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Organ der deulſchen
Volksparlei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage + täglich als Abe
Anzeigen-Geblihr : die einspaltige BPetitzeile 8 kr., bei Vokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen
ndblait ausgegebeen. + Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
bei der Expedition CQ 1 Nx. 15 in Mannheim und bei allen Voftanftalten.
Wieder abgewiegelt.
k Auf der boru ſiſchen Schlachtlinie wird wieder
einmal Ruhe kommandirt. Wenn man nur wüßte, wozu |
der ganze Lärm gewesen! Die Kreuzzeitung ſelbſt plai-
dirt halb und halb für Oeſterreich, und die Norddeutſche
Allgemeine hat viel zu viel mit den Frankfurter Säug-
lingen zu thun, als daß sie sich noch mit dem Grafen
Beuſt befasſſen könnte.
Was bedeutete nun der ganze Sturmlauf, weßhalb
wurden ſämmtliche Batterien gegen Oeſterreich demastirt ?
Einfach deßhalb, um nicht aus der Uebung und Gewohn-
heit zu kommen. Oesterreich muß fortwährend unter der
Fuchtel der Niederlage und der preußiſchen Superiorität
verbleiben; das Schwert von Königgrätz, an einem Haare
ſchwingend, bewegt sich unaufhörlich über seinem Haupte.
Auf direkte und allergröbſte Angriffe darf es nicht ant-
worten; rührt es sich nur, nimmt es nur die Namen
Preußen und Bismarct in den Mund, ſofort hält man
ihm die Piſtole auf die Bruſt: Schweigen oder ſterben !
Und doch hatte der öſterreichiſche Reichskanzler diesmal
so leichtes Spiel: was hat er nicht Alles hingenommen,
zu welchen Dingen hat er nicht beide Augen zugedrückt !
Die heimlichen Allianzverträge Preußens mit dem Süden,
die Ausdehnung des Vertrags mit Baden zu einer mili-
täriſchen Gemeinsamkeit; das Zollparlament mit der be-
kannten Attitude des Vollparlaments; die ewigen Andeu-
tungen von „ge ſa m mt deutschen, von „nationalen In-
tereſſen“, von einer Ueberſchreitung der Mainlinie,. die
nach Bismarcks Ausdruck nicht von den Verträgen, ſon-
dern von dem Willen des deutſchen Südens abchinge ;
die Hetzereien in Böhmen, in Ungarn, in Deutſch-Oeſter-
reich ſelbſt; endlich die impertinente Thile sche Depesche :
Alles ward ruhig eingeſtectt; gegen Alles machte man
taube Ohren. Oesterreich behandelte man wie Rumänien,
wie Serbien oder Bosnien; Preußen gerirte ſich förmlich
als Schuk macht, als Vormund und Eraf Beuſt ließ im-
mer Gottes Waſſer über Gottes Land laufen.
Der Hauptdorn, der wahre Leichdhorn im Fuße Bis-
marcks war aber die belgiſch-franz öſiſ che Angelegen-
heit und die freundſchaftliche Mahnung Obeſterreichs nach
Brüſſel, die Eiſenbahn-Angelegenheit nicht zum ernſten
Handel werden zu laſſen. Wo der patriotiſche Graf von
Varzin ein Einverſtändniß mit Frantreich wittert, da wird
er fuchswild und hochmoraliſch; da ahnt im ſogleich die
Gefahr eines Komplottes von Zweien, welche ſich anſchick-
ten, über den Dritten herzufallen; da geht das Geſpenſt
von Biarriß und der General Govonne vor ihm um;
da wird er öibliſch-fromm und denkt an die Grube, welche
Joſeph's Brüder gruben, und worin ſ ie zuletzt ſelber
umkamen.
Diese belgiſche Intervention hätte Graf Beuſt füglich
unterlaſſen können; die Sache ſJelbſt war nie gefährlich,
eine Vergewaltigung Belgiens stand nicht zu befürchten ;
neutrale Länder sind gerade bei der in Europa herrſchen-
den Spannung ſehr ſicher, sicherer als irgend eine Groß-
macht; und ganz offenbar mußte E ngland, welches an
der belgiſchen Unabhängigkeit wie an einem Glaubenssatze
hängt, durch die Beuſt'ſche Haltung verſtimmt werden.
Wie die orientaliſche Frage, so enthält auch die belgiſche
Frage den Keim zum allgemeinen, zum europäiſch-asiati-
schen Kriege. Y :
Preußen griff um so eifriger zu, als die Erkaltung
zwiſchen Berlin und Petersburg bis auf den Gefrierpunkt
gediehen war, als jede Allianz ernstlich in Frage ſtand.
Wie wohlthuend mußte es da ſein, endlich einmal wieder
auf engliſche Sympathien zu ſtoßen und im europäi-
ſchen Konzert nicht mehr ganz allein zu fideln!
Auch das iſt vorbei, Oesterreich hat wieder freie
Hand. Daß der jeden Augenblick mögliche Krieg zwiſchen
Preußen und Frantreich ein lokaliſirtes Privat-Duell bliebe,
iſt Oesterreichs größtes Intereſſe. So lange der deutſche
Süden dem Anſschluſſe fern bleibt, verharrt Oeſterreich
Gewehr bei Fuß. Zur Nachachtung für Karlsruhe !
VBolitiſche Ueberſicht.
Mannheim, 30. Auguſt,
* Der württembergische „Staatsanzeiger“ meldet , daß
die Bundesliquidationskorferenz das Bundesfeſtun gs-
material für gemeinſam erklärt habe. Die Kommission
der ſüddeutſchen Festungen soll die Verwaltug von Ulm,
Raſtatt und Landau überwachen, der norddeutſche Bund
das Material der Feſtung Mainz verwalten. In der
„A. A. Z.“ iſt in Betreff derſelben Angelegenheit mit-
| getheilt, der Sig der ſüddeutschen Feſtungskommission
solle jährlich zwiſchen München, Stuttgart und Karlsruhe
wechſeln und wird diese Beſtimmung von dem offiziösen
| Berichterstatter ausdrücklich hervorgehoben, weil sie charak-
| teriſtisch sei für die gegenwärtige Pol itik Bay erns, die
| nicht, wie ehedem, ein ſüddeutſches Protektorat anſtrebe:
| sondern in ächt föderativem Geiste die volle Gleichberech- |
tigung der deutſchen Südſtaaten anerkenne.
Aus S achſs en erfährt die „Zukunft“, daß in Berlin
gar keine Befriedigung herrſche über die militäriſche Ab-
ſperrung, in welcher ſich Sachſen gefalle. Der ſächſiſche
Bundesgenoſſe habe weder die militäriſche Freizügigkeit,
wie ſie doch ſclbſt mit Baden abgeſchloſſen, akzeptirt, wolle
nichts von gemeinſamem Avanzement wisſen, zu dem ſich
doch ſelbſt Mecklenburg bequemt und die Cintheilung in
ſechs Armeeabtheilungen sei am sächſiſchen Widerſtande ge-
scheitert. Man ſei preußiſcherſeits in alldem nachgiebig
geweſen, um den süddeutſchen Staaten damit den Zutritt
zur militärischen Einheit annehmbarer zu machen, aber die
Hand davongeflogen.
Das Zentralkomite der Friede ns- und Freiheits-
li g a hat für den dießjährigen Kongreß, zu Lauſanne,
deſſen intereſſantes Programm wir ſchon früher mitgetheilt,
eine Chrenpräsidentenstelle Victor Hugo angeboten und
dieser hat die Einladung angenommen.
Die Regierung von B aſelstad t ruft den Schuyt des
Schw eizer Bundesraths für eine Frankfurter Familie
an, welche Ausweisung fürchte. Der Bundesrath hat
alſo einen amtlichen Anlaß, ſich mit der Sache zu be-
aſſen.
tf Aus Rom erfährt die „Nazione“, daß die Kongrer
gation beſchloſſen habe, die Betheiligung der Vertreter der
katholischen Mächte an den Verhandlungen des Konzils
dürfe eine nur passive sein; falls sie etwas einzuwenden
wünschen sollten, hätten ſie das außerhalb des Konzils
dem Siaatssekretär zu sagen, der allein mit ihnen in
Diskussionen sich einlassen dürfe.
Die chin eſiſche Regierung weigert ſich, den von
ihrem außerordentlichen Abgesandten, Mr. Burlinghame,
mit den Vereinigten Staaten abgeſchloſſenen Vertrag zu
ratifiziren; die Regierung des himmlischen Reiches könne
nicht auf gleichem Fuß mit Regierungen der Barbaren
Verträge abſchließen.
In Londoner hpolitiſchen Kreiſen erregt eine Privat
nachricht aus Paris große Senſation: Der Kaiſer
der Franzoſen ſoll gegen Personen seines Vertrauens
geäußert haben, daß er dem Gedanken einer allmähligen
Entwafsf nung nicht abgeneigt wäre, wenn Rußland,
Preußen , Oesterreich und Italien seinem Beispiele folgen
wollten. Er sei von der Nothwendigkeit überzeugt , ſoll
der Kaiſer hinzugefügt haben, daß das Waffengeräuſch
in Europa aufhören müſſe. In Bezug auf die innere
Politik in Frankreich soll der Kaiser sich alſo ausgesprochen
haben: Ich will mit meinem Volke und mit den ande-
ren Völkern im Frieden leben. Inmitten des Wetteifers
der Völker, welche sich durch die Arbeiten des Geistes
und soziale Verbesserungen erheben, wird Frantreich fort-
an ein ungeheures Feld für seinen Ruhm finden. ~ Eine
effektive, gleichmäßige Entwaffnung wäre eine große Wohl-
that für alle Völker, welche unter einem Steuerdrucke
seufzen, dessen Erträgniß kaum ausreicht für die unge-
heuren Rüſtungen. Wird es aber dem Zäſarismus noch
gegeben sein, diese Frage einer befriedigenden Löſung
entgegen zu führen, nachdem er das Mißtrauen und den
Haß der Völker auf sich geladen. Und mit welcher
Schwierigkeit wäre nicht die Ausführung der Maßxregel
verknüpft, wenn sie überhaupt im Kopfe des linksrheini-
schen Zäsars zur Reife gediehen wäre. Wie ſoll die
Entwaffnung dort + und hier kontrolirt werden. An
den Zäsarismus knüpft ſich der Fluch der böſen That
und über dieser Friedensfrage könnte gar leicht Streit
entſtehen und Krieg entbrennen. Darin liegt das Ge-
| fährliche dieser ultrafriedlich klingenden angeblichen
Aeußerungen des Kaiſer der Franzosen.
Deutſchland.
* Mannheim, 30. Aug. Abgeordnetenwaghl.
Bei den heute vorgenommenen Wahlen wurden die Herren
C. Grimm und Privatmann C. H. Hoff gewählt.
Bei der erſten Wahl waren von 84 Wahlmännern 69
erſchienen. 42 davon stimmten für Hrn. Grim m; 26
für Herrn Dr. Eller. 1 Stimme wurde für Hrn. Kopfer
abgegeben. + Bet der zweiten Wahl waren von 114
Taube auf dem Dache ſei mit dem Sperlinge in der
Wahlmännern 100 erſchienen. Hiervon stimmten 15, für
Hrn. Hoff ; 82 ſür Hrn. H. Roes und je ein Stimme '
entfiel auf die Herren E. Moll, A. Aab und Dr. Ladenburg.
Somit haben die hieſigen Preußen ihre Kandidaten,
den einen mit 42, den andern mit 82 Stimmen dur ch-
g es eß t; ~ so wenig auch diese Wahlen Anspruch darauf
haben, dem Willen der Mehrheit unserer Bevölkerung zu
entſprechen. Ja, noch mehr. Bei der Wahl des Hrn. Hoſſ . |
darf gesagt werden, daß er ſeine Wahl viel mehr der
Parteidisziplin als der freudigen Uebereinstimmung seiner
Wähler verdankt. Auf verſchiedenen Seiten der National-
liberalen hat es überdieß unangenehm berührt, daß an-
fänglich, noch vor den Wahlmännerwahlen, von der Wahl
des Hrn. Dr. Ladenburg die Rede war: später aber diese
Kandidatur fallen gelaſſen wurde. Ob Hr. Ladenburg
eine ihm zugedachte Wahl abgelehnt hat, iſt nicht bekannt
geworden ; daher die Annahme, daß man denselben ſchließlich
aufgegeben hat, obgleich derselbe seit den vierziger Jahren
immer zu der Partei gehalten, die nach den verſchiedenſten
Wandlungen heute als die national-liberale oder Bis-
märckiſche auftritt. Auch eine Konsequenz der früheren
Vaterländler, Gothaer, Nationalvereinler und jeyhigen
Preußen.
f t...: Stadt, die demotratiſchſte im Lande, wird nun
Dant des alten und veralteten Wahlgeſezes ~ durch
d rei Abgeordnete in der Kammer vertreten ſein, die alle
drei zur großpreußiſchen Fahne schwören. Die Abgeord-
neten entbehren der Zuſtimmung der größeren Mehrheit
der Urwähler und ist ihre Stellung deßhalb nicht gerade
eine beneidenswerthe. Indeſſen, unsern Bismärckern kommt
es ja nicht darauf an, der Gesinnung der Bevölkerung
Rechnung zu tragen; ihnen kommt es vornehmlich darauf
an, ihre Parteiansicht zu der maßgebenden zu machen,
unſer Land unter die Botmäßigkeit der preußiſchen Ober-
herrſchaft zu bringen. Das Reſuitat der Wahlen wird
deßhalb auch nur ſtillſchweigend verzeichnet. Nirgends
Freude; keinerlei Kundgebung, wie bei der Abstimmung
über Einführung der gemischten Schulen, bei dem Siege
des Fortſchritts und des Volksthums. Man geht lautlos
über den heutigen Wahlakt zur Tagesordnung über ;
lautlos und freudlos!
–~* Heidelberg, 29. Aug. Der Juriſtentag
hat noch beſchloſſen: ,Der deutsche Juriſtentag, die Re-
formbedürftigkeit der in den deutſchen Staaten in Gelluun Y
stehenden militärgerichtlichen Verfahrensgeſetze und das Be-
dürfniß einer Einigung derselben anerkennend, ſpricht ſeine
Ueberzeugung aus, daß eine zeitgemäße, die Anforderun-
gen der Wissenſchafſt und Rechtssicherheit erfüllende Re-
form dieſer Gesſeßze nur zu verwircklichen iſt, wenn dem
Militärſtrafverfahren die wesentlichen Formen des bürger-
lichen Verfahrens zugeführt werden und die Zuſtändigkeit
der Militärgerichte ſich im Frieden auf Dienstvergehen der
Militärpersonen beschränkt. Der Juriſtentag ſpricht es
weiter als seine Ueberzeugung aus, daß DisziplinarzVor-
schriften für die Armeen, so weit sie die Erkennung von
Strafen zum Gegenſtande haben, nur auf dem Wege der
Gesetzgebung zu erlasſen ſind.“
Die Festfahrt nach Neckargemünd und zurück und die
Schloßbeleuchtung ſind beſtens ausgefallen. Zur letteren
hatten sich Tauſende Beſucher eingefunden.
Unabhängig vom Juristentage hat fich ein Verein
zur Abſchaffung der Todesſtrafe konsſtituir. Zum
Vorsitzenden iſt Advokat Kißling aus Linz gewählt worden.
Bis jetzt zählt der Verein 400 Mitglieder.
* Aus Baden, 30. Aug. Unter den bis jetzt
gewählten Abgeordneten befinden ſich : zwei Miniſter, ein
Miniſterialrath, ein Oberhofgerichtsrath, ein Kreisgerichts-
rath, ein Kreisſchulrath, ein Staatsanwalt und dazu
noch zwei Bürgermeister, ein Privatdozent und ein Dekan.
Diese Erscheinung, sagt die „Frankf. Ztg.“ iſt sprechend.
Sie beweiſt soviel, daß die Wähler getrieben und ver-
anlaßt wurden, hauptſächlich ſolche Abgeordnete zu wählen,
welche in erſter Reihe bei dem Kirchentonflikt betheiligt
ſind, d. h. bureautratische und hierarchiſche Elemente.
Und so geht der Kathederſame mehr und mehr auf, der
ſeit Jahren gesäet wurde. Wird der Landtag mehr und
mehr zu einer Kirchenverſammlung ; beschäftigt man sich
dort mehr transzendentalen, als mit praktiſchen Fragen,
mehr mit der eeclesia militans als mit dem Mllitär
unter den Waffen, mehr mit dem Peterspfennig als mit
dem Staatshudget und den Steuern, die der Steuer-
erheber eintreibt, mehr mit der Unfehlbarkeit des Papstes
als mit der Fehlbarkeit der Miniſter, mehr mit der Un-
freiheit der Schuijugend als mit der Freiheit der Er-