J. 134.
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hr. v. Bennigſen.
] Es iſt schon lange her. daß Herr Rudolf von
Bennigsen sich hat vernehmen laſſen, und man kann in
der That mit dem Bürgermeister von Saardam hinzufügen :
„Das freut uns um ſo ehr." .
Das ganze Thun und Treiben dieses hannöver’ſchen
national-liberalen Junkers war mit einem Studentenaus-
druck, der ſich in die Volkssprache eingebürgert hat , die
„pure Blamage“, und von andern Pechvögeln unterſchied
ſich Junker Rudolf immer nur dadurch, daß er aus jeder
„Blamage“ mit ſiegreich erhobener Stirn auftauchte und
wie ein triumphirender Hahn einhersſchritt.
Junker Rudolf war die Perſonifikation des ſeligen
„Nationalvereins“, der so eben „zu ermäßigten Preiſen"
bei uns wieder ausgeboten wird; in ihm verkörperte
sich die verlogene Vermischung von Einheit und Frei-
heit, die im Juli 1866 die Maske abwarf und
ſich als naciter Preußenverein zu erkennen gab. Wie oft
hat dieser ewige Präsident alles Gothaismus die ,Frei-
heit“ angerufen, wie oft den Finger drohend nach Berlin
hingehalten, wie oft ſeine „Mannhaftigkeit“ betheuert, um
zuleßkt ~ im Auguſt des verderblichen Jahres ~ in dem
anuektirten Hannover mit etlichen Hamburgern, Bremern,
Oldenburgern und Mecklenburgern ganz einfach unter die
Bismarck'ſche Aegide zu kriechen und den Südteutſchen, |
die im Kriege mit Preußen standen, die Revolution zu |
Gunsten deſſelben Bismarck anzurathen.
Als Mitglied des norddeutschen Reichstags, deſſen
Vizepräsident er mit Recht geworden, ſchlug er sich in der
Luxemburger Angelegenheit für die „nationale Integrität"
in die Schanze, wie früher für die ,„Freiheit“ des Volkes.
Er that, als wollte er den patriotiſchen Sturm wider
Frankreich heraufbeſchwören, als würde das norddeutsche Reich
_ transmöniſcher Nation jetzt die Franzoſen mit Haut und
Haaren verſchlingen. Hr. v. Bismarck lächelte zu der
"antegrität", wie früher zur „Freiheit“, und nachdem
der Mohr zum andern Male ſeine Schuldigkeit gethan,
konnte er zum andern Male gehen.
Die Preußen zogen aus Luxemburg ab, und bekannt-
lich ſind die Befestigungen na ch Frankreich z u bereits
abgetragen. Aber was macht Das den Gothaern und ihrem
geborenen Präsidenten, dem Junker Rudolf ?
Bei Gelegenheit des badiſch - preußischen militärischen
Freizügigkeitsvertrags , als alle Chancen der Mainüber-
brückung in die Brüche gegangen waren , als die tiesſte
Herabſtimmung im Bismarck'ſchen Lager sich durch die
Delbrück'ſche Thronrede kundthat, als in Baden ſelbſt die
antipreußiſche Volksgeſinnung sich energisch Luft zu machen
begann: da kommt plötzlich Junker Rudolf wieder über
Wasser und feiert den badiſchen offiziellen Patriotismus.
HNMit eherner Stirne ruft uns der hannover'ſche Pechvogel
ins Land herein : j
„Brave Leute, Ihr laßt Euch Cuern Patriotismus
etwas kosten! Das iſt ſchóön von Euch, um ſo mehr als
die Hoffnung auf den Eintritt in den Nordbund erst auf
„demnächst“ steht. An unsern ungeheuern „Vortheilen“,
die ſich soeben in neunfacher Steuerforderung bekundeten,
nehmt Ihr keinen Theil, aber aus rein platoniſcher Liebe
wollt Ihr einstweilen die „norddeutschen Brüder“ in der
bunten Jacke füttern. Das iſt hochherzig und folglich
rührend, und wenn ihr die Schwaben und Bayern erſt
gerührt habt, so werden sich auch diese rühren und un-
widerruflich verlangen, daß ihnen „norddeutſche Brüder“
in Koſt und Logis gegeben werden.
Was Hr. v. Bennigsen nicht ſagt, was aber auf der
Hand liegt , Das ist die maskirte ze hnt e Steuer, die
dieser Vertrag einbürgert. Als Steuer würde sie das
Zollparlament verwerfen; der Reichstag iſt nicht kompetent
über ſüdmainiſches Gebiet und ſüdmainiſches Budget.
Nach dem Vertrage aber haben wir die Rekruten zu er-
_ nähren und zu kleiden, welche das Leben bei uns ange-
nehiner finden , als im Norden; denn ein echter Nord-
bundsmann kann zwar keine ,zuchtloſen“ Süddeutschen
leiden ; aber ihre Menage hat er gern!
p Schließlich tritt Hr. v. Bennigsen gewohnheitswäßig
als Geſchichtsſälſcher auf und ſucht unſere badische liberale
' Vergangenheit zu beſudeln. Indem er nämlich den Ver-
trag und die Haltung der Landesvertretung in Baden
lobt, wagt er es, von einem Lande zu ſprechen, „welches
ſchon einmal in den dreißiger und vierziger Jahren
an der Spitze der Reformbewegung in Süddeutschland
und in ganz Deutschland geſtanden hat, einer Reformbe-
wegung auf dem Gebiete des inneren politiſchen Lebens in
Deutschland, welche damals angefochten von den deutschen
Regierungen und von den konservativen Parteien , doch
das Ergebniß gehabt hat , daß faſt alle weſentlichen Er-
folge dieser Bewegung niedergelegt sind in der G esammt-
verfassung (?!) Deutſchlands . . . daß sie das gemein-
same deutsche Staatsrecht geworden ſind."
O Welcker, Hecker, und vor allen du unvergeßlicher
Ihſtein , der du das Preußenthum verabſcheuteſt bis zu
deinem lezten Athemzuge ~ Das also hat Cuer Arbeiten
und Mühen eingetragen, daß Ihr jett würdig befunden
werdet, Hrn. v. Bennigſen zum Gegenstande des Lobes zu
dienen; Das habt Ihr für Cuer Land erreicht , daß . es
preußische Rekruten ernähren ſoll!
Die zweite badiſche Kammer
ziger Jahre war ja gerade der Typus der „süddeutschen
Zuchtloſigkeit‘, und verhielt sich zur jetzigen Landesver-
tretung wie die Frankfurter Reichsverfaſſung zur nord-
deutschen Bundesverfaſſung. Der badiſche Bismarck hieß
damals Blittersdorf, und der heutige preußiſche
Blittersdorf läßt durch den Mund seines Bennigsen die
Nachfolger der Ihſtein , Welcker und Hecker kajoliren,
welche eben so ſehnſüchtig in Berlin erwartet werden, wie
ihre Vorgänger rücksichtslos dort ausgetrieben wurden!
Politiſche Uebersicht.
der dreißiger und vier-
Mannheim, 8. Juni.
* Von den Ergebnisſen der vorgeſtern und gestern in
Frankreich ſtattgehabten Nachwahlen sind bisher außer
den Pariſern nur wenige bekannt. Die Regierung hatte
bekanntlich nur in einem Wahlbezirk der Hauptstadt einen
Kandidaten aufzustellen gewagt : den in imperialistiſcher
Wolle gutgefärbten früheren Chokoladefabrikanten Devinck.
Dieser iſt von Thiers um mehr als 6000 Stimmen ge-
schlagen worden. In einem der anderen drei Pariſer
Bezirke, in denen eine Nachwahl stattzufinden hatte und
in welchen die Wahl nur zwischen Kandidaten der äußersten
Linken und der weniger entschiedenen Opposition ſchwantkte,
hat die äußerste Linke durch die Wahl Ferry's den Sieg
davon getragen; in den beiden übrigen Bezirken sind
ihre Kandidaten Rochefort und Raspail gegen die Mit-
glieder der bisherigen demokratischen Ophosition J. Favre
und Garnier Pages mit je beiläufig 5000 Stimmen
unterlegen.
Mit dem heutigen Tage enden die dreitägigen Fest-
lichkeiten, unter denen in Spanien die neue Verfassung
verkündet worden iſt. Wie viele Republikaner die Unter-
schrift des Dokumentes verweigert haben, iſt noch nicht
bekannt ; die Beobachtung der Verfaſſung durch einen
Cidſchwur zu geloben, hat man aber den republikanischen,
wie überhaupt den Kortesmitgliedern als ſolchen nicht ange-
sonnen. Nur die Mitglieder des Ministeriums, die höheren
Beamten, die Truppen und die Miliz ſollen auf die
Verfassung beeidigt werden. Wie eine Madrider Depesche
vom Gestrigen meldet, wird die Kortesmehrheit nun un-
geſäumt die Uebertragung der Regentſchaft an Serrano
betreiben; die gleichzeitige Meldung, daß der hierauf be-
zugliche Gesetzentwurf dem künftigen Regenten das Recht
zur Sanktionirung der Geſeßze und zu einer Auflöſung
der Kortesverſammlung nicht zugesſteht, belehrt uns , daß
die Kortes ihre Souveränetät und ihren Bestand, soweit
Dieß durch eine papierne Beſtimmung möglich erscheint,
zu sichern ſuchen und noch kein Verlangen nach Abdankung
zu Gunsten des Quasi-Monarchen tragen.
Dem Freidenterkongreſſe in Neapel, zu desſen
Abhaltung + gleichzeitg mit dem ökumenischen Konzil
und als Gegendemonſtration gegen dieses der italie-
niſche Abgeordnete Ricciardi den vor einigen Wochen mit-
getheilten Aufruf erlaſſen hat, soll in G enf ein Kongreß
gleicher Tendenz folgen. Die Italiener besorgen, daß die
weite Entfernung Neapel's von den übrigen Hauptstädten
Europa’s dem zahlreichen Besuche der dortigen Versamm-
lung Abbruch thun möchte, und wollen nun durch Ver-
anstaltung einer zweiten Versammlung an einem günſtiger
gelegenen Orte die beabsichtigte Kundgebung vor der Ge-
fahr bewahren, als eine zu wenig univerſelle zu erschei-
nen. Gleichzeitig mit diesem zweiten Kongresse der Frei-
denker soll in Genf eine Feierlichkeit eigenthümlicher Art
stattfinden ; eine glänzend ecweiterte Nachahmung nämlich
des Beiſpieles, welches im vorigen Jahre die Polen durch
Errichtung einer Denkſäule in Rapperswyl zur Erinnerung s
an ihre in Freiheitskämpfen gefallenen Landsleute gegeben
haben. Im kosmopolitiſchen Genf, im Herzen Curopa's,
Angesichts des rieſigeu Montblanc soll ein Denkmal für
„lichen
alle Märtyrer der Freiheit ohne Unterſchied der Natio-
nalität aufgerichtet werden. Zur Durchführung dieſes
ſchon seit vergangenem Frühjahre bestehenden Planes hat
ſich in Genf ein Ausschuß aus je zwei Vertretern der
verſchiedenen Nationalitäten gebildet.
Nur in langen Zwischenräumen verlautet etwas von
dem bescheidenen Veilchen, das unter dem Namen Bun-
des- Liquidati ons kommiſſs ion nun im drilen.
Monate in München vegetirt. Nach dem Neuesten, was
darüber in die Oeffentlichkeit gedrungen iſt, ſoll als sſicher
zu betrachten sein, daß das in den früheren ſüddeutſchen
Bundesfestungen noch vorhandene Materiale im gemein-
samen Beſit, und in gemeinsamer Verwaltung der Re-
gierungen des Nordbundes und der süddeutschen Staaten
verbleiben wird. Die . Feststellung der Normen, unter
welchen dieſe Verwaltung geübt werden soll, iſt die gegen-
wärtige Beſchäftigung der Kommission, die nach Anfech-
tung einiger weiter gehender preußischer Vorschläge dahin
ſich geeinigt zu haben ſcheint, daß das gemeinſchaftliche
Cigenthum einer jährlichen Inſpizirung durch Bevollmäch-
tigte des Nordbundes und der ſüddeutſchen Staaten zu
unterziehen sei. . Selbſtſtändig daneben, und ohne Be-
theiligung Preußens, ſoll die süddeutsche Feſtungskommis-
sion, deren Einrichtung bereits im vorigen Herbſte grund-
sätzlich beſchloſſen worden, zur Wahrung der beſonderen
ſüddeutſchen Interessen fortbeſtehen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 7. Juni. Amtliches. Der Saline-
kaſſier Götß zu Rappenau iſt zum Reviſor bei der Steuer-
direktion ernannt; die erledigte Obereinnehmerei Hornberg
dem Hauptamtsverwalter Krauß bei dem Hauptſteueramt
Randegg übertragen worden.
F' Aus der Residenz, 8. Juni. Als es galt,
alle verfügbaren Streitkräfte den Gegnern des Miniſte-
riums entgegenzuwerfen, mußte die „Bad. Ldsztg.“ auch
die Aufforderung an die National-Konſervativen
richten, sie sollten für einige Zeit ihre kirchlichen Bedenken
bei Seite laſſen und mit der national-liberalen Partei
gemeinsſchaftliche Sache machen. Die National-Konſerva-
liven ſchlugen ein in die ihnen dargebotene Hand. Mittler-
weile wurde das Ministerium neuerdings beſtätigt; die
Offenburger Opposition wurde zum Versſtummen gebracht;
die Noth, die Beten lehrt , iſt vorüber und miniſterieller
Seits scheint die alte, gegen die proteſtantiſchen Frommen
gehegte Abneigung die Oberhand wieder gewonnen zu
haben. Zum Wenigſten verhalten sich die „höheren Po-
litiker“ Jollys zuwartend und der Generalstabschef der
National-Konſervativen erwartete bis daher vergebens den
„Parlamentär“ der National-Liberalen, um die Friedens-
bedingungen feſtzuſtellen. - Auch die „Bad. Ldsztg.“
ſchweigt zum Einſchlagen der National-Konſervativen in
die von ihr dargebotene Hand. Wenn inzwiſchen der Wind
umgeschlagen, werden wir von dem ,geſinnungstüchtigen“
Blatte erleben , daß es erklärt , die Aufforderung an die
National-Konservativen auf eigene Fauſt erlaſſen zu haben.
Alles schon dagewesen, und die „Offenburger“ mögen bei
Zeiten ſich daran gewöhnen, etwas ſpäter in gleicher
Münze ihre ,ſelbſtvergeſſene Hingebung“ an den Mi-
niſterialismus bezahlt zu erhalten. Der Judaslohn ist
immer ein geringer. ~ An die Offiziösen iſt die Weiſung
ergangen, den Verſuch zu wagen , ob das Lied von der
des Z ollparlamentes in ein Vollparla-
Verwandlung vt yegge
als e
ment dießmal nicht mehr Anklang finde,
vorigen Jahre der Fall war. Unser Volk ist indessen so
nüchtern geblieben, womöglich noch nüchterner geworden,
daß es nur mit Schrecken an den Fujel eines Voll-
parlamentes dentt . . . Mögen Jolly und Genoſſen ſich
an der Einheits-Bowle laben; wir andere bewahren uns ~
Freiheit. tt t L
* Mus Baden, 8. Juni. In Karlsruhe ſoll man
ſich jett ernstlich mit den an die Kammern zu machenden
Vorlagen beſchäftigen. Die vier Landeskommissäre waren
einige Tage in der Residenz anwesend ; ein Hauptgegen*
stand ihrer Berathung ſoll die Frage der Armenpflege ge-
wesen sein. Wenn es der „Bad. Landeszeitung“ nach
eht, ſo wird an die Kammern auch eine Gesetzesvorlage
Uu ch deren Hauptbeſtimmungen etwa ſo lauteten: „es
f den Get, pt Ir. tnige Siliung yt veliſ
s, '
Agitationen zu. gebrauchen, in Gemeinde- und
Staatsangelegenheiten und Wahlsachen eine Wirksamkeit
als Priester zu ultramontanen Parteizwecken auszuüben."
Die klerikalen Organe werden voraussichtlich hierauf mit
chen
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hr. v. Bennigſen.
] Es iſt schon lange her. daß Herr Rudolf von
Bennigsen sich hat vernehmen laſſen, und man kann in
der That mit dem Bürgermeister von Saardam hinzufügen :
„Das freut uns um ſo ehr." .
Das ganze Thun und Treiben dieses hannöver’ſchen
national-liberalen Junkers war mit einem Studentenaus-
druck, der ſich in die Volkssprache eingebürgert hat , die
„pure Blamage“, und von andern Pechvögeln unterſchied
ſich Junker Rudolf immer nur dadurch, daß er aus jeder
„Blamage“ mit ſiegreich erhobener Stirn auftauchte und
wie ein triumphirender Hahn einhersſchritt.
Junker Rudolf war die Perſonifikation des ſeligen
„Nationalvereins“, der so eben „zu ermäßigten Preiſen"
bei uns wieder ausgeboten wird; in ihm verkörperte
sich die verlogene Vermischung von Einheit und Frei-
heit, die im Juli 1866 die Maske abwarf und
ſich als naciter Preußenverein zu erkennen gab. Wie oft
hat dieser ewige Präsident alles Gothaismus die ,Frei-
heit“ angerufen, wie oft den Finger drohend nach Berlin
hingehalten, wie oft ſeine „Mannhaftigkeit“ betheuert, um
zuleßkt ~ im Auguſt des verderblichen Jahres ~ in dem
anuektirten Hannover mit etlichen Hamburgern, Bremern,
Oldenburgern und Mecklenburgern ganz einfach unter die
Bismarck'ſche Aegide zu kriechen und den Südteutſchen, |
die im Kriege mit Preußen standen, die Revolution zu |
Gunsten deſſelben Bismarck anzurathen.
Als Mitglied des norddeutschen Reichstags, deſſen
Vizepräsident er mit Recht geworden, ſchlug er sich in der
Luxemburger Angelegenheit für die „nationale Integrität"
in die Schanze, wie früher für die ,„Freiheit“ des Volkes.
Er that, als wollte er den patriotiſchen Sturm wider
Frankreich heraufbeſchwören, als würde das norddeutsche Reich
_ transmöniſcher Nation jetzt die Franzoſen mit Haut und
Haaren verſchlingen. Hr. v. Bismarck lächelte zu der
"antegrität", wie früher zur „Freiheit“, und nachdem
der Mohr zum andern Male ſeine Schuldigkeit gethan,
konnte er zum andern Male gehen.
Die Preußen zogen aus Luxemburg ab, und bekannt-
lich ſind die Befestigungen na ch Frankreich z u bereits
abgetragen. Aber was macht Das den Gothaern und ihrem
geborenen Präsidenten, dem Junker Rudolf ?
Bei Gelegenheit des badiſch - preußischen militärischen
Freizügigkeitsvertrags , als alle Chancen der Mainüber-
brückung in die Brüche gegangen waren , als die tiesſte
Herabſtimmung im Bismarck'ſchen Lager sich durch die
Delbrück'ſche Thronrede kundthat, als in Baden ſelbſt die
antipreußiſche Volksgeſinnung sich energisch Luft zu machen
begann: da kommt plötzlich Junker Rudolf wieder über
Wasser und feiert den badiſchen offiziellen Patriotismus.
HNMit eherner Stirne ruft uns der hannover'ſche Pechvogel
ins Land herein : j
„Brave Leute, Ihr laßt Euch Cuern Patriotismus
etwas kosten! Das iſt ſchóön von Euch, um ſo mehr als
die Hoffnung auf den Eintritt in den Nordbund erst auf
„demnächst“ steht. An unsern ungeheuern „Vortheilen“,
die ſich soeben in neunfacher Steuerforderung bekundeten,
nehmt Ihr keinen Theil, aber aus rein platoniſcher Liebe
wollt Ihr einstweilen die „norddeutschen Brüder“ in der
bunten Jacke füttern. Das iſt hochherzig und folglich
rührend, und wenn ihr die Schwaben und Bayern erſt
gerührt habt, so werden sich auch diese rühren und un-
widerruflich verlangen, daß ihnen „norddeutſche Brüder“
in Koſt und Logis gegeben werden.
Was Hr. v. Bennigsen nicht ſagt, was aber auf der
Hand liegt , Das ist die maskirte ze hnt e Steuer, die
dieser Vertrag einbürgert. Als Steuer würde sie das
Zollparlament verwerfen; der Reichstag iſt nicht kompetent
über ſüdmainiſches Gebiet und ſüdmainiſches Budget.
Nach dem Vertrage aber haben wir die Rekruten zu er-
_ nähren und zu kleiden, welche das Leben bei uns ange-
nehiner finden , als im Norden; denn ein echter Nord-
bundsmann kann zwar keine ,zuchtloſen“ Süddeutschen
leiden ; aber ihre Menage hat er gern!
p Schließlich tritt Hr. v. Bennigsen gewohnheitswäßig
als Geſchichtsſälſcher auf und ſucht unſere badische liberale
' Vergangenheit zu beſudeln. Indem er nämlich den Ver-
trag und die Haltung der Landesvertretung in Baden
lobt, wagt er es, von einem Lande zu ſprechen, „welches
ſchon einmal in den dreißiger und vierziger Jahren
an der Spitze der Reformbewegung in Süddeutschland
und in ganz Deutschland geſtanden hat, einer Reformbe-
wegung auf dem Gebiete des inneren politiſchen Lebens in
Deutschland, welche damals angefochten von den deutschen
Regierungen und von den konservativen Parteien , doch
das Ergebniß gehabt hat , daß faſt alle weſentlichen Er-
folge dieser Bewegung niedergelegt sind in der G esammt-
verfassung (?!) Deutſchlands . . . daß sie das gemein-
same deutsche Staatsrecht geworden ſind."
O Welcker, Hecker, und vor allen du unvergeßlicher
Ihſtein , der du das Preußenthum verabſcheuteſt bis zu
deinem lezten Athemzuge ~ Das also hat Cuer Arbeiten
und Mühen eingetragen, daß Ihr jett würdig befunden
werdet, Hrn. v. Bennigſen zum Gegenstande des Lobes zu
dienen; Das habt Ihr für Cuer Land erreicht , daß . es
preußische Rekruten ernähren ſoll!
Die zweite badiſche Kammer
ziger Jahre war ja gerade der Typus der „süddeutschen
Zuchtloſigkeit‘, und verhielt sich zur jetzigen Landesver-
tretung wie die Frankfurter Reichsverfaſſung zur nord-
deutschen Bundesverfaſſung. Der badiſche Bismarck hieß
damals Blittersdorf, und der heutige preußiſche
Blittersdorf läßt durch den Mund seines Bennigsen die
Nachfolger der Ihſtein , Welcker und Hecker kajoliren,
welche eben so ſehnſüchtig in Berlin erwartet werden, wie
ihre Vorgänger rücksichtslos dort ausgetrieben wurden!
Politiſche Uebersicht.
der dreißiger und vier-
Mannheim, 8. Juni.
* Von den Ergebnisſen der vorgeſtern und gestern in
Frankreich ſtattgehabten Nachwahlen sind bisher außer
den Pariſern nur wenige bekannt. Die Regierung hatte
bekanntlich nur in einem Wahlbezirk der Hauptstadt einen
Kandidaten aufzustellen gewagt : den in imperialistiſcher
Wolle gutgefärbten früheren Chokoladefabrikanten Devinck.
Dieser iſt von Thiers um mehr als 6000 Stimmen ge-
schlagen worden. In einem der anderen drei Pariſer
Bezirke, in denen eine Nachwahl stattzufinden hatte und
in welchen die Wahl nur zwischen Kandidaten der äußersten
Linken und der weniger entschiedenen Opposition ſchwantkte,
hat die äußerste Linke durch die Wahl Ferry's den Sieg
davon getragen; in den beiden übrigen Bezirken sind
ihre Kandidaten Rochefort und Raspail gegen die Mit-
glieder der bisherigen demokratischen Ophosition J. Favre
und Garnier Pages mit je beiläufig 5000 Stimmen
unterlegen.
Mit dem heutigen Tage enden die dreitägigen Fest-
lichkeiten, unter denen in Spanien die neue Verfassung
verkündet worden iſt. Wie viele Republikaner die Unter-
schrift des Dokumentes verweigert haben, iſt noch nicht
bekannt ; die Beobachtung der Verfaſſung durch einen
Cidſchwur zu geloben, hat man aber den republikanischen,
wie überhaupt den Kortesmitgliedern als ſolchen nicht ange-
sonnen. Nur die Mitglieder des Ministeriums, die höheren
Beamten, die Truppen und die Miliz ſollen auf die
Verfassung beeidigt werden. Wie eine Madrider Depesche
vom Gestrigen meldet, wird die Kortesmehrheit nun un-
geſäumt die Uebertragung der Regentſchaft an Serrano
betreiben; die gleichzeitige Meldung, daß der hierauf be-
zugliche Gesetzentwurf dem künftigen Regenten das Recht
zur Sanktionirung der Geſeßze und zu einer Auflöſung
der Kortesverſammlung nicht zugesſteht, belehrt uns , daß
die Kortes ihre Souveränetät und ihren Bestand, soweit
Dieß durch eine papierne Beſtimmung möglich erscheint,
zu sichern ſuchen und noch kein Verlangen nach Abdankung
zu Gunsten des Quasi-Monarchen tragen.
Dem Freidenterkongreſſe in Neapel, zu desſen
Abhaltung + gleichzeitg mit dem ökumenischen Konzil
und als Gegendemonſtration gegen dieses der italie-
niſche Abgeordnete Ricciardi den vor einigen Wochen mit-
getheilten Aufruf erlaſſen hat, soll in G enf ein Kongreß
gleicher Tendenz folgen. Die Italiener besorgen, daß die
weite Entfernung Neapel's von den übrigen Hauptstädten
Europa’s dem zahlreichen Besuche der dortigen Versamm-
lung Abbruch thun möchte, und wollen nun durch Ver-
anstaltung einer zweiten Versammlung an einem günſtiger
gelegenen Orte die beabsichtigte Kundgebung vor der Ge-
fahr bewahren, als eine zu wenig univerſelle zu erschei-
nen. Gleichzeitig mit diesem zweiten Kongresse der Frei-
denker soll in Genf eine Feierlichkeit eigenthümlicher Art
stattfinden ; eine glänzend ecweiterte Nachahmung nämlich
des Beiſpieles, welches im vorigen Jahre die Polen durch
Errichtung einer Denkſäule in Rapperswyl zur Erinnerung s
an ihre in Freiheitskämpfen gefallenen Landsleute gegeben
haben. Im kosmopolitiſchen Genf, im Herzen Curopa's,
Angesichts des rieſigeu Montblanc soll ein Denkmal für
„lichen
alle Märtyrer der Freiheit ohne Unterſchied der Natio-
nalität aufgerichtet werden. Zur Durchführung dieſes
ſchon seit vergangenem Frühjahre bestehenden Planes hat
ſich in Genf ein Ausschuß aus je zwei Vertretern der
verſchiedenen Nationalitäten gebildet.
Nur in langen Zwischenräumen verlautet etwas von
dem bescheidenen Veilchen, das unter dem Namen Bun-
des- Liquidati ons kommiſſs ion nun im drilen.
Monate in München vegetirt. Nach dem Neuesten, was
darüber in die Oeffentlichkeit gedrungen iſt, ſoll als sſicher
zu betrachten sein, daß das in den früheren ſüddeutſchen
Bundesfestungen noch vorhandene Materiale im gemein-
samen Beſit, und in gemeinsamer Verwaltung der Re-
gierungen des Nordbundes und der süddeutschen Staaten
verbleiben wird. Die . Feststellung der Normen, unter
welchen dieſe Verwaltung geübt werden soll, iſt die gegen-
wärtige Beſchäftigung der Kommission, die nach Anfech-
tung einiger weiter gehender preußischer Vorschläge dahin
ſich geeinigt zu haben ſcheint, daß das gemeinſchaftliche
Cigenthum einer jährlichen Inſpizirung durch Bevollmäch-
tigte des Nordbundes und der ſüddeutſchen Staaten zu
unterziehen sei. . Selbſtſtändig daneben, und ohne Be-
theiligung Preußens, ſoll die süddeutsche Feſtungskommis-
sion, deren Einrichtung bereits im vorigen Herbſte grund-
sätzlich beſchloſſen worden, zur Wahrung der beſonderen
ſüddeutſchen Interessen fortbeſtehen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 7. Juni. Amtliches. Der Saline-
kaſſier Götß zu Rappenau iſt zum Reviſor bei der Steuer-
direktion ernannt; die erledigte Obereinnehmerei Hornberg
dem Hauptamtsverwalter Krauß bei dem Hauptſteueramt
Randegg übertragen worden.
F' Aus der Residenz, 8. Juni. Als es galt,
alle verfügbaren Streitkräfte den Gegnern des Miniſte-
riums entgegenzuwerfen, mußte die „Bad. Ldsztg.“ auch
die Aufforderung an die National-Konſervativen
richten, sie sollten für einige Zeit ihre kirchlichen Bedenken
bei Seite laſſen und mit der national-liberalen Partei
gemeinsſchaftliche Sache machen. Die National-Konſerva-
liven ſchlugen ein in die ihnen dargebotene Hand. Mittler-
weile wurde das Ministerium neuerdings beſtätigt; die
Offenburger Opposition wurde zum Versſtummen gebracht;
die Noth, die Beten lehrt , iſt vorüber und miniſterieller
Seits scheint die alte, gegen die proteſtantiſchen Frommen
gehegte Abneigung die Oberhand wieder gewonnen zu
haben. Zum Wenigſten verhalten sich die „höheren Po-
litiker“ Jollys zuwartend und der Generalstabschef der
National-Konſervativen erwartete bis daher vergebens den
„Parlamentär“ der National-Liberalen, um die Friedens-
bedingungen feſtzuſtellen. - Auch die „Bad. Ldsztg.“
ſchweigt zum Einſchlagen der National-Konſervativen in
die von ihr dargebotene Hand. Wenn inzwiſchen der Wind
umgeschlagen, werden wir von dem ,geſinnungstüchtigen“
Blatte erleben , daß es erklärt , die Aufforderung an die
National-Konservativen auf eigene Fauſt erlaſſen zu haben.
Alles schon dagewesen, und die „Offenburger“ mögen bei
Zeiten ſich daran gewöhnen, etwas ſpäter in gleicher
Münze ihre ,ſelbſtvergeſſene Hingebung“ an den Mi-
niſterialismus bezahlt zu erhalten. Der Judaslohn ist
immer ein geringer. ~ An die Offiziösen iſt die Weiſung
ergangen, den Verſuch zu wagen , ob das Lied von der
des Z ollparlamentes in ein Vollparla-
Verwandlung vt yegge
als e
ment dießmal nicht mehr Anklang finde,
vorigen Jahre der Fall war. Unser Volk ist indessen so
nüchtern geblieben, womöglich noch nüchterner geworden,
daß es nur mit Schrecken an den Fujel eines Voll-
parlamentes dentt . . . Mögen Jolly und Genoſſen ſich
an der Einheits-Bowle laben; wir andere bewahren uns ~
Freiheit. tt t L
* Mus Baden, 8. Juni. In Karlsruhe ſoll man
ſich jett ernstlich mit den an die Kammern zu machenden
Vorlagen beſchäftigen. Die vier Landeskommissäre waren
einige Tage in der Residenz anwesend ; ein Hauptgegen*
stand ihrer Berathung ſoll die Frage der Armenpflege ge-
wesen sein. Wenn es der „Bad. Landeszeitung“ nach
eht, ſo wird an die Kammern auch eine Gesetzesvorlage
Uu ch deren Hauptbeſtimmungen etwa ſo lauteten: „es
f den Get, pt Ir. tnige Siliung yt veliſ
s, '
Agitationen zu. gebrauchen, in Gemeinde- und
Staatsangelegenheiten und Wahlsachen eine Wirksamkeit
als Priester zu ultramontanen Parteizwecken auszuüben."
Die klerikalen Organe werden voraussichtlich hierauf mit
chen