Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

DOI Heft:
No. 127 - No. 152 (1. Juni - 30. Juni)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0545

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext








Donnersſtag, 10. Juni.

er



m El H f §3
s . k §:
nNnEnÊe s. BLZ D Z q E
III:-ſ”IOInNnÙOPOIB Er H H
M u E
G . E B E
f ; M:2 B H w E
t ; ; f Ze. H §
. PU:
t; i ... Z





ü P.: Fd J) sù
s G d g
PE ;
t B 1 B | :p:
l ; s “ u U
> OO 6 MH

Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.













Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage täglich als Abendbla
; Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.

tt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.

















Nochmals zur Frage: ſchwarz und
: 4 ſchwarzweiß.

D.C. Diese jetzt vielbeſprochene Frage hat ſchon in
Preußen selbſt einmal gespielt , und wie Das war, iſt
heutzutage so lehrreich, daß mit einem Wort darauf ver-
wiesen sein mag. Ganz alte Leute erinnern ſich wohl
noch, daß Preußen einſt seinen Verfasſungkampf hatte, und
wenn sie sich ſehr zuſammennehmen , besinnen sie ſich
vielleicht gar, daß dieser Verfaſſungskampf in Wahrheit
nichts Anderes war , als ein Kampf gegen den jetzt so
sehr beliebten Militarismus , der damals genau so ſehr
und ziemlich genau an denselben Stellen als Fluch und
Verderben galt, wie er jezt an selbigen Stellen für Heil
und Rettung ausgegeben wird, vermuthlich weil er ins
zwischen gewachſen und gefräßiger worden iſt. An jenem
Verfaſſungskampfe –~ es war in den erſten ſechziger
Jahren des neunzehnten Jahrhunderts ~ betheiligten ſich
auch die Katholiken im preußischen Lande. Wo Prote-
ſtanten und Katholiken in ziemlich gleicher Miſchung durch
einander wohnten, fragte man möglichſt nicht nach der
Konfesſſion des zu wählenden Abgeordneten ; die Wahl-
männer vertheille man nach Billigkeit oder Gutdünten.
In größeren Städten fielen die Natechismusfragen ganz
fort. Der weit überwiegend proteſtantiſche Wahlbezirk
Bielefeld wählte bekanntlich mit einem förmlichen Eifer
den Nathvliken Waldeck, und Berlin selbſt wählt ihn be-
kanntlich noch jest. Es darf gesagt werden, daß konfes-
ſionelle Momente gegen Waldeck niemals geltend gemacht
wurden. Am Wenigsten von der Fortschrittspartei oder
den National-Liberalen, deren Logik indeß ganz natürlich
an der Mainlinie eine andere wird. Ferner: wenn wir
nicht irren, iſt Forkenbect ebenfalls Katholik, und doch hat
ihn Das weder gehindert, Verfasser des bekannten Kom-
misſionsberichtes zu werden, in welchem der Militarismus
aus allen Batterien des Rechts, der Volkswirthſchaft und
der Finanzkunſt so todt geſchoſſen wurde , daß es ſchier
req t tg Valtatc t t tt Lots
gehindert , Vater oder Mutter oder Hebamme des echt
deutschen National - Liberalismus zu werden, der dieſſeits
der Mainlinie so herzig in konfeſjioneller Schwarzseherei
macht. :

Ja, mehr als Das. Während des Verfaſſungskampfes
oder Militärkonflikts gab es in der preußischen Volksver-
tretung eine katholische Fraktion, die sog. „Partei des
Zentrums“, unter Reichensperger, Ofterrath, Mallinkrodt.
All die Zeit des Kampfes stimmte sie mit der damals
rechtstreuen Majorität gegen den Militarismus ; all jene
Zeit hindurch half ihre Zahl die koloſſalen Mehrheiten
herstellen, mit denen die zollerſchen Rettungsanstalten für

| Deutschland abgelehnt wurden, und all jene Zeit hindurch

hat in Preußen kein Menſch daran gedacht, von unnatür-
lichen Koalitionen zu faſeln, oder die Stimmen der
„Schwarzen“ anders zu zählen als die der Schwarzroth-
goldnen oder Schwarzweißen, oder gar ſsie abziehen zu
wollen von den Faktoren der „eigentlichen“ Volksſtimmung
_in Preußen. Wer gegen das Unthier Militarismus

„immte, Der war eben willkommen im Lande wie in der

Landesvertretung. In allen andern Verfaſſungs- und
Rechtsfragen ebenso , jahrelang , notorisch, ausnahmslos.
Und doch wußte Jeder im Land und in der Landesver-
tretung ganz genau den Punkt und die Punkte , wo die
Parteiſtellung eine andere war reſp. werden mußte. Hätte
die Landesvertretung die zweijährige Dienstzeit - Das
galt ja in jener naiven Zeit für was Großes! ~ mit

Hilfe der katholischen Fraktion, und nur mit dieser Hilfe
durchgeſezl, hätte die Landesvertretung die koſtbare, er-

drückende, rechtswidrige Reorganiſation mit derſelben Hilfe,
und nur mit dieser Hilfe , zu Fall gebracht ~ glaubt

man , die Fortſchrittspartei hätte getrauert ? hätte nicht

Sieg geläutet mit allen Glocken? Sieg geſchwatzt mit
allen Zungen ? oder das Land hätte schwarze Flecken ge-
funden an dem ersparten Gelde ? hätte Papismus ge-
wittert hinter dem ersparten einen Dienstjahr seiner wehr--
pflichtigen Hunderttauſende?! Ausgelacht hätte es Jeden,
t. ü da hätte vorſchwaten wollen von ,ſchwarzer“
ahr. uu
! Was im Norden als zu dumm und zu einfältig
garnicht verſucht werden konnte + ſollte es wirklich ge-

lingen, denSüden damit zu begaunern? ! Was im Norden

ganze fünf Jahre auch nicht mit einer Sylbe als bedenk-
lich, anstößig, gefährlich bemängelt worden + follte Das
hier in Ewigkeit Todſünde sein? Und wenn Katholiken







und Protestanten gut genug sind, im brüderlichſten Durch-
einander sich ausziehen und todtſchießen zu laſſen für die
Zollern – sind sie denn wirklich ſolche Narren, daß sie
ſich nicht lieber in verſtändigem Miteinander überlegen,
ob sie denn auf dieser Welk nur d azu gut genug und
nicht vielmehr zu was Beſſerem da sind.

Aber freilich, jener preußiſche Militärkonflikt war nur
eine rein innere, rein preußiſche Sache, und an der Main-
linie ändert sich , wie ſo Manches, auch Dieses. Sollte
wirklich in Verfolgung ihres deutschen Berufs die Zollerei
ausschließlich konfessionell ſein , ganz streng protestantiſch?
ganz schwarzweiß, nie ſchwarz? Wirklich nie?! Wie ist
uns denn? Hat's nicht einmal ein Govone’ſches Bündniß
gegeben mit Italien? Vielleicht geben die Bluntſchli und
Treitſchte darüber Auskunft, ob der gute König Wilhelm,
der bekanntlich der Hort des Protestantismus iſt, bei dem

Ausland Jtalien zum Kriege gegen Deutſchland ausdrücke

lich und ausſchließlich prote ſtantiſche.. jervs,1 .
hat. Bis jett iſt Das unbekannt. ogaung iner h

Und ist nicht einmal eine Stoßz-ins-Herg?heſche ge-
schrieben worden ? Vielleicht erhalten wir den Nachweis,
daß zu selbigem StoßrinszHerz nicht der Biedermann aus
den Abruzzen ſchlechthin, oyne Ansehen des Glaubens zu-
gelaſſen werven sollte, ſondern nur der ausgeſuchte Prote-
ſtant und Rationaliſt, unter Vorweis seines Tauf- und
Konfirmationsſcheins. Bis jezt verlautet von einer ſo
feinen Unterscheidung nichts. ( Jjzu:

Und hat nicht Bismarck einmal versichert , in Sachen
des Bruderkrieges vor Gott auf den Knieen gelegen zu
haben ? Vielleicht erhalten wir dazu nachträglich die nähere
Mittheilung, wie er es bei diesen Gelegenheiten mit den
konfessionellen Unterschieden der Opfer seiner. Blut- und
Ciſen-Politik gehalten hat. Bis jett liegt darüber ein
zarteres Dunkel als über den armen Opfern ſelbſt.

Und sind nicht eintialt Hannoveraner gefallen bei
Langensalza? und Badensſer am Neckar ? und Schwaben
an der Tauber ? und Bayern an der fränkischen Saale ?
und Sachſen in Böhmen ? Vielleicht ermitteln die süd-
deutschen Bettelpreußen mit ihrer bekannten Genauigkeit
in statistischen Angaben, daß die ,„schwarzweißen“ Spit-
kugeln – „von einigen beklagenswerthen Verirrungen
abgesehen“ + ſich lediglich auf „Schwarze“ geworfen
haben, wie Dieß bei ihrem entſchieden protestantischen Ur-
sprung nicht anders zu erwarten wer. –— —

Verzeihung für den Spott in ſo ernster Sache. Aber

ein größerer bübiſcher und verruchter Hohn iſt es, gegen-

über einer Politik, die ihren Gelüſten ohne Ansehen des
Glaubens und der Konfesſion geopfert hat, von Rücksich-
ten des Glaubens und der Konfession reden zu wollen.
So wahr das Verbrechen konfeſſionslos gewesen ist, ſo
wahr laßt auch die Abwehr und die Vergeltung über
dieſen Unterschieden stehen. So wahr die „protesſtantiſche“
Zollerei von dem katholiſchen Frankreich ſich die Erlaubniß
geholt und mit dem katholiſchen Italien sich verbündet
hat zum Kriege gegen Deutschland, ſo wahr darf in dem
Kampfe Deutschlands gegen die Zollerei Niemand von
Katholizismus und Protestantismus reden, der es mit
diesem Kampfe ehrlich meint.

Politiſche Uebersicht.

Mannheim, 9%. Iuni.

* Die Nachwahlen in Frankreich haben, was das
Ergebniß in den Departements betrifft, den erwarteten
Ausgang genommen, indem ſie der Oppoſition 30 , der
Regierungspartei nur 25 Mitglieder beifügten. Dagegen
hat ſich die Vermuthung, daß die Hauptstadt in jenen
3 Bezirken, in welchen sich Kandidaten der äußersten
Linken und der bisherigen demotratiſchen Opposition gegen-
überſtanden, den Erſteren den Vorzug geben werde,
nicht bewahrheitet. Ein sicherlich ſchwer gefühlter Schlag
für das naboleoniſche Regiment iſt dagegen die Erwählung
des Herrn Thiers, zu deren Hintertreibung die Regierung
j zum letzten Augenblicke alle Federn hatte springen
aſsen.

Y us Spanien hat der Telegraph geſtern und heute
nichts zu melden gewußt, als den ungestörten Verlauf
der Feſtlichkeiten zu Ehren der Verfaſſungsverkündigung.
Neben gewissenhafter Aufzählung der dabei ſtattgehabten
Aufzüge, Parademärſche, der Beleuchtung und des Feuer-
werkes in Madrid hebt eine, aus Regierungsquelle gefloſſene
telegraphiſche Depeſche hervor, daß die Nationalgarde
und die Truppen unter ,begeiſterten“ Hochrufen auf die
Verfaſſung vor dem Kortespalaſt vorübergezogen ſeien.







Im Großherzogthum Hessen hat die zweite Kammer
vorgestern besſchloſſen, die Regierung um Reviſion des
dermaligen Preßgeſeßes und um Vorlage eines dahin ab-
zielenden Geseßentwurfes zu ersuchen. Bei der Berathung
ließen sich in der, zur Mehrheit, national-liberalen Ver-
sammlung ſchüchterne Rufe nach Einführung von Ge-
ſchworenengerichten für Preßanklagen vernehmen; der Be-
richterſtatter des Ausschuſſes verwies ſie aber prompt zur
Ruhe, weil (hört!) dieſe Frage noch nicht sſpruchreif und
weil (hört, hört!) es nicht rathſam sei, dem Reichstag
vorzugreifen ! In letzterer Erwägung liegt „des Pudels
Kern“ — mag etwas noch so gut, noch so dringend ge-

wünscht sein: es ſoll unterbleiben,, bis es von Berlin Ö

diktirt ist; dem Einheitsmoloch ſoll jede freiheitliche Ver-
beſſerung in Süddeutschland geſchlachtet werden. Genau
so hatten's liberal-nationale Wortführer in der bayeriſchen
Kammer gemacht, als es sich vor einiger Zeit um Juſtiz-
reformen handelte , die das Land begehrt und die Regie-
rung vorgeschlagen hatte; nur ist dort die Abgeordneten-
kammer nicht verpreußt genug geweſen, um denUnitariern
Gehör zu geben.

Was den National-Liberalen in Heſſen als für ihr

Land verfrüht erſcheint: in Oesterreich, dem „reaktionen.

nären“, dem ,freiheitsfeindlichen“ Staate , wie ihn das
großpreußiſche Phariſäerthum titulirt, der aber glücklicher-
weise seine Fortſchritte nicht auf dem Wege des Imports
durch den Nordbund erwarten muß, iſt es bekanntlich be-
reits eingeführt. Gegen Ende dieſes Monates wird die
erſte Sißung des Schwurgerichts für Preßanklagen in
Wien abgehalten werden und –~ was ebenfalls als
charakteristiſch angeführt sein mag sich nur mit Privat-
anklagen zu beschäftigen haben.

Deutſchland.

* Aus Baden, 9. Juni. Unsere Regierungs-
blätter zögern dießmal ungemein lange, das Land von der
Tragweite des mit dem Nordbunde abgeschlossenen Ver-
trages über militäriſche Freizügigkeit zu unter-
richten ; während sie sonst immer raſch bei der Hand ſind,
einer von Regierungswegen zur Welt gebrachten Mücke
das Ansehen eines Elephanten zu geben. Es scheinen ihnen
eben die „neuen und bedeutenden Opfer“, welche
Baden durch den Vertrag zu bringen hat, etwas drückend
auf der Bruſt zu liegen; es fällt ihnen schwer, für die
Einhüllung der großen bitteren Pille ein Stück ECinheits-
Oblate aufzutreiben und erstere dem Volke zum Ver-
ſchlucken zurecht zu machen. Und vielleicht nicht dieser-
halb allein das ~ Schweigen. Der Vertrag iſt ein
Hauptglied in der Kette nationalliberaler Bestrebungen
für die Aufrichtung des Einheitsſtaates unter der Herr-
ſchaft der Hohenzollern. Der Vertrag iſt der Fühler,
ob man mit dem Anſchluſſe Badens an den Nordbund
bald vorangehen und den ersten Schritt zur Cinverleibung
desselben in den sich immer deutlicher entwickelnden
preußiſchen Einheitsſtaat machen kann. Die Klugheit ge-
bietet hiebei den Regierungsorganen, möglichſt wenig Auf-
hebens mit dem Vertrag zu machen , eine Beſprechung
deſſelben weder anzuregen noch hervorzurufen ; das Volk
ſtillichweigend in denſelben hineinzuleben und hineinzubringen.
Dieser Plan beſteht offenbar. Er müßte ſich aber als
ein falscher erweiſen, wenn ſelbſt die unabhängige Preſsſe
im Lande dem Vertrage gegenüher nicht ihrer Pflicht ge-
nügen würde. Die Preſſe des Auslandes hat den Ver-
trag bereits zum Gegenſtande ihrer Besprechungen gemacht,
und theilt beiſpielsweiſe der Pariser „Konſtitutionnel“
unſere Auffaſſung, die Lobrede des Hrn. v. Bennigsen
auf den militärischen Freizügigkeitsvertrag wolle nicht
mehr und nicht weniger bedeuten, als eine ſolche Erſchüt-
terung der Selbsſtſtändigkeit Badens, daß die Geschichte
einſt zu sagen haben würde : der Thron in Baden sei im
Jahre 1849 durch den König von Preußen der Demagogie
abgeſtritten worden, um ein Vierteljahrhundert ſpäter in
den Falten der preußiſchen Fahne zu verſchwinden. „Wer
möchte uns der Uebertreibung beſchuldigen !“ — ſo fragt
das bezeichnete Blatt. „Sind der König von Hannober,
der Kurfürſt von Heſſen und der Herzog von Naſſau
nicht entthront worden, weil die Politik Bennigsen: Braun
ihnen nicht zuſagte ? Und wenn ſie ihnen zugejagt hätte,
wäre dann ihre gegenwärtige Stellung sehr verſchieden
von derjenigen jener kleinen Fürſten, sogenannter Bundes-
genoſſen des Königs von Preußen, jysbe. da sie nichts
W rgutn Huter ihre I “qrnug, fis, ur hen ganzen
gebildeten Theil ihrer Unterthanen aufzunehmen, Komödie








 
Annotationen