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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 206 - No. 231 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0867

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1869.





F 215.



Samſtag, 11. Septemvbe.





Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.





Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Fefltage + täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
j bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poftanſtalten. ;



s

Was iſt eine Nation?

c Wohl ist es eine ergreifende Geschichte, die dem
„Jamaica Guardian“ aus Kuba berichtet wird. Der
amerikanische und der engliche Konſul retten einen vom
Standgericht unschuldig Angeklagten und Verurtheilten
mitten aus den ,zwölf Gewehrmäulern“ heraus. Um
den Amerikaner von engliſchen Eltern wickeln die beiden
Repräsentanten der größten Seemächte ihre nationalen
Banker und ſich ſelbſt, und erwarten ruhig, ob „Feuer"
kommandirt werde! Natürlich wird vor solchem Prflicht-
muthe niemals „Feuer“ kommandirt, und würde es
kommandirt, die Gewehre müßten versagen.

Der unſchuldige Unglückliche wucde gerettet und des
andern Tages in ſeine Heimath befördert. Die beiden
Konſuln von Nordamerika und England ſcheinen in der
Havannah noch etwas Anderes zu besorgen als den
Schacher und die beliebte Inkompetenz ; sie beweiſen, daß
ſie zwei Nationen vertreten, und daß dieſe Nationen
leben. Man kann in Zukunſt sagen : Was iſt eine
Nation? Eine Nation iſt ein ſtaatliches Volk, deſſen Ge-
ſandte oder Konsuln die Leiber ihrer Landsleute mit den
ihrigen decken !

Ganz unwillkürlich fällt uns die Geschichte des letzten
Pariser Kravalls dabei ein, wo die Sbirren des Empire
ihr Meisſterſtück in Brutalität leisteten. Bekanntlich wurde
auch ein preußiſcher Gelehrter, der im Auftrag der bahe-
riſchen Regierung in Paris weilte, das höchſt unschuldige
Opfer der intperialiſtischen Büttelrohheit. Er ſelbſt hat
die unſäglichen Qualen , die er im Gefängnisse zu erdul-
den hatte, mit zitternder Hand beschrieben, und uns zu-
gleich wiſſen laſſen, daß die preußiſche Gesandtschaft nicht
veßhalb in Paris weilt, um Preußen oder Norddeutsche,
die in Gefahr kommen, vor dem Aerußerſten zu schützen.
Vielleicht, man muntelt wenigstens davon, hatte dieſelbe
Gesandiſchaft damals ganz andere Geschäfte in der fran-
zöſiſchen Hauptstadt, und gab der kaiserlichenPolizei einen
Theil jener Arbeit , bei welcher der preußiſche Gelehrte so
arg verarbeitet wurde.

Und doch, was war das für ein Prahlen von „na-
tionalen Interessen“, von der „Macht“ des ,deutſchen
Staates, als Bismark sich aus den zerstreuten Gliedern

Deutſchlands sein Großpreußen herausschnitt , links und

rechts und oben die Feten ausreißend, kühl auf Luxem-
burg, verächtlich auf Deutſch-Oesterreich, gierig lauernd
auf Süddeutſchland hinblickend! Jett sollte die Welt
plötzlich Reſpektt vor der ,deutſchen Nation“ bekommen,
der Deutſche ſollte draußen in der Fremde kein Paria
mehr sein; die einheitliche mächtige norddeutſche Diplomatie
und Kriegsflotte hielt ja die ſchwere Hand über ihn!
Den armen, in internationaler Schwebe baumelnden Süd-
deutschen mußte das Waſſer alsbald in den Mund
kommen, wenn sie sahen, wie sicher, wie geehrt die Nord=-
deutſchen Bundesunterthanen draußen in der Fremde
lebten!

Beim ersten Beiſpiel kam Alles anders ; es war gerade
wie früher, zu den Zeiten des ſseligen inkompetenten
Bundes. Nicht um Deutschland war ja der Bürgerkrieg
geführi worden , Deutschland war ja nur Vorwand, und
Deutſchland wurde jämmerlich zerriſſen, ſondern die per-
ſönliche und dynaſtiſche Hab- und Herrschſucht sollte be-
friedigt werden. Wenn der Priester den Kelch getrunken
hat, ſo iſt der Durst der Gemeinde befriedigt; wenn der
Kömg von Preußen Länder verſchluckt, ſo ſind die Unter-
thanen abgeſpeiſt! Das ist das Symbol und das Loos
des Großpreußenthums. |

Wie ganz anders gehen die Dinge zu, wo
wirklich Nationen den Staat aus ſich herausbilden,
wo die ſtaatliche Form das Produkt der inneren Noth-
wendigkeit, das. Reſultat der Kulturbedürfnisse eines Volkes
iſt, in England und in den Vereinigten Staaten! Wo
Ein Engländer, Ein Nordamerikaner duldet, da duldet
die Nation, der Staat; für den Cinen treten ſie Alle
ein, und nur folche Nationen und Staaten ſi nd und
werden fein. '

England und. Nordamerika haben allerhand Zwiſtig-
keiten und Gehäſſigkeiten zwiſchen sich; ſie ſind die Kon-

kurrenten um die Glorie der germaniſchen Kolonieen.
Aber um jenes Schlachtopfer sſpaniſchen Prokonſulthums

auf Kuba sehen wir ſie brüderlich vereint, Recht und
Gerechtigkeit aus einem Munde fordernd. Solche Völker
lernen sich vertragen, ihr Krieg wäre der Ruin der
Humanität.



Anzeigen-Gebühr : die einspaltige Petitzeile 3 kr.,





[s



Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 10. September.

* Ueber den Zweck der Audienz, welche der württem-
bergische Minister Varnbüler bei dem König von Ba y ern
nachgeſucht und erhalten hatte, wird der „Südd. Poſt“
eine Mittheilung, die ſie unter allem Vorbehalte wieder-
gibt. Seit dem Besuche Bismarcks in Berlin, so heißt
es, ſpiele Varnbüler eine Art von Vermittlerrolle zwiſchen
Nord und Süd, um unter gewiſſen Bedingungen eine
nähere Vereinigung herbeizuführen. Hauptsächlich handle
es ſich darum, den König von Bayern für das Projekt
zu gewinnen –] = und den Süden dem Nordbunde zu-
uführen . . .

f Hi nun der württ em bergisch e Miniſter in dieser
Angelegenheit mit dem Könige von Bayern verhandelte,
und ob er in der von ihm befürworteten Richtung etwas
erreichte, muüſſen wir vorerſt dahin gestellt ſein lassen.

Die heute Nachmittag aus München eingetroffene Des-

peſche bestreitet nur die anderweitige Nachricht, daß der
Abſchluß der Verträge über den Eintritt Bayerns und
Badens in den Nordbund nahe bevorſtehe ; daß Ver-
handlungen zu dieſem Ende aller Freiheit im Süden ge-
pflogen werden, beſtreitet der Telegraph nicht.

Die in München zuſammengetretene ſüddeutſche
Feſtung s ko mm iſſio n, welche auch eine Vereinbarung
über ihre Geschäftsordnung treffen ſoll, hat dieſe wegen
der hervorgetretenen, ſich entgegenstehenden Auffassungen
noch nicht zu Stande gebracht. Cs werden wahrscheinlich
Inſtruktionseinholungen erforderlich ſein. Cs handelt ſich
zunächſt um die Inspizirung der Festungen Ulm, Raſtatt
und Landau.

Ueber die Errichtung eines deutſch-atlantiſschen
Kabels bringt die „Newyorker Times“ im Auszuge fol-
gende Notiz: Vom Kanzler des norddeutſchen Bundes,
Grafen Bismarck, iſt dem Grafen Oskar Reichenbach und
Dr. Adolf Lasard in Berlin, wie dem Parlamentsmitglied
Mr. J. L. O. Beirne und Mr. J. George Cook in Lon-
don unterm 12. Aug. eine Konzession zur Legung eines
neuen atlantiſchen Kabels zwiſchen Deutſchland und den
Vereinigten Staaten ertheiltl worden. Dieſe Konzesſion
enthält folgende Punkte: Der Bundeskanzler behält ſich
das Recht vor, den Ort, wo das Kabel in Deutſchland
gelandet und mit den norddeuiſchen Telegraphenlinien ver-
bunden werden soll, ſelbſt auszuwählen. Dagegen trifft
er die nöthigen Anstalten zur Besſchüßung des Kabels ge-
gen böswillige Beſchädigung und Verletzung deſſelben durch
Fahrzeuge oder Fiſcherböte. Den Unternehmern ſteht es
frei, das Kabel entweder direkt, ohne irgend einen andern
Punkt zu berühren, event. via England und Neufundland,
bis zu irgend einem Punkte zwiſchen Newyork und Boſton
zu legen. Gleichzeitig ſteht es im Belieben. der Unterneh-
mer , ein neues Kabel zu legen, oder behufs Herstellung
einer Verbindung eines der bereits exiſtirenden ſubmarinen
Kabel käuflich zu erwerben. Im letztern Falle behält ſich
der Bundeskanzler das Recht vor, das anzukaufende Kabel
einer gründlichen Prüfung unterziehen zu lasſen und wenn
erforderlich, deſſen Ankauf zu untersagen. Den Unterneh-
mern wird gestattet, mit der indo-europäiſchen Telegraphen-
Gesellſchaft behufs des Austauſches von Telegrammen
zwiſchen Amerika und Asien oder Auſtralien in Unterhand-
lung zu treten. Der Bundeskanzler behält sich den Ent-
wurf der Regulationen und des Tarifs vor. An der
Landungsſtation werden Telegraphenbeamte des norddeut-
ſchen Bundes angestellt, um die Transmission der aus dem
Innern kommenden Depeschen an die Beamten der Unter-
nehmer und der der Kabeltelegramme an ihre reſp. Adres-
ſaten zu besorgen. Die Hersſtellung einer Verbindung mit
den Telegraphenlinien des Innern, namentlich einer direk-
ten Verbindung mit Hamburg, Bremen und Berlin, welche
den Bestimmungen der in Wien am 21. Juli 1868 ab-
gehaltenen internationalen Telegraphen-Convention unter-
liegt, übernimmt der norddeutſche Bund. Der Tarif für
Kabeldepeſchen darf unter keinen Umständen den anderer
transatlantiſchen Kabelgeſellſchaften überſteigen. Depeſchen
der norddeutſchen Bundesregierung genießen den Vorzug
vor anderen Telegrammen. Das Nabel ist nach der als
beſt bekannten Methode zu konstruiren und mit der An-
fertigung innerhalb 6 Monaten nach dem Datum der er-
theilten Konzeſſion zu beginnen, überhaupt die ganze Linie
innerhalb 2 Jahren vom genannten Datum ab zu vollen-
den. Wenn der vergrößerte Verkehr es erfordert, oder das
Kabel betriebsunfähig wird, iſt binnen 18 Monaten nach einer
diesf. Anordnung des Bundeskanzlers ein neuesKabel zu legen.



Eine zweijährige Unterbrechung in demBetriebe des Nabels
macht die Konzession null und nichtig. Die Unternehmer
haben eine Kaution von 100,000 Dollars zu leiſten
und nach 6 Monaten den Nachweis zu liefern, daß für
das Kabel-Unternehmen 9 Millionen Thaler gezeichnet
worden, welches Kapital bis auf 12 Millionen Thaler
erhöht werden kann. Der Werth bereits gelegter und
von anderen Kompagnien erworbener Kabel kann von
obiger Summe in Abzug gebracht werden. Die Kon-
zeſſion erliſcht nach 25 Jahren, wenn nicht inzwiſchen
ein neues Abkommen getroffen wird. Etwaige Mei-
nungsversſchiedenheiten zwiſchen dem Bundeskanzler und
den Unternehmern sind vor. das Forum eines aus drei
Richtern beſtehenden Schiedsgerichts zu bringen, deſſen Erz
nennung dem preußiſchen Obertribunal zuſteht. Da in
Norddeutschland die Telegraphen unter Staatskontrole
ſtehen, iſt ein solches zwiſchen der norddeutſchen Regie-
rung und einer Kabelgeſellſchaft vereinbartes Ueber-
einkommen zur Legung und zum Betriebe eines Kabels

vicht eine bloße Nonzeſſion, sondern ein beide Theile
“bindender Vertrag. Dig, |?n!ernehmer haben ſich mit

den Bedingungen dieses Vertrags für einverstanden
eg Beschlüſſe des französischen Senates wur-

den mit großer Gleichgültigkéet aufgenommen. Im

„Temps“ ſpricht hierüber Herr Neffßer die Anſicht
aus, daß nicht blos die Bedeutungslosigkeit der Senats-
debatten an dieser tiefen Indifferenz Schuld sind, ſondern
besonders der Skeptizismus des Publikums, motivirt durch
die Zweideutigkeit der Formen und durch die Erinnerung
an frühere Enttäuſchungen. Man will erſt die refor-
mirte Verfaſſung funktioniren sehen, und man hat nicht
Unrecht. Auch ist in diesem Augenblick, und ſelbſt ganz
abgeſehen was die kaiserliche Geſundheit betrifft, von der
man ſagt, sie sei wieder hergeſtellt, nichts Eiligeres zu
thun, als den gesetzgebenden; Körper einzuberufen. Es
kommt nicht allein darauf an, die Prüfungen der Voll-
machten vorzunehmen , die unbeendet geblieben ſind: es
kommt noch viel mehr darauf an, die konstitutionellen
Neuerungen in Altion zu seßen und die Krone der Macht
gegenüber zu ſtellen, mit welcher ſie fortan zu rechnen
gezwungen iſt. Bis jetzt haben wir nur Formeln, und
Formeln, deren Zweideutigkeit die Senats-Diskusſion nicht
beseitigt hat. Diese Zweideutigkeit beunruhigt uns , was
uns betrifst, nicht sehr, weil wir an die Macht der libe-
ralen Strömung glauben. Sie wird nicht zurückgehen,
aber man begreift, daß die Art, wie ſie ſich ihr Bette

machen wird, von der Art und Weise abhängt, wie die

Regierung sich in die neuen Bedingungen finden wird.
Die Regierung selbſt muß dringend darnach verlangen,
den Verſuch anzufangen, denn es giebt nur dieß Mittel,
das öffentliche Intereſſe , dessen ſie nicht entbehren kann,
wieder zu beleben. Subſsidiariſch und ungeachtet der
Besserung der Gesundheit des Kaiſers, fügen wir hinzu,
daß man dem Unvorherzuſehenden Rechnung tragen muß
und daß die Umſ9tände keine halbkonstituirte Kammer
dulden können. Man wird ſpäter durch den Verſuch
sehen, ob der jetzige geſeßg. Körper lebensfähig iſt, aber auf
alle Fälle iſt es dringend nothwendig, ihn in Stand zu
ſezen, zu funktioniren. w



Deutſchland.

* Aus Baden, 10. Sept. Unsere Bismärcker
recen die Köpfe. Die Heidelberger Miniſterzuſammen-
kunft ~ mit oder ohne Hohenlohe + und die Audienz,
welche der König von Bayern dem württembergiſchen Mi-
nister Varnbüler bewilligte, ſind ihnen bedeutsame Ereig-
nisse. Diese fallen ihnen wie Sannensſchein in s Herz
hinein und schon zählen ſie an den Fingern ab, wie lange
es wohl noch dauern könne, bis sich die Mainlinie auf-
thut, um uns zu verſchluden.

Die Unverbeſjerlichen. Die zittern vor Verlangen nach
dem großpreußiſchen Himmel. Ueber das Für und Wider
dieſes Verlangens haben wir genugſam geschrieben, um
heute pauſiren zu dürfen, aber eines möchten wir nicht
verſäumen: unſern Bismärckern eine K unde aus ihrem

Himmelreich vorzuhalten. Dieselbe findet ſich in einem

der preußiſchen Regierung vollständig ergebenen Blatte,
dem in Wiesbaden erſcheinenden ,„Rheiniſchen Kurier“, und
beſchäftigt sich, ~ unſern Freunden der Schule ſei's
beſonders gesagt ~ mit dem „Systeme der Regulative“,
deſſen Folgen ſelbſt auch dem genannten Blatte ,ſichtbar
werden.“



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