F. 156.
Sonntag, 4. Juli.
auuheimer
Organ der deutſchen Volkspartei in
Paden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchla
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition Q 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanstalten.
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,
ss
Zum Kapitel: Krieg sbedrohung.
) Norddeutſchland muß bewaffnet und wachſam
sein; denn es hat keine Bürgschaft für die Absichten
Frankreichs und Oſsterreichs. So beurtheilt Graf Bis-
marck die Lage, indem er wohl für Preußen in Anspruch
nimmt, die Regierungen von Frantreich und Osterreich
seien gehalten, Preußen ruhig und ungestört ſeine Plane
durchführen zu lassen.
Und Preu ßlen geht darauf aus, Süddeutschland dem
Prager Frieden entgegen , ſeiner Botmäßigkeit zu unter-
werfen, sich zum Herrn in Deutſchland aufzuſchwingen, ein
großes und mächtiges Zäſarenreich zu errichten. Dieß
muß freilich die Eiferſucht des Zäſars an der Seine her-
ausfordern; dieß muß Oesterreich beunruhigen , nachdem
außerdem breußiſcher Cinfluß beſtrebt iſt, die czechiſche
Agitation anzufeuern und Oesterreich im Innern Verlegen-
heiten zu bereiten.
Was Osterreich betrifft, ſo unterhält die preußische
Regierung ein Blatt , die „Korrespondence in Berlin“,
welches der czechiſchen Nationalität zuruft, es sei
vorauszusehen , daß das in Peſt und Agram bereits na-
tionale Recht , kraft derſelben Grundſäte und kraft der-
ſelben Nothwendigkeiten des Staates in Oeſterreich einen
nicht minder vollſtändigen Sieg in Prag und Brünn er-
ringen werde. Die „Neue Fr. Preſſe“ entnimmt hier-
aus, daß die Sympathien der preußiſchen Re-
gi erung, wie dieß vor 3 Jahren die Proklamation „an
die glorreiche böhmische Nation“ gezeigt, noch immer dem
„nationalen Rechte" der Czechen gehören, und macht das-
ſelbe Blatt hiezu die folgenden wohl nicht unberechtigten
Bemerkungen: „Da damals Krieg war und heute Friede
ſein soll, ſo wäre anzunehmen gewesen, daß die Stellung
Preußens zu den czechiſchen Agitationen eine andere
würde. Das ist, wie man sieht, nicht der Fall. Für
die preußiſche Regierung besteht Oesterreich gegenüber der
Kriegszuſtand fort. Dem ggzechiſchen „nationalen Recht“
opfert diese preußiſche Regierung bereitwillig das nationale
Recht der Deuiſchen in Böhmen und Mähren. Die
Politik des Schirmherrn des Nordbundes für die Wieder-
herſtelung der Wenzelskrone, und das nennt man in
Berlin d e utſch sein. Es kann keinen stärkeren Beweis
dafür geben, daß das Preußenthum die nackte Verneinung
jeder deutschen Regung ist, als obiges Citai. Deutschland
iſt von den Kosaken, bedroht denn die Haltung der ,„Corre-
ſpondence de Berlin“ ist einfach russisch.
Preußen fordert demnach Oesterreich fortgesezt heraus,
und so ist es nicht die Unklarheit über die Absichten
Osterreichs, was Norddeutschland veranlaßt „bewaffnet
und wachſam“ zu sein; sondern es iſt die Fortſetß ung
der preußiſchen Eroberungs politik, welche dieß
dem Norden gebietet. Die preußiſche Politik Oesterreich
gegenüber iſt darauf gerichtet, die Deutschen im Kaiser-
staate mit Furcht und Angst vor einer drohenden Ver-
gewaltigung durch die nichtdeutſchen Nationalitäten zu er-
füllen und sie naturgemäß dadurch dahin zu treiben:
Schutz bei Preußen zu suchen. Dieß weiß man in Wien
wohl zu beurtheilen und wenn man daselbſt Alles wahr-
nimmt, um die Intereſſen Oesterreichs zu ſchüßen, so
darf dieß keineswegs, wie man es so gerne von Berlin
aus thut, als „Vergeltungs politik “ ausgegeben
werden. Niemand denkt in Oesterreich daran, die neuen
Grundlagen des Verhältnisses zwischen Deutschland und
Osterreich mit den früheren zu vertauschen , aber — o
ſchjießt ein beachtenswerther Artikel der „A. A. Z." über
„Großpreußen und Obeſterreih“ ~ „aber die einseitige
Ausbeutung dieſer Grundlagen von Seiten Preußens
liegt nun einmal nicht im öſterreichiſchen Intereſſe, und
hat auf öſterreichische Unterſtißung weder dirett noch in-
direkt zu rechnen.“
Die Kriegsgefahr für den Nordbund wird deßhalb ſo
lange beſtehen, als die hohenzollernſche Politik eine Po-
litit der Eroberung ſein wird;, ſo lange ſie die
Interesſenpolitik der benachbarten, auf gleicher mehr oder
weniger ſcheinkonstitutioneller Grundlage beruhenden Ge-
walten, durch die Sucht, die Herrſchaft Preußens zu er-
weitern und zu verſtärken, herausfordert. Diese Kriegsge-
fahr für den Nordbund iſt aber eine allgemeine; eine
Gefahr für die Völk er, und wird überhaupt, ob nun
inzwischen auch Schlachten geschlagen und Siege errungen
werden, so lange andauern, als die Völker den Militaris-
î mus nicht überwunden, als sie nicht ihren Willen ~ den
Willen für friedliche Entwicklung, Recht und Freiheit und
Wohlergehen Aller, zum maß gebendjen gemacht haben;
sönlichen Regiments."
so lange nicht die Volkspolitik diejenige der Kabinette ab-
gelöſt haben wird.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 3. Juli.
* In Süddeutschland schauen die Bismärcker
düster drein. Ihr Herr und Meister ging nach Varzin;
die Maschine der „ganzen Arbeit“ wurde in die Remise
gerollt; am Main ist's ſtill und ruhig. ~ Der Süden
iſt sicher vorerſt. So verzeichnen Demokraten und Groß-
deutſche. A b er wenn der Süden ſicher iſt, dann bleibt
Deutschland getheilt! Das ist der „Demotr. Korresſp.“ keine
frohe Botschaft und sie beklagt, daß wir im Süden ſicher
ſind, nicht in Folge seiner Abwehr; daß nirgends der
„rettende Gedante“ aufblitt, für jezt und immerdar; daß
die gemeinſame deut ſche Arbeit noch nicht die rechte
Art und Förderung gewonnen; „denn so wahr dies
deutscher Boden und ſo wahr hier bisher alle beſte Frei-
heitsarbeit geschehen und gediehen im vaterländischen Geiſte,
so wahr wird auch fortan das rechte Gedeihen erſt wieder- |
kommen, wenn es überall geſchieht im deutſchen Sinn,
mit deutschem Trieb, mit deutschem Zug.! 2
Im Einzelnen viel Leben. Cs kommt darauf an,
diesem ein Gemeinsames als nächstes Ziel zu ſezen. Und
dies ist leicht gegeben. Es ist ein allgemein faßliches,
gleichmäßig interessirendes, allseitig bedeutendes, durchgrei-
fendes + es ist die Frage des Militarismus, es iſt die
ſü dd de ut sche Militärfrage. Machte und Frei-
heitsfrage zugleich, Finanzfrage und Wirthſchaftsfrage, für
Bürger und Bauern dieselbe wie für alle Staaten von
Wien bis Karlsruhe, im Kampfe gegen die Bollerei, ja
im Kampf des Jahrhunderts die entscheidende so bil-
det sie deu natürlichen Boden: für eine erſte gemeinſame
Bewegung, die der gesammte Süden in sich zu vollziehen
hat als nothwendige und durchgreifende Vorarbeit für die
Wiederbefreiung des Nordens, für die freiheitliche Wieder-
vereinigung des gesammten Vaterlandes. . . .
In Norddeutschland lebt man immer in Hoff-
nungen und Täuſchungen. So knüpften die dortigen
Nationalliberalen alsbald an die Mittheilung von der Be-
urlaubung des Grafen Bismarck den frohen Beweis an:
nun beginne die wahre, die echte, die große neue Aera.
Der Bundeskanzler sagt ſich feierlich von seinen bisherigen
Kollegen los, sowohl von dem Finanzminister und desſen
Defizit, wie von dem des Innern und des Kultus, welche
die Steuerſtimmung im Lande verderben, mit ſchonungs-
loſer Hand stößt er sie ſchußlos in die Löwengrube des
Abgeordnetenhauſes, das in ſeiner Herbstſeſſion, unge-
hindert durch die Verehrung für den Grafen Bismarck,
kurzen Prozeß machen wird mit den Trägern des alten
und des neuen Konflikts. So klang es und hörte ſich
recht herzſtärkend an. Da kam die Veröffentlichung des
gestern schon von uns mitgetheilten Berichts des Newyorker
„Herald“ über die innerſten Anschauungen des Grafen
und der kühn geſpannte Regenbogen zerrann im düſtern
Grau. Zum Üeberfluß macht heute das Organ des
Grafen Bismarck die Nationalliberalen für die Folgen
des durch ſie bewirkten Scheiterns der Finanzvorlagen
verantwortlich.
Auch in Ru mäni en Fortdauer des Defizits. 1868
betrug daſſelbe 27,000,000 Franken; für dieses Jahr
wird daſſelbe auf 15,041,071 Fr. berechnet. Die Kammer
mußte dem Finanzminiſter zu Hilfe kommen; sie hat ihm
ſtatt der geforderten Aufnahme einer Anleihe die Ausgabe
von Schatſcheinen bewilligt.
Die Blätter der Linken in Paris ktritiſiren ſcharf die
von den liberal Konſtitutionellen formulirte, geſtern von
uns mitgetheilte Interpellation. Der „Gaulois" sagt:
Das den Unabhängigen von den Wählern anvertraute
Panier trage die Deviſe: „Abschaff ung des per-
Wenn man aber das von
den Urhebern der fraglichen Interpellation erhobene
Kriegsgeschrei höre , ſo müſſe man erklären, das ſei kein
Trompetenſtoß, der die Miniſterielen zum Kampfe heraus-
fordere; es sei vielmehr eine Flötenarie , eine Einladung
zum Tanze! Das ,perſönlich! Regiment“ fährt inzwiſchen
fort, ſich nach Innen und Außen zu rüſten. Gleich nach
der Abreiſe des Kaiſers aus dem Lager von Chalons
verlas der Marsſchall Bazaine den Offizieren ein vertrau-
liches Zirkular des Kriegsminiſters. Dieselben werden
über die neue Uniform und die neuen Abzeichen im
Felde verſtändigt und es werden ihnen vorſorgliche Rath-
schläge, wie am Vorabend eines Krieges, ertheill. Der
Marschall Bazaine Fügte jedoch die Bemerkung hinzu:
eine solche Kriegsbereitſchaft sei von jest an der ordinäre
und permanente Friedensſtand. Die zwei von Bazaine
und Burbati befehligten Serien des Lagers bilden die
zwei ersten Korps eines vollkommen marsſchbereiten und
ſchlagfertigen Heeres. Alle Abtheilungen des aufgelöſten
Lagers wisſen den Punkt, wo ſie ſich , bei einem plöh-
lichen Kriegsfall, wieder zuſammen zu finden haben. Kurz,
die in allen Einzelheiten vorgezeichneten Operationen und
Kombinationen jener zwei Armeekorps können jeden Augen-
blick beginnen. Daraus soll aber auf nichts weniger als
auf einen nahen Krieg geſchloſſen werden. Bewahre!
Nur hat man Sorge getragen, daß von der gedruckten
und nach beiden Seiten deutbaren Lager-Rede des Kaiſers
jedem Soldaten ein Exemplar zugektommen iſt.
Die französisch -b elgiſch e Kommisſion in Paris
hat gestern eine Sitzung gehalten. Die von Brüſjel zu-
rückgekehrten Bevollmächtigten Belgiens haben der „Patrie“
zufolge erklärt, daß Belgien die Forderungen Franktreichs
bewilligen wolle. Bei der folgenden Diskussion soll eine
Einigung über alle schwebenden Puntte erzielt worden
sein , ſo daß man sich nur noch über die Abfassung der
Verträge zu verſtändigen haben werde. Sobald dieß
geschehen , will der belgiſche Minister Frere die belgiſchen
Kammern einberufen, um ihnen das erzielte Reſultat mit-
zutheilen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 8 Juli. Zur Vornahme der
Erne ue rung 8- und Ergänzungswa hl e n
zum Landtage ſind die Herrren Wakhlkomisſäre
ernann. Was die Erſte Kammer betrifft, ſo
haben von den Abgeordneten des grundherrlichen Adels
auszutreten. A. Aus dem Wahlbezirk oberhalb der
Murg : Frhr. v. Falkenſten; B. Aus dem Waltlbe-
zirk unterhalb der Murg : Frhr. Aug. v. Gemmingen,
Frhr. Aug. v. Göler, Frhr. Karl v. Rüdt. Außerdem
haben Frhr. Bruno v. Türckheim und Graf Max v.
Helmstatt den freiwilligen Austritt angezeigt. Zu Wahl-
komiſſären sind ernannt für den Bezirk oberhalb der
Murg Landeskommisſſär, Miniſsterialrath J. Winter in
Freiburg, und für jenen unterhalb der Murg Landes-
kommisſsär, Geh. Referendär Fecht in Mannheim.
Zur Zweiten Kammer ſind folgende Erneuerungs-
und Crſatwahlen erforderlich: I. Durch das Loos aus-
getreten: 1) Ue berlingen, (Poppen,) Wahl-Komisſär
Landesk. Sachs in Konstanz; 2) Konſtanz (Seiz,) W.
K. Kreis- und Hofg. Präſident Preſtinari in Konſtanz ;
3) Radolfsz ell -Konſtanz, (Müller,) W. K. Kreis-
und Hofg.-Direktor Schneider in Konstanz; 4) Säckinge n-
Schön au, (Sachs,) W. K. Kreisgerichts-Direkttor
Junghanns in Walshut; 5) Schopfheim-Kandern
(Lichtenberger)) W. K. Kreisg.-Direktor v. Stösser in
Lörrach; 6) Breiſach-Landorte Freiburg, (Vögelin,)
W. K. Kreisg.-Rath Eimer in Freiburg; 7) Land amt
Freib urg- und St. Peter, (Birmelin,) W. K.
Kreis- und Hofg.-Direktor Hildebrandt in Freiburg ; 8
Emmen dingen, (Breithaupt) W. K. Landesk. J. Winter
in Freiburg; 9) Amt Offenburg, (Roßhirt) W.
K. Kreis- und Hofg.-Präſident Bohm in Offenburg; 10)
Gengenba < -Oberkirch, (Kimmig,) W. K. Ober-
ſchulrathsd. Renck in Karlsruhe ; 11) Stadt Baden,
(Kuntz,) W. K. Kreisg.-Dir. Di. v. Rotteck in Baden;
12) Ettlingen-Raſtatt, (Beck,) W. K. Kreis- und
Hofg.-Direktor Serger in Karlsruhe; 13) Karlsruhe,
(Kuſel,) W. K. Kreis- und Hofger.-Präſ. Reiner in
Karlsruhe; 14) Ste in- Durlach, (Friderich,) W. K.
Stadtdirektor v. Neubronn in Karlsruhe; 15) Mann -
he im, (Hoff ,)) W. K. Kreis.- und Hofg.-Präſident
Nestler in Mannheim; 16) Tauberbiſchofs heim -
Gerlach s he im, (| Mathy), W. K. Kreisg.-Dir. Ni-
colai in Mosbach. ; ;
II. Freiwillig Ausgetretene : "17) 3. Stadt Frei-
bur g, (Frick,) Kreis- und Hofg.-Präſ. Dr. Fetzer in
Freiburg ; 18) Kork-Biſchofsheim, (H a uß,) . W. N.
Stadtdirektor Schaible in Raſtatt; 19) Stadt Bruchs al,
(Rée,) W. K. Freis.-Dir. Dr. Puchelt in Heidelberg ;
20) Mannheim, (Moll) W. K. Kreis- und Hofg.-
Präſ. Neſtler in Mannheim. zj
[11. Durch Tod : 21) Buchen-Oſterbruken, (Herth,)
W. K. Kreisg-. Rath Dr. Guyet in Mannheim.
' *’"Mannheim, 3. Juli. Am 16. Anguſt wird
dahier die Konferenz der Rheinuferſtaaten behufs der Be-
rathung über die Regulirung der Rheinfiſcherei-Verhält-
niſſe beginnen.
Sonntag, 4. Juli.
auuheimer
Organ der deutſchen Volkspartei in
Paden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchla
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition Q 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanstalten.
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,
ss
Zum Kapitel: Krieg sbedrohung.
) Norddeutſchland muß bewaffnet und wachſam
sein; denn es hat keine Bürgschaft für die Absichten
Frankreichs und Oſsterreichs. So beurtheilt Graf Bis-
marck die Lage, indem er wohl für Preußen in Anspruch
nimmt, die Regierungen von Frantreich und Osterreich
seien gehalten, Preußen ruhig und ungestört ſeine Plane
durchführen zu lassen.
Und Preu ßlen geht darauf aus, Süddeutschland dem
Prager Frieden entgegen , ſeiner Botmäßigkeit zu unter-
werfen, sich zum Herrn in Deutſchland aufzuſchwingen, ein
großes und mächtiges Zäſarenreich zu errichten. Dieß
muß freilich die Eiferſucht des Zäſars an der Seine her-
ausfordern; dieß muß Oesterreich beunruhigen , nachdem
außerdem breußiſcher Cinfluß beſtrebt iſt, die czechiſche
Agitation anzufeuern und Oesterreich im Innern Verlegen-
heiten zu bereiten.
Was Osterreich betrifft, ſo unterhält die preußische
Regierung ein Blatt , die „Korrespondence in Berlin“,
welches der czechiſchen Nationalität zuruft, es sei
vorauszusehen , daß das in Peſt und Agram bereits na-
tionale Recht , kraft derſelben Grundſäte und kraft der-
ſelben Nothwendigkeiten des Staates in Oeſterreich einen
nicht minder vollſtändigen Sieg in Prag und Brünn er-
ringen werde. Die „Neue Fr. Preſſe“ entnimmt hier-
aus, daß die Sympathien der preußiſchen Re-
gi erung, wie dieß vor 3 Jahren die Proklamation „an
die glorreiche böhmische Nation“ gezeigt, noch immer dem
„nationalen Rechte" der Czechen gehören, und macht das-
ſelbe Blatt hiezu die folgenden wohl nicht unberechtigten
Bemerkungen: „Da damals Krieg war und heute Friede
ſein soll, ſo wäre anzunehmen gewesen, daß die Stellung
Preußens zu den czechiſchen Agitationen eine andere
würde. Das ist, wie man sieht, nicht der Fall. Für
die preußiſche Regierung besteht Oesterreich gegenüber der
Kriegszuſtand fort. Dem ggzechiſchen „nationalen Recht“
opfert diese preußiſche Regierung bereitwillig das nationale
Recht der Deuiſchen in Böhmen und Mähren. Die
Politik des Schirmherrn des Nordbundes für die Wieder-
herſtelung der Wenzelskrone, und das nennt man in
Berlin d e utſch sein. Es kann keinen stärkeren Beweis
dafür geben, daß das Preußenthum die nackte Verneinung
jeder deutschen Regung ist, als obiges Citai. Deutschland
iſt von den Kosaken, bedroht denn die Haltung der ,„Corre-
ſpondence de Berlin“ ist einfach russisch.
Preußen fordert demnach Oesterreich fortgesezt heraus,
und so ist es nicht die Unklarheit über die Absichten
Osterreichs, was Norddeutschland veranlaßt „bewaffnet
und wachſam“ zu sein; sondern es iſt die Fortſetß ung
der preußiſchen Eroberungs politik, welche dieß
dem Norden gebietet. Die preußiſche Politik Oesterreich
gegenüber iſt darauf gerichtet, die Deutschen im Kaiser-
staate mit Furcht und Angst vor einer drohenden Ver-
gewaltigung durch die nichtdeutſchen Nationalitäten zu er-
füllen und sie naturgemäß dadurch dahin zu treiben:
Schutz bei Preußen zu suchen. Dieß weiß man in Wien
wohl zu beurtheilen und wenn man daselbſt Alles wahr-
nimmt, um die Intereſſen Oesterreichs zu ſchüßen, so
darf dieß keineswegs, wie man es so gerne von Berlin
aus thut, als „Vergeltungs politik “ ausgegeben
werden. Niemand denkt in Oesterreich daran, die neuen
Grundlagen des Verhältnisses zwischen Deutschland und
Osterreich mit den früheren zu vertauschen , aber — o
ſchjießt ein beachtenswerther Artikel der „A. A. Z." über
„Großpreußen und Obeſterreih“ ~ „aber die einseitige
Ausbeutung dieſer Grundlagen von Seiten Preußens
liegt nun einmal nicht im öſterreichiſchen Intereſſe, und
hat auf öſterreichische Unterſtißung weder dirett noch in-
direkt zu rechnen.“
Die Kriegsgefahr für den Nordbund wird deßhalb ſo
lange beſtehen, als die hohenzollernſche Politik eine Po-
litit der Eroberung ſein wird;, ſo lange ſie die
Interesſenpolitik der benachbarten, auf gleicher mehr oder
weniger ſcheinkonstitutioneller Grundlage beruhenden Ge-
walten, durch die Sucht, die Herrſchaft Preußens zu er-
weitern und zu verſtärken, herausfordert. Diese Kriegsge-
fahr für den Nordbund iſt aber eine allgemeine; eine
Gefahr für die Völk er, und wird überhaupt, ob nun
inzwischen auch Schlachten geschlagen und Siege errungen
werden, so lange andauern, als die Völker den Militaris-
î mus nicht überwunden, als sie nicht ihren Willen ~ den
Willen für friedliche Entwicklung, Recht und Freiheit und
Wohlergehen Aller, zum maß gebendjen gemacht haben;
sönlichen Regiments."
so lange nicht die Volkspolitik diejenige der Kabinette ab-
gelöſt haben wird.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 3. Juli.
* In Süddeutschland schauen die Bismärcker
düster drein. Ihr Herr und Meister ging nach Varzin;
die Maschine der „ganzen Arbeit“ wurde in die Remise
gerollt; am Main ist's ſtill und ruhig. ~ Der Süden
iſt sicher vorerſt. So verzeichnen Demokraten und Groß-
deutſche. A b er wenn der Süden ſicher iſt, dann bleibt
Deutschland getheilt! Das ist der „Demotr. Korresſp.“ keine
frohe Botschaft und sie beklagt, daß wir im Süden ſicher
ſind, nicht in Folge seiner Abwehr; daß nirgends der
„rettende Gedante“ aufblitt, für jezt und immerdar; daß
die gemeinſame deut ſche Arbeit noch nicht die rechte
Art und Förderung gewonnen; „denn so wahr dies
deutscher Boden und ſo wahr hier bisher alle beſte Frei-
heitsarbeit geschehen und gediehen im vaterländischen Geiſte,
so wahr wird auch fortan das rechte Gedeihen erſt wieder- |
kommen, wenn es überall geſchieht im deutſchen Sinn,
mit deutschem Trieb, mit deutschem Zug.! 2
Im Einzelnen viel Leben. Cs kommt darauf an,
diesem ein Gemeinsames als nächstes Ziel zu ſezen. Und
dies ist leicht gegeben. Es ist ein allgemein faßliches,
gleichmäßig interessirendes, allseitig bedeutendes, durchgrei-
fendes + es ist die Frage des Militarismus, es iſt die
ſü dd de ut sche Militärfrage. Machte und Frei-
heitsfrage zugleich, Finanzfrage und Wirthſchaftsfrage, für
Bürger und Bauern dieselbe wie für alle Staaten von
Wien bis Karlsruhe, im Kampfe gegen die Bollerei, ja
im Kampf des Jahrhunderts die entscheidende so bil-
det sie deu natürlichen Boden: für eine erſte gemeinſame
Bewegung, die der gesammte Süden in sich zu vollziehen
hat als nothwendige und durchgreifende Vorarbeit für die
Wiederbefreiung des Nordens, für die freiheitliche Wieder-
vereinigung des gesammten Vaterlandes. . . .
In Norddeutschland lebt man immer in Hoff-
nungen und Täuſchungen. So knüpften die dortigen
Nationalliberalen alsbald an die Mittheilung von der Be-
urlaubung des Grafen Bismarck den frohen Beweis an:
nun beginne die wahre, die echte, die große neue Aera.
Der Bundeskanzler sagt ſich feierlich von seinen bisherigen
Kollegen los, sowohl von dem Finanzminister und desſen
Defizit, wie von dem des Innern und des Kultus, welche
die Steuerſtimmung im Lande verderben, mit ſchonungs-
loſer Hand stößt er sie ſchußlos in die Löwengrube des
Abgeordnetenhauſes, das in ſeiner Herbstſeſſion, unge-
hindert durch die Verehrung für den Grafen Bismarck,
kurzen Prozeß machen wird mit den Trägern des alten
und des neuen Konflikts. So klang es und hörte ſich
recht herzſtärkend an. Da kam die Veröffentlichung des
gestern schon von uns mitgetheilten Berichts des Newyorker
„Herald“ über die innerſten Anschauungen des Grafen
und der kühn geſpannte Regenbogen zerrann im düſtern
Grau. Zum Üeberfluß macht heute das Organ des
Grafen Bismarck die Nationalliberalen für die Folgen
des durch ſie bewirkten Scheiterns der Finanzvorlagen
verantwortlich.
Auch in Ru mäni en Fortdauer des Defizits. 1868
betrug daſſelbe 27,000,000 Franken; für dieses Jahr
wird daſſelbe auf 15,041,071 Fr. berechnet. Die Kammer
mußte dem Finanzminiſter zu Hilfe kommen; sie hat ihm
ſtatt der geforderten Aufnahme einer Anleihe die Ausgabe
von Schatſcheinen bewilligt.
Die Blätter der Linken in Paris ktritiſiren ſcharf die
von den liberal Konſtitutionellen formulirte, geſtern von
uns mitgetheilte Interpellation. Der „Gaulois" sagt:
Das den Unabhängigen von den Wählern anvertraute
Panier trage die Deviſe: „Abschaff ung des per-
Wenn man aber das von
den Urhebern der fraglichen Interpellation erhobene
Kriegsgeschrei höre , ſo müſſe man erklären, das ſei kein
Trompetenſtoß, der die Miniſterielen zum Kampfe heraus-
fordere; es sei vielmehr eine Flötenarie , eine Einladung
zum Tanze! Das ,perſönlich! Regiment“ fährt inzwiſchen
fort, ſich nach Innen und Außen zu rüſten. Gleich nach
der Abreiſe des Kaiſers aus dem Lager von Chalons
verlas der Marsſchall Bazaine den Offizieren ein vertrau-
liches Zirkular des Kriegsminiſters. Dieselben werden
über die neue Uniform und die neuen Abzeichen im
Felde verſtändigt und es werden ihnen vorſorgliche Rath-
schläge, wie am Vorabend eines Krieges, ertheill. Der
Marschall Bazaine Fügte jedoch die Bemerkung hinzu:
eine solche Kriegsbereitſchaft sei von jest an der ordinäre
und permanente Friedensſtand. Die zwei von Bazaine
und Burbati befehligten Serien des Lagers bilden die
zwei ersten Korps eines vollkommen marsſchbereiten und
ſchlagfertigen Heeres. Alle Abtheilungen des aufgelöſten
Lagers wisſen den Punkt, wo ſie ſich , bei einem plöh-
lichen Kriegsfall, wieder zuſammen zu finden haben. Kurz,
die in allen Einzelheiten vorgezeichneten Operationen und
Kombinationen jener zwei Armeekorps können jeden Augen-
blick beginnen. Daraus soll aber auf nichts weniger als
auf einen nahen Krieg geſchloſſen werden. Bewahre!
Nur hat man Sorge getragen, daß von der gedruckten
und nach beiden Seiten deutbaren Lager-Rede des Kaiſers
jedem Soldaten ein Exemplar zugektommen iſt.
Die französisch -b elgiſch e Kommisſion in Paris
hat gestern eine Sitzung gehalten. Die von Brüſjel zu-
rückgekehrten Bevollmächtigten Belgiens haben der „Patrie“
zufolge erklärt, daß Belgien die Forderungen Franktreichs
bewilligen wolle. Bei der folgenden Diskussion soll eine
Einigung über alle schwebenden Puntte erzielt worden
sein , ſo daß man sich nur noch über die Abfassung der
Verträge zu verſtändigen haben werde. Sobald dieß
geschehen , will der belgiſche Minister Frere die belgiſchen
Kammern einberufen, um ihnen das erzielte Reſultat mit-
zutheilen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 8 Juli. Zur Vornahme der
Erne ue rung 8- und Ergänzungswa hl e n
zum Landtage ſind die Herrren Wakhlkomisſäre
ernann. Was die Erſte Kammer betrifft, ſo
haben von den Abgeordneten des grundherrlichen Adels
auszutreten. A. Aus dem Wahlbezirk oberhalb der
Murg : Frhr. v. Falkenſten; B. Aus dem Waltlbe-
zirk unterhalb der Murg : Frhr. Aug. v. Gemmingen,
Frhr. Aug. v. Göler, Frhr. Karl v. Rüdt. Außerdem
haben Frhr. Bruno v. Türckheim und Graf Max v.
Helmstatt den freiwilligen Austritt angezeigt. Zu Wahl-
komiſſären sind ernannt für den Bezirk oberhalb der
Murg Landeskommisſſär, Miniſsterialrath J. Winter in
Freiburg, und für jenen unterhalb der Murg Landes-
kommisſsär, Geh. Referendär Fecht in Mannheim.
Zur Zweiten Kammer ſind folgende Erneuerungs-
und Crſatwahlen erforderlich: I. Durch das Loos aus-
getreten: 1) Ue berlingen, (Poppen,) Wahl-Komisſär
Landesk. Sachs in Konstanz; 2) Konſtanz (Seiz,) W.
K. Kreis- und Hofg. Präſident Preſtinari in Konſtanz ;
3) Radolfsz ell -Konſtanz, (Müller,) W. K. Kreis-
und Hofg.-Direktor Schneider in Konstanz; 4) Säckinge n-
Schön au, (Sachs,) W. K. Kreisgerichts-Direkttor
Junghanns in Walshut; 5) Schopfheim-Kandern
(Lichtenberger)) W. K. Kreisg.-Direktor v. Stösser in
Lörrach; 6) Breiſach-Landorte Freiburg, (Vögelin,)
W. K. Kreisg.-Rath Eimer in Freiburg; 7) Land amt
Freib urg- und St. Peter, (Birmelin,) W. K.
Kreis- und Hofg.-Direktor Hildebrandt in Freiburg ; 8
Emmen dingen, (Breithaupt) W. K. Landesk. J. Winter
in Freiburg; 9) Amt Offenburg, (Roßhirt) W.
K. Kreis- und Hofg.-Präſident Bohm in Offenburg; 10)
Gengenba < -Oberkirch, (Kimmig,) W. K. Ober-
ſchulrathsd. Renck in Karlsruhe ; 11) Stadt Baden,
(Kuntz,) W. K. Kreisg.-Dir. Di. v. Rotteck in Baden;
12) Ettlingen-Raſtatt, (Beck,) W. K. Kreis- und
Hofg.-Direktor Serger in Karlsruhe; 13) Karlsruhe,
(Kuſel,) W. K. Kreis- und Hofger.-Präſ. Reiner in
Karlsruhe; 14) Ste in- Durlach, (Friderich,) W. K.
Stadtdirektor v. Neubronn in Karlsruhe; 15) Mann -
he im, (Hoff ,)) W. K. Kreis.- und Hofg.-Präſident
Nestler in Mannheim; 16) Tauberbiſchofs heim -
Gerlach s he im, (| Mathy), W. K. Kreisg.-Dir. Ni-
colai in Mosbach. ; ;
II. Freiwillig Ausgetretene : "17) 3. Stadt Frei-
bur g, (Frick,) Kreis- und Hofg.-Präſ. Dr. Fetzer in
Freiburg ; 18) Kork-Biſchofsheim, (H a uß,) . W. N.
Stadtdirektor Schaible in Raſtatt; 19) Stadt Bruchs al,
(Rée,) W. K. Freis.-Dir. Dr. Puchelt in Heidelberg ;
20) Mannheim, (Moll) W. K. Kreis- und Hofg.-
Präſ. Neſtler in Mannheim. zj
[11. Durch Tod : 21) Buchen-Oſterbruken, (Herth,)
W. K. Kreisg-. Rath Dr. Guyet in Mannheim.
' *’"Mannheim, 3. Juli. Am 16. Anguſt wird
dahier die Konferenz der Rheinuferſtaaten behufs der Be-
rathung über die Regulirung der Rheinfiſcherei-Verhält-
niſſe beginnen.