-
keit, daß Bismarck ter öſterreichiſch-ungariſchen Monarcéhie
einen auswärtigen Minister aufzudrängen gedenke, ſchlecqt-
weg als eine „Frechheit“ bezeichnet hat, iſt es genügend er-
wieſcn, zu welchem Grade die gegenſeitige Erbitterung ge-
ſteigert war. Möglich, daß Bismarck es nicht für gerathen
fand, in dem jetig n ungariſchen Wahlkampfe die Degak-.
Partei durch ſeine Anfeindurgen noch populärer zu machen
NVöüödlich auch, taß er sſür jetzt genug Drachcnſaat geſäet zu
haben ſich bcewußt iſt; der „Thaler auf Reiſen“ (wie frü-
her der „Rubel auf Reiſen“ war) soll in Unga n sich sehr
bemertlich machen. Möglich endlich, daß zu so bitterer
Jehde am Wenigsten der Augenblict ihm geeignet ſchien,
wo Obeſlerreich auf der Pariser Konferenz eine so günstige
Stellung hat, und wo die Intimität der beiden Reichs-
hiälften durch die Halsſtarrigkeit Griechenlands und die be-
ſtändigen Zuckungen in Bulgarien, Serbien und Rumänien
tagtäguich ſich befestigt.
Bie die Sache aber auch zuſammenhängen möge, zum
erſten Mal hat Bismartk zu ſeinem offenbaren Schaden er-!
' fahren müſſen, daß der Dualismus in der öſte:reiz-unzas!
gyriſchen Monarchie, auf den er ſo ſtark rechnet, ſich g e g en
ihn sehr nützlich verwenden läßt. JIſst man nämlich hüben
und drüben einig (und gegen Preußen-Rußland wird man s
immer sein, ſo lange noch ein Funken Einsicht regiert), ſo
läßt sich zwiſchen Wien und Peſth jederzeit ein Echo arran-
giren, welches seimmes Cindrucks nicht verfehlen kann. ,„Die
Doppelſtreiche doppelnd,“ haut man auf die Berliner Hetzer
ein, daß es eine Freude iſt.
Den eingetretenen Waffenſtillſtand schätzt man hoffent-
lich in Wien und Peſth nach ſeinem wahren Werth. Gar
zu groß iſt in Berlin die Wuth über den Frieden im
Nachbarhaus, soviel beſjer es auch noch damit beſtellt sein
könnte. Nicht seine „Meute“ bloß hatte Bismarck in den
leßten Wochen losgelaſſen. Obschon in mehr ſ chi c licher
Form, aber dem Wesen nach stimmte doch auch z. B. die
Nationalztg. mit ein, ein Blatt, welches über die oben wal-
tenden Stimmungen immer sehr wohl sich zu orientiren
weiß oder orientirt wird. In allen großpreußiſchen Dingen
iſt sie hochfein offiziöss –~ nur daß man Das nicht im
landläufigen Sinne nehme. Dieß Blatt nun brachte in
den Tagen des akuteſten Zeitungskrieges einen Artikel, der
geradezu darauf hinaus kam: die Ungarn seien noch immer
nicht einflußreich genug im Kaiserſtaate; ganz und gar
müſſe die auswärtige Politik in Peſth gemacht werden, +
was man in Berlin deutſch nennt, national nennt !! Dar-
aus sieht man am Besten, wie die Dinge dort in Wahr-
heit stehen. Das intimſte Organ der national-liberalen
Dottrinarrethei iſt über die Widerſtandskraft, welche Deutsch-
österreich oder, wir dürfen leider nur sagen: welche die
Wiener Politik gegen die weitere Verpreußung entwickelt,
ſo fanatisch verbittert, daß es das Stück Deutschland, wel-
<es Deutſchöſterretch heißt, förmlich den Ungarn hinwirft
als Beute, mit der sie machen ſollen, was ihnen gut
ſcheint.
| Es gab eine Zeit, wo wir gegen solche Schändlichkeit
uns ereifert hätten. Darüber sind wir hinaus. Von der
Seite her rührt uns nichts mehr. Wenn Großpreußen
morgen am Tage die Donau mit Ladungen Arsenik ver-
giftet, wir nehmen’'s chemiſch, nehmen’'s rein wissenschaft-
lich. Wenn Großpreußen die Sehnſucht, auch Süddeutſch-
land zu knechten, um das. Opfer der Pfalz und der Rhein-
grenze befriedigt, wir berechnen ruhig Quadratmeilen und
Seelenzahl, die es Deutſchland kostet. Wenn es die Her-
zogthümer wieder dran gibt, wir holen die Broſchüren
hervor, die von der Zeit handeln, wo es Das ſchon ein-
mal gethan. Wenn es die Oſtprovinzen verkommen läßt
der ruſſiſchen Grenzſperre zu Liebe, ſo beſinnen wir uns,
ob und wo wir gelesen haben, daß die freundnachbarliche
Verlezung der preußiſchen Intereſſen ſchon bald fünfzig
Jahre spielt. Nein, unser Herz zuckt nicht, unser Blut
wallt nicht mehr auf über die Fr.velthaten der Einen,
über die Frevelworte der Andern. Nur um ſo kühler über-
legen wir, wo die nächſte Frevelthat zu erwarten und was
dagegen zu thun iſt. Was wir dagegen thun können, iſt
warnen, mahnen, deuten. Angesichts jenes Stoßſeufzers
der Nat.-Ztg., daß Ungarn leider noch nicht mächtig genug
im deutſchen Wien, und Angesichts der wahrhaft unheim-
lichen Freundlichthuerei von Ehren-Braß und Gen. drängt
es uns doppelt und dreifach, unſer altes Mahnwort zu
wiederholen: „Trau’ ihnen nicht, ſie meinen's falſch!“
(Dem. Korr.)
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 20. Januar.
* Die friedliche Deutung, welche der Thronrede Na-
poleons zu geben die franzöſiſchen Hofblätter angewiesen
worden ſind, hat auf der Pariſer Börſe ein Steigen der
Kurſe — nicht hervorgerufen. Noch weniger wird sie von
dem stels zum Kriege heßenden Herrn Girard'n angenom-
men, der im Gegentheil in ſeiner ,„Liberte“ die kaiſerlichen
Worte eben wegen des Hinweises auf die Wehrkraft des
Landes sür die beſten erklärt, die Napoleon ſeit 1852 ge-
sprochen, indem er in dieſem Hmweis ein ſicheres Anzeichen
daſür erklictt, daß die im Jahre 1866 von der kaiserlichen
Politik begangenen Fehler bei der erſten günſtigen Gelegenheit
würden gutgemacht werden. Im Allgemeinen ſcheint aber
aufgenommen worden zu sein. „Es war ein Artrtitel der
„France“, den man uns vorgelesen hat,“ so soll ein De-
putirter ſich geäußert haben, und zu dem bibliſchen Spruch,
womit Napoleon seinen Vortrag g ſchmückt hat, meinen die
Spötter, daß der Kaiser sich etwas von den Manieren des
Königs von Preußen geborgt habe.
die Thronrede mit einem großen Maß von Gleichgs! été!
In Spanien sollen, wenn anders der Telegraph die
Wahrheit berichtet hat ~ und er lügt bekanntlich nie –
die Korteswahlen mit einem enſſchiedenen Sieg der Mo-
narchiſten geendet und den oppositionellen Kandidaten höch-
verſchafft haben. Von den einzelnen Wahlergebniſſen ſind
bisher nur die von Madrid und Logronno bekannt. In
ſultat bereits vorbereitet hatten, ſind fünf Mitglieder der
proviſoriſchen Regierung ~ Serrano, Prim, Topete, Sa-
gaſta und Zorilla ~ dann der Bürgermeiſter von Madrid,
Rivero, und sein demokratiſcher Geſinnungsgenosſse Becerra,
alſo drei Progressiſten, zwei Unioniſten und zwei monar-
chiſche Demokraten, gewählt worden. In Logronno wurden
mit großer Mehrheit Espartero, Dulce, Olozaga und Sa-
gaſta gewählt : ein merkwürdiges vierblätteriges Kleeblatt :
ein möglicher, obwohl etwas passiver Thronbewerber; der
Feldherr, dem man die Rettung Kuba's anvertraut hat ;
der spaniſche Gesandte in Paris und Haunturheber der
neuen Aera, und dazu als minder wichtige Perſönlichkeit
der Miniſter des Innern. Ueber das Wathlergebniß in der
vorzugsweise republitaniſchen Provinz Andalusien meldet der
Telegrabh noch nichts; dagegen werden in Blättern und
Korrespondenzen die Klagen über ungesetliche Wahlumtriebe
der proviſoriſchen Regierung immer lauter. Der Madrider
Berichterstatter des „Conſstitutionnel“ verdammt „den Geiſt
der Intoleranz, den die Lotalbehörden, ohne Zweifel auf
Anstiften der Regierung, gegen die Republikaner an den
Tag legen.“ Die Beweiſe, die dieſer Korreſpondent für
seine Behauptung beigebracht hat, müssen sehr greller Natur
sein, da ſelbſt der „Constitutionnel“, der sich doch ſonſt
mit der herrſchenden Gewalt immer gut abzufinden weiß,
ſich veranlaßt fühlt, der provisoriſchen Regierung die War-
nung zuzurufen, „daß sie nur durch Umkehr zu einer un-
parteiischen Haltung den Bürgerkrieg werde vermeiden kön-
nen.
verſteht, zeigt ein kürzlich von ihm erlaſſenes Dekret, durch
welches der General? Calonge, weil er sich in einer öffent-
lichen Erklärung gegen die Wahlproklamation der Regies
rung ausgeſprochen hatte, aus der Reihe der Generalſtabs-
offiziere geſtrichen worden ist.
Den Ungläubigen, welche in der plötzlichen Einſtellung
des Bismarck schen Zeitungsktrieges gegen Oefterreich eine ſo-
lide Bürgschaft für die Wiederherſtellung guter Beziehun-
dürfen vermeinen, können wir die beruhigende Botſchaft
am 10. Januar zu unwohl war, um dem iöêſterreichiſchen
Reichskanzler zu deſſen Geburtstag zu gratuliren, mit einem
Male wieder geſund geworden und daß Graf Beuſt, eben
so raſch die ihm bis dahin fehlende Muße gefunden hat,
um auf einer Abendunterhaltung des preußiſchen Gesandten
zu erſcheinen. So zu leſen in der „Augsb. Allgemeinen“
und in der Berliner „Kreuzzeitung.“
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stens hundert Sitze in der konſtituirenden Berſammlung
der Hauptstadt, wo die Munjzipalwahlen auf dieſes Re
verkünden, daß der preußiſche Gesandte in Wien, der noch
, Denutſchland.
vielen Kreiſen als eine Sache, die man beſtimmt zu erwar-
ten habe. Die preußiſche Politik, auf die Vergewaltigung
von ganz Deutschland gerichtet, hat denselben zur nothwen-
digen Folge. Der Zäsar in Paris wird das Wachsthum
des Zäsars an der Spree nicht ruhig mit ansehen: die
eiſernen Würfel des Kriegs werden und müssen entſcheiden.
Und wenn diese Würfel fallen . . . welches Loos wird den
süddeutſchen Staaten, welches Loos wird Baden beschieden
sein? . . Die „Bad. Landesztg.“ hat die Gefälligkeit, uns
darüber Belehrung zu geben. Sie ſagt : Die Annahme,
es könne im Kriegsfalle ſehr wahrſcheinlich werden, daß
nicht nur Truppen von Stuttgart und München, ſondern
auch aus Norden und Nordoſt n nach Germersheim und
Rheinbayern vorgeſchoben werden, sei ein Traum, in
welchen der „süddeutsche Philiſter“ sich nicht wiegen möge.
. . . Jede Entsendung und folglich Schwächung, um ſüd-
deutsche Löcher zuzuſtopfen, wäre von Preußen ein militä-
riſcher und politiſcher Fehler. Ja es wäre für uns Süddeutſche
auch ein politischer Fehler, denn, wenn 10,000 Mann Preußen,
die am Oberrhein sich wohl vertheidigungsweise verhalten, bei
Hauptsſchlacht an der Maas oder am Niederrhein feh-
len würden und wenn hierdurch die Schlacht verloren gehe,
ſo habe Süddeutſchland die franzöſiſchen Präfekten doch ganz
ebensogut zu tragen. + Und deßhalb die Schuy- und
Trutbündisse ! ;
* Karlsruhe, 26. Jan. Die Nummer Eins ds
neuen „Gesetzes- uno Verordnungs-Blatt“ eröffnet mit den
* Mannheim, 20. Jan. Der Krieg gilt in
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Was General Prim unter unparteiiſcher Haluua n h NU
gen zwiſ hen Wien und Berlin nicht erblicen zu . I