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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 153 - No. 179 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0681

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Dienstag, 20. Juli.





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Tie „ Wannteimer Abendzeitung“ wird -

Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr.,

mit Ausnahme der Sonntage und Feſitage

täglich als Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.





















Die Forderungen der Wahlreformliga.

** Allgemeines und direktes Wahlrecht
mit ge y eimer Ab ſtimmung im Staate und in
der Gemeinde“ iſt die erſte Forderung,, welche die
Wähler an die zu wählenden Wahlmänner zu ſtellen
haben. Die Wähler mühen es den Wahlmännern zur
Bedingung machen, nur ſolche Abgeordnete zu wählen,
welche dieſe Forderung anerkennen und sie in der Kammer
durchzukämpfen sich als Männer von Ehre verpflichten.
Cs muß das bestimmte Absprache ſein, es muß der
Wähler keinen Wahlmann und dieſer keinen Abgeordneten
wählen, der sich zu dieser Forderung nicht offen und
öffentlich, in der Preſſe, ſ<warz auf wei ß be-
kannt hat. Es genügt nicht, wenn es heißt: „Wählen
wir den Herrn Bürgermeiſter, den Herrn Rathſchreiber,
den reichen Nachbar, das sind brave Leute.“ Damit iſt
uns, dem deutſchen Volke nicht geholfen; damit bekommen
wir Kammern, wie die gegenwärtige; Abgeordnete, wie die
Offenburger, die heute ſich als Oppoſitionsleute gebehrden,
Morgen dem Miniſter huldigen, die gestern Bismarck und
se in Preußenthum bekämpften und heute es in den
dritten Himmel des Patrotismus erheben; damit bekom-
men wir Philister und keine Staatsbürger zu Vertretern,
Leute, die jedem Eindrucke preisgegeben ſind, vor Allem
“füt der Minister, dem huldvollen Lächeln der

acht.

_ Vir wissen recht gut, wie ſchwer es ist, solche Wahlen,
Wahlen von charaktervollen Bürgern und nicht carakter-
loſen Stimmaſchinen, Redetünsſtlern mit dem gegenwär-
tigen Wahlsyſtem durchzuſeßen. Bei der öffentlichen
Stimmgeb ung giebt in der Regel Derjenige den Aus-
ſchlag, der . . . frei genug iſt, einen angesehenen , reichen,
mächtigen Mann des Landes vorzuſchlagen. Iſt einmal
ein ſolcher Vorſchlag gemacht worden, iſt der Herr Bürger-
meister bezeichnet, ein Mann der einflußreichſten Clique
des Ortes vorgeſchlagen worden, so ist es ſchwer, oft mit
den größten Verluſten verbunden, wenn ein armer Mann,
ein schlichter Bürger den Muth haben ſoll, offen und
öffentlich zu sagen: „Den Vorgeschlagenen , den Herrn
Bürgermeister, den reichen Fabrikanten , den Mann der
reichen und mächtigen Leute der Stadt, ~ den will
ich nicht wählen.“ Er ſollte diesen Muth haben, es,
wäre Pflicht, es wäre schön ~ aber er verlöre dabei
ſeine Kundschaft, oft das Brod für Frau 1itid Nind, er
gewänne einflußreiche und mächtige Feinde. Und es iſt
faſt unbillig dieß von dem ſchlichten Familienvater zu
fordern. Die öffentliche Stimmgebung führt überall zu
beeinflußten Wahlen, wenn die Wähler dem Druct von
oben, dem Druck der Reichen, folgen, oder zu Partcihaß,
Parteihader, persönlichen Gehäſsigkeiten unter denFamilien
der Stadt, des Dorfes. Deßwegen fordern wir ge hei-
mes Abstimmen; und deßwegen müſſen die Wähler
keinen Wahlmann und diese keinen Abgeordneten wählen,
der sich dazu nicht zum Voraus öf fen tlich bekannt
hat. – Die Wahl durch Wahlmänner aber legt das
große Intereſſe der Wahl in die Hände eines kleinen
Kreiſes. In diesem kleinen Kreiſe sind stets ein, zwei
einflußreiche, mächtige Häupter der Stadt , des Landes.
Und diese geben dann den Ton an, bestimmen die andern
Wahlmänner. Es iſt dabei eine wirklich patriotiſche, das
Geſammitintereſſe des Volkes würdigende Wahl kaum
möglich. Alles verfällt in diesem engen Wahlmänner-
kreiſe dem Cinfluſſe des Oberamtmanns , der Regierung,
der mächtigsten, reichſten Familie des Landes. Das Volk
in Maſſe kommt dabei gar -nicht Betracht. Und deßwegen
fordern wir das direkte Wahlrecht; es allein gibt dem
Volk überhaupt das thatſächlich e R echt zu wä h-
le n. Die Wahl durch Wahlmänner iſt ein Spiel, ein
Hohn, eine Fopperei, denen das Volk Nebensache die
Bait! der Mächtigen, groß und klein , die Haupt-
ache iſt.

Daher iſt es Pflicht der Wähler, die heute mit Ernſt
an eine Wahl denten, nur ſolche Abgeordneten zu wählen,
die offen und öffentlich erklären, daß sie in der
Kammer für allg emeines, direttes Wahlrecht
un d öffentliche Wahlen wirken, reden und ſtimmen

~ woollen.





Politiſche Ueberficht.

Mannheim, 19. Juli.
* In den Kreiſen der Berliner Regierung zieht
man über die Zugeſtändniſſe Napoleons an die Kammer

§ 1 %
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ein ziemliches ſchiefes Gesicht. Nicht, weil man die Trag-

weite der Zugesſtändniſſe bemißt und sie groß findet, son-

dern, weil Napoleon überha upt sich zu einer Nach-
giebigkeit oder auch nur einem Scheine derselben verſtan-
den und damit den Traum geſtört hat, in welchem sich
bisher die Berliner Regierungskreise hinsichtlich der Wir-
kungen des dem Zäsar jenseits des Rheins abgeborgten
Systems der allgemeinen und direkten Wahlen wiegen zu
können glaubten. Man fängt an, Beunruhigung zu empfin-
den und zu fürchten, die nächſten Wahlen in Preußen
und im Nordbunde überhaupt könnten über den Natio-
nalliberalsmus hinwegehen; der Fortschrittspartei Ver-
stärkung geben und gar auch „Unverſöhnliche“ in die
Kammern bringen. Einer Regierung gegenüber, die ſich
seit Jahren mit dem kälteſten Blute der Rückſichtslosigteit
über die Beſchlüſſe der Volksvertretung hinweggesett hat,
wäre es auch endlich an der Zeit, daß das Volt in
Preußen und im Norden ſich die Frage ſtellte : was oll
die neue Kammerseſ. ion, die neue Reichstagsſeſion uns
bringen. Sollen wir abermals an Freiheit ärmer ~ an
Steuern dagegen reicher werden ; sollen und wollen unsere
Abgeordneten noch ferner Zugesſtändniſſe machen und Ver-
gleiche eingehen mit Rücksicht auf eine ſtaatsmänniſche
Weisheit , welche das Land , das Ansehen der Volksver-
tretung seit Jahren empfindlich geschädigt hat. In dieser
Richtung bewegt sich ein von Berlin ausgegangener Appell
an die Abgeordneten, vor ihre Wähler hinzutreten und
in unumwundener Weiſe Rechenſchaft von ihrem Verhal-
ten zu geben und so dem Haupterforderniß zur Bildung
und Erhaltung geſunder Volksmeinung wieder Rechnung
zu tragen, gegen welches in den lezten Jahren so ent-
ſchieden gesündigt worden. Ob diese Anregung etwas
fruchten wird. Vorerſt glauben wir noch nicht daran.
Noch überwuchert ein unglücksetiger Royalismus in
Preußen ; noch sind die Nationalliberalen Machtanbeter
genug, um wiederholt das gerechtfertigte Mißtrauen der
Regierung gegenüber in Vertrauensſeligkeit zu verwandeln
und „dieses Ministerium“ wiederholt zu stützen, wie man
ihm vor drei Jahren National-Belohnung bewilligte, nach-
dem man dasselbe kurz vorher in Acht und Bann gethan
und den Rücktritt deſſelben von den Geschäften in stür-
miſcher Weise verlangt hatte. Um in Preußen und dem
Nordbunde einen heilſamen Umschwung herbeizuführen,
muß der Luftzug der Freiheit aus dem Weſten noch
stärker blaſen !

Und ist hiezu Aussicht? In Paris iſt der Kaiser-

schnitt glücklich von Statten gegangen; ein neues Mi-

ni ſter iu m zur Welt gekommen. Die Zuſammensetßung
(s. Paris) desselben berechtigt zu keinen großen Erwar-
tungen. Latour d’Auvergne, der Minister des Aeußern,
iſt ein übereifriger Katholik. Hiemit, so glaubt die „N.
Fr. Pr.“, sei Alles geſagt. Seine Ernennung ist ein
Rückschritt und eine Herausforderung der öffentlichen
Meinung, welche die fortwährende Intervention imKirchen-
ſtaate mißbilligt. Der Kaiser wird binnen Kurzem ge-
zwungen , seine Truppen von Civitavecchia abzuberufen,
wie er gezwungen ward, Rouher zu entlaſſen und Zuge-
ſtändniſſe zu machen. Was ſoll da Latour d’Auvergne?
Und was bedeutet überhaupt ein neues Kabinet, in wel-
chem alle wichtigen Portefeuiles in den Händen der
Werkzeuge Rouher's bleiben ? Das Land verlangt aber
einen gründlichen Syſstemwechſel, liberale Politik nach
Innen und nach Außen. Und da ſollen de Forcade,
Magne, Niel im Amte bleiben ! Das iſt ein unhalt-
barer Widerſinn. Mit dieser Flickerei an seinem Kabinet
fann Napoleon höchſtens eine Spanne Zeit gewinnen und
schon wird das neue Ministerium allgemein nur als ein
Uebergangsminiſterium bezeichnet ~ schon deßhalb , weil
es bei dem Zäſar beschloſſene Sache sein ſoll : „nach der
Erledigung der in der letzten Botſchaft angekündigten
Verfaſſungsänderungen durch den am 2. August zuſam-
mentretenden Senat den geſeßgebenden Körper aufzulösen,
Neuwahlen ohne allen offiziellen Druck anzuordnen und
dann, je nach dem Ergebnisſſe der Wahlen, ein zwischen
Nation und Souverän vermittelndes und versſöhnendes
Ministerium zu bilden.“ Freilich wiro dieß nicht so
ruhig ? und glatt abgehen , als der Zäsar glauben mag.
Die öffentliche Meinung iſt mit den ihr verheißenen Zu-
geſtändniſsen , welche wohl die Freiheit ermöglichen , nicht
aber die Freiheit ſind, nicht zufrieden und wenn Zäſar

| auch stille ſteht, so thuts doch nicht die einmal wieder

in Fluß gekommene politiſche Bewegung des Volkes.
Schon treibt diese Bewegung Mitglieder des linken Zent-

rums in die Reihen der „Unverſsöhnlichen“ und haben dem



„Rappel“ zufolge 44 Mitglieder der Linken den Beſchluß
gefaßt , durch ein Manifeſt, worin die no thwen-
digen Rechte deutlich ausgeſprochen und gefordert
werden, auf das Programm zu antworten, wciches das
neue Ministerium erlaſſen wird. Als nothwendige
Rechte werden verlangt : Verantwortlichkeit der Mi-
niſter; volle Initiative des geſezgebenden Körpers gleich-
zeitig mit der der ausübenden Gewalt, die Aufhebung
der ernannten Munizipal-Kommissſionen, die Wahl der
Maires, die Abschaffung aller Ausnahme- und Spezial-
geſeße über die allgemeine Sicherheit; die Abrüſtung und
Reorganiſaticn der nationalen ſeßhaften und mobilen
Milizen. Der definitive Fri ede, garantirt durch die

Entlassung des stehenden Heeres und durch die Verzichte.

leiſtung des Kaiſers auf das Recht, unter ſeiner ausschließ-

lichen Verantwortlichkeit den Krieg zu erklären; bedeus mn.
tende Minderung der öffentlichen Laſten in Folje d'e.

Armee“ . . . Zäſar wird sich schwerlich dazu verſtehen,
die Forderungen, so gerechtfertigt ſie auch sind, freiwillig
zu erfüllen. Des „Nein“ des Zäſars ſind wir gewiß
... unsicher noch, ob das Land obige Forderungen unter-
ſtüßen, zu den Seinigen zu machen und die Erfüllung
derſelben durchzuführen sich entſchließen wird.

Auch der bayeriſch e Handelsminister, Hr. v. Schlör
ſprach bei Eröffnung der Münchener Lokal-Induſtrie-Aus-
stellung den Wunſch aus: „Möge der Friede, dieſes von
allen ziviliſirten Völkern gleich tief empfundene Bedürf-
niß erhalten bieiben." Hr. v. Schlör empfindet offen-

bar dieses „Bedürfniß“ mehr aus humanistiſcha um u

vielleicht materiellen als politiſch-freiheitlichen Beweggründen
und vermag nicht gut Mitglied der „Friedens- und Frei-
heits-Liga“ zu werden , welche , wohl zur Unbefriedigung
aller Anhänger von „Macht nach Außen und Sllaverei
nach Innen“, ihren nächſten Kongreß auf die Tage vom
14. bis 19. September nach Lauſanne ausgeschrieben hat,
und welchem voraussichtlich die Franzoſen Bancel, Gam-
betta und Favre und der Spanier Caſtelar anwohnen
werden. – Was aber Hr. v. Schlör vermag, das iſt,
seinerseits dazu beizutragen, seinem Wunſche Erfüllung
zu geben. Es steht außer Frage ; wenn es heute auf die
Völker ankäme, ſo wäre der Frieden nicht bedroht.
Allein zur Zeit sind die Völler ~ und l ider sei's geſagt
– in dieſer Beziehung noch nicht maßgebend. Wer den
Frieden bedroht und ſomit alle Induſtrie lähmt und ge-
sährdet , das sind die Zäsſaren und ihre stehenden Heere.

Soll daher der Wunsch des Hrn. v. Schlör erfüllt werden,

so iſt nothwendig, daß der Zäſarismus, Milttarismus, wo
er immer besteht, beseitigt und daß den Völkern die Frei-
heit und das Selbſtentſcheidungsrecht gegeben werde. Ist
es Hrn. v. Schlör mit seinem Wunſche ohne Hinterge-
danken Ernst, ſo mag er als Minister zunächſt in Bayern
seinen Einfluß geltend machen , dag das stehende Heer
beseitigt und durch eine Vollswehr ersetzt werde. Dadurch
würde, soviel an Bayern liegt, mindeſtens ebensoviel zur
Erhaltung des Friedens beigetragen, als durch die gegen-
wärtige Einrichtung , jedensalls aber würde der Industrie
bedeutend unter die Arme gegriffen, indem ihr die durch
den Miltarismus abſorbirten Geld- und Arbeitskräfte
zuflößen.

Yyfe der Konzil- Frage ſoll es neueſten Mit-
theilungen aus Ro m zufolge außer Zweifel stehen, daß
heute der x ö mi sche Hof ſein Konzil lieber auf eigene
Gefahr und ohne Theilnahme der Regierungen abhalten,
als ſich deren Wohlwollen und bis zu einem gewisſen
Grade deren Mitwirkung dadurch ſichern will, daß er mit
ihnen die Fragen von gemeinſamem Intereſſe verhandelt,
über welche die Versammlung ſich auszuſprechen haben
wird. Hierdurch bekundet er ſelbſt die Tremtung der
Kirche vom Staate, gegen welche er doch so viele Bann-
strahlen geschleudert hat. Da indeß dieſe Trennung noch
teine vollendete Thatsache, ſondern erſt im Werden be-
griffen iſt, so werde der päpstliche Stuhl wahrscheinlich
einen Mittelweg einschlagen zwischen dem, was zur Epoche
des Konzils von Trient geſchah und dem, was einſt ges
ſchehen wird, wenn das P

bom Staate überall ſo zur Durchführung getommen iſt,

wie in den Vereinigten Staaten. Die Regierungen wür-
den nämlich beim Konzil nicht vertreten sein, ihre Ge-
sandten aber würden den Phraſen desſelben folgen und
Vorstellungen machen oder wenigſtens Wünſche darlegen,
welche die Verſammlung nothgedrungen in Betracht ziehen
müßte. – So denkt man in Rom; doch entbehrt man
die Kraft, auch zu lenken.

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