F. 246.
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Sonntag, 17. Oktober.
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
Die „Wannheinier Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage -+ täglich als Abendbl
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei VLPokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei
att ausgegebe. – Der AUbonnementzpreis vrertetzährnuch Ein Gulden, ohne Boſtauſſchlag
der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanktalten.
Immanuel Kant über Großpreußen.
| Der Königsberger Philoſoph war ein guter Preuße,
denn er kannte die heimische Politik ſo gut wie Macchia-
velli die menſchliche Natur. Er hatte zwar das Unglück,
schon im Jahre 1804 zu sterben, als die Gamaſchenarmee
noch pfauenſtolz einhermarſchirte und noch nicht bei Jena
eingethan war; aber der alte Weltweiſe wußte doch ganz
genau, was eines Tags stattfinden würde und wozu seine
Hohenzollern die Wiedergeburt des Volkes und die Naivi-
tät eines großen Theiles der Deutschen auszubeuten ge-
daclt n.
In der merkwürdigen Schrift: „Zum ewigen Frieden“,
die 1795 herauskam und weit mehr beißende Kritik als
Idealiſterei enthält, lesen wir unter der ſtehenden Kapitel-
überschrift: „Uebcr die Mißhelligkeit zwischen der Moral und
Politik“ das ganze Bismarck sche Rezept für das zukünfs
tige Deutſchland, und zwar wie ein ächtes Rezept ſein ſoll,
in lateiniſcher Sprache; + die Wirkung wird der Patient
. ſchon begreifen.
Also Reeipe :
„I) Face et excusa. (Thue und entschuldige dich !) Er-
greife die günſtige Gelegenheit zur eigenmächtig en
Beſitznehmung (entweder eines Rechtes des Staates
über ſein Volk, oder über ein anderes b en achbartes);
die Rechtfertigung wird ſich weit leichter und zierlicher n a ch
der That vortragen und die Gewalt beſchönigen lassen
(vornehmlich im erſten Fall, wo die obere Gewalt im In-
nern sofort auch die geſeßzgebende Obrigkeit iſt, der man
gehorchen muß, ohne darüber zu vernünfteln), als wenn
man zuvor auf überzeugende Gründe sſinnen und die Gegen-
gründe darüber noch erſt abwarten wollte. Diese Dre i-
ſtigkeit ſselbſt gibt einen gewiſſen Anſch e in von innerer
Ueberzeugung der Rechtmäßigkeit der That und der
Gott bonus eventus (Erfolg)
Rechts vertreter.
; Noch deutlicher: Wirf die Verfaſſung nieder und an-
nektire !
„2) Si fkecisti, nega. (Haſt du's gethan, so leugnel!)
Was du ſelbſt verbrochen haſt, z. B. um dein Volk zur
Verzweiflung und so zum Aufruhr zu bringen, das leugne
ab, daß es deine Schuld sei; sondern behaupte, daß es
die der Widersſpenstigkeit der Unterthanen oder auch, bei
deiner Bemächtigung eines benachbarten Volkes, die Schuld
der Natur des Menſchen sei, der, wenn er den Andern
nicht mit Gewalt zuvorkommt, sicher darauf rechnen kann,
iv dieser ihm zuvorkomme und ſich seiner bemächtigen
werde“. §
Bedarf durchaus keiner Erklärung.
„3) Divide et impera! (Theile und herrſche !! Das
iſt: ſind gewisse priviligirte Häupter in deinem Volke, so
veruneinige jene unter einander und entzweie sie mit dem
iſt nachher der b est e
Volk; stehe nun dem letteren unter Vorſpiegelung
größerer Freiheit bei, ſo wird Ales von deinem
unbedingtem Willen ahhängen. Oder sind es äußere
Staaten, so iſt Erregung der Mißhelligkeit unter
ihnen ein ziemlich ſicheres Mittel, unter dem Schein des
Beiſtandes die Schwächeren einen nach dem andern
dir zu unterwerfen.“ Ö
Zu deutſch: Gib das allgemeine Stimmrecht und ver-
hehe die Südſtaaten unter einander!
„Durch diese politiſchen Maximen, so ſchließt der pro-
phetiſche Philoſoph, wird nun zwar Niemand hintergangen
(„ein durchaus ehrlicher Politiker“), denn sie sind insge-
Jammt ſchon allgemein bekannt; auch iſt es mit ihnen
nicht der Fall sich zu schämen, als ob die Ungerechtigkeit
gar zu offenbar in die Augen leuchtete. Denn weil ſich
große Mächte nie vor dem Urtheil des g em einen
Haufens, sondern nur eine vor der andern ſchä-
men, nicht dos Offenbarwerden, sondern nur das Mi ß-
lingen derselben sie beschämt machen kann (in Ansehung
der Moralität der Maxime . ſtmmen sie alle unter
einander überein), so bleibt ihnen nur die politische
Ehre übrig, auf die sie sicher rechnen können , nämlich
die der Ver größ erung i h re r Ma ch t, auf wel-
<em Wege sie auch erworben sein mag.“
75 Jahre zum Voraus hat uns Immanuel Kant ge-
sagt, was sich in und an Deutschland erreignen würde.
Von Napoleon Bonaparte war im Jahre 1795 wahrlich
noch keine Rede; lehnte sich alſo der Königsherger Denker
an irgend etwas Reales an, ſo war diesſes die Monarchie
Friedrichs II., die allerdings im Keime das ganze Unglück
barg, welches über unſer deutſches Vaterland gekommen
iſt. Leſſing und Kant gebührt das große Verdienst, schon
s y- .. :. :::
damals nicht getäuscht worden zu sein und ihre Warnungs-
stimme erhoben zu haben.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 16. Oktober. .
* (s iſt erinnerlich, wie raſch man in Karl s ruh e
mit der Antwort zur Hand war, welche die Exiſtenz der
preußiſchen Note abläugnen mußte, die angeblich in Sachen
des Anſchluſſes Badens an den Nordbund in Karisruhe
eingetroffen sein sollte. Auf die offiziöôe Münchener Er-
widerung in Betreff der Auslaſſungen des Ministerial-
präsidenten von Freydork, aus Anlaß der Adreßdebatte
in der Erſten Kammer, betreffend die Südbundspolitik
Badens, herrscht bis jetzt tiefes Schweigen. Der „Beobachter“
meint, die beiden Miniſterpräſidenten von Baden und
Bayern ſtreiten sich augenblicklich so ernsthaft um den
Südbund, daß er den dritten iin Bunde, Herrn v. Varn-
büler, ordentlich lachen höre. ~ In der alten „Badischen
Landeszeitung" findet sich eine Notiz, die an den be-
kannten Erlaß des Kolberger Kommandanten wegen all-
zu empfindlichen Blumenwerfens nach der Perſon des
Kronprinzen erinnert. In der Debatte über die Ermä-
ßigung der Weinsteuer haben nämlich verschiedene Abge-
ordnete so wuchtige Blumenbouquets nach dem Minister-
tiſch geschleudert, daß es ſelbſt Hrn. Lamey zu viel wurde
und er recht patzig mit einem: „Wir haben uns hier
nicht zu bedanken, wir zahlen nicht der Regierung, son-
dern dem Staat die Steuern“ die loyale Katzenbuckelei
verſchiedener geehrten Redner abthat. Die Karlsruher
„Landeszeitung“ empfiehlt, indem sie dem Hrn. Abgeord-
neten für Lörrach beipflichte, „auch im Blumenstreuen
Maß zu halten, damit nicht Leute von geſunden Sinnen
Beklemmungen und Kopſweh bekommen und Andere
schwindlig werden“. „Soweit, fügt dem das obenge-
nannte Blatt bei, muß es kommen mit diesen auf einem
die Volksmeinung fälſchenden Wahlgeſeßboden kunttreich
konstruirten Ergebenheitskammern, daß ſelbſt Regierungs-
männer und Regierungsblätter ſich schämen, an dem
plumpen Dienſteifer dieser sogenannten Volksvertreter."
In Bayern iſt die Wahlbewegung für das Abge-
ordnetenhaus bereits in vollem Gange und ſcheint, wie
das auch in der Sache liegt, heftiger als je zuvor werden
zu wollen.
Der Gesſundheitszuſtand des Grafen Bi smarc> ſoll
ſich troß der nun schon lange andauernden Ruhe (?) noch
nicht zum bessern gewendet haben. An eine Theilnahme
an den Arbeiten des gegenwärtig versammelten Landtags
sei nicht zu denken. „Ich tauge zu dergleichen nicht
mehr,“ soll der Patient neulich einem Frager geantwortet
haben. z
Die Nationalliberalen in Sachſen sind außer ſich,
seitdem sie in der Thronrede und in dem bekannten „Bis
hierher und nicht weiter“ die Entdeckung gemacht haben,
daß ihr Werk ihnen dort nicht gelingen will. „Um Sach-
sen moralisch für den Bund zu gewinnen, muß Preußen
den bundesfreundlichen Theil der Bevölkerung durch eine
unerſchütterlich feſte Haltung ermuthigen. Jede ſcheinbare
Nachgiebigkeit Preußens wird aber nur dem ſächſiſchen
Partikularismus Selbſtvertrauen einflößen und die Haß-
seligkeit deſſelben gegen die Nationalgeſinnten ſteigern“,
so wird in der „D. A. Z.“ gejammert oder denunzirt,
wenn man will. Während die Nationalliberalen ihr Selbſt-
vertrauen in der preußischen Unterſtütung suchen, ſo ſchei-
nen die Sachſen das ihrige in ihrer guten deutſchen
Sache bereits gefunden zu haben.
Die Nachrichten über die blutigen Ereigniſſe in S p a-
nien beschränken sich lediglich auf Depeschen, die durch-
aus von den öffentlichen Organen beeinflußt zu ſsein
scheine. Was auch gemeldet wird, der Plan der Re-
bublikaner, den Widerstand in die Gebirge zu verlegen,
tier wohl noch lange nicht als geſcheirert zu betrachten
ein.
Die „Patrie“ will wiſſen, daß eine neue Deputation,
welche an den König Don Fernando abgesandt iſt, um
ihn zur Annahme der spani ſchen Krone zu bewegen,
hofft, zu einem Resultat zu gelangen. England oll dabei
sehr unterſtüißen, weil dieſe Kandidatur die für ſeine
Intereſſen günſtige erſcheint.
Im Vordergrunde der das Intereſſe des Abendlandes
erregenden Lage des Orient s ſteht neben der Eröff-
nung des Suezkanals an ſich immer noch der Konflikt
zwiſchen dem Vizekönig von Egypten und der Pforte,
worüber sich der „Public" folgendermaßen äußert: Aus
Konſtantinopel eingetroffene Briefe berichten, daß die Lage
allerdings etwas minder beruhigend.
des Vizekönigs von Egypten sich mit Rückſicht auf seine
Bezichungen zum Sultan nicht gebesſcert hat. Der Vize-
könig hat den letzten Brief des Großveziers unbeantwortet
gelaſſen und die Pforte ist über dieses Schweigen ſehr
aufgebracht, welches gewiſſe aus dem Orient kommende
Gerüchte damit erklären, daß sie Ismail Paſcha das Pro-
jett einer Auflehnung gegen die Oberhoheit des Sultans
zuschreiben. Es ist ſchwer an ein derartiges Abenteuer
zu glauben, in welchem derKhedive jedenfalls weder von Frank-
reich noch von England unterſtüttt werden würde; allein das
Schweigen Jsmails beweist, daß es in Alexandrien eine
Partei des Widerstandes giebt, deren Rathſchläge auf den
versöhnlichen Einfluß Frankreichs und Englands ſstörend
einwirken werden. Man glaubt daher in Konſtantinopel,
daß gleich nach der Einweihung des Kanals von Suez
Beschlüſſe gefaßt werden, um einem Konflikt ein Ende zu
machen, deſſen Folgen übrigens vom Gesichtspunkt der
occidentaliſchen Interessen zu keinen Beſorgniſſen Anlaß
geben.
Der friedlichen Auffassung der Lage, wie sie in dieſen
lezten Worten Ausdruck findet, steht eine anzeblich aus
guter Quelle geſchöpfte Nachricht der „Perſeveranga“ aus
Alexandrien entgegen, nach welcher das italienische Ge-
schwader, wenn kein Ausgleich der türkiſch - egyptiſchen
Frage zu Stande kommt, um vier Schiffe vermehrt
werden soll, um im Einverſtändniß mit Frantreich darüber
zu wachen, daß die zwiſchen der Pforte und Egypten bes
ſtehenden Verträge nicht verlegt werden. Dieß klingt
Deutſchland.
* Aus Baden, 16. Ott. Philipp Reiter von
Werthheim wurde heute vor zwanzig Jahren vom Stand-
gericht zu Raſtatt mit 4 gegen 2 Stimmen zu 10 Jahren
Zuchthaus verurtheilt. Der Prozeß gegen Joſebh Ru p per t
von Karlsruhe, Hauptmenn im dritten Infanteriereg ment
in welchem am 17. Okt. 1849 vor dem Standgerichte'
zu Mannheim Verhandlung gepflogen wurde, hatte großes
Intereſſe in Anspruch genommen. Der Angesſchuldigte
hatte zuleßt das Reſervekorps der Neckarmee kommandirt
und war am 12. Juni zu den hesſiſchen Truppen über-
gegangen. Der Staatsanwalt trug auf Todesſtrafe an;
der Vertheidiger Rechtsanwalt v. Engelberg machte geltend,
daß das Amneſtiegeſeßz vom 2. Juni desſſ. Jahres auf
den Angeklagten Anwendung finde. Das Standgericht
trat den Ausführungen des Vertheidigers bei und erließ
mit 4 gegen 2 Stimmen ein freiſprechendes Urtheil.
> Von der Enz, 15. Ott. Unter den Bes-
stimmungen des den Ständen vorgelegten Aufenthaltsgee !
setzes befindet sich ein Paragraph, welcher unſer Bedenten
in hohem Grade erregen muß. Der g 4 überträgt näm-
lich der Regierung das Recht „je d er zei t die Aus-
weiſung eines Ausländers“ zu verfügen und zwar aus
Gründen ,der Sittlichkeit und Sicherheit des Staates“. Wir
hoffen, daß unsere politiſchen Freunde in der Kammer der An-
nahme jener Beſtimmung energiſch entgegentreten werden,
welche nur Zeugniß dafür ablegt, daß die Regierung von
einer gewissen Gespenſterfurcht ſich nicht losſagen zu
können glaubt. Denn der Artikel kann gar keinen an-
dern Sinn haben, als Ausländer wegen ihrer politiſchen
Thätigkeit nöthigenfals mit dem Damotklesſchwert der
Ausweiſung 'zu bedrohen, da gegen wirkliche Verbrechen
gegen die Sittlichkeit und Sicherheit des Staates theils
das Strafgesez, theils die vorhergehenden Beſimmungen
des vorliegenden Geſeßes hinreichende Handhabe zu bieten
vermögen. Was unter der „Sicherheit des Staates“
nicht alles verſtanden und „zum Schutze“ deſſelben nicht
alles verfügt werden kann, dieß lehrt die Geschichte der
lezten zwanzig Jahre zur Genüge und iſt noch zu gut
in aller Gedächtniß. Also Beseitigung eines Paragraphen,
welcher die manichfachſte und deßhalb willkürlichſte Aus-
legung zuläßt.
Vudwigshafen, 14. Ott. Dem „Fr. I.“ wrd |
unter vorſtehendem Datum geschrieben : Gestern unterſuchs
ten bayerische und badische Waſsſerbaubeamte den Zuſtand
des Rheins unterhalb des Frieſenheimer Kanals, wo der
Fluß um 100 Meter zu breit und in Folge dessen ver-
sandet iſt. Schon ſeit lange beschwert ſich die Schifffahrt
über diesen Zuſtand , der den Verkehr auf dieser Strecke
in hohem Grade beeinträchtigt. Die Schuld der langen
Verzögerung der Korrektion liegt allein an Bayern, da
Baden längst mit gutem Beispiel vorangegangen iſt und
bedeutende Kosten zur Regulirung der rechten Uferseite
aufgewendet hat. Unsere Regierung könnte mit dem drit-
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Die „Wannheinier Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage -+ täglich als Abendbl
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei VLPokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei
att ausgegebe. – Der AUbonnementzpreis vrertetzährnuch Ein Gulden, ohne Boſtauſſchlag
der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanktalten.
Immanuel Kant über Großpreußen.
| Der Königsberger Philoſoph war ein guter Preuße,
denn er kannte die heimische Politik ſo gut wie Macchia-
velli die menſchliche Natur. Er hatte zwar das Unglück,
schon im Jahre 1804 zu sterben, als die Gamaſchenarmee
noch pfauenſtolz einhermarſchirte und noch nicht bei Jena
eingethan war; aber der alte Weltweiſe wußte doch ganz
genau, was eines Tags stattfinden würde und wozu seine
Hohenzollern die Wiedergeburt des Volkes und die Naivi-
tät eines großen Theiles der Deutschen auszubeuten ge-
daclt n.
In der merkwürdigen Schrift: „Zum ewigen Frieden“,
die 1795 herauskam und weit mehr beißende Kritik als
Idealiſterei enthält, lesen wir unter der ſtehenden Kapitel-
überschrift: „Uebcr die Mißhelligkeit zwischen der Moral und
Politik“ das ganze Bismarck sche Rezept für das zukünfs
tige Deutſchland, und zwar wie ein ächtes Rezept ſein ſoll,
in lateiniſcher Sprache; + die Wirkung wird der Patient
. ſchon begreifen.
Also Reeipe :
„I) Face et excusa. (Thue und entschuldige dich !) Er-
greife die günſtige Gelegenheit zur eigenmächtig en
Beſitznehmung (entweder eines Rechtes des Staates
über ſein Volk, oder über ein anderes b en achbartes);
die Rechtfertigung wird ſich weit leichter und zierlicher n a ch
der That vortragen und die Gewalt beſchönigen lassen
(vornehmlich im erſten Fall, wo die obere Gewalt im In-
nern sofort auch die geſeßzgebende Obrigkeit iſt, der man
gehorchen muß, ohne darüber zu vernünfteln), als wenn
man zuvor auf überzeugende Gründe sſinnen und die Gegen-
gründe darüber noch erſt abwarten wollte. Diese Dre i-
ſtigkeit ſselbſt gibt einen gewiſſen Anſch e in von innerer
Ueberzeugung der Rechtmäßigkeit der That und der
Gott bonus eventus (Erfolg)
Rechts vertreter.
; Noch deutlicher: Wirf die Verfaſſung nieder und an-
nektire !
„2) Si fkecisti, nega. (Haſt du's gethan, so leugnel!)
Was du ſelbſt verbrochen haſt, z. B. um dein Volk zur
Verzweiflung und so zum Aufruhr zu bringen, das leugne
ab, daß es deine Schuld sei; sondern behaupte, daß es
die der Widersſpenstigkeit der Unterthanen oder auch, bei
deiner Bemächtigung eines benachbarten Volkes, die Schuld
der Natur des Menſchen sei, der, wenn er den Andern
nicht mit Gewalt zuvorkommt, sicher darauf rechnen kann,
iv dieser ihm zuvorkomme und ſich seiner bemächtigen
werde“. §
Bedarf durchaus keiner Erklärung.
„3) Divide et impera! (Theile und herrſche !! Das
iſt: ſind gewisse priviligirte Häupter in deinem Volke, so
veruneinige jene unter einander und entzweie sie mit dem
iſt nachher der b est e
Volk; stehe nun dem letteren unter Vorſpiegelung
größerer Freiheit bei, ſo wird Ales von deinem
unbedingtem Willen ahhängen. Oder sind es äußere
Staaten, so iſt Erregung der Mißhelligkeit unter
ihnen ein ziemlich ſicheres Mittel, unter dem Schein des
Beiſtandes die Schwächeren einen nach dem andern
dir zu unterwerfen.“ Ö
Zu deutſch: Gib das allgemeine Stimmrecht und ver-
hehe die Südſtaaten unter einander!
„Durch diese politiſchen Maximen, so ſchließt der pro-
phetiſche Philoſoph, wird nun zwar Niemand hintergangen
(„ein durchaus ehrlicher Politiker“), denn sie sind insge-
Jammt ſchon allgemein bekannt; auch iſt es mit ihnen
nicht der Fall sich zu schämen, als ob die Ungerechtigkeit
gar zu offenbar in die Augen leuchtete. Denn weil ſich
große Mächte nie vor dem Urtheil des g em einen
Haufens, sondern nur eine vor der andern ſchä-
men, nicht dos Offenbarwerden, sondern nur das Mi ß-
lingen derselben sie beschämt machen kann (in Ansehung
der Moralität der Maxime . ſtmmen sie alle unter
einander überein), so bleibt ihnen nur die politische
Ehre übrig, auf die sie sicher rechnen können , nämlich
die der Ver größ erung i h re r Ma ch t, auf wel-
<em Wege sie auch erworben sein mag.“
75 Jahre zum Voraus hat uns Immanuel Kant ge-
sagt, was sich in und an Deutschland erreignen würde.
Von Napoleon Bonaparte war im Jahre 1795 wahrlich
noch keine Rede; lehnte sich alſo der Königsherger Denker
an irgend etwas Reales an, ſo war diesſes die Monarchie
Friedrichs II., die allerdings im Keime das ganze Unglück
barg, welches über unſer deutſches Vaterland gekommen
iſt. Leſſing und Kant gebührt das große Verdienst, schon
s y- .. :. :::
damals nicht getäuscht worden zu sein und ihre Warnungs-
stimme erhoben zu haben.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 16. Oktober. .
* (s iſt erinnerlich, wie raſch man in Karl s ruh e
mit der Antwort zur Hand war, welche die Exiſtenz der
preußiſchen Note abläugnen mußte, die angeblich in Sachen
des Anſchluſſes Badens an den Nordbund in Karisruhe
eingetroffen sein sollte. Auf die offiziöôe Münchener Er-
widerung in Betreff der Auslaſſungen des Ministerial-
präsidenten von Freydork, aus Anlaß der Adreßdebatte
in der Erſten Kammer, betreffend die Südbundspolitik
Badens, herrscht bis jetzt tiefes Schweigen. Der „Beobachter“
meint, die beiden Miniſterpräſidenten von Baden und
Bayern ſtreiten sich augenblicklich so ernsthaft um den
Südbund, daß er den dritten iin Bunde, Herrn v. Varn-
büler, ordentlich lachen höre. ~ In der alten „Badischen
Landeszeitung" findet sich eine Notiz, die an den be-
kannten Erlaß des Kolberger Kommandanten wegen all-
zu empfindlichen Blumenwerfens nach der Perſon des
Kronprinzen erinnert. In der Debatte über die Ermä-
ßigung der Weinsteuer haben nämlich verschiedene Abge-
ordnete so wuchtige Blumenbouquets nach dem Minister-
tiſch geschleudert, daß es ſelbſt Hrn. Lamey zu viel wurde
und er recht patzig mit einem: „Wir haben uns hier
nicht zu bedanken, wir zahlen nicht der Regierung, son-
dern dem Staat die Steuern“ die loyale Katzenbuckelei
verſchiedener geehrten Redner abthat. Die Karlsruher
„Landeszeitung“ empfiehlt, indem sie dem Hrn. Abgeord-
neten für Lörrach beipflichte, „auch im Blumenstreuen
Maß zu halten, damit nicht Leute von geſunden Sinnen
Beklemmungen und Kopſweh bekommen und Andere
schwindlig werden“. „Soweit, fügt dem das obenge-
nannte Blatt bei, muß es kommen mit diesen auf einem
die Volksmeinung fälſchenden Wahlgeſeßboden kunttreich
konstruirten Ergebenheitskammern, daß ſelbſt Regierungs-
männer und Regierungsblätter ſich schämen, an dem
plumpen Dienſteifer dieser sogenannten Volksvertreter."
In Bayern iſt die Wahlbewegung für das Abge-
ordnetenhaus bereits in vollem Gange und ſcheint, wie
das auch in der Sache liegt, heftiger als je zuvor werden
zu wollen.
Der Gesſundheitszuſtand des Grafen Bi smarc> ſoll
ſich troß der nun schon lange andauernden Ruhe (?) noch
nicht zum bessern gewendet haben. An eine Theilnahme
an den Arbeiten des gegenwärtig versammelten Landtags
sei nicht zu denken. „Ich tauge zu dergleichen nicht
mehr,“ soll der Patient neulich einem Frager geantwortet
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Die Nationalliberalen in Sachſen sind außer ſich,
seitdem sie in der Thronrede und in dem bekannten „Bis
hierher und nicht weiter“ die Entdeckung gemacht haben,
daß ihr Werk ihnen dort nicht gelingen will. „Um Sach-
sen moralisch für den Bund zu gewinnen, muß Preußen
den bundesfreundlichen Theil der Bevölkerung durch eine
unerſchütterlich feſte Haltung ermuthigen. Jede ſcheinbare
Nachgiebigkeit Preußens wird aber nur dem ſächſiſchen
Partikularismus Selbſtvertrauen einflößen und die Haß-
seligkeit deſſelben gegen die Nationalgeſinnten ſteigern“,
so wird in der „D. A. Z.“ gejammert oder denunzirt,
wenn man will. Während die Nationalliberalen ihr Selbſt-
vertrauen in der preußischen Unterſtütung suchen, ſo ſchei-
nen die Sachſen das ihrige in ihrer guten deutſchen
Sache bereits gefunden zu haben.
Die Nachrichten über die blutigen Ereigniſſe in S p a-
nien beschränken sich lediglich auf Depeschen, die durch-
aus von den öffentlichen Organen beeinflußt zu ſsein
scheine. Was auch gemeldet wird, der Plan der Re-
bublikaner, den Widerstand in die Gebirge zu verlegen,
tier wohl noch lange nicht als geſcheirert zu betrachten
ein.
Die „Patrie“ will wiſſen, daß eine neue Deputation,
welche an den König Don Fernando abgesandt iſt, um
ihn zur Annahme der spani ſchen Krone zu bewegen,
hofft, zu einem Resultat zu gelangen. England oll dabei
sehr unterſtüißen, weil dieſe Kandidatur die für ſeine
Intereſſen günſtige erſcheint.
Im Vordergrunde der das Intereſſe des Abendlandes
erregenden Lage des Orient s ſteht neben der Eröff-
nung des Suezkanals an ſich immer noch der Konflikt
zwiſchen dem Vizekönig von Egypten und der Pforte,
worüber sich der „Public" folgendermaßen äußert: Aus
Konſtantinopel eingetroffene Briefe berichten, daß die Lage
allerdings etwas minder beruhigend.
des Vizekönigs von Egypten sich mit Rückſicht auf seine
Bezichungen zum Sultan nicht gebesſcert hat. Der Vize-
könig hat den letzten Brief des Großveziers unbeantwortet
gelaſſen und die Pforte ist über dieses Schweigen ſehr
aufgebracht, welches gewiſſe aus dem Orient kommende
Gerüchte damit erklären, daß sie Ismail Paſcha das Pro-
jett einer Auflehnung gegen die Oberhoheit des Sultans
zuschreiben. Es ist ſchwer an ein derartiges Abenteuer
zu glauben, in welchem derKhedive jedenfalls weder von Frank-
reich noch von England unterſtüttt werden würde; allein das
Schweigen Jsmails beweist, daß es in Alexandrien eine
Partei des Widerstandes giebt, deren Rathſchläge auf den
versöhnlichen Einfluß Frankreichs und Englands ſstörend
einwirken werden. Man glaubt daher in Konſtantinopel,
daß gleich nach der Einweihung des Kanals von Suez
Beschlüſſe gefaßt werden, um einem Konflikt ein Ende zu
machen, deſſen Folgen übrigens vom Gesichtspunkt der
occidentaliſchen Interessen zu keinen Beſorgniſſen Anlaß
geben.
Der friedlichen Auffassung der Lage, wie sie in dieſen
lezten Worten Ausdruck findet, steht eine anzeblich aus
guter Quelle geſchöpfte Nachricht der „Perſeveranga“ aus
Alexandrien entgegen, nach welcher das italienische Ge-
schwader, wenn kein Ausgleich der türkiſch - egyptiſchen
Frage zu Stande kommt, um vier Schiffe vermehrt
werden soll, um im Einverſtändniß mit Frantreich darüber
zu wachen, daß die zwiſchen der Pforte und Egypten bes
ſtehenden Verträge nicht verlegt werden. Dieß klingt
Deutſchland.
* Aus Baden, 16. Ott. Philipp Reiter von
Werthheim wurde heute vor zwanzig Jahren vom Stand-
gericht zu Raſtatt mit 4 gegen 2 Stimmen zu 10 Jahren
Zuchthaus verurtheilt. Der Prozeß gegen Joſebh Ru p per t
von Karlsruhe, Hauptmenn im dritten Infanteriereg ment
in welchem am 17. Okt. 1849 vor dem Standgerichte'
zu Mannheim Verhandlung gepflogen wurde, hatte großes
Intereſſe in Anspruch genommen. Der Angesſchuldigte
hatte zuleßt das Reſervekorps der Neckarmee kommandirt
und war am 12. Juni zu den hesſiſchen Truppen über-
gegangen. Der Staatsanwalt trug auf Todesſtrafe an;
der Vertheidiger Rechtsanwalt v. Engelberg machte geltend,
daß das Amneſtiegeſeßz vom 2. Juni desſſ. Jahres auf
den Angeklagten Anwendung finde. Das Standgericht
trat den Ausführungen des Vertheidigers bei und erließ
mit 4 gegen 2 Stimmen ein freiſprechendes Urtheil.
> Von der Enz, 15. Ott. Unter den Bes-
stimmungen des den Ständen vorgelegten Aufenthaltsgee !
setzes befindet sich ein Paragraph, welcher unſer Bedenten
in hohem Grade erregen muß. Der g 4 überträgt näm-
lich der Regierung das Recht „je d er zei t die Aus-
weiſung eines Ausländers“ zu verfügen und zwar aus
Gründen ,der Sittlichkeit und Sicherheit des Staates“. Wir
hoffen, daß unsere politiſchen Freunde in der Kammer der An-
nahme jener Beſtimmung energiſch entgegentreten werden,
welche nur Zeugniß dafür ablegt, daß die Regierung von
einer gewissen Gespenſterfurcht ſich nicht losſagen zu
können glaubt. Denn der Artikel kann gar keinen an-
dern Sinn haben, als Ausländer wegen ihrer politiſchen
Thätigkeit nöthigenfals mit dem Damotklesſchwert der
Ausweiſung 'zu bedrohen, da gegen wirkliche Verbrechen
gegen die Sittlichkeit und Sicherheit des Staates theils
das Strafgesez, theils die vorhergehenden Beſimmungen
des vorliegenden Geſeßes hinreichende Handhabe zu bieten
vermögen. Was unter der „Sicherheit des Staates“
nicht alles verſtanden und „zum Schutze“ deſſelben nicht
alles verfügt werden kann, dieß lehrt die Geschichte der
lezten zwanzig Jahre zur Genüge und iſt noch zu gut
in aller Gedächtniß. Also Beseitigung eines Paragraphen,
welcher die manichfachſte und deßhalb willkürlichſte Aus-
legung zuläßt.
Vudwigshafen, 14. Ott. Dem „Fr. I.“ wrd |
unter vorſtehendem Datum geschrieben : Gestern unterſuchs
ten bayerische und badische Waſsſerbaubeamte den Zuſtand
des Rheins unterhalb des Frieſenheimer Kanals, wo der
Fluß um 100 Meter zu breit und in Folge dessen ver-
sandet iſt. Schon ſeit lange beschwert ſich die Schifffahrt
über diesen Zuſtand , der den Verkehr auf dieser Strecke
in hohem Grade beeinträchtigt. Die Schuld der langen
Verzögerung der Korrektion liegt allein an Bayern, da
Baden längst mit gutem Beispiel vorangegangen iſt und
bedeutende Kosten zur Regulirung der rechten Uferseite
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