1869.
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Organ der deutſhen Volkspartei in
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der Sonntage und Fefttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. ]
sie einjpaltige Petitzeile 8 tr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen
Paden.
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Voſîtanſtalten.
HBadiſcher Landtag.
* Karlsruhe, 4. Dez. 12. Sitzung der Er ſten
Nammer. Vorsſißender: Vizepräſ. Staatsr. Weize l.
Eingekommen : Petitionen ſämmtlicher Gemeinden des
Hanauerlandes gegen das Stiftungsgeset.
Berathung des Berichts des Geh. Rath Dr. Bluntſschli
über den Gesetzentwurf, die Beurkundung des bürgerlichen
Standes und die Förmlichkeiten bei der Cheſchliezuug
betreffend.
(Ueber die Anträge der Mehrheit und Minderheit
der Kommission haben wir geſtern unter „Aus Baden“
das Nöthige mitgetheilt.) f
Der Herr Berichterſtatter ſpricht für die Vorlage. Er
bezeichnet das. Geſeß als ein ſolches, welches im Interesse
des Friedens die Gebiete von Staat und Kirche trenne.
Jeder Theil, Staat und Kirche, soll innerhalb seines Be-
reichs mit Freiheit walten, jenem ſoll die bürgerliche Che-
ſchließung, dieſer die kirchliche Trauung zufallen. Das
bürgerliche Recht beſtimmtnicht die ganze Gemeinſchaft der Che-
gatten, sondern es ſichert die öffentlich anerkannte Criſtenz
der Che. Diese anerkannte Ehe als Rechtsinſtitut ist die
naturgemäße Vorausſezung und Vorbedingung alles ehe-
lichen Lebens und ebenſo aller religiösen Heiligung der Che.
Nur das bürgerliche Eherecht ſichert die Einheit und Ge-
meinschaft des Rechts für das ganze Volk. Das staatliche Recht
iſt für Alle nothwendig, die kirchliche Ordnung bleibt dem
Gewiſſen der Gläubigen anhenmngegeben. Ö
Hr. Biſchof Kübel: spricht ſür den Minderheitsan-
1wrag. Die Einführung der obligatoriſchen Zivilehe ver-
ſtoße gegen die Natur der Sache, gegen das Weſen der
Ehe. Sie ändere von Grund aus das poſitive Recht
und beruft ſich Redner hier auf Putter, den westphäli-
. ſchen Frieden, den Reichsdeputations - Hauptſchluß , das
M. Organisations-Editt. Auch würden durch die obli-
gatoriſche Zivilehe die Rechte der Einzelnen verletzt, indem
ihnen der Abſchluß der Che, was bei andern Verträgen
nicht der Fall, von ſstaatlichen Behörden auferlegt werde.
Das Gesez sei ein Ausdruck des neuerdings erhobenen
Anspruchs auf Staatsomnipotenz, wonach der moderne
Staat seine Formen und ſeinen Willen ohne Rückſicht
auf die ſittliche Natur der Verhältnisse, auf Religion und
Gewisſſen nach Zwecktmäßigkeitsgründen durchſeße. Ferner
sei weder ein Bedürfniß nach dem Gesetze vorhanden,
noch werde dadurch dec Frieden hergestellt.
Staats-M. Dr. Jolly führt aus: durch seinen even-
tuellen Antrag habe ſich der Herr Biſchof mit ſich ſelbſt
in den Kampf geführt; denn indem er eventuell die Bei-
behaltung des Abs. 1 des § 88 beantrage, gebe er zu,
daß auch eine nur bürgerlich abgesſchloſſene Ehe rechtsgiltig
ſeine könne und trete in unlösbaren Widerſpruch mit der
vorangeſchickten Begründuug, da er, falls der eventuelle
Antrag angenommen würde, nach parlamentariſcher Sitte ,
für das ganze Geſet, alſo das für Prinzip der obligatorischen
Zivilehe zu ſtimmmen verpflichtet wäre. Cs sei der Re-
gierung nicht um den Rangſtreit zu thun, wer zuersſt, ob
Bürgermeiſter oder Pfarrer, trauen soll; ſie nehme an,
daß die Che auch ein Rechtsverhältniß sei und als ſolches
der ſtaatlichen Regelung unterliege und unterſuche nicht,
welche Seite, ob die religiöſe oder staatliche an der Che
die höhere ſei, weil man überhaupt ungleichnamige Größen
nicht vergleichen ſolle. Nur aus dem Zweckmägigkeitsgrund
weil, wenn es dem Publikum freigegeben werde, ſich zu-
erſt kirchlich trauen zu laſſen, ſchon diese Trauung irriger
Weiſe als rechtsgiltig angeſehen werden könnte und dann
ſchwere Nachtheile den blos tirchlich Getrauten erwüchſen
_ Jei das Vocausgehen des bürgerlichen Atles geboten.
Prälat Hol mann wird für den Gesetzesentwurf
ſtimmen. Die Che ſei göttlicher Natur ; aber "es handle
ſich hier nicht um die Einſsezung,, sondern nur um die
Abſchließung der Che. Er hält die Einführung der Zi-
vilehe für eine Nothwendigtkeit.
; Nrof. Herrmann: iſt im Hinblicke auf die pari-
tätiſchen Verhältnisse Deutſchlands, auf die sittlichen Auf-
gaben des Staates und die Rechtsordnung für das Ge-
ſez. Ob fakultativ oder obiigatoriſch die Zivilehe ausge-
ſprochen werden ſolle, ſei erwägenswerth.
Die Herren Frhr. v. Bod mann und Graf v. Ka-
;iù geneck ſprechen gegen den Gesetzentwurf.
Graf v. Berlichingen für denſelben.
; Die Herren Artaria und Bluniſchli verzichten auf
weitere Ausführungen. Hr. Biſchof Kübel wahrt zum Schlusse,
für den Fall der Annahme des Gesetzes mit obligatorischer
Zivilehe, die Rechte der katholiſchen Kirche und des kath.
| Volkes, worauf Staats-M. Dr. Jolly noch kurz erwie-
| dert und die Generaldiskuſſion geſchloſſen wird.
Die Spezialdebatte war eine kurze. Bei der Abstim-
mung wurde der Minoritätsantrag verworfen, das Geſetz
mit allen Stimmen gegen diejenigen der Herren Biſchof
Kübel, Graf Nageneck, Graf von Helmſtatt, Graf v. Lei-
ningen, Frhr. v. Bodmann angenommen.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 6. Dezember.
* Die Ausgaben, welche durch den K r i e g v o n
1 8 6 6 bis Ende September d. J. veranlaßt wurden,
betragen nach einem in Berlin vorliegenden Rechenſchafts-
berichte 150,884,231 Thlr., wovon 81,750,000 Thlr.
auf die Militärverwaltung kommen. Eine große Rech-
nung des Bruderkriegs , der Deutschland zerriſſen , der
Freiheit, dem Wohlſtand des Volkes tiefe Wunden ge-
schlagen.
| Und was hat der Erob er er davon. „Noch iſt die
Muskatnuß nicht durch“; noch hat die taſchenspieleriſche
Berliner Politik nicht den Triumph. Der Nordbund ein
durch Waffengewalt zuſammengehaltenes unfertiges Staats-
gebilde. Der Traum: Alles zu nehmen, durch die Main-
linie geſtört. Zur Stunde kann die Berliner Politik nicht
darauf rechnen, wiederholt einen geschickten Fiſchzug zu
machen. Nur durch einen wiederholten glücklich geführten
weiteren Krieg könnte der Wurf gelingen.
Die innere Lage Preußens, die künſtlich erregten Leiden-
schaften der Parteien, welcher unbefriedigt nach Innen
— Befriedigung nach Außen suchen: das iſt der ſchwarze
Punkt, das iſt es, was den Frieden Europa's betroht.
Ungeduldige gibt es in Wahrheit nur an den Ufern der
Spree – und zu Karlsru he! Mit dieſem Sate
schließt ein geiſtvoller Franzoſe Q, Herr Cherbulliez , den
erſten Theil einer Arbeit über „Preußen und Deulsſchland
im Jahre 1869." Preußen fühlt seine Iſolirung. Von
den ſüddeutschen Staaten wäre nur Baden, das heißt,
deſſen Regierung „bereit“, in den Nordbund einzutreten.
Wegen Baden allein einen Krieg anzufangen, das verlohnt
ſich der Mühe nicht. Das Schlimmſte aber ist, daß dieß
Preußen nicht eingeſtehen, daß es ſich mit dem bis jetzt
Eroberten nicht zufrieden geben kann. Cine solche Er-
klärung würde die National-Liberalen aller Schattirungen
in Wuth versezen und die „National-Zeitung“, ſagt
Cherbulliez, würde in Zornrufe ausbrechen, die alle Fenſter-
ſcheiben in der Wilhelms - Straße zu Berlin in Stäcke
brächen.
Freilich , die National-Liberaten können sich Deutsch-
land nicht anders denken, als zu Füßen des siegreichen preußi-
ſchen Königthums. Roch hängen sie an der Idee des
„deuiſchen Kaiſserthums."“ Sie würden aufjubeln, wenn
das preußiſche Königthum in dieser Richtung und nur in
dieser die Reichsverfasung von 1849 wieder aufnähme;
einen der Fetzen aufnähme, und wahrlich den ſchlechteſten
von denen, zu welchen Preußen 1849 die Reichsverfaſſung
zerriſſen. Gerade das erbliche Kaiſerthum, ja jedes Kanſer-
ihum muß bei Scite bleiben, wenn heute oder morgen
das deutſche Volk von seinem Rechte der Selbſikonſtitui-
rung Gebrauch macht. Dieses Recht iſt du.ch die Ereig-
niſſe von 1866 und durch die ſchmachvolle Haltung aller
Derjenigen, die der Gewalt zugejubelt und vor ihr im
Staube liegen, verdunkelt. Aber es lebt in Millionen
deutscher Herzen und der Tag bleibt nicht aus, an wel-
<em das der.tſche Volt daſſelbe ausüben wird, zum
Schrecken Aller, die bis daher Gewalt gegen das Volk
geübt und die dieser Gewalt zugejubelt haben.
In Frankreich verlangt das wahrhaft freiſinnige und
freigeſinnte Volk die Selbſtkonstituirung. In Oeſterreich
iſt soeben eine Broſchüre erschienen, welche sich für die
„bundesstaatliche Konſtituirung Österreichs" nach dem
Muster der Schweiz und Nordamerika's ausſpyricht und
empfiehlt : die Zuſammenberufung cines Zentralparlamen-
tes, die Errichtung einer Zentral - Exekutive, jedoch unter
Beibehaltung einer vollſtänoigen, dem Nationalbewußtſein
entſprechenden Selbstſtändigkeit der Provinzen. Der Ver-
fasser , Herr Fiſchhof, fordert die Deutſchöſterreicher auf,
in erſter Reihe für dieſes Programm einzutreten und eine
tus für dasselbe herbeizuführen: Mögen sie
mcht zaudern.
. Die Verhältnisse in Irland werden immer ſchwieriger.
Die JFenier verfolgen rückſichtslos ihr Ziel , die angelſäch-
sische Race aus ihrem Landbeſiß zu vertreiben und auf
dem neuvertheilten Grund und Boden die iriſche Republik
zu errichten. Das Unterhausmitglied für Cork , Herr
Murphy, hat einen Drohbrief crhalten , in welchem er
aufgefordert wird, sein Mandat niederzulegen , damit der
feniſche Kapitän Mackay ſich um den Parlamentssit der
Stadt bewerben könne. Die sogenannten „Bandmänner“"
(Ribandmen) , ursprünglich eine Verbindung der Pächter
gegen die Grundbesitzer, ſcheinen neuerdings ihren Wir-
kungskreis erweitert zu hab n , denn dieser Tage ſchlugen
ſie eine „Konseilsveroronung“ an den katholiſchen Kirchen
von Laragh, Lavey, Clifferna und Carrickallen an, welche
den Katholiken verbietet, proteſtantiſchen Handwerkern und
Gewerbsleuten fernere Kundschaft zu ſchenken, unter der
Drohung, die Zuwiderhandelnden nächtlicher Weile in
ihren Häuſern zu vertilgen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 5. Dez. Das neueſte Geſeßz- und
Verordnungsblatt enthält das Geseß : die Maß- und Ge-
wichtsordnung für das Großherzogthum betresſfend.
* Mus Baden „ 6. Dez. Ob unsere Schwarz-
weißen heute das Namensfeſt ihres Herrn und Meisters
~ des großen Nikolas ~~ feiern? ~ der an der Kette
schmiedet, die „ganz Deutſchland umschließen soll.“ Scheint. '
wohl. Wenigstens deklamirte die vorletzte Rummer des
Mannheimer Journal wieder einmal das großpreußiſche
Sklavenlied : „jeder Hellſehende ertenne, daß es ſich nicht
anders geſtalten konnte, als daß wir durch Preußen zu
einer Nation mit einer gleichen Verfaſſung und gleichen
Institutionen werden müssen." Um das Wie der „,gleichen
Verfaſung“ und das Wie der ggleichen Institutionen“
betümmern ſich die Bismärcker nicht. Werden ſie nur in
gleiche Uniform gesteckt und verurtheilt, an dem gleichen
Strick zu ziehen: Das genügt ihnen. Traurige
Menschen, gekennzeichnet im „Vermisſchten“ des heutigen
Feuilletons.
Die Hahl Derer, welche freiwillig in Heideleen. |
Theologie ſtudiren, hat auch in diesem Semester wieder
abgenommen. Dagegen nimmt die Zahl der Karlsruher
(Oberkirchenraths-) Prüfungen, bei welchen etliche Kandi-
daten, welche juſt das Heidelberger Predigerseminar be-
ſuchten, d urch fallen, in bedenltlicher Weiſe zu. Die
Heidelberger (Proteſtantenvereins-) Richtung befindet ich
im Widerſpruche mit der Karlsruher Strömung und
ärgerlich mags ihr ſein, daß manche Badenſer ,von
der orthodox-pietistiſchen Partei“ ſich verhetßen laſſen und
auf andern Universitäten ſtudiren. Um dieſem Umſtande
zu. ſteuern, hat der Dekan der theologiſchen Fatultät
Heidelberg dem Großherzoge eine Vorstellung überreicht,
welche den Wunſch der Fakultät nach Einführung einer
Art von theoretischer Prüfung für alle Theologen in
Heidelberg zum Gegenstande haben ſoll. Dürſte kaum
nüßen. Die Strömung geht nach rechts und je mehr
die Proteſtantenvereinler , die zugleich Großpreußen ſind,
ihrem politischen Wunſche nahe kommen, deſto mehr wird
ihnen in tirchlicher Beziehung der Boden unter den Füßen
verſchwinden. t
Die „Karlsruher Zeitung“ erklärt in Bezug auf die
lezten Ei ſenb a hnunfälle die Aufstellung der „Frfr.
Ztg.“, daß die falſche Weichenſtellungen „lediglich Folge
der Zugsverſpätungen und der Ueberanſtrengung des
betr. Personals „seien, für „unwahr." Das Perſonal sei
„vermöge der ihm obliegenden Dienſtaufgabe vollkommen
in der Lage, seine Pflicht zu erſüllen und dieses auch
dann, wenn ein Zug nichl präzis eintrifft.Ö Im Uebrigen
habe die Verwaltung der badiſchen Ciſenbahnen keine
Untersuchung ihres Gebahrens , sie ſei d u r c< ſie oder
g e g e n sie gesührt, zu ſcheuen. Sie werde nach wie
vor unverdroſſen und unbeirrt auch durch Verdächtigungen
und Uebertreibungen, wie ſie in der Preſſe zu Tage
kämen, ihre Pflicht thun und dürfe hosen, hierin forthin
von einem Perſonal unterſtüzt zu werden, ,„das auch den
grund- und bodenlosen Hetzereien gegen höhere Beamte
dieſes Dienstzweiges gegenüber tre! und fest auf der
Bahn der Pflicht und Disziplin verbleibt“
ziplin; das probate Mittelchen, das ſo Vielen den Mund
verſchließgt. Wenn die Preſſe eben, die geschmähte, nicht
geweſen wäre , so müßten vielleicht heute noch die ſoge-
nann en „gefährlichen Stellen“ dem Dienſtpersonale bezeichn ]
net werden, die so Manchem den Mund für immer ver-
ſchloſſen. Wir wünschten nur , die „höheren Beamteten“
müßten so hin und wieder prattiſche Erfahrungen darin
machen , in wie weit das Perſonal „vermöge der ihm ob-
liegenden Dienſtaufgabe volltommen in der Lage , seine
Pflicht zu erfüllen.“
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