Dienſtag, 27. Juli.
Ytauuheimer
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Hu
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Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird –~ mit UAusnahme der Sonntage und Jeſttage ~
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EE : s Y j§ts §
Die Forderungen der Wahlreformliga. sich entgegenſtehenden Interessen gar leicht gemacht ; wäh- Die Politik der preußischen Regierung von 1866
IV.
) Ref orm der Gemeindeordnung. In dieser
Forderung ſteht die Wahlreformliga nicht allein; denn
dieſe Forderung wird seit Jahren von den verſchiedenſten
Seiten erhoben, und ihre Berechtigung auch Seitens der
Regierung zugeſtanden. Auch soll dem bevorstehenden
Landtage ein bezüglicher Gisetesentwurf zugehen. Wenn
aber auch die Walhlreformliga in dem Verlangen einer
Reform der Gemeindeordnung mit den andern Parteien
einig geht, so iſt nach allem, was verlautet, doch nicht
wahrscheinlich, daß die Volkspartei unbedingt und immer
in die Reformen willigen kann und wird, wie sie von der
Regierung vorgeschlagen und von der herrschenden Partei
voraussichtlich gutgeheißen werden.
Die Volkspartei steht zu enge zu dem Grundsatze der
Selbſtverwaltung und Selbſstregierung des
Volkes, als daß ſie gutheißen könnte, was noch ferner
auf Bevormundung und Unterſcheidung der Bevölkerung
nach Klassen hinausläuft. Der Demotratie gilt im Ge-
meindeleben nicht weniger als im Staatsleben, daß Alles
durch und für das Volk zu geſchehen habe und ſie hat
in ihren Anforderungen weit überholt; was die Gemeinde-
ordnung von 1831 gegeben; abgesehen davon, was in
dieſer 1837 eingeengt und 1851 zerstört wurde.
Der Karakterzug des Deutſchen iſt das Gefühl und
Streben für persönliche U nabh ängigkeit. Jeder
Einzelne ist ſich bewußt, daß er nicht das Rad einer
Maſchine ſein kann; daß. er nicht für die Gemeinde, son-
dern dieſe für ihn da iſt. Jeder iſt sich bewußt, daß er
vor Allem durch ſich und für ſich da iſt; daß er der
Gesellſchaft nur so viel ſchuldet, als zum Wohle des
Ganzen nothwendig, daß eine bürgerliche Oberherrschaft
nur unter der Bedingung rechtlich möglich .iſt, daß ſie.
nichts wissentlich und vorsätlich gegen das Wohl und die
Rechte der Angehörigen der Gemeinſchaft unternimmt.
Die Gemeinde muß deßhalb in ihren Angelegenheiten
unabhängig, sie muß jedem Einzelnen die Elementar-
ſchule der Freiheit sein. In der Gemeinde ſelbſt muß die
Gleichberechtigung aller Gemeindeangehörigen ausge-
sprochen walten. Alle sind berufen, in Gemeindeverſamm-
lungen die wichtigeren Angelegenheiten der Gemeinde zu
berathen und zu beſchliegen und haben ebenſo Alle und
zwar gleichmäßig bei der Wahl oder Ernennung der
Verwaltungsorgane mitzuwirken. Die Wahl hat direkt,
die Abstimmung geheim zu geschehen.
Dieſe Grundsätze ſind überall durchgeführt, wo auf
der Selbstverwaltung der Gemeinde die staatliche Freiheit
aufgebaut und dieſe von jener begründet und getragen
iſt. Unsere Reaktionäre, Konservativen und Liberalen al-
ler Größen schütteln zu solchen Grundsätzen freilich bedenkt |
lich das Haupt und fürchten von ihrer Durchführung die
Auflöſung aller Ordnung und Sicherheit. In ihnen
wurzelt eben zu tief der alte Polizeiſtaat, die alte Patri-
zier-Wemeinde; sie haben keine Liebe für das Volk und
daher auch kein Vertrauen. zum Volke und zur Freiheit . . .
und dieß zumeist, weil sie ſo manchem Vorrecht und Vor-
theil entſagen müssen, wenn gleiches Recht und Freiheit
für Alle an Stelle der Klaſſenherrſchaft und Bevormun-
dung treten.
Y:, den eben ausgesprochenen Grundsätzen iſt aber alles
enthalten, was eine g rün dl iche Ref orm der Gemeinde-
ordnung und der Bürgerrechtsgeſeggebung bedingt. Iſt |
nur erſt die Gleichberechtigung anerkannt, so ist die Gleich-
heit der Pflichten nur noch eine nothwendige Folge, und
î die Formel für die rechte Art der Beſteuerung ge-
funden. Daß alsdann dre lchte Stunde den indirekten
Steuern geschlagen hat, iſt uns kein Geheimniß : wie denn
ferner auch Niemand mehr von den Beiträgen zur Be-
ſtreitung des Gemeindeaufwandes befreit sein wird, wie
dieß nach der jetzigen Steuergeſeßggebung der Fall ist.
Die einzuführende O eff entli cke it der Gemeinderaths-
fihungen wird das Kliquenwesen gründlich beseitigen, den
Gemeinsinn unter den Gemeindeangehörigen entwickeln und
durch Aufklärung des Bürgers über die öffentlichen An-
gelegenheiten die Befähigung desselben zu thätiger Mit-
wirkung für dieselben wesentlich fördern.
In dieſem Geiſte und an der Hand der Gesetze über
Gewerbebetrieb, Niederlaſſung und Verehelichung werden ſich
die Beſtimmungen über Bürgerrechtsantritt, Erwerb des
HVBürgerrechts und die Stellung der Bürgergemeinde zur
&«Einwohnergemeinde leicht finden. Wo Liebe und
Versſtändniß walten iſt der Ausgleich, der oft nur scheinbar
rend Mißtrauen, Vorurtheil und Eigennutz den Hader er-
zeugen und erhalten, der in ſeiner Fortdauer den Ruin
jeder. eſcnſafttichen, Getteinſchott in sich trägt und her-
h t Ihr Urwähler aller Orten und aller Kreise
wendet Eure Stimme nur ſolchen Wahlmännern und Ab-
geordneten zu, welche die Reviſion der Gemeindeordnung
in unserem Sinne erſtreben: im Sinne des Aufbaues
freier Gemeinden, den Pflanzstätten und Stüyen
eines freien staatlichen Lebens.
Politiſche Ueberficht.
Mannheim, 25. Juli.
* Die Geſchichte iſt die beste Lehrmeisſterin der
Völker. Besonders haben die Deutſchen reichlich Ge-
legenheit in derselben über die väterliche Fürſorge sich zu
unterrichten , mit welcher zu allen Zeiten deutſche Fürsten
bestrebt waren, Volk und Vaterland zu beschädigen. Am
24. Juli waren es 19 Jahre, daß die S c<l es wi g-
Holsteiner die für sie unglückliche Schlacht bei Idstedt
gegen die Dänen geschlagen. Aber Schleswig-Holſtein
verzagte nicht. Neu eilte die Jugend zu den Fahnen;
halbe Kinder nahmen die Waffen. Tapfer wurde die
Eider vertheidigt; schon sollte der Krieg von Neuem ans
Dannewerk getragen werden, da rückten Truppen des
Königs von Preußen und des Kaiſers von Obſterreich
über die Elbe; aber nicht zum Kampfe gegen die Dänen,
nein, um die Schleswig-Holsteiner zu zwingen, die Waffen
niederzulegen, dieselben Waffen, die fie ergriffen, um
deutſh zu bleiben. Schleswig - Holstein hat seinen
gefallenen Söhnen’ auf der Haide von Jdstedt ein Denk-
mal errichtet; wackere Männer haben sich gestern daselbſt
zu einer Todtenfeier vereinigt. Die preußiſchen Behörden
haben . ſih zum „Schutze“ des Festes aufgemacht. Die
Schleswig-Holsteiner verlangten die Obhut nicht; ebenso
wenig wie die preußiſche Herrſchaft. Sie werden , gleich
den Frankfurtern und den übrigen Neupreußen , wider
Willen beglückt." Tief mußte es die Kämpfer von 1850
kränken, neben den Fahnen Schleswig-Holsteins den
preußiſchen Adler zu erblicken. Die „Frankf. Ztg.“ vom
Samſtage schrieb: „Wir verstehen diesen Schmerz. Wird
doch auch uns als Schirm und Hort geprieſen, was
unsſere Freiheit vernichte, ja wir ſollen es ſogar lieben
und ehren! Man lehrt es unseren Kindern in der
Schule, unſeren Söhnen auf dem Exerzierplatz. Was
Ruhm war, wird zur Schmach, was Schande,
zur Ehre gestempelt. Und mit einem solchen Sy-
ſteme sollte eine Versöhnung möglich sein ? Nein , das
wäre ein Abfall von ſich selbſt, ein Verbrechen an den
heiligsten Ideen der Menschheit. Das weiß man an der
Cider so gut wie am Main."
Dieser muthigen Auslassung folgte die polizeiliche
Konfiskation auf dem Fuße. Diese Maßregel wird so-
wenig als die ihr vorausgegangenen und nachfolgenden
die „Frankf. Ztg." abhalten, „auszuharren im Rechts-
kampf, ſelbſt unter dem Drucke der Giwalt“ . . . . fort-
zufahren in dem Ausespruche der Mahnung : ,daß die
Frankfurter Bürger vermöge des von ihren Vätern
ererbten Sinnes nie gewillt sein können, Vortheile oder
Nachtheile in Berücksichiigung zu ziehen, die von der Gnade,
das heißt von der Willkür irgend eines Menſchen abs
hängen, immer und immer Angesichts der Ereignisſe von
1866 zu betonen: „Aber, ob man auch das „Preußen
iſt Deutschland“ utter tauſendſtimmigem Kanonendonner
der Welt verkündet, noch iſt Deutſchland nicht
Preußen. Die preußiſche Einheit iſt nicht die deutsche
Einheit." Deſſen ſind sich die Schleswig-Holsteiner so gut
bewußt wie die Frankfurter, ſo gut wie wir Badener,
Hesſen, Württemberger und Bayern links vom Maine.
Dort wie hier Icbt die Ueberzeugung, daß die deutſche
Einheit nicht auf den Trümmern der Freiheit errichtet
werden, sondern daß sie allein aus der Freiheit erwachſen
kann. Und in dieſer Ueberzeugung möge überall das
deutſche Volk erſtarken und niemals der preußischen Kö-
nigsmacht vertrauen, die 1249 gegen die Freiheits- und
Einheitsbeſtrebungen des deutſchen Volkes zum blutigen . . .
Kriege ausgezogen ; die für Schleswig-Holstein erst einge-
treten, als 1hr dieſes Eintreten gleichbedeutend war mit :
Schleswig-Holstein sich zu unterwerfen; die 1866 den
Bruderkrieg heraufbeschworen, um Deutschland sich zu un-
terwerfen. Keine Verſöhnung –~ Feoridauer des Kampfes
gegen die preußiſche Königsgewalt und die Politik der-
selben, wo wir sie finden !
wird auch in den alten preußiſchen Provinzen immer nach-
drücklicher beklagt, wenn auch noch nicht durchgehends
verurtheilt und bekämpft. So auch von dem Jahres-
berichte der Handelskammer in Insterburg , in dem es
wörtlich heißt : „Seit Beendigung des Krieges von 1866
sind nunmehr 2 Jahre verfloſſen, von welchen wir nur
hoffen können, daß sie in den Annalen des Handels von
Ostpreußen und ſpeziell von Insterburg als einzige zu
verzeichnen sein möchten. Wenn wir in dem Handelsbez
richte vom vorigen Jahre den Glauben ausgeſprochen
| haben, daß das Geschäft einen größern Aufschwung
nehmen würde, so müssen wir gestehen, daß wir unn
vollständig getäuſcht haben, und daß die Reſultate des
Jahres 1868 gegenüber denen des vorigen Jahres noch
weiter zurückſtehen. –~ Unsere Provinz mag gleich dem
gesammten Vaterlande von der Fortdauer der politiſchen
Unsicherheit nach Außen hin zu leiden haben; es mag
die noch immer bestehende Befürchtung einer Störung
des europäiſchen Weltfriedens jede Unternehmungsluſl,
spekulative Geschäfte und den Kredit in möglichſt enge
Schranken zu bannen, und nach dieser Richtung hin
wollen wir gerne zugeben, daß unsere Klagen nicht
ſchwerer ins Gewicht fallen mögen, als diejenigen, welche
von allen Orten erhoben werden. – Wir vermögen nur
schüchtern die Hoffnung auszusprechen, daß gesichertere Zu-
ſtände ein größeres Aufblühen des Handels und Ver-
kehres recht bald ermöglichen möchten, obſchon wir uns
nicht verhehlen können , daß allem Anſcheine nach die
nächſten Jahre unsere dahin gehenden Hoffnungen schwer-
lich verwirklichen werden.“
Zur franz öſch-belgiſchen Angelegenheit wird ger
meldet, es sei der Vertrag zwiſchen der französischen
Ostbahngesellſchaft und der belgischen Staatsbahn ~ auf
Grundlage des durch die gemiſchte Kommisſion getrofse-
nen Uebereinkommens ~ bereits ausgearbeitet und man
erwartet auch die Zustimmung der niederländiſchen Eisens
bahngesellschaft, so daß die durchgehenden Züge auf den
französisch - belgiſch - niederländiſchen Bahnen demnächſt in
Dienst treten werden. Ferner heißt es, eine zweite Kon-
vention, welche die gleichmäßig festzuſeßenden Taxen bes
trifft, wäre durch die französiſch - belgiſche Kommission
gleichfalls vollendet . . . und somit von ihr der Weg ges
ebnet, berührte Angelegenheit zum befriedigenden Abſchluß
u bringen.
: In Paris, der „Temps“ bestätigt dieß, findet man
es ganz nalürlich und unvermeidlich, daß die Linke ſich
wegen einer Geſammt-Erklärung nicht einigen konnte.
Die Verſchiedenheiten der Ansichten, welche unter den Mit-
gliedern der Linken bestehen, kann man übrigens dieser
nicht zur Laſt legen, denn sie iſt eine unvermeidliche Folge
der allgemeinen Abstimmung. Uebrigens darf man aus
demjenigen, was vorgeht, nicht den Schluß ziehen, daß
in einem Augenblick der Kriſis der Linken die Einigkeit
fehlen werde; im gegenwärtigen Augenblick aber sei eine
solche keineswegs so unbedingt geboten. Was ein Pro-
gramm betrifft, so ſieht man nicht recht ein, wozu es hätte
nüßen können. Von zwei Sachen, so ſagt der „Temps“
~ tine; entweder das Programm reſpektirte das dyna-
stische Prinzip und alsdann, so breit und so liberal es
immer sein mochte, so konnte es nur die Entwickelung
und die Ergänzung des Programmes des linken Zentrums
sein! oder es reſpektirte das dynastische Prinzip nicht,
und alsdann ſtellte es sich auf den revolutionären Boden
und entschied aus Autorität, aber ohne Wirkung, eine
Frage, welche die Erfahrung allein löſen kann und löſen
wird. Das Kaiserreich hat. fortan nicht mehr die Wahl,
es iſt genöthigt, mit der Freiheit zu leben. Kann es
dies ? Wir wiſſen davon Nichts; es weiß ſelbſt Nichts
davon. Es wird es sehen und wir werden es sehen, aber
es ist überflüſſig, sich im Voraus darüber auszusprechen.
Das Experiment ist in Angriff genommen, aber die Rolle
der Linken ist für jezt die eines Reserve-Korps, einer
Nachhut oder eines Obfſervationskorps. Sie muß den
Ausgang des Versuches des linken Zentrums abwarten
lu tt fh die Linke jeßt in der Kammer an die
Spitze der Bewegung stelle. Sie kann das nicht; man
thut nicht, was man will im konstitutionellen Räder-
werk. Das haben wir mehr wie oft genug gesagt bei
den leßten Wahlen, und die vorliegende Erfahrung gibt
uns, wie uns bedünken will, vollſtändig Recht.“ :
Das offiziöſe Journal der itali eniſche n Regierung
erklärt die Mittheilung für erfunden, daß zwiſchen Italien
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