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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 180 - No. 205 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0799

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1869.











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Sonntag, 22. Auguſt.

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Vie „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Pokalanzeigen 2 kr.

Organ der deulſchen Volksparlei in ..







e –~ täglich als Abendblatt ausgeg ben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanftalten.

















ES handelt sich um Süddeutſchland.

D. C. Sollte man hier im Süden noch nicht wiſſen,
was es heißt, um jemanden würfeln, jezt kann man's
bequem lernen. : ,

Sollte der Süd en noch im Ungewissen ſein, welches
Schicfſal seiner wartet, im Spiegelbilde kann er's jett
schauen : der preußiſch-öſterreichiſche Jederkrieg zeigt ihm in

Worten, was das Schickſal dereinst, vielleicht bald, that-

ſächlich an ihm vollzieht.

Preußen und Oesterreich zanken sich um den Süden,
und der Süden hört zu. Was mit dem Süden werden
soll oder nicht werden, was mit ihm werden darf oder
nicht darf, die beiden Großſtaaten erörtern's öffentlich,
ohne ihn zu fragen. Denn freilich, um ihn zu fragen,
müßte er erſt exiſtiren, müßte es erſt ein Süddeutſchland
geben; das giebt es aber nur landſchaftlich, nicht politiſch.
Politiſch giebt's nur drei Höfe, drei Regierungen und
drei Bevölkerungen.

Indem wir uns erlauben, dteſe Bevölkerungen zu dem
Bewußtſein der wenig beneidenswerthen Lage wachzurufen,
in der über ſie vechandelt wird ohne sie, drängt ſich uns
ſofort die Frage aus, mit welchen Empfindungen wohl
ihre Minister, die doch gewiß längst wach ſind, den Wien-
Berliner Erörterungen folgen mögen. Es muß ein eigenes
Gefühl sein, Miniſter eines souveränen Staats und nicht
gefragt werden. Staatsmann von Einfluß in einem
Lande von einigen Millionen und doch zwei „Ausländer“
die Frage dieſes Landes vor Europa eröctern hören, als
ob man ſselbſt nicht exiſtire. Prangen in Würde und
Macht, und doch behandelt werden wie Luft. So wenig
wir für die Empfindungen der ſüddeutſchen Minister zu
ſorgen haben, dies hier intereſſirt uns doch.

Indeß, wichtiger iſt eine andere Seite der Sache.
Wenn über die Häupter der Südſtaaten hinweg verhan-
delt wird über ihre Rechte, über ihre Machtſtellung, ja
über den Einfluß, den sie noch auf die Sicherung ihrer
eigenen Zukunft haben ~ iſt das ohne Schuld dieser
Sta aten?! Wenn dasſelbe märkiſche Junkerthum,
welches überhaupt ein Deutschland nie getannt hat, ſich
nun herausnimmt, vor ihren Augen durch einen Feder-
ſtrich die Grenze ſsteéen zu wollen, jenseits deren für ſie
das Ausland anzufangen habe ~ ſollten sie selbigem
Junkerthum dazu niemals Anlaß und Vorwand geboten
haben? Können sie ſich ſagen, daß sie ihm ihrerſeits
immer deutlich und richtig die Grenze geſtectt haben, in-
nerhalb deren es sich zu halten habe bei Strafe, etwas
drauf zu bekommen? Können sie ſich rühmen, ſeinen
Ueberhebungen allzeit die gebührende Abfertigung, ſeinem
Andrängen und Aufdrängen das entſchloſſene Nein, ſeinen
Maßloſigkeiten das „Bis hieher und nicht weiter" entge-

gengeſeßzt zu haben?! Iſt den Regierungen dieser Staa-

ten immer die Sympathie ihrer Landsleute werthvoller
geweſen als die Zufriedenheit der zollerſchen Vertreter ?
ein Konflikt mit diesen immer so gleichgülig wie mit
jenen unlieb? ~ Wir fürchten, die Rechnung steht etwas
anders. Wir gestehen, ein ſüddeutſcher Minister, der aus
dem deutſchen Freiheilsſinn ſeines Volksſtammes die Kraft
zu ziehen versſtände, welche ihn alle Junker zu verachten
befähigte + der iſt uns zur Stunde nicht bekannt, und
von einer Politik, wie ſie deulſche Staatsmänner gegen-
über der Zollerei führen müßten und könnten, warten wir

eit lange auf die erſten Proben. Ob ſich das jetzt än-

dert? ob die ungenirte Oeffentlichkeit der Arroganz, die

in der Thile'ſchen Depeſche gegenüber den Säüdſtaaten
liegt, die offiziellen Vertreter dieser Staaten dahin bringt,
sie einigermaßen abzuweiſen und zurechtzuweiſen + ? Es
ſoll uns freuen zu hören.

Inzwischen lautet unſer Auftrag heute wie immer an
etwas weniger hohe Regionen. Was ſsagt der ſü d-
deutsche Bürger zu seinen Vormündern Bismarck-
Thile ? was das Volksgefühl all derer, die an der Donau
entlang wohnen, zu der auserlesenen Anmaßung, die seit
einem Jahrtauſend mit ihren Stämmen verwachsene
deutſche Grenzmark durch einen Federſtrich irgend eines
Thile zum Ausland auch für sie, die Süddeutſchen, de-
kretiren zu wollen? was das Freiheitsgefühl, das Man-
nesbewußtſein jedes Menschen von Ehre zu dem unerhör-
ten Beginnen, daß Großpreußen von Napoleons Gnaden
den Rheinbunds-Protettor auch hier im Süden zu ſpielen
Miene macht? was endlich ſagt das politiſche Gefühl zu
einer Lage, wie sie der ganze Wien-Berliner Schriftwech-
ſel kennzeichnet und wie wir ſie in den einleitenden
Sätzen unſerer Beſprechung ſtizzirt haben ?



Iſt Süddeutſchland denn gar nichts mehr?
Wie es scheint, nein, und wenn man's nicht übel nehmen
will: s a at li ch nicht blos wie es ſcheint, sondern staat-
lich iſt's wirklich nichts mehr und wird auch nichts bleiben,
wenn nicht von Volkes wegen die ſtaatlichen Bildungen
in Süddeutschland von Grund aus mit neuem Inhalt
und dadurch mit neuer Kraft und Zukunftsleben erfüllt
werden.

Könnte es bei solcher Lage auf einen persönlichen
Triumph ankommen, die Volkspartei würde ihn jetzt
feiern. Den Südſtaaten einzeln bietet man die De-
müthigung dieser Thile'ſchen Depeſche ~ denn das ist
sie, für Hoch und Niedrig + und mird ihnen noch mehr
bieten, vor dem vereinten Süden würden ſämmt-
liche Thile, Bismarck, Zollern sehr artig sein. Um d.i e
Südſtaaten einzeln werfen Preußen und Osterreich,
werfen vielleicht bald noch andere das Loos ;, d en v er?
einten Süden würde man umwerben als einen wün-
ſchenswerthen Allürten. Und der vereinte Süden > was
iſt er anders als in unsrer Sprache der Südbund?! und
wenn unſere Partei etwas gewollt hat und will, was hat
sie dringender, wiederholter angeſtrebt als eben diesen
Südbund ?! j

Die Regierungen haben zu dem Verlangen der Volks-
partei die Achseln gezuckt; vielleicht zucken ſie jetzt zuſam-
men über das, was ſie hinnehmen müſſen von mätrtiſchem
Uebermuth. Die Bevölkerungen haben ftill geſeſſen, ſich
lau verhalten; vielleicht fährt's ihnen jett in die Glieder.
Denn, wenn ſie noch einen Reſt von Sinn haben für
ihre Zukunft, hier haben ſie ſie vor ſich. Und nicht erſt
in den Sternen brauchen ſie's zu lesen; die Junker, die
das geſchrieben, ſtehen weniger hoch.

Politiſäze Ueberficht.
Mannheim, 21. Auguſt.

* Ueber dem Trompetengeſchmetter, das gegenwärtig
faſt übecall im friedlichen Deutſchland die Truppen auf
die Cxerzier- und Mandverir-Plätze führt, geht den B is-
mär ><ern das Herz auf. Wie zu Jericho einſt Trom-
peten Mauern zum Cinſturz brachten, ſo ſollen bei uns
jezt Trompeten den Main ausfüllen und dem nordischen
Zäſarismus die Wege nach Süddeutschland bahnen. Auch
der Tod des Marschall Niel blieb nicht ohne anregende
Wirkung auf die Bismärcker. Mit dem Tode dieſes
Mannes sehen sie die Gefahr einer Einsprache Frankreichs
gegen die Ueberſchreitung des Mains vermindert; so daß
ein Karlsruher Offiziöſer dem „Schw. M.“ die geflügelten
Sätze schreibt : „täglich zeigt es sich mehr daß die Eini-
gung Deutschlands sich unaufhaltſam vollzieht; nur ein



vernichtendes Nationalunglück vermag sie zu hindern, und

das kann Niemand wollen."

Ein vernichtendes Nationalunglück! Freilich, dieß
wird kein guter Deutscher wollen und zur Abwehr
eines solchen Jeder bereit sein. Aber iſt denn die
Deuiſchland zugedachte Ve rpreuß ung kein natior-
nales Unglück? Unſcre Bismärcker ſagen nein. Sie sind
vom Zä saris mus beſtochen, der von der Seine an die
Spree sich verpflanzt hat und hier wie dort auf einer
geſchictten und wohlberechneten Verbindung der alten und
neuen Ideen beruht. Der Zäſarismus! spekulirt er nicht
zu gleicher Zeit auf die Anhänger der Vergangenheit und
der Zukunft, der Autorität und Freihein? Er thut es.
Er schöpft seine halbe Kraft aus dem Knechtſchaftsbedürf-
niß gemeiner Seelen, während er die andere Hälfte

aus dem Kreiſe der Liberalen nimmt. Ersteren wirft er

Glanz und Pracht, Würden und Stellen hin , letztere
ködert er damit, daß er ihnen den verhaßten Göten der
Legitimität in Trümmer ſchlagen hilft und ihnen dann
in tückiſcher Umarmung pamphyrartig das beste Lebens-
blut aussſaugt. Der Zäsarismus hat zwei Gesichter; er
lügt nach rechts und links ; ſchlägt heute der Legitimität,
morgen der Freiheit eine Wunde; hetzt die liberalen
Parteien an einander und erntet mit sicherer Hand die
Frucht ihres Streites.

Der sog. National- Li beral ism us , dieser Misch-
maſch von Gewaltanbetung undFreiheitskultus, verſchließt
sich beharrlich der Erkenntniß Deſſs en, und webt freu-
digen Muthes an dem Baartuch eines eingebildeten Vor-
zugs der Einheit . von der Gewalt dazu bestimmt , jeden
freiheitliche Regung und jede volksthümliche Beſtrebung
darin zu ersticen. Der wahren und wirklichen Dem o-
kratie dagegen ſind das Weſen und die Ahſicht

des Züäsarismus überall tein Geheimniß ; lints vom Rheine |



findet sich auch die Demotratie überall in dem gleichen
Wöiderſtande und in dem gleichen Kampfe gegen den
Zäsarismus; ob er nun wie bei uns im Aufgange —
oder wie in Frankreich hoffentlich im Niedergange ber
griffen iſt.

Napoleon der Dritte fühlt, wie ſchwach die Wurzel
iſt, die seine Familie an den Boden Frankreichs feſſelt.
Er ſucht nach Stützen, er gewährt liberal ſchillernde
Reformen und bewilligt eine Amneſtie. Aber die Refor-
men ſind eine glänzende Schale ohne Kern, und der Am-
neſtie jetzt der „Rappel“ im Namen der Demokratie das
männliche Wort entgegen: „Wir wollen keine Be-
gnadigung sondern Gerechtigkeit.!" ~ Solche
Stimmen wirken, sagt die „N. Fr. Preſſe“, wie heilſame
Arznei. Der Gedanke, daß die Macht und Herrlichkeit,
in der wir den Zäſarismus noch ſtroßen ſehen, nicht mehr
lange währen, daß die Stunde der Vernichtung und Ver-

geltung für dieß unſelige Syſtem kommen wird, dieſer

Gedanke kann uns aufrichten und tröſten. Es ist kein
Hirngeſpinnſt und keine ideale Täuſchung, wenn wir uns
im Vertrauen auf die Zukunft über die kläglichen Thats
sachen des Augenblickes hinwegſezen. Dem Zäſarismus,
dem urſprünglichen an der Seine, wie dem nachgemachten
an der Spree, folgt die Freiheit ſo gewiß, wie die Mor-
genröthe der Nacht; ‘denn kein böses Prinzip gewinnt
dauernde Herrſchaft über die Menſchheit, der Freiheit
aber konnte der Dichter das stolze Wort in den Mund
legen: „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ Möge dieß
der Nationalliberalismus bei uns bedenken und Umtehr
halten.

Aus dem Lande Pr eußen iſt die wichtigste Neuig-
keit eine Ordre des Ministers des Innern, welche die
Provinzial - Regierungen anweiſt, daß bei der Auswahl
von Beamten, welche bei den Landraths - Aemtern als
Sekretäre angeſtellt werden sollen, mit ganz beſonderer
Sorgfalt zu verfahren sei. Namentlich ſoll darauf ge-
geachtet werden, daß die Brauchbarkeit eines Beamten in

den Regierungs - Bureaus noch teineswegs die genügende -

Bürgschaft biete, daß derselbe Beamte ſich auch zum Kreis-
sekretär eigne. Es müſſe bei der Auswahl auf die ganze
geschäftliche Brauchbarkeit und auf die Gewohnheit der
Perſönlichket im V.rkehr mit anderen geſehen werden.
Ferner wird ausdrücklich hervorgehoben, daß es zur Auf-
gabe eines Kreisſekretärs gehöre , nicht bloß den Bureau-
dienſt zu verſehen , ſondern auch den Kreiseingeſeſſenen
Vertrauen einzuflöszen und ihnen ein gutes Bei-
spiel zu geben.

Der Niederlassungsvertrag der Schweiz mit Würt-
temberg wird am 1. September in KFraſt treten und
hat am 19. d. zu Bern der Austauſch der betreffenden
Ratifikationsurkunden ſtattgefunden.

Deutſchland.

/\ Heidelberg , 20. Auguſt. In einer vertrau-
lichen Beſprechung einigten sich die anwesenden hiesigen
Wahlmänner Hrn. Dr. W. Blum als Kandidaten für die
bevorſtehende Abgeordnetenwahl aufzuſtellne. Ein Wahl-
mann machte den Vorsſchlag, Hrn. Dr. Regensburger ,
als Kampfhahn gegen die Ultramontanen, aufzuſtellen.
Der Vorschlag wurde nicht unterstützt.

Für Abhaltung des Juriſt ent ag es wird auf dem
Ludwigsplatze eine große Festhalle errichtet. Dieselbe wird
Außen und Innen mit grünen Reisern geschmückt.
Halle iſt zur Aufnahme von 1000 Personen berechnet.
Man zählt auf einen zahlreichen Besuch des Juriſtentages.
Das Wohnungskomite iſt mit der Auffindung von Frei-
Ouartiren für die zu erwartenden Feſtgäſte beſchäftigt.
Es bleibt zu wünschen, daß demselben noch mehr Wohnungen
znr Verfügung gestellt werden. . ru

* Aus Baden, 21. Aug. Die Einkommen-
steuer als einzige Steuer, wir wiſſens, die hat ihre Ge-
gner. Und daß diese ſich nicht auf Seite Derjenigen
befinden die nur geringe oder mittlere Einkommen haben,
wiſſen wir auch, und Viele wiſſens mit uns. Was geht
aber aus dieser Wahrnehmung hervor! Nichts anderes,
als daß den Leuten der großen Einkommen das jjetige
Steuerſyſtem vollſländig pa ßt, da es die geringeren Ein-
kommen zu Gunsten der höheren belaſtet. Und dieß erſi
recht durch die verhaßte indirekte Steuer, die dem armen
Manne, dem tleinen und mittleren Geschäftsmanne, bei
jedem Biſſen Brod; bei jedem Glaſe Wein und Bier ;
beim Kaffee und Thee . . . einen Bruchtherul Steuerbetrag



nicht, und nicht rechts deſſelben Stromes. Deßhalb be- | aus der Taſche zieht; ohne daß der arme und mittlere









Dien.
äl.








 
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