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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 102 - No. 126 (1. Mai - 30. Mai)
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JZ. 111.

Mittwoch, 12. Mai.













Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.



~

Die „Mannheimer











Bestellungen bei der Expedition Q 1 Nr.

Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementzspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.





Eine Feldpredigt vor der Schlacht.

Andächtiger Zuhörer!
Drei Worte nenn’ ich Dir inhaltsſchwer,
1866, Steuer und Militär.
Diese Worte sollen sein Dein Glaubensbekenntniß, Du

ſollſt sie Dir einprägen in Dein Gedächtnig, sollst sie ſchreiß

ben an die Pfosten Deiner Thüren, ſie einſchärfen Deinen
Kindern, denn Eines ist immer die Folge des Anderen,
und keine Depesche iſt so fein geſponnen, ſie kommt an's
Licht der österreichiſchen Enthüllungs-Sonnen.

Jo aber, höre ich einige Ungeduldige unter Euch ſa-
gen, was geht denn Das uns an? Sehr viel, meine
Lieben, denn warum habt Ihr denn gezittert, als das
Wort „Steuer“ an Eure Ohren geklungen? Warum iſt
Euch deun ein Sobbe-Pugtki-Hausknechtiſcher Schreck durch
die Glieder gefahren, als ich Euch „Militär“ zurief?
Warum endlich überlief es Euch so cigarren-, bier- und
millionenkontributionsschauerlich, als Ihr die unſchuldige
Zahl „1866“ hörtet ? f

Was hat denn Schuld daran, daß Ihr, die Ihr doch
ſonſt nicht so furchtſam und nervös ſeid, zittert bei dem
Gedanken, dem genialen Vervollktommner der beiden letzten
Dinge, dem Erfinder von neuen Steuerprojekten, dem gro-
ßen, herrlich zuſammengeraubten „Preußen“ in die Arme
zu fallen, in die Arme, die, wie die eiserne Jungfrau,
Das, was sie einmal haben, nicht eher loslassen, als
bis es ausgepreßt wie eine Zitrone und zu schwach iſt,
um noch Widerſtand leiſten zu können.

Das iſt daran Schuld, meine Andächtigen, daß Euer
geſunder Menſchenverſtand doch noch nicht, wie es gewisse
Leute, genannt National-Liberale, ‘haben möchten, so ſchlecht
iſt, daß Ihr dem Grundsatze huldigtet : „Macht geht vor
Recht," oder Euch, wie man es in der Blumenſprache
nennt, „auf den Boden der gegebenen Thatſachen ſtellt."
Da bin ich nun mit einem Sprunge bei der Sache.

Diese National-Liberalen wollen Euch ködern, indem
ſie Cuch wie die Lorelei Ihre Melodien von C inigung
Deutſchlands, Zollverein, Freiheit durch An-
ſ{<luß an den norddeutſchen Bund so lange vor-
ſingen, bis Ihr erſt langſam, dann immer ſchneller dem
Strudel zutreibt, der Euch rettungslos verschlingt, Euer
Hilferufen „Ich Dummkopf" nur als ſpöttiſches Echo
„Dummtopf“" zurückrufend.

Einig ung Deutschla nds! Die National-Libera-
len sagen Euch: Wir wollen die Cinigung durch den An-
schluß der süddeutschen Staaten an den Nordbund, wir
wollen, daß diese ſüddeutſchen Staaten ſich ganz und gar
dem lieben Preußen, das ſo freundlich war, uns im Jahre
1866 zu prügeln, demüthigſt zur Verfügung ſtellen, ja
fußfällig bitten, es möge sie gnädig annehmen als
reuige Sünder: sie wollen ja Alles thun, sie wollen
Bier-, Branntwein-, Gas-, Petroleum-z, Börſen-, Salz-
Steuer c., kurz Alles mittragen helfen, nur um die
Ehre und das Vergnügen zu haben, Ihren reſp. Euren
E:tzhtatet zur Versügung des braven Preußen ſtellen zu
önnen.

Aehneln sie nicht dem Hunde, der daher kriecht, die
Hand, die ihn gezüchtigt, zu lecken ?

Zollverein!
nal-Liberaler, daß es noch einen Schulknaben gibt, der
nicht wüßte, dieser norddeutſche Bund brauchte uns viel
nothwendiger, als wir ihn, daß dieses sonst so gewaltthä-
tige Preußen doch nicht zu einer Represjſalie greifen wird,
wobei es sich, um mit dem Volke zu reden, in den eige-
nen Finger ſchneidet.

Freiheit durch Anſchluß an den n orddeu t-
ſchen Bund ! Wer lacht da? Auktrichtig geſtanden,
iſt Ciner unter Euch, dem bei Anhören dieser Phrase nicht
lächerlich zu Multhe iſt, Der trete vor, und ich will ihm
erklären, daß er bemitleiden soll Denjenigen, so noch ſolch'
kindlichen Gemüthes iſt, zu schwören auf die Apostel
„Braun, Lasker, Tweſten“ tc. und wie Alle heißen, de-
nen geſprochene Worte nur da ſind, sie nicht zu halten,
und die Sprache, nicht um ihre Gedanken dahinter zu
verbergen, ſondern „diesem Ministerium Bismarck" nicht
wie ſie früher ſchrieen keinen Heller, jezt aber ſehr viele
Thaler zu bewilligen.

Sehet hin auf diese armen Teufel, wie sie kriechen,
um immer neues Waſſer in das durchlöcherte Militär-
Sieb hineinzugi ßen, wie ſie im Schweiße ihres Angeſich-
ties ſich abmühen, um ein freundliches Lächeln oder einige
„Butterbemmen“ bei einer Soirée des Grafen Bismarck
zu erhaſchen, ivozu dann, freilich nicht zum Butterbrode,



Ja glaubſt Du denn, Freund Natio-



wohl aber zum Waſſerſchleppen die ſüddeutſchen Brüder
gut genug wären. Lacht ſie nicht aus die edlen Herren,
die erſt eine „verhungerte Schullehrerswittwe“ sehen wol-
len, die Ritter vom Herrenhauſe, die nur dann empfind-
lich werden, wenn es ihr eigenes Interesse betrifft, wenn
man ihnen wie dem Stier das rothe Tuch „Branntwein-
ſteuer“ vorhält, nein, meine Geliebten, lacht ſie nicht aus,
dieſe Verblendeten, denn és wird eine Zeit kommen, wo
ihnen die Augen aufgehen und sie mit Schrecken einſehen,
daß sie gesündigt. Dann aber werden sie rufen: „Volk,
wo biſt Du ?“ Das Volk aber wird ſie nicht aufnehmen
in das ſelbſtgeſchaffene Paradies, aus dem sie ſich durch

eigene Schutd vertrieben.

Darum, meine lieben Andächtigen, gehet in Allem mit
der Volkspartei, und da es nur durch Maſssentund-
g e b ung en Eures Willens möglich iſt, den mastirten
Preußen-Speichelleckern zu imponiren, so legt die Hände
nicht faul in den Schooß, sondern werbet unter Euren
Bekannten Rekruten für die gute Sache des Volkes!



Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 11. Mai.

* Die Nachrichten über die Ka rliſten-Verhaf-

tungen in Barcelona bestätigen sich; man zählt an-
geblich hundert Gefangene, darunter zwei Oberſten und
mehrere Offiziere geringen Grades, theils pensionirt, theils
im aktiven Dienste , außerdem eine Anzahl Unteroffiziere
des benachbarten Forts Monjuich und vierzehn Geiſtliche.
Unter den vorgefundenen Beweisſtücken sollen auch viele
von Don Karlos ausgefertigte Ernennungen zu militä-
riſchen und bürgerlichen Aemtern in Katalonien ſich be-
finden. Sonſt iſt aus Spanien heute nichts zu berichten,
als die unklare telegraphiſche Nachricht , daß in der vor-
geſtrigen Kortesfitung ein Regierungsmitglied erklärt habe,
vor Erhebung Spaniens zum Rang einer Großmacht ſeien
Verhandlungen über die Abtretung Gibraltar's nicht
zulässig.
' " Po rtugal bringt der Telegraph neben einer
nicht überraſchenden eine unbestimmte Meldung. Erstere
wiederholt , was männiglich bekannt iſt, daß auch Por-
tugal an Finanznöthen leidet; Letztere ſpricht von einem
in Liſſabon ſtattgehabten, aber fehlgeſchlagenen militäriſchen
Aufstandsverſuch. Beim Mangel jeder näheren Angabe
ſind wir auf die Vermuthung angewieſen, daß man es
bei dieſem ,„Aufstandsverſuche" mit einer Wiederholung.
des kürzlich ſtattgehabten Widerstandes einer Truppenab-
theilung gegen Einſchiffung zum Dienſt in Oſtafrika zu
thun hat.

Auch in Norwegen tritt die Frage wegen Einfüh-
rung der Zivilehe lebhaft hervor. Das Adelshaus der
Landesvertretung hat ſich daſür ausgeſprochen , indem es
einem Vorschlage seines Kirchenausſchuſſes, wonach nach
eigener Wahl der Brautleute die bürgerliche Ehe vor dem
öffentlich n Notar abgeſchloſſen werden kann, mit 45
gegen 32 Stimmen ſseine Genehmigung ertheilt hat. Aus

dem dortigen Volksthing (Abgeordnetenhaus) iſt ebenfalls

etwas Erfreuliches zu berichten. Der Geſeßgebungsaus-
schuß de,jelben hat in Vorſchlag gebracht, daß der deutſche
Sprachunterricht auf den norwegiſchen Realschulen nicht
mehr bloß drei, sondern vier Halbjahre lang ertheilt
werden ſJoll.

So emsig im Königreich It alien die Regierung ist,
republikanische Pläne abzuwehren, zu entdecken und viel-
leicht auch zu . .. . erfinden. – „Wo nichts h.raus zu
verhören iſt, da verhört man eben hinein“ , ſo wenig
verspürt sie Luſt, kleinlichen klerikal-reaktionären Demon-
trationen gegenüber Polizei und Gendarmerie aufzubieten
und zum Apparat disziplinärer Maßregelungen zu greifen.
Vom Gemeinderath in Reggio, wo der Biſchof die Ab-
ſingung tines Tedeums am Namenstage des Königs ver-
weigert hatte, zu einem Einschreiten gegen den wider-
sſpenstigen Kirchenfürſten aufgefordert, hat die Regierung
abſchläglich geantwortet. Sich in ſolche Dinge einzu-
mischen, erklärte ſie, ſei eine heikle Sache ~ man hat
Das , im Vorbeigehen gesagt, anderwärts in neueſter
Zeit recht verſtändlich erfahren ~, nndderbeſte, der allein
zweckerfüllende Damm gegen den Einfluß derartiger Auf-
reizungen ſei die Verbreitung der Aufklärung durch Ver-
beſſerung des Schulunterrichtes. Als Antwort auf die
Herausforderung des Biſchofs solle die Gemeinde neue
Schulen errichten, gute Lehrer wählen und Prämien zur
Aufmunterung ausseygen, denn in der Erziehung und dem
Unterricht des Volkes liege eine Garantie gegen den Aber-



glauben , der immer nur auf Unwissenheit begründet ſei,
jede Ziviliſation hindere und eine nützliche Waffe in den
Händen Derer sei, welche die Barbarei zu erhalten ſtreben,
um das Land wieder unter den Despotismus zurückzu-
führen. .



Deutſchland.

* Karlsruhe, 11. Mai. Die „Karlsr. Ztg.“
veröffentlicht heute, der Großherzog habe am 21. April
folgenden Befehl erlaſſen : „Nachdem Mein geliebter Herr
Bruder, Punz und Mar kgra f Wil hel m von Baden,
Großherzogliche Hoheit, das früher eingereichte Gesuch um
Enthebung vom Diviſions-Kommando aus Familien-Rück-
sichten dringend wiederholt , genehmige Ich dieses Geſuch
unter Anerkennung seiner treuen Dienſte." In Folge
dieſcs Befehls iſt ~ wie ſchon gemeldet Kriegsminister
v. Beyer mit der Führung des Diviſions-Kommandos
betraut und hat derselbe jezt, nachdem er eine Kurreiſe
nach Karlsbad unternommen , im Kriegsminiſterium und
Div.-Kommando Stellvertreter erhalten.

Die Sergeanten E. Weick im 5. Inf.-Reg., F. Zah-
ler im 3., F. Hänsler im 1., Ph. Freund im 5. Inf.-
Reg. wurden unter Versezung zum 4. Inf.sReg. und
H. Walser im 4. Inf.-Reg. zu Zahlmeistern ernannt.
Zahlmeiſter K. Ug wird vom 4. zum 5. Inf.=Reg. ver-
ſezt. Oberpferdearzt N. Kälble vom 83. Drag.-Reg.
wurde zum 1. Drag.-Reg. verſeßt und Pferdearzt M. Beck
beim 8. Drag.-Reg. zum Oberpferdearzt ernannt. ~
Der mevisionsasſiſtent F. Bartenbach bei der Domänendireksz
tion wurde zum Revisor bei dieser Stelle ernannt.

[) Karlsruhe, 10. Mai. Die wachſende Aus-
dehnung im Vertehrsleben hat im letzten Jahrzehnt viel-
fache Neuerungen hervorgerufen, die sich auf sämmtliche
Theile des Beförderungswecſens erstrecken, insbeſondere aber
bei der Poſt und dem Telegraphen eine beachtenswerthe
Umgestaltung nothwendig gemacht haben. Ungeachtet
Deſſen läßt die Verschiedenheit der Behandlungsweise,
sowie die kleinliche, Durchführung der beſtehenden Vor-
schriften noch Manches zu wünſchen übrig, und es fallen
dieſe, theils durch irrige Auſſaſſung, theils durch allzu-
stramme Durchführung durch das Expeditionspersonal oft
geradezu lästig. Unsere heutige Anregung gilt einem
Mißſtand beim Telegraph endi enſt, von welchem wir,
da er nur an einzelnen Orten Uebung iſt, annehmen
dürfen, daß hier nur übel verſtandener Dienſteifer zu
Grunde liegt. Ihrem Berichterſtatter, wie auch Anderen,
iſt mehrfach ſchon hier auf dem Residenz-Telegraphen-
Bureau bei Aufgabe von Telegrammen, die nur mit dem
Taufnamen unterſchrieben waren, die Beiſügung des Ge-
sſchlechtsnamens bedeutet ~ ja ſogar die Abſendung des
Telegramms hiervon abhängig gemacht worden. Wir
glauben uns zu erinnern, daß das btr. zur Aufzeichnung
der Depesche dienende Schema zur Bekanntgebung von
Name und Wohnung eine Rubrike führt; ~ es kann
Dem jedoch nur die Absicht unterliegen, bei eintreffender
Antwort und mangelhaſster Adreſſirung bei Beſtellung der
Erſteren als Leitfaden zu dienen, und es läßt sich deren
Zweckmäßigkeit keineswegs bestreiten. Wir beſtreiten aber,
daß damit ein Zwang geübt werden darf, und halten
diese Art und Weise, die Perſon des Aufgebers feſtzuſtellen,
für läſtig und geradezu für einen Eingriff in die Freiheit
der Korrespondenz. Unter Hinweiſung auf die von uns
feſtgehaltene Anſicht, daß dem gerügten Verfahren manchen
Ortes allein nur eine mehr als vorgeſehene Auffaſſung
zu Grunde liegt, beabſi.htigen wir, daß durch Bekannt-

gebung dieſes Mißſtandes von Seiten der der Tele-
graphenansſtalt vorgesetzten Behörde die erforderliche Vor-
kehrung zu deſſen Abſtellung getroffen wird. .

FI Aus der Reſidenz- 11. Mai. Für die
Gewinnung von Arbeitskräften in allen Theilen des Lan-
des iſt es der „Bad. Losztg.“ ſehr erfreulich gewesen: „zu
vernehmen, daß in neueqter Zeit ganz in der Stille die
Beurlaubung zahlreicher Mannjichaften unseres Mili-
tärs theils ſchon vollzogen iſt, indem solche zur Verfügung
beurlaubt und vicle ledige Stellen offen gelaſſen wurden,
theils nach den verschiedenen Hauptübungen der Truppen-
theile eintreten soll.“ Auch die alljährlich gewohnte große
Sommerbeurlaubung ſoll im Monat Juli wieder
sſtatthaben. Das genannte Blatt hält Diet für um so „aner-
kennenswerther“, als die ohnehin nur auf dem Papier
feſtgeſtellte dreijährige Präſenz jett ſchon thatſächlich nicht
ganz 2/2 Jahre betrage: So machen's die Regierungs-

organe. Zuerſt erklären ſie Jeden für unwissend und un


 
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