> 304.
Frritag, 24. Dezemver
er Abendzeitun
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „ Maunheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der
Anzeigen-Gehühr : die einſpaltige Petitzeile
Sonntage und Feſttage -
täglich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanftalten.
Die Finanzreform in Preußen.
** (s ist ein prachtvolles Chriſtgeschenk , das der |
Herr Finanzminiſter Camphauſen dem Ministerpräsidenten
Grafen Bismarck, dem Könige, der „kleinen aber mächtigen
Partei“, um ein fast vergeſſenes Wort zu gebrauchen,
unter den Chriſthaum des Jahres 1869 legt. Die Um-
Abſchlagsſumme besteht, iſt die Regierung alljährlich ver-
pflichtet, den Stand der Staatsſchuld vor den Vertretern
des Volkes zu beleuchten , feſtzuſtellen und das Wort der
Vertreter zu hören, ihre Enlſſchlüſſe entgegenzunehmen.
Bei ewigen Renten tritt die Schuld in den Hintergrund,
nur die Rente kommt regelmäßig und wird ſtumm be-
zahlt, weil daran, wenn die Schuld einmal gemacht,
nichts zu ändern iſt. Das Gesetz aber, durch ‘welches die
Umgestaltung der Schuldscheine in Rentenbriefe verwirk-
licht wird, gibt der Regierung größere Leichtigkeit des
Schuldenmachens, weil ſolche Rentenſchulden überhaupt
nicht nach Bedürfniß gemacht werden können, ſondern
ſich nach dem Stand des Geldmarktes richten müſſen.
Dieſe Erleichterung des Schuldenmachens ist die eine
Seite des Geseßges. Erleichterung des Schulden-
machens für die Regi erung heißt aber auf der
Nehrſeite der Medaille : Erſchwerung , Beſeitigung , Ver-
nichtung der Ueberwachung des Schuldenmachens von
Seiten der Vertreter des Volkes. –~ Die zweite Seite
des Geſeßes iſt die H erſtellung eines neuen
größeren Staatsſcha t es. Die eingelöſten, einge-
tauſchten Schuldbriefe der alten Schuld werden nicht ver-
nichtet, sondern aufbewahrt. Da liegen sie unter Schloß
und Riegel, verſteht ſic. Aber im Falle der Noth
ſind sie da, trot aller Kontrole, denn in Zeiten der
Noth nimmt manGeld, wo man es eben findet. Die neue
Lage der Finanzen iſt nun folgende: :
Erleichtertes Schuldenmachen der Regierung mit
erſchwerter Beaufsichtigung der Volksvertretung.
Ein Staatsſchaß von 30 Millionen.
Eine Srcrehandlung von 10912 Miltionen.
Eine Depoſitenkasſe der alten eingelöſten Schuld
mit so viel Millionen, als eingelöſt werden, was
bis über 100 Millionen steigen kann und wird.
Alles verfüübar im – Falle der Noth.
Das iſt ein artiges Chriſtgeſchenk ~ für die Regie-
rung, ſür Hrn. v. Bismarck und sein Syſtem, für die
mächtige, und nicht mehr kleine Partei, die gegenwärtig
in Preußen herrſcht.
Die Herrenkammer hat das neue Finanzgeſez ein-
ſtimmig angenommen. Und sie hatte Recht, das Gesetz
einſtim mig anzunehmen , denn dieser Herren Sache,
Grundsätze, Stellung wird durch das Gesetz gefördert, ge-
ſtärkt, befestigt, daß sie ihre Freude daran haben müssen.
Der Bericht der Kommission der Herrenkammer hat dieß
sehr klar ausgesprochen, als er sagte : „Die Nothw ndig-
keit, daß der preußiſche Staat mit geordneten und
geſtärkt en Finanzen ruhig den Sturm, den eine Partei
|
der „eiſorne Militäretat" ein luve nehmen, die Freiheit
gestaltung der rictzahtpflitigen Schuldcheine in ewige tt üoctrculhs: Uu! hel Te tate s
“us fen tu rst leus sei. ss | dem Abgeordnctenhauſe in das Herrenhaus gelieſsert hatten,
' im Reichstage des Jahres 1871 gegen den Mllitäretat
heraufzubeſchwören verſuchen wird, mit anzusehen ver- |
mag: macht den Konſervativen es zur Pflicht, für das :
Konſolidationsgeſeh zu ſtimmen.“
Das ist es. 1871,
~ so veitröſten die Nationalliberalen das Volk, — ſall
haben nicht einmal die Absicht, den Hohn auszuſprechen,
der darin liegt, wenn sie dicſen Nationalliberalen dankend
die Hände schütteln und ihnen sagen: „Recht ſo, Ihr +
~ nun was ſollen wir für einen Titel unterſtelllna ~
Ihr + habt mit dem Konſolidationsgeſeß die Regierung
in den Stand gesetzt, den Sturm 1871I zu beſchwören,
den Ihr selbſt verkündet, wenn dann die Regierung nicht
umsatteln und den Militäretat ändern, dem Volke Erleich-
terung, dem Bunde eine freiere und „freiheitlichere Rich-
tung“ gebn will. Schönen Dank Ihr ~ JIhr guten
Freunde und liebwerthen Genoſſen.“
Die Nationalliberalen aber thun, was sie stets als
Gothaer, als Philiſter, als tiers état als Mittelpartei,
als linkes Zentrum ~ alles Namen für das liebe Kind
der Zwittergeburt, die nicht weiß, was sie iſt und was
ſie ſol und was ſie kann gethan haben, hoffen,
harren und ſich ſselbſt und Andere narren. Das ist ſo
ihre Natur. Es iſt zum Verzweifeln , wenn man fieht,
wie viele brave, licbe, gute, grundehrliche und aufopfe-
rungsselige Leute sich einbilden, daß ſie auf dieſe Weise
der Menſchheit, dem Vaterlande , der Freiheit unbezahl-
bare Dienste leisten. :
Betrübender aber iſt, daß auch die Fortſchrittspartei,
die auf anderem Boden ſteht, oder ſtehen ſollte, zum
großen Theile dem neuen Finanzgeſeß, zugestimmt hat !
€Cs ist arg, ſo arg, daß es nachgerade nicht ſchlimmer
mehr werden kann – und das iſt dann die letzte Stufe
zur Umkchr. Hoffen wollen wir's wenigstens! ~
Badiſcher Landtag.
z Mstlsrche. 21. Dez. 38. Sitzung der Z wei-
ten Kammer.
Abg. Eck hard: zeigt ein Motion über Aufhebung der
Eidesbelehrung an, worauf die Kammer beſchließt, daß
bezüglich des Stifungsgeseßes sowohl der von dem Abg.
Grimm eiſtattete Majoritätebericht wie das Minderheits-
Gutachten des Abg. Roßhirt gedruckt werden.
Gegenstände der heutigen Tagesordnung ſind: 1) der
von dem Abg. Heilig erstattete Bericht über das ordentliche
Budget des Ministeriums des Innern. Die Ausgaben
für milde Fonds und Armen-Anstalten betragen 89,044 fl.
und werden bewilligt. Die Heil- und Pflegeanſtalt Pforz-
heim wird anläßlich der steten Vermehrung der hier
unterzubringenden Kranken für die nächſte Budgetperiode
zu 560 Köpfen angenommen und erfordert einen eigentlichen
Staatsaufwand von 115,161 fl.
Die Abgg. Cschbacher , Eckhard und Henne berühren
hierbei bauliche Mißſtände. Das Gebäude ſei rings von
Wasſer umgeben, was eine dumpfe, ungeſunde Luft er-
| statter: Paravicini.
zeuge und dringende Abhilfe verlange.
Staats- Min. Jolly versichert, daß man möglichsle
Verbesserung erstrebe, wenn es auch vorerſt nicht thunlich
sei, einen Neubau auszuführe... .
Die polizeiliche Verwahranstalt ſchmolz von 1856 bis
1867 stetig von 241 Köpfen auf 25 herab und beher-
bergte 1868 deren 36. i
Abg. N us el: wünſcht die Aufhebung dieſer Anstalt,
da jahrel..nge Freiheitsstrafe wegen Arbeitsſcheu ungerecht-
fertigt erscheine. Arbeitsunfähige gehörten aber durchaus
nicht hinein.
Staats.-M. Jolly : Je mehr sich die Kreiſe der
planmäßigen Armenpflege widmeten , möchte für Arbeits- |
unſähige die Anstalt wegfallen können. 1:9
Abg. Le nz: Die Gemeinden dürften keine Zwangs-
maßregeln treffen.
Abg. Gerwig : Für Abschaffung der Anstalt bis.
zum nächſten Landtag. Die 20 solle man hinhun, vw
die Anderen seien, die auch nicht arbeiteten. .
Abgg. Roß hirt und Lam ey für Beibehaltung, Y |.
denn etwas müſſe an die Stelle geſest werden, wenn
man sie aufhebe. ; ;.
Der Tit. XV]. „verschiedene und zuſällige Ausgaben“,
beläuft ſich jährlich auf 16,847 fl. und wird dabei von
dem Abg. Linda u des neulich für die Regierung ver-
lorenen Prozeſſes wegen des Heidelberger Kaminfegerei-
Erbbeſtandes Erwähnung gethan, von desſen Weiterver-
folgung der Ministerial-Referent den Kläger mit der Bes-
merkung abzuſchrecken geſucht habe, daß dem Minisſtcrium
die Staatskasse zur Verfügung ſtehe.
Die Vorlage wird hierauf genehmigt. |
2) Das Budget des Handelsminiſteriums , Berichten.
Der Aufwand für Straßenbau beziffert sich für 1870 |
auf 857,505 fl. und für 1871 auf 885,594 fl., für
Rheinbau und zwar :
gewöhnliche Unterhaltung der Neubauten auf £36448 y s
Zuſchuß zur Rheinkorrrektion
Dammeisſter u. Pegelbeobachter 16255 le.
Auch dieſes Budget wird genehmigt, worauf Schlusn
der Sitzung.
Volitiſche Uebersicht.
Mannheim, 23. Dezember.
* Nun kommt auch aus Wien die Meldung, ds |
daselſt ein auf Ent waff nu ng gerichteter Antrag Fran.
reichs nicht vorliege. Noch ſtüten sich die Gewalthablr V
auf den Knauf des Schwert-s und freiwillig werden ſe.
ſchwerlich der fortgeſeztenZurechtbildung des „Materialen.
zu deutſch der beſten Menſchenkräfte , zur Kriegsführung
entſagen. Die Henrſchſucht und Eroberungsgelüſe de "f
Großen werden nur bezwungen, wenn überall die Völlle
ihnen den Gehorſam versagen und ebenſo thatkräftig als |
entschlossen für die alle Völker friedlich vereinigende Frein.
heit eintreten; nur der Friedens- und Freiheitsarbeit i tre
Unterstützung leihen.
Des Verbrechens Fluch.
] (7. Jortſezung.)
Der Graf blickte ganz erftaunt aaf seinen Neffen, als
wollte er sagen : „Biſt Du verrückt?“ und ohne ihn
t ru zu würdigen, ſchickte er sich an, das Zimmer
zu verlaſſen.
„Nicht von der Stelle!“ schäumte Ewald auf. „Sie
haben als nächſter Verwandter die Pflicht, mich zu retten
ich bin der Verzweiflung nahe, Sie missen mir die einzige
Bitte erfüllen – oder –£* j
„Keine Drohungen!“ entgegnete der Graf , „oder ich
ziehe die Klingel.“
„Oheim, zertreten Sie nicht mein ganzes Glück!“ rief
Ewald in höchſter Aufregung. „Gewähren Sie mir nur
den zwanzigsten, den hundertſten Theil Ihres Vermögens
und ich bin im Stande , ein neues Lrben anzufangen 1“
Er wollte dem Oheim zu Füßen ſtürzen, der ihn daran |
verhinderte. Ö
ü „Keine Szene !“ bemerkte der Graf kalt und ſchneidend,
„Du erhältſt weder duch Drohungen, noch d rch Bitten
von mir einen Pfennig. Leben Sie wohl, Herr Neffe!“
ſeßte er hinzu und machte eine ſtolze , verabſchiedende
Handbewegung.
worden, um ſofort abreiſen zu können. Nachdem er ſich |
wieder etwas erholt, ritt er in ſpäter Nachmittagssſtunde
Wie ein Raſender, eine wilde Verwünſchung aus-
ſtoßend, stürzte Ewald aus dem Zimmer.
Der Graf war durch dieſen Auftritt zu tief erſchüttert |
hinaus zu seiner Schwester, um ihr die tolle Halsſtarrig-
keit ihres Sohnes vorzuhalten, und um auch von ihr |
ſür immer Abschied zu nehmen. Hedwig blieb im Hotel
zurük. Sie würde ohnehin ihren Vater auf diesem Aus-
flug nicht begleitel haben ; denn durch einen Fall vom |
Pferde hatte sie sich am vergangenen Tage den Fuß ver- |
ſtaucht und mußte das Zimmer hüten. : |
Die arme alte Frau von Wille war tief darniedere
gebengt durch dieß unerwartete Zerwürſmß ; aber mehr |
ſelbſt als der Zorn des Bruders bckümmerte ſie die Ab-
weſenheit ihres Sohnes, der ſich heute noch nicht bei
seiner Mutter hatte ſehen lassen.
„Du haſt den Jungen verzogen, voila tout“, be-
merkte der Graf.
Frau von Wille wurde durch dieſes Wort tief ge-
kränkt, und die Scheidewand fühlend, die ſich jett zwiſchen
ihnen aufthürmte , nahmen die Geſchwiſter von einander
kühl und höflich Abschied. Der Vollmond stand bereits
am Himmel und übergoß Alles mit seinem magiſchen
Licht, als der Graf heimritt. Cs war eine prachtvolle
Mainacht, die blühenden Bäume ſtrömten einen ſolch be-
' rauſchenden Duft aus, ganz in Schauen und Träumen Ö
versunken ließ der Graf die Zügel auf den Hals ſeines
ireuen Pferdes fallen und ritt langſam in der dunklen J
Kaſtanienallee dahin.
Eine Viertelſtunde später brachte man den Leihnnm
des Grafen in das Hotel „zu den drei Bergen.“
k.hrende Arbeiter hatten ihn, in ſeinem Blute ſchwimmend,
unter den Kaſtanien gefunden ~ eine Kugel hatte ihm
den Rücken durchbohrt. Das Pferd hatte, wie mm m
den Blutſpuren sah, den Grafen noch einige Schritte |
fortgeſchleift und war dann stehen geblieben, verwundet |
seinen geliebten Herrn beſchnuppernd. : I
Noch che der traurige Zug in der Stadt angetonmnm,. |
| hatte der Graf den letten Seufzer auekgehauch. Nur |
unverständliche Laute waren noch von ſeinen Lippen ger |
kommen, aber kein zuſammenhängendes Wort. ]
Dir Leichenzug hatte kaum das Hotel erreicht, da |
war auch ſchon die öffentliche Meinung über den Mörder
fertig. Die Kellner erzählten von den Vorgängen am |
heutigen Morgen und waren die Erſten, die augenblick.
lich den Verdacht auf den wilden, raufluſtligen Neffen
lenkten. J
Im untern Gaſtzimmer des Hotels waren, wie ge- m
wöhnlich, die Honoratioren der Stadt verſammelt, ein
Heim. y
Frritag, 24. Dezemver
er Abendzeitun
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „ Maunheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der
Anzeigen-Gehühr : die einſpaltige Petitzeile
Sonntage und Feſttage -
täglich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanftalten.
Die Finanzreform in Preußen.
** (s ist ein prachtvolles Chriſtgeschenk , das der |
Herr Finanzminiſter Camphauſen dem Ministerpräsidenten
Grafen Bismarck, dem Könige, der „kleinen aber mächtigen
Partei“, um ein fast vergeſſenes Wort zu gebrauchen,
unter den Chriſthaum des Jahres 1869 legt. Die Um-
Abſchlagsſumme besteht, iſt die Regierung alljährlich ver-
pflichtet, den Stand der Staatsſchuld vor den Vertretern
des Volkes zu beleuchten , feſtzuſtellen und das Wort der
Vertreter zu hören, ihre Enlſſchlüſſe entgegenzunehmen.
Bei ewigen Renten tritt die Schuld in den Hintergrund,
nur die Rente kommt regelmäßig und wird ſtumm be-
zahlt, weil daran, wenn die Schuld einmal gemacht,
nichts zu ändern iſt. Das Gesetz aber, durch ‘welches die
Umgestaltung der Schuldscheine in Rentenbriefe verwirk-
licht wird, gibt der Regierung größere Leichtigkeit des
Schuldenmachens, weil ſolche Rentenſchulden überhaupt
nicht nach Bedürfniß gemacht werden können, ſondern
ſich nach dem Stand des Geldmarktes richten müſſen.
Dieſe Erleichterung des Schuldenmachens ist die eine
Seite des Geseßges. Erleichterung des Schulden-
machens für die Regi erung heißt aber auf der
Nehrſeite der Medaille : Erſchwerung , Beſeitigung , Ver-
nichtung der Ueberwachung des Schuldenmachens von
Seiten der Vertreter des Volkes. –~ Die zweite Seite
des Geſeßes iſt die H erſtellung eines neuen
größeren Staatsſcha t es. Die eingelöſten, einge-
tauſchten Schuldbriefe der alten Schuld werden nicht ver-
nichtet, sondern aufbewahrt. Da liegen sie unter Schloß
und Riegel, verſteht ſic. Aber im Falle der Noth
ſind sie da, trot aller Kontrole, denn in Zeiten der
Noth nimmt manGeld, wo man es eben findet. Die neue
Lage der Finanzen iſt nun folgende: :
Erleichtertes Schuldenmachen der Regierung mit
erſchwerter Beaufsichtigung der Volksvertretung.
Ein Staatsſchaß von 30 Millionen.
Eine Srcrehandlung von 10912 Miltionen.
Eine Depoſitenkasſe der alten eingelöſten Schuld
mit so viel Millionen, als eingelöſt werden, was
bis über 100 Millionen steigen kann und wird.
Alles verfüübar im – Falle der Noth.
Das iſt ein artiges Chriſtgeſchenk ~ für die Regie-
rung, ſür Hrn. v. Bismarck und sein Syſtem, für die
mächtige, und nicht mehr kleine Partei, die gegenwärtig
in Preußen herrſcht.
Die Herrenkammer hat das neue Finanzgeſez ein-
ſtimmig angenommen. Und sie hatte Recht, das Gesetz
einſtim mig anzunehmen , denn dieser Herren Sache,
Grundsätze, Stellung wird durch das Gesetz gefördert, ge-
ſtärkt, befestigt, daß sie ihre Freude daran haben müssen.
Der Bericht der Kommission der Herrenkammer hat dieß
sehr klar ausgesprochen, als er sagte : „Die Nothw ndig-
keit, daß der preußiſche Staat mit geordneten und
geſtärkt en Finanzen ruhig den Sturm, den eine Partei
|
der „eiſorne Militäretat" ein luve nehmen, die Freiheit
gestaltung der rictzahtpflitigen Schuldcheine in ewige tt üoctrculhs: Uu! hel Te tate s
“us fen tu rst leus sei. ss | dem Abgeordnctenhauſe in das Herrenhaus gelieſsert hatten,
' im Reichstage des Jahres 1871 gegen den Mllitäretat
heraufzubeſchwören verſuchen wird, mit anzusehen ver- |
mag: macht den Konſervativen es zur Pflicht, für das :
Konſolidationsgeſeh zu ſtimmen.“
Das ist es. 1871,
~ so veitröſten die Nationalliberalen das Volk, — ſall
haben nicht einmal die Absicht, den Hohn auszuſprechen,
der darin liegt, wenn sie dicſen Nationalliberalen dankend
die Hände schütteln und ihnen sagen: „Recht ſo, Ihr +
~ nun was ſollen wir für einen Titel unterſtelllna ~
Ihr + habt mit dem Konſolidationsgeſeß die Regierung
in den Stand gesetzt, den Sturm 1871I zu beſchwören,
den Ihr selbſt verkündet, wenn dann die Regierung nicht
umsatteln und den Militäretat ändern, dem Volke Erleich-
terung, dem Bunde eine freiere und „freiheitlichere Rich-
tung“ gebn will. Schönen Dank Ihr ~ JIhr guten
Freunde und liebwerthen Genoſſen.“
Die Nationalliberalen aber thun, was sie stets als
Gothaer, als Philiſter, als tiers état als Mittelpartei,
als linkes Zentrum ~ alles Namen für das liebe Kind
der Zwittergeburt, die nicht weiß, was sie iſt und was
ſie ſol und was ſie kann gethan haben, hoffen,
harren und ſich ſselbſt und Andere narren. Das ist ſo
ihre Natur. Es iſt zum Verzweifeln , wenn man fieht,
wie viele brave, licbe, gute, grundehrliche und aufopfe-
rungsselige Leute sich einbilden, daß ſie auf dieſe Weise
der Menſchheit, dem Vaterlande , der Freiheit unbezahl-
bare Dienste leisten. :
Betrübender aber iſt, daß auch die Fortſchrittspartei,
die auf anderem Boden ſteht, oder ſtehen ſollte, zum
großen Theile dem neuen Finanzgeſeß, zugestimmt hat !
€Cs ist arg, ſo arg, daß es nachgerade nicht ſchlimmer
mehr werden kann – und das iſt dann die letzte Stufe
zur Umkchr. Hoffen wollen wir's wenigstens! ~
Badiſcher Landtag.
z Mstlsrche. 21. Dez. 38. Sitzung der Z wei-
ten Kammer.
Abg. Eck hard: zeigt ein Motion über Aufhebung der
Eidesbelehrung an, worauf die Kammer beſchließt, daß
bezüglich des Stifungsgeseßes sowohl der von dem Abg.
Grimm eiſtattete Majoritätebericht wie das Minderheits-
Gutachten des Abg. Roßhirt gedruckt werden.
Gegenstände der heutigen Tagesordnung ſind: 1) der
von dem Abg. Heilig erstattete Bericht über das ordentliche
Budget des Ministeriums des Innern. Die Ausgaben
für milde Fonds und Armen-Anstalten betragen 89,044 fl.
und werden bewilligt. Die Heil- und Pflegeanſtalt Pforz-
heim wird anläßlich der steten Vermehrung der hier
unterzubringenden Kranken für die nächſte Budgetperiode
zu 560 Köpfen angenommen und erfordert einen eigentlichen
Staatsaufwand von 115,161 fl.
Die Abgg. Cschbacher , Eckhard und Henne berühren
hierbei bauliche Mißſtände. Das Gebäude ſei rings von
Wasſer umgeben, was eine dumpfe, ungeſunde Luft er-
| statter: Paravicini.
zeuge und dringende Abhilfe verlange.
Staats- Min. Jolly versichert, daß man möglichsle
Verbesserung erstrebe, wenn es auch vorerſt nicht thunlich
sei, einen Neubau auszuführe... .
Die polizeiliche Verwahranstalt ſchmolz von 1856 bis
1867 stetig von 241 Köpfen auf 25 herab und beher-
bergte 1868 deren 36. i
Abg. N us el: wünſcht die Aufhebung dieſer Anstalt,
da jahrel..nge Freiheitsstrafe wegen Arbeitsſcheu ungerecht-
fertigt erscheine. Arbeitsunfähige gehörten aber durchaus
nicht hinein.
Staats.-M. Jolly : Je mehr sich die Kreiſe der
planmäßigen Armenpflege widmeten , möchte für Arbeits- |
unſähige die Anstalt wegfallen können. 1:9
Abg. Le nz: Die Gemeinden dürften keine Zwangs-
maßregeln treffen.
Abg. Gerwig : Für Abschaffung der Anstalt bis.
zum nächſten Landtag. Die 20 solle man hinhun, vw
die Anderen seien, die auch nicht arbeiteten. .
Abgg. Roß hirt und Lam ey für Beibehaltung, Y |.
denn etwas müſſe an die Stelle geſest werden, wenn
man sie aufhebe. ; ;.
Der Tit. XV]. „verschiedene und zuſällige Ausgaben“,
beläuft ſich jährlich auf 16,847 fl. und wird dabei von
dem Abg. Linda u des neulich für die Regierung ver-
lorenen Prozeſſes wegen des Heidelberger Kaminfegerei-
Erbbeſtandes Erwähnung gethan, von desſen Weiterver-
folgung der Ministerial-Referent den Kläger mit der Bes-
merkung abzuſchrecken geſucht habe, daß dem Minisſtcrium
die Staatskasse zur Verfügung ſtehe.
Die Vorlage wird hierauf genehmigt. |
2) Das Budget des Handelsminiſteriums , Berichten.
Der Aufwand für Straßenbau beziffert sich für 1870 |
auf 857,505 fl. und für 1871 auf 885,594 fl., für
Rheinbau und zwar :
gewöhnliche Unterhaltung der Neubauten auf £36448 y s
Zuſchuß zur Rheinkorrrektion
Dammeisſter u. Pegelbeobachter 16255 le.
Auch dieſes Budget wird genehmigt, worauf Schlusn
der Sitzung.
Volitiſche Uebersicht.
Mannheim, 23. Dezember.
* Nun kommt auch aus Wien die Meldung, ds |
daselſt ein auf Ent waff nu ng gerichteter Antrag Fran.
reichs nicht vorliege. Noch ſtüten sich die Gewalthablr V
auf den Knauf des Schwert-s und freiwillig werden ſe.
ſchwerlich der fortgeſeztenZurechtbildung des „Materialen.
zu deutſch der beſten Menſchenkräfte , zur Kriegsführung
entſagen. Die Henrſchſucht und Eroberungsgelüſe de "f
Großen werden nur bezwungen, wenn überall die Völlle
ihnen den Gehorſam versagen und ebenſo thatkräftig als |
entschlossen für die alle Völker friedlich vereinigende Frein.
heit eintreten; nur der Friedens- und Freiheitsarbeit i tre
Unterstützung leihen.
Des Verbrechens Fluch.
] (7. Jortſezung.)
Der Graf blickte ganz erftaunt aaf seinen Neffen, als
wollte er sagen : „Biſt Du verrückt?“ und ohne ihn
t ru zu würdigen, ſchickte er sich an, das Zimmer
zu verlaſſen.
„Nicht von der Stelle!“ schäumte Ewald auf. „Sie
haben als nächſter Verwandter die Pflicht, mich zu retten
ich bin der Verzweiflung nahe, Sie missen mir die einzige
Bitte erfüllen – oder –£* j
„Keine Drohungen!“ entgegnete der Graf , „oder ich
ziehe die Klingel.“
„Oheim, zertreten Sie nicht mein ganzes Glück!“ rief
Ewald in höchſter Aufregung. „Gewähren Sie mir nur
den zwanzigsten, den hundertſten Theil Ihres Vermögens
und ich bin im Stande , ein neues Lrben anzufangen 1“
Er wollte dem Oheim zu Füßen ſtürzen, der ihn daran |
verhinderte. Ö
ü „Keine Szene !“ bemerkte der Graf kalt und ſchneidend,
„Du erhältſt weder duch Drohungen, noch d rch Bitten
von mir einen Pfennig. Leben Sie wohl, Herr Neffe!“
ſeßte er hinzu und machte eine ſtolze , verabſchiedende
Handbewegung.
worden, um ſofort abreiſen zu können. Nachdem er ſich |
wieder etwas erholt, ritt er in ſpäter Nachmittagssſtunde
Wie ein Raſender, eine wilde Verwünſchung aus-
ſtoßend, stürzte Ewald aus dem Zimmer.
Der Graf war durch dieſen Auftritt zu tief erſchüttert |
hinaus zu seiner Schwester, um ihr die tolle Halsſtarrig-
keit ihres Sohnes vorzuhalten, und um auch von ihr |
ſür immer Abschied zu nehmen. Hedwig blieb im Hotel
zurük. Sie würde ohnehin ihren Vater auf diesem Aus-
flug nicht begleitel haben ; denn durch einen Fall vom |
Pferde hatte sie sich am vergangenen Tage den Fuß ver- |
ſtaucht und mußte das Zimmer hüten. : |
Die arme alte Frau von Wille war tief darniedere
gebengt durch dieß unerwartete Zerwürſmß ; aber mehr |
ſelbſt als der Zorn des Bruders bckümmerte ſie die Ab-
weſenheit ihres Sohnes, der ſich heute noch nicht bei
seiner Mutter hatte ſehen lassen.
„Du haſt den Jungen verzogen, voila tout“, be-
merkte der Graf.
Frau von Wille wurde durch dieſes Wort tief ge-
kränkt, und die Scheidewand fühlend, die ſich jett zwiſchen
ihnen aufthürmte , nahmen die Geſchwiſter von einander
kühl und höflich Abschied. Der Vollmond stand bereits
am Himmel und übergoß Alles mit seinem magiſchen
Licht, als der Graf heimritt. Cs war eine prachtvolle
Mainacht, die blühenden Bäume ſtrömten einen ſolch be-
' rauſchenden Duft aus, ganz in Schauen und Träumen Ö
versunken ließ der Graf die Zügel auf den Hals ſeines
ireuen Pferdes fallen und ritt langſam in der dunklen J
Kaſtanienallee dahin.
Eine Viertelſtunde später brachte man den Leihnnm
des Grafen in das Hotel „zu den drei Bergen.“
k.hrende Arbeiter hatten ihn, in ſeinem Blute ſchwimmend,
unter den Kaſtanien gefunden ~ eine Kugel hatte ihm
den Rücken durchbohrt. Das Pferd hatte, wie mm m
den Blutſpuren sah, den Grafen noch einige Schritte |
fortgeſchleift und war dann stehen geblieben, verwundet |
seinen geliebten Herrn beſchnuppernd. : I
Noch che der traurige Zug in der Stadt angetonmnm,. |
| hatte der Graf den letten Seufzer auekgehauch. Nur |
unverständliche Laute waren noch von ſeinen Lippen ger |
kommen, aber kein zuſammenhängendes Wort. ]
Dir Leichenzug hatte kaum das Hotel erreicht, da |
war auch ſchon die öffentliche Meinung über den Mörder
fertig. Die Kellner erzählten von den Vorgängen am |
heutigen Morgen und waren die Erſten, die augenblick.
lich den Verdacht auf den wilden, raufluſtligen Neffen
lenkten. J
Im untern Gaſtzimmer des Hotels waren, wie ge- m
wöhnlich, die Honoratioren der Stadt verſammelt, ein
Heim. y