. I0l ...;
Dienstag, 21. Dezember
auuheimer Äbend
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
e
f hi
[ h
1 [
. j '
; . j
; , j ' a û | / , |
u. L . . | n |
; ; s; .
; / J . | F | |
, ; M|
y . : ) : V q. f;
Lena sp d
») !] .?
§ j | |
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Uusnah ff
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Pet tzei
r Sonntage und Fefſltage – täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
e 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition C ! Nr. 15 in Mannheim und bei allen Pofſtanſtalten. | |
rn
S
Badischer Landtag. |
* Karlsruhe, 18. Dez. 14. Sitgung der Erſten
K a m mer. Vorsitzender: Hr. Staatsrath Dr. Weizel.
Frh. v. Gaylin g: In Folge des geſtrigen Vorfalls
in der Zweiten Kammer wolle er bemerken, auch die Erste
Kammer lege den größten Werth auf ein freundliches
Einvernehmen und Zuſammenwirken der beiden Kammern.
Hätte er in der Sizung vom 11. Dez. irgend die An-
ſicht gewonnen, daß der Graf Berlichingen in ſeinem Vo-
tum die Zweite Kammer oder deren Mitglieder habe ver-
leßen wollen, ſo wäre er als damaliger Präsident einge-
ſchriten. Er habe wohl bemertt, daß derſelbe etwas ge-
reizt war durch die Ablehnung des Verlangens der Ersten
Kammer, daß die Grundherren gleiche Rechte wie alle
anderen Binger erhalten. Aber er ſei noch überzeugt,
daß Graf Berlichingen keine Absicht hatte, irgendwie die
Zweite Kammer oder deren Mitglieder zu verletzen.
Eine weitere Bemerkung erfolgt nicht.
Hierauf Berathung des von Frh. v. Rüdt erstatteten
Berichts der Budget-Kommissſion über das Budget des
Justizminiſteriums für 1870 und 1871. ;
Auf den Kommissionsbericht bemerkt der Hr. Juſtiz-
miniſter O bkircher : die Regierung erkenne an, daß die
jetzige Gerichtsorganiſation zu koſtſpielng und komplizirt
sei und sie glaube, daß es zu einer Beſeitigung der
dritten Instanz in Zivilſachen kommen und die Raths-
und Anklagekammern beseitigt werden müßten. Die Re-
gierung warte nur die neue Geſeßgebung des Nordbundes
ab, worauf ſie Abhilfe erſtreben werde, weil immer die
norddeutſche Gesezgebung die Grundlage unserer Arbeit
ſein müſſe. Die Eidesvorbereitung durch die Geiſtlichen
beabſichtige die Regierung vorerſt nicht aufzuheben ; dies
hätte auch seine Schattenseiten, denn die Eidesleiſtung
wäre nicht zu trennen von ihrer religiöſen Sei e und der
Bildungsgrad eines großen Theiles des Volks sei zur
Aufhebung der Cidesvorbereitung nicht geeignel. Er wolle
übrigens die Ansicht des Hauſes vernehmen. fis
Geh.-Rath Blunt sſchli: erklärt sich entſchieden für
Aufhebung der Eidesvorbereitung, denn jeder Menſch wisse,
was ein Eid ſei; gebildete Leute könne der Pfarrer nicht
mehr belehren und er komme in ſolchen Fällen nur in
Verlegenheit; der Richter könne die Belehrung, wo noth-
wendig, ebenso gut ertheilen, als der Seelsorger:
Nach längerer Debatte, in welcher ſich Prälat Holh-
mann und Prinz Wilhelm gegen die Aufhebung der Eides-
belehrung durch die Geiſtlichen aussſprachen, wurde das
Budget des Juſtizminiſteriums angenommen und auf An-
irag des Frh. v. Rüdt beschloſſcn: den Wunſch zu Pro-
totoll zu geben, die Regierung möge den § 5 des Gesetzes
über Eidesvorbereitung aufheben.
Abg. Artaria besprach noch die im Ma nnhe i m
beſtehende mißbräuchliche Uebung, die vor das Schwur-
gericht Geladenen durch Gendarnien zu Fuß vom Schloß | Erhebung der direkten Steuern, da eine Genehmigung
ins Kaufhaus führen zu laſſen und wünſcht im Interesse !
jet ifegtieun Moral die Anschaffung eines Wagens zu
t tut O bkircher: dieſer Mißſtand finde ſich auch
anderwärts und schon beim Transport von der Bahn )
zum Gefängniß. Doch ſei die Anſchaffung von Wagen
mit zu großen Koſten verknüpft. Schwurgerichtsſizungen
kämen auch nicht oft vor, die Angeklagten der Strafkam-
mer aber ſeien nicht verhaftet.
Hr. Artaria: Schwurgerichte ziehen aber mehr Leute
herbei. Cin Wagen verlangt einen einmaligen Aufwand
von etwa 2000 fl., welche Summe nicht zu groß iſt, |
wenn auch an jedem Schwurgerichtsſiß ein ſolcher anger |
asft wird.
i Mues; Obkircher hält es für das Beste, dem
Gerichtshof die Bestimmung einer anderen Transportweiſe
im einzelnen Fall zu überlassen.
Hierauf erfolgte Berathung des Wirthſchaftsge-
s e ß es. Dasselbe wurde nach den Vorschlägen der Kom-
miſſion und damit in der Richtung der von den Wirthen
des Landes eingereichten Vorstellung angenommen. Art. 1
wurde dahin geändert, daß der Gemeinderath nicht ,ſchließ-
lich“ über ein Geſuch zu entscheiden habe, sondern daß
in erſter Linie die Bedürfniſſe des Publikums den Aus-
ſchlag zu geben hätten. i
Die Petition älterer penſionirter Lehrer um Erhöhung
ihrer Pensionsbezüge und die Petition des Frh. Viktor
von Göler um Aufhebung der Fideikommiſſe und Stamm-
güter, die nicht Majorate sind, s wurden durch Uebergang
zur Tagesordnung erledigt.
VPolitiſche Ueberſicht.
Manntheim, 20. Dezember.
* Das p reußiſche Abgeordnetenhaus hat das Gesetz
über die Konsalidation oder Umwandlung der Staats-
ſchuiden als eine „an ſich nicht empfehlenswerthe" Maß-
regel bezeichnet, ihr aber dennoch zugeſtimmt und ſchließ- j
lich das: Budget mit 168,251,372 Thlr. Gesammtein-
nahmen, 162,252,850 Thlr. ordentliche und 5,848,522
Thlr.. außerordentliche Ausgaben angenommen. Wie man
erkennt, ergab sich jezt ein Ueberſchuß von 150,000 Thlr.
Das hohe Haus bestimmte denselben zur Tilgung einer
gleichen Summe von Schaßanweiſungen. Aus den Bud-
getverhandlungen iſt noch zu verzeichnen, daß die geheimen
Fonds recht gerne bewilligt wurden, unmittelbar nachhem
die 7000800,000 Thlr. Reptiliengelder aus dem be-
ſchlagnahmten Vermögen der verjagten Fürſten das Haus
paſſirt hatten. Gegen das Budget ſtimmten allein die
beiden Vertreter der Volkspartei, Jacoby und Weis, und
die fünf Schleswig-Holsteiner: v. Reeder, Warburg, Pauls,
Pflueg und Wieſe. Sieben Steuerverweigerer; Ehre
ihnen. '
Die b a y eriſch e Minſsſterkriſis ſcheint in der Ernenr
nung des Miniſterialrath Braun zum Minister des In-
nern vorerſt in Stillſtand verſeßt zu werden. Der Land-
tag iſt auf den 3. Januar einberufen. Zugleich iſt die
des Landtags hiefür nicht vorliegt, eingeſtellt worden.
In Wien zieht die Miniſterkriſis unaufhaltsam her-
auf und wird behauptet, Graf Taafe ſei nach Ofen ab-
gereiſt, um dem Kaiſer sein Entlaſſungsgeſuch zu über-
reichen. Jm Unterhauſe brachte der Finanzminiſter Vot-
lagen, die Unifizirung der Staatsſchulden betr., ein. Auch
wurde ein Geseßentwurf eingebracht, welcher die Koalitionen
für erlaubt erklärt und. nur. denſelben die Schranke zieht,
daß Gewalt und Einſchüchterungen sür Noalitionszwecke
verboten sind. Weßhalb dieſer Vorlage. nicht in der Thron-
rede gedacht wurde, läßt ſich der Aufregung in den Ar-
beiterkreiſen gegenüber nicht recht begreifen.
Aus Paris kommt die Meldung, Fürſt Metternich
habe dem Kaiſer ein Handſchreiben des. Naiſers von
Österreich überreicht. Dieſe Meldung. tvird den Vernmu-
thungen ein reiches Feld eröffnen, nachdem in Paris eine
gereizte Stimmung anläßlich der Ordensverleihung des ruſ-
ſiſschen Kaiſers an den preußiſchen. König zu verzeichnen
iſt. Den gesetzgebenden Körper beſchäftigen noch immer
die Wahlprüfungen. Sobald dieſes Geſchäft beendigt iſt,
ſoll eine Aenderung des Miniſteriums erfolgen.
In der lezten Sißung der ſpaniſchen Kortes er-
klärte Prim: die Frage der Thronkandidatur befände
ſich noch in demſelben Stadium, wie in der lezten Wohlen. |
der Herzog von Genua werde kommen, aber auch wenn
er nicht kommen würde, so sähe ſich die Regierung da-
durch noch nicht veranlaßt, zur Republik überzugehen . ..
Vielleicht daß die Veranlaſſung doch noch erfolgt. In-
zwiſchen hat die Regierung Gesetzentwürfe eingebracht,
durch welche die Prangerstrafe abgeſchafft und. die Zivil-
ehe eingefuhrt werden sol. H “
Als ein weiteres Zeichen der durch ganz Europa
gehenden Bewegung iſt zu verzeichnen, daß. in der Nacht
vom 10. Dez. in den Straßen von Liſſ abo n Plakate
angeschlagen waren, welche 1m Namen der R epubl ik
zur Ergreifung der Waffen aufforderten. Vorerſt hat
die Regierung diesen Ruf noch mit Verhaftungen beant-
wortet. y
Der amerikaniſche Geſandte in London ſoll der eng-
liſchen Regierung mitgetheilt haben, daß die Regierung
der Vereinigten Staaten sich zur . Wiederaufnahme der
Verhandlungen in der Alabama-Frage verſtehen werde,
falls dieselben in Waſhington geführt würden.
JIn Irland iſt. der Waffenraub zur. ansteckenden
Seuche geworden. Nachdem vor wenigen Tagen zwei
Thaten der frechſten Art verübt wurden, drangen in der
Nacht des 17. Dez.. vier Vermummte in die Wohnung
eines gewiſſen O'Connor in der Königsgrafschaft, nahmen
zwei Flinten weg, ſchleppten den Besitzer aus dem Bette
auf die Straße und ~ ſchnitten ihm die Naſe ab. Hülfe
eilte herbei und einer der ſchändlichen Kerle wurde glück-
licher Weise feſtgehalten. In Londonderry gehen die Wogen | ;
der Bewegung zwiſchen Katholiken und Orangiſten hoch.
Die Regierung hat. Truppen zuſammengezogen, und
ſtarke Abtheilungen von PelizeiSoldaten ſind ebenfalls
zurpSlelle.! M
Die englische Regierung hat den Hrn. v. Leſſeps
zur Vollendung des Suezkanals. beglückwünſcht, Kaiser
Napoleon, hievon unterrichtet, ließ-Leſſepßs erklären, er
habe mit besonderem Vergnügen von den Glückwünſchen
der britischen Regierung Kenntniß genommen und freue
sich, daß den mit Erfolg gekrönten Anstrengungen des
Des Berbrechens Fluch. |
(4. Fortſezung.)
Ein reicher Blumenſchmuck zierte die Fenster ; an einem
derſelben ſaß ein junges Mädchen mit einer feinen Näh-
arbeit in der Hand. Es war eine volle, blühende Erschei-
nung; langes, ſchwarzes Haar ſrchlang ſich in breiten
Flechten um die kleine, niedere Stirn, die dennoch durch
ihre feinen Formen Geiſt verrieth. Das Anltlit war,
trot; seines dunklen Teints, von einer beſtechenden Schön-
heit. Ctwas Hohes, Imponirendes lag in ihrem ganzen
Weſen, und als ſie ſich jezt von ihrer Arbeit aufrichtete,
geſchah es mit der Würde einer Königin.
Am andern Fenſter ſaß eine Frau in mittleren Jah-
ren. Ein wachsbleiches, mageres Gesicht blickte unter
ſchwarzem Haar hervor. Es war ein eigenthümliches
Attlig, voll Leben und Bewegung. Wenn dieſe Lippen
ſich öffneten, mußten sie von einer hinreißenden Bered-
ſamteit ſein, jekt, wo ſe geschloſſen, lag ein Zug von
Härte, ja faſt von Grauſamteit um ihren Mund. Wer
dieſe Frau ſah, der betfriff sogleich, daß er einer jener
Stahlseelen gegenüber stand, die Alles unter ihren Willen
war, durch ihre Hagerkeit noch größer als ihre Tochter > ,
ein paar große, dunkle Augen blitten unruhig im Zim- |
mer umher, als wollten ſie noch irgendwo ein Stäubchen
entdecken, das abgewiſcht werden müsſe, und dabei kliap-
perten die langen weißen Finger unermüdlich mit den
Stricknadeln und reihten Masche an Masche, ohne daß
die gewandte Strickerin einen Blick darauf warſ. Die
großen Augen der Frau Dorn ſchweiften, als ſie im Zim-
mer nichts Störendes entdeckten konnten, hinaus auf den |
Matrkiplay, irrten dann hinauf zu den beiden Raths-
thürmen, die gerade vor ihrem Fenster standen und in
ihrer zierlichen Bauart den einzigen Schmuck des kleinen
unte? heft Du willſt doch nicht gehen, wann
„Warum kommſt Du îo spät 2“ agi das schöne :.
Mädchen ſschmollendz. „ich habe. ſchon seit einer halben
Stunde auf Dich gewartet, und nun muh ith fort, ich
habe Stunden!" U
„Die dummen Stunden! Deine Fräulein Gäbel wer-
den doch troß all Deiner Mühe alberne Gänse bleiben“. li
Anna mußte lachen und der Offizier fuhr lebhaft
fort: „Laß heut’ das Dociren, bleibe hier, damit ich we-
nigſtens ein halbes Stündchen mit Dir. plaudern kann.“
Das junge Mädchen schien nicht abgeneigt und warf
Blicke haften.
beugen > oder brechen. Sie ſchien, obwohl ſie es nicht
i. 23% IMM:
p §2ô
Städtchens bildeten. Auf dem Rathsthurm blieben ihre " einen fragendeu Blick auf die Mutter; aber diese ſchüt-
„Anna !“ rief ſie plötzlich; „in 5 Minu- | telte kaum bemerkbar das Hauptl. Y)
„Nruin, nein, noch darf ich sie nicht warten laſſen !“
ten iſt es zehn, Du vergißt ja ganz Deine Stunde bei Leb’ wohl, Ewald!“ und ehe
Gerichtsdirettors !“
Anna fuhr erſchrocken auf. „Wirklich, Du haſt Recht !“
sagte sie, auf die Uhr blickend. Sie warf ihre Näharbeit
bei Seite, eille in das Nebenzimmer und kam nach we-
uu Augenblicken mit Hut und Schleier und ihren Bü-
ern zurück. |
„Adio, Mama!“ und Anmnna küßte die Mutter beim
Abschied auf die Stirn. Eben wollte sie das Zimmer
verlaſſen, als ein junger Ofsizier haſtig hereintrat, und
entgegnete Anna jett.
verſchwunden.
„Goddam, die i
mir schon die ſchönſten Stunden geſtohlen," brummte der
Offizier : „aber das muß ein Ende nehmen, nicht wahr,
Frau Syndikus ?" wandte er ſich mit großer Herzlichkeit
an die alte Frau. + „Ich hoffe es auch, nur ſehe ich
noch keinen Ausweg“, eutgegnete Frau Dorn. Sie legt-
ſchändlichen „english lesson laben
kaum, daß er seinen „guten Morgen“ angebracht, vers | das Striclzeug bei Seite, ſchob dem Offizier einen Lehn
:
der junge Mann ſeine Bitte wiederholen konnte, war ſe.
des-. „z
Dienstag, 21. Dezember
auuheimer Äbend
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
e
f hi
[ h
1 [
. j '
; . j
; , j ' a û | / , |
u. L . . | n |
; ; s; .
; / J . | F | |
, ; M|
y . : ) : V q. f;
Lena sp d
») !] .?
§ j | |
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Uusnah ff
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Pet tzei
r Sonntage und Fefſltage – täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
e 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition C ! Nr. 15 in Mannheim und bei allen Pofſtanſtalten. | |
rn
S
Badischer Landtag. |
* Karlsruhe, 18. Dez. 14. Sitgung der Erſten
K a m mer. Vorsitzender: Hr. Staatsrath Dr. Weizel.
Frh. v. Gaylin g: In Folge des geſtrigen Vorfalls
in der Zweiten Kammer wolle er bemerken, auch die Erste
Kammer lege den größten Werth auf ein freundliches
Einvernehmen und Zuſammenwirken der beiden Kammern.
Hätte er in der Sizung vom 11. Dez. irgend die An-
ſicht gewonnen, daß der Graf Berlichingen in ſeinem Vo-
tum die Zweite Kammer oder deren Mitglieder habe ver-
leßen wollen, ſo wäre er als damaliger Präsident einge-
ſchriten. Er habe wohl bemertt, daß derſelbe etwas ge-
reizt war durch die Ablehnung des Verlangens der Ersten
Kammer, daß die Grundherren gleiche Rechte wie alle
anderen Binger erhalten. Aber er ſei noch überzeugt,
daß Graf Berlichingen keine Absicht hatte, irgendwie die
Zweite Kammer oder deren Mitglieder zu verletzen.
Eine weitere Bemerkung erfolgt nicht.
Hierauf Berathung des von Frh. v. Rüdt erstatteten
Berichts der Budget-Kommissſion über das Budget des
Justizminiſteriums für 1870 und 1871. ;
Auf den Kommissionsbericht bemerkt der Hr. Juſtiz-
miniſter O bkircher : die Regierung erkenne an, daß die
jetzige Gerichtsorganiſation zu koſtſpielng und komplizirt
sei und sie glaube, daß es zu einer Beſeitigung der
dritten Instanz in Zivilſachen kommen und die Raths-
und Anklagekammern beseitigt werden müßten. Die Re-
gierung warte nur die neue Geſeßgebung des Nordbundes
ab, worauf ſie Abhilfe erſtreben werde, weil immer die
norddeutſche Gesezgebung die Grundlage unserer Arbeit
ſein müſſe. Die Eidesvorbereitung durch die Geiſtlichen
beabſichtige die Regierung vorerſt nicht aufzuheben ; dies
hätte auch seine Schattenseiten, denn die Eidesleiſtung
wäre nicht zu trennen von ihrer religiöſen Sei e und der
Bildungsgrad eines großen Theiles des Volks sei zur
Aufhebung der Cidesvorbereitung nicht geeignel. Er wolle
übrigens die Ansicht des Hauſes vernehmen. fis
Geh.-Rath Blunt sſchli: erklärt sich entſchieden für
Aufhebung der Eidesvorbereitung, denn jeder Menſch wisse,
was ein Eid ſei; gebildete Leute könne der Pfarrer nicht
mehr belehren und er komme in ſolchen Fällen nur in
Verlegenheit; der Richter könne die Belehrung, wo noth-
wendig, ebenso gut ertheilen, als der Seelsorger:
Nach längerer Debatte, in welcher ſich Prälat Holh-
mann und Prinz Wilhelm gegen die Aufhebung der Eides-
belehrung durch die Geiſtlichen aussſprachen, wurde das
Budget des Juſtizminiſteriums angenommen und auf An-
irag des Frh. v. Rüdt beschloſſcn: den Wunſch zu Pro-
totoll zu geben, die Regierung möge den § 5 des Gesetzes
über Eidesvorbereitung aufheben.
Abg. Artaria besprach noch die im Ma nnhe i m
beſtehende mißbräuchliche Uebung, die vor das Schwur-
gericht Geladenen durch Gendarnien zu Fuß vom Schloß | Erhebung der direkten Steuern, da eine Genehmigung
ins Kaufhaus führen zu laſſen und wünſcht im Interesse !
jet ifegtieun Moral die Anschaffung eines Wagens zu
t tut O bkircher: dieſer Mißſtand finde ſich auch
anderwärts und schon beim Transport von der Bahn )
zum Gefängniß. Doch ſei die Anſchaffung von Wagen
mit zu großen Koſten verknüpft. Schwurgerichtsſizungen
kämen auch nicht oft vor, die Angeklagten der Strafkam-
mer aber ſeien nicht verhaftet.
Hr. Artaria: Schwurgerichte ziehen aber mehr Leute
herbei. Cin Wagen verlangt einen einmaligen Aufwand
von etwa 2000 fl., welche Summe nicht zu groß iſt, |
wenn auch an jedem Schwurgerichtsſiß ein ſolcher anger |
asft wird.
i Mues; Obkircher hält es für das Beste, dem
Gerichtshof die Bestimmung einer anderen Transportweiſe
im einzelnen Fall zu überlassen.
Hierauf erfolgte Berathung des Wirthſchaftsge-
s e ß es. Dasselbe wurde nach den Vorschlägen der Kom-
miſſion und damit in der Richtung der von den Wirthen
des Landes eingereichten Vorstellung angenommen. Art. 1
wurde dahin geändert, daß der Gemeinderath nicht ,ſchließ-
lich“ über ein Geſuch zu entscheiden habe, sondern daß
in erſter Linie die Bedürfniſſe des Publikums den Aus-
ſchlag zu geben hätten. i
Die Petition älterer penſionirter Lehrer um Erhöhung
ihrer Pensionsbezüge und die Petition des Frh. Viktor
von Göler um Aufhebung der Fideikommiſſe und Stamm-
güter, die nicht Majorate sind, s wurden durch Uebergang
zur Tagesordnung erledigt.
VPolitiſche Ueberſicht.
Manntheim, 20. Dezember.
* Das p reußiſche Abgeordnetenhaus hat das Gesetz
über die Konsalidation oder Umwandlung der Staats-
ſchuiden als eine „an ſich nicht empfehlenswerthe" Maß-
regel bezeichnet, ihr aber dennoch zugeſtimmt und ſchließ- j
lich das: Budget mit 168,251,372 Thlr. Gesammtein-
nahmen, 162,252,850 Thlr. ordentliche und 5,848,522
Thlr.. außerordentliche Ausgaben angenommen. Wie man
erkennt, ergab sich jezt ein Ueberſchuß von 150,000 Thlr.
Das hohe Haus bestimmte denselben zur Tilgung einer
gleichen Summe von Schaßanweiſungen. Aus den Bud-
getverhandlungen iſt noch zu verzeichnen, daß die geheimen
Fonds recht gerne bewilligt wurden, unmittelbar nachhem
die 7000800,000 Thlr. Reptiliengelder aus dem be-
ſchlagnahmten Vermögen der verjagten Fürſten das Haus
paſſirt hatten. Gegen das Budget ſtimmten allein die
beiden Vertreter der Volkspartei, Jacoby und Weis, und
die fünf Schleswig-Holsteiner: v. Reeder, Warburg, Pauls,
Pflueg und Wieſe. Sieben Steuerverweigerer; Ehre
ihnen. '
Die b a y eriſch e Minſsſterkriſis ſcheint in der Ernenr
nung des Miniſterialrath Braun zum Minister des In-
nern vorerſt in Stillſtand verſeßt zu werden. Der Land-
tag iſt auf den 3. Januar einberufen. Zugleich iſt die
des Landtags hiefür nicht vorliegt, eingeſtellt worden.
In Wien zieht die Miniſterkriſis unaufhaltsam her-
auf und wird behauptet, Graf Taafe ſei nach Ofen ab-
gereiſt, um dem Kaiſer sein Entlaſſungsgeſuch zu über-
reichen. Jm Unterhauſe brachte der Finanzminiſter Vot-
lagen, die Unifizirung der Staatsſchulden betr., ein. Auch
wurde ein Geseßentwurf eingebracht, welcher die Koalitionen
für erlaubt erklärt und. nur. denſelben die Schranke zieht,
daß Gewalt und Einſchüchterungen sür Noalitionszwecke
verboten sind. Weßhalb dieſer Vorlage. nicht in der Thron-
rede gedacht wurde, läßt ſich der Aufregung in den Ar-
beiterkreiſen gegenüber nicht recht begreifen.
Aus Paris kommt die Meldung, Fürſt Metternich
habe dem Kaiſer ein Handſchreiben des. Naiſers von
Österreich überreicht. Dieſe Meldung. tvird den Vernmu-
thungen ein reiches Feld eröffnen, nachdem in Paris eine
gereizte Stimmung anläßlich der Ordensverleihung des ruſ-
ſiſschen Kaiſers an den preußiſchen. König zu verzeichnen
iſt. Den gesetzgebenden Körper beſchäftigen noch immer
die Wahlprüfungen. Sobald dieſes Geſchäft beendigt iſt,
ſoll eine Aenderung des Miniſteriums erfolgen.
In der lezten Sißung der ſpaniſchen Kortes er-
klärte Prim: die Frage der Thronkandidatur befände
ſich noch in demſelben Stadium, wie in der lezten Wohlen. |
der Herzog von Genua werde kommen, aber auch wenn
er nicht kommen würde, so sähe ſich die Regierung da-
durch noch nicht veranlaßt, zur Republik überzugehen . ..
Vielleicht daß die Veranlaſſung doch noch erfolgt. In-
zwiſchen hat die Regierung Gesetzentwürfe eingebracht,
durch welche die Prangerstrafe abgeſchafft und. die Zivil-
ehe eingefuhrt werden sol. H “
Als ein weiteres Zeichen der durch ganz Europa
gehenden Bewegung iſt zu verzeichnen, daß. in der Nacht
vom 10. Dez. in den Straßen von Liſſ abo n Plakate
angeschlagen waren, welche 1m Namen der R epubl ik
zur Ergreifung der Waffen aufforderten. Vorerſt hat
die Regierung diesen Ruf noch mit Verhaftungen beant-
wortet. y
Der amerikaniſche Geſandte in London ſoll der eng-
liſchen Regierung mitgetheilt haben, daß die Regierung
der Vereinigten Staaten sich zur . Wiederaufnahme der
Verhandlungen in der Alabama-Frage verſtehen werde,
falls dieselben in Waſhington geführt würden.
JIn Irland iſt. der Waffenraub zur. ansteckenden
Seuche geworden. Nachdem vor wenigen Tagen zwei
Thaten der frechſten Art verübt wurden, drangen in der
Nacht des 17. Dez.. vier Vermummte in die Wohnung
eines gewiſſen O'Connor in der Königsgrafschaft, nahmen
zwei Flinten weg, ſchleppten den Besitzer aus dem Bette
auf die Straße und ~ ſchnitten ihm die Naſe ab. Hülfe
eilte herbei und einer der ſchändlichen Kerle wurde glück-
licher Weise feſtgehalten. In Londonderry gehen die Wogen | ;
der Bewegung zwiſchen Katholiken und Orangiſten hoch.
Die Regierung hat. Truppen zuſammengezogen, und
ſtarke Abtheilungen von PelizeiSoldaten ſind ebenfalls
zurpSlelle.! M
Die englische Regierung hat den Hrn. v. Leſſeps
zur Vollendung des Suezkanals. beglückwünſcht, Kaiser
Napoleon, hievon unterrichtet, ließ-Leſſepßs erklären, er
habe mit besonderem Vergnügen von den Glückwünſchen
der britischen Regierung Kenntniß genommen und freue
sich, daß den mit Erfolg gekrönten Anstrengungen des
Des Berbrechens Fluch. |
(4. Fortſezung.)
Ein reicher Blumenſchmuck zierte die Fenster ; an einem
derſelben ſaß ein junges Mädchen mit einer feinen Näh-
arbeit in der Hand. Es war eine volle, blühende Erschei-
nung; langes, ſchwarzes Haar ſrchlang ſich in breiten
Flechten um die kleine, niedere Stirn, die dennoch durch
ihre feinen Formen Geiſt verrieth. Das Anltlit war,
trot; seines dunklen Teints, von einer beſtechenden Schön-
heit. Ctwas Hohes, Imponirendes lag in ihrem ganzen
Weſen, und als ſie ſich jezt von ihrer Arbeit aufrichtete,
geſchah es mit der Würde einer Königin.
Am andern Fenſter ſaß eine Frau in mittleren Jah-
ren. Ein wachsbleiches, mageres Gesicht blickte unter
ſchwarzem Haar hervor. Es war ein eigenthümliches
Attlig, voll Leben und Bewegung. Wenn dieſe Lippen
ſich öffneten, mußten sie von einer hinreißenden Bered-
ſamteit ſein, jekt, wo ſe geschloſſen, lag ein Zug von
Härte, ja faſt von Grauſamteit um ihren Mund. Wer
dieſe Frau ſah, der betfriff sogleich, daß er einer jener
Stahlseelen gegenüber stand, die Alles unter ihren Willen
war, durch ihre Hagerkeit noch größer als ihre Tochter > ,
ein paar große, dunkle Augen blitten unruhig im Zim- |
mer umher, als wollten ſie noch irgendwo ein Stäubchen
entdecken, das abgewiſcht werden müsſe, und dabei kliap-
perten die langen weißen Finger unermüdlich mit den
Stricknadeln und reihten Masche an Masche, ohne daß
die gewandte Strickerin einen Blick darauf warſ. Die
großen Augen der Frau Dorn ſchweiften, als ſie im Zim-
mer nichts Störendes entdeckten konnten, hinaus auf den |
Matrkiplay, irrten dann hinauf zu den beiden Raths-
thürmen, die gerade vor ihrem Fenster standen und in
ihrer zierlichen Bauart den einzigen Schmuck des kleinen
unte? heft Du willſt doch nicht gehen, wann
„Warum kommſt Du îo spät 2“ agi das schöne :.
Mädchen ſschmollendz. „ich habe. ſchon seit einer halben
Stunde auf Dich gewartet, und nun muh ith fort, ich
habe Stunden!" U
„Die dummen Stunden! Deine Fräulein Gäbel wer-
den doch troß all Deiner Mühe alberne Gänse bleiben“. li
Anna mußte lachen und der Offizier fuhr lebhaft
fort: „Laß heut’ das Dociren, bleibe hier, damit ich we-
nigſtens ein halbes Stündchen mit Dir. plaudern kann.“
Das junge Mädchen schien nicht abgeneigt und warf
Blicke haften.
beugen > oder brechen. Sie ſchien, obwohl ſie es nicht
i. 23% IMM:
p §2ô
Städtchens bildeten. Auf dem Rathsthurm blieben ihre " einen fragendeu Blick auf die Mutter; aber diese ſchüt-
„Anna !“ rief ſie plötzlich; „in 5 Minu- | telte kaum bemerkbar das Hauptl. Y)
„Nruin, nein, noch darf ich sie nicht warten laſſen !“
ten iſt es zehn, Du vergißt ja ganz Deine Stunde bei Leb’ wohl, Ewald!“ und ehe
Gerichtsdirettors !“
Anna fuhr erſchrocken auf. „Wirklich, Du haſt Recht !“
sagte sie, auf die Uhr blickend. Sie warf ihre Näharbeit
bei Seite, eille in das Nebenzimmer und kam nach we-
uu Augenblicken mit Hut und Schleier und ihren Bü-
ern zurück. |
„Adio, Mama!“ und Anmnna küßte die Mutter beim
Abschied auf die Stirn. Eben wollte sie das Zimmer
verlaſſen, als ein junger Ofsizier haſtig hereintrat, und
entgegnete Anna jett.
verſchwunden.
„Goddam, die i
mir schon die ſchönſten Stunden geſtohlen," brummte der
Offizier : „aber das muß ein Ende nehmen, nicht wahr,
Frau Syndikus ?" wandte er ſich mit großer Herzlichkeit
an die alte Frau. + „Ich hoffe es auch, nur ſehe ich
noch keinen Ausweg“, eutgegnete Frau Dorn. Sie legt-
ſchändlichen „english lesson laben
kaum, daß er seinen „guten Morgen“ angebracht, vers | das Striclzeug bei Seite, ſchob dem Offizier einen Lehn
:
der junge Mann ſeine Bitte wiederholen konnte, war ſe.
des-. „z