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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 76 - No. 101 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0323

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Organ der deultſch









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Paden.













Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird — niit Uusnahme der Sonntage und Feſttage ~ täglich als Abendblait ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 tr.,

bei Lokalanzeigen 2 kr.

Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtansſtalten.









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Soldaten und Steuern.

+. Der Norddeutsche Bund wird alle Tage interes-
ſanter, auf Teutſch anziehender. Cr gleicht nämlich im-
mer mehr dem bekannten Magnetberge des Märchens,
welcher aus den Schiffen jegliches Ciſen herauszog, so daß
die Planken hilflos in den Ozean auseinander fielen. Nur
daß der Norddeutſ.: e Bund nicht nur das Eiſen aus-
zieht, um „Säbel, Schwert und Spieß“ dem hundertsten
Menſchen „in seine Rechte" zu geben, sondern auch auf
Silber und Gold erpicht iſt. Er kann getroſt auf ſein
ſchwarz-weiß-rothes Banner die geflügelten Worte schreiben:
Soldaten und Steuern.

Vor der Eniſcheidung im Jahre 1866 wollten uns
die Missionäre der „preußiſchen Spiye“" weismachen, in
der „Einheit“ würden ſich die Militärkoſten vermindern,
namentlich würde Preußen ſelbſt durch ſtärkere Betheiligung
der Flemen entlaſtet werden und den „Schutz Deutsch-
lands“ nicht mehr allein auf seinen Schultern zu tragen
haben. Der berediſte unter diesen Miſſsionären war Hr.
Löwe aus Kalbe, er ſagte uns ſeine Lettion noch zu
guter Letzt in Frankfurt auf und ,versluchte“ dabei Den-
jenigen, der ein „machtloſes Parlament“ einſeßen werde.
Jetzt nun hat der norddeutſche Reichstag alle „Macht“,
die Hr. v. Bismarck ihm lassen will, die Kleinen ſind ge-
U betchtet und Preußen zahlt ~ mehr als je für
ein Heer!

Das preußiſche Kriegsbudgei belief sich vor 1866 auf

40,106,000 Thlr.; seit der Gründung des Bundes zahlt
Preußen 41,619,150 Thlr. ; 1,10 /o seines Gesammt-
einfommens mehr! Hannover iſt von 3,266,000 auf
4,248,000 Thlr., um 9 %o des Gesammteinkommens,
hinaufgeſchraubt. Hesſen-Kaſſel von 1,021,000 anf
1,661,000 Thlr.; um 12/0; Raſſau von 522,000
auf 1,029,875 Thlr., um 17%, Sarchsenzahlt heute
4,181,000, statt 2,152,000 Thlr., 21 s'o mehr! Sach-
ſen-Weimar 614,700, stalt 192,000, 25 °%ſo mehr !
Sachſen-Meiningen 887,675, statt 106,000 Thlr.,
29 % mehr! Lipp er- D eimol d 244,125, statt 66,000
Thlr., 78 °ſo mehr ! ! (
_ Statt der früheren Totalſumme aller norddeulſchen
Staaten, 50,781,000 Thlr. wird jezt bezahlt 60,813,725
Thir. Zählt man ſämmtliche Prozentſöte des Gesammt-
einkommens zuſammen und ſucht dann den niitleren
Durchſchnitt, ſo ergeben ſich statt der früheren 15,8 Ö'ſo
jezt 33,9 °)o! Dabei iſt aber nicht zu übersehen, daß
Sachſen von sämmtlichen Cinnahmen 88,7 %% aufs
Militär verwende, Anhalt 40 09ſo, Reuß-=Greiz
47,8 %o, Reuß Schleiz 66,5 9o und Lippe-Dets-
mold 106,6 %o, 6,6 ‘o mehr als es einnimmt !! Wo-
her da nehmen und nicht ſtehlen?

Zu den obigen 60 Millionen Thlr. kommen aber
noch 10 Millionen für die Marine, die berühmte ,deutſche
Flotte", und Alles Das reicht noch nicht; die „Einheit“
koſtet ein ſchmähliches Geld. Nun yzerarbeitet ſich der
Bundesrath an neuen Steuerprojckten und ſucht wie Dio-
genes an Objekten für ſeine Projekte;, zart möchte er
ums Leben gern dabei auftreten, denn der Reichstag hält



die Schnüre des
Volk nicht auf die Finger ſieht und ihn ungestraft seine
rhetorische Cxiſtenz weiter führen läßt, beim Zahlen
wird ſelbſt der Erfolgs-Philiſter leicht unangenehm und
chlägt aus.

t Cine Wechſelſteuer ist ſchon in ihren einzelnen
Ansätzen ins Publikum gedrungen, ganz dazu angethan,
den hohen norddeutſchen Diskonto noch zu erhöhen und
faule Ausſtände noch fauler zu machen. Jett munkelt’'s
auch von einer Börſsenſteuer, welche die Werthpapiere,
Staatseffekten und Antheilscheine für Eiſenbahnen und
industrielle Anlagen noch pikanter machen soll. Man hat
lange genug die öſterreichiſche Couponſteuer mitleidig be-
lächelt; es iſt Zeit, das Ding nachzumachen, um den Wie-
ner Fortſchritt einzuholen. :

Was dann der Reichstag ungethan läßt, kann ja das
Zollparlament ausfüllen. Geld, Geld bedürfen ja
alle Regierungen, im Norden wie im Süden, die im
Süden ſchon allein für die koſlbaren Militäwerträge, die
ihnen der Sieger zu Nikolsburg in die Taſche ſteckte.
Also noch einmal heran, narkotiſcher Tabak, ſchläfere das
Volk ein, daß wir ihm unbemertt den Bentel leeren!
Brennbares Petroleum herbei, du Gas der Proletarier
und des biedern Landmannes, leuchte uns in unſerm
Schuldendunkel! Und damit der Städter und Begüterte
nicht ciferſüchtig werde, wenn Jeder „Hab und Gut auf
dem Altar des Vaterlandes niederlegt“, so wird auch das
Petrol der Aristokratie, das Gas, b.ſteuert; vielleicht brennts
nachher wirklich. j

Der Kaiser Juſtinian ließ seiner Zeit die atmos >-
phärische Luft beſteuern; weßhalb ſollten nicht unsere
Imbperatoren die brennbare Luft heranziehen? Wir
werden ja ohnehin alle wieder gut kaiſerlich, byzantinisch,
in der Theologie, im Militarismus, in den guten odér
schlechten Sitten, in Parade- Aufzügen und bunten Schau-
ſtellungen. Auch die edle Theodora hat sich bereits ge-
meldet.

Soldaten und Steuern! Dos iſt die Parole.
Steuern und Soldaten, Das iſt das Gewiſſeſte,
was wir haben, Das sind unsere Grundrechte geworden,
die Fundamente der Staaten, Bünde und Verfassungen.
Nur zu, das Volk quicksſt zwar schon ein wenig, aber es
ſchreit noch nicht. Wenn's freilich zu ſchreien anſängt,
dann iſt es –~ „zu ſpät“.



Politische Uebersicht.
Mannheim, 5. April.

* Gegen den Vizekönig von Aegypten ist, wie aus
Kairo unterm Vorgeſtrigen gemeldet wind, ein Mordver-
ſuch unternommen worden. Durch die Cxploſion einer
unter seinen Sit, im Theater gelegtcn Vombe ſollte er
ums Leben kommen, hatte aber, rechtzeitig gewarnt, den
Beſuch des Theaters unterlaſſen. Von wem das Attentat
ausgegangen ſein soll, berichtet der Telegraph noch nicht,
sondern meldet einstweilen nur, daß Verhaftungen vorge-
nommen worden ſind.

In einigen Ortſchaſten Schwedens haben in der

Beutels und wenn ihm auch sonſt das | letßten Woche des verfloſſenen Monates aus Anlaß der

Steuererhebung Bauernaufläufe stattgefunden, zu deren
Unterdrückung Militärmacht aufgeboten wurde. Cin Bauer
kam dabei durch einen Schuß um's Leben. Wenn der
arbeitende, die Geldbedürfniſſe des Staates herbeiſchasfende
Vater im Bauernrock die Steuern nicht mehr erſchwingen
kann, dann schießt der nichtsthuende, die Steuererträgniſſe
verzehrende Sohn im Waffenrock ihn nieder. Probatum
eſt : Das ist eine Wechselwirkung zwischen Steuern und
Soldaten.

Den offiziöfen Organen in Preußen, welche dem
Twesten’ſchen Antrage auf Cinführung von verantwort-
lichen Nordhunds-Ministerien ein Scheitern prophezeit ha-
ben, schließt sich jest das Bismarck'ſche Leibblatt mit der
Erklärung an, daß ein Bedürfniß einer derartigen Umge-
staltung der Bundesverfaſſung, einer Reviſion derſelben
nicht vorliege. Die in fortiſchrittlichen Blättern ausge-
ſprochene Aufforderung an den Reichstag, die Bewilligung
von Steuern und Anlehen von der Annahme des Twe-
sten’schen Antrags abhängig zu machen, wird von der
„Nordd. Allg. Ztg.“ mit der ihr so wohlansſtehenden ſitt-
lichen Entrüſtung als eine Art „kaufmännischen Handels",
als ein unwürdiges Feilſchen zurückgewiesen und zugleich
als jedenfalls seinen Zweck verfehlend bezeichnet. Wenn
der Reichstag wirklich dieser Lchre folgen und demnach
seine Mitwirkung zur Befriedigung der Bundesbedürfnisse
ablehnen sollte, ſo würde die einzige Folge davon ſein,
daß in der Befriedigung ſelbſt dringendſter Bundesbe-
dürfnisse jene Beschränkung eintreten würde, welche der
Ausfall der erwarteten Mi.tet nothwendig mache. ;

Aus Gumbinnen 2. April, wird gemeldet: „Ges-
ſtern Abend machte ein Volkshaufen den Verſuch, die
gefangenen CExzedenten zu befreien, wurde jedoch an der
Ausführung des Vorhabens verhindert. Heute haben die
Stadtverordneten besſchloſſen, eine Deputation an den
Oberpräsidenten der Provinz Preußen abgehen zu laſſen,
welche um Beschaffung von Arbeit für Arbeitloſe petitios
niren soll.“ Was der Telegraph bei seinen erſten Bes-
richten über die Vorfälle in Gumbinnen mit loyaler Zart-
heit verſchwiegen hatte, tritt nun an den Tag. Arbei-
ternoth iſt es gewesen, was Hunderte von Arbeitern vor
dem Regierungsgebäude und Tags darauf vor dem Ma-
giſtratshauſe zuſammentrieb. „Aufmarsſchiren von Militär
— bemerkt die „Zukunsſt!. + und Verhaftung der
„Haupträdelsführer“ ~ wie ein Brricht die Hungrigſten
höhniſch nennt –~ habeu für den Anfang Ruhe geschafft.
Die Ordnung in der Stadt iſt wiederhergeſtellt, und Die
man später draußen in ten Chauſſeegräben, hinter den
Hecken, unter dem dürren Laub des Geſträuches finden
wird: nun, Die stören die Ruhe nicht mehr.“ Daß der
Auflauf kein zufälliger war, daß die Behörden Kenntniß
oder Ahnung von der Lage der Tinge hatten, geht aus
manchen Berichten hervor. Wie Anfangs im vorigen,
sſo wird aber auch in diesem Jahre der Nothsſtand in
Ostpreußen offiziell in Abrede gestellt, und der aus seiner
Sorgfalt für Preſſe und Verſammlungen wohl bekannte
dortige Regierungspräſident iſt durch dieſe Seite ſeiner
Thätigkeit ſo ſehr in Anſpruch genommen, daß er zur



Auf den letzten Augen.
\Fortſezung.)

t Die Wohnung lag im untern Geschoß des linken
Flügcls, welches 8 bis 10 Juß über der Erde empor-
ragte und sich in gleicher Flucht mit der Terraſſe befand,
die ſich vor den Sälen des Mittelbaues hinzog und durch
eine Freitreppe mit dem Park in Verbindung stand. Die
Fenster waren der Morgensonne zugekehrt und beherrſch-
len den parkartig angelegten Garten sammt dem dahinter
ausgebreiteten Walde; ein weiterer Durchbruch durch den
letzteren gestattete dem Auge einen reizenden Blick auf die
weite Waſſerfläche und das erhabene Ufer des großen
Its der in einiger Entfernung seine Wogen dem Meere

älzte.

_ NMehr als alle diese Annehmlichkeiten empfand Henriette
r cuſiſtie Entgegenkommen der Freifrau und deren
_ Die Baronin von Roodhuſen war eine ſchöne, edle
Dame von hoher Gestalt, deren Züge und Wesen an die
Ahnenbilder erinnerte, mit denen der Feſtſaal des Schloſ-
des ausgeſchmückt war. Nur ein Hauch von Schwermuth,
der wie die Ahnung eines stillen Grames über ihr Ant-
litz ausgegoſſen lag und dasſelbe vergeistigte, man konnte
sagen verklärte, unterſchied ſie von dem kräftigen, lebens-
frohen Ausdruck jener Bilder.



Henriette fühlte ſich von der Begegnung dieſer Dame
eigenthümlich bewegt und ſeliſam angezogen. Die Frei-
frau wies das junge Mädchen voll Güte in ihre Be-
ſchäftigung ein.

„Ich betrachte Sie als eine Freundin, die mir einen
Theil meiner häuslichen Sorgen abnimmt und unſrer
Nertha die Einſamkeit ihres Daſeins erhcitern hilft. Das
arme Kind hat so wenig Freude und so ſehr zu leiden !
An den Rauheiten der Herren müssen Sie ſich nicht sto-
ßen. Die Männer haben in unsrer Gegend nicht viet
mehr als ihre Pfcrde, die Jagd und den Genuß , den
gegenseitige Zuſammenkünste und Ausflüge gewähren;
Das macht sie etwas derb und starr, doch birgt die rauhe
Schale viel Freundliches und Gutes. Sie werden ſich
hier leicht eingewöhnen, wenn Ihnen die Stille des Land-
lebens nicht zuwider iſt. Doch Das glaube ich kaum:
man hat mir so viel Treffliches von Ihnen gerühmt, daß
ich fest versichert bin. Ihre geistigen Fähigkeiten werden
Sie schnell in den idylliſchen Reizen unserer Gegend den
Zauber finden laſſen, welche die Ocde in eine liebe Hei-
math umwandelt.“

; Henriette küßte der edlen Frau die Hand und nahm
ſich vor, der unglücklichen Tochter nach allen Kräften ihr
irauriges Dasein zu erheitern.

Nertha war sowohl in äußerer Eiſcheinung als Weſen



sehr von der Mutter verſchieden. Ihre Gestalt war klei-
ner und gewöhnlicher, ihr Auftreten schüchtern, ja ängſt-
lich. Sie näherte sich Henriette, als ob ſie Schutz bei
ihr ſuchte.

Diese Unähnlichkeit gab der neuen Mamfell Manches
zu denken. Den äußeren Theil derſelben ſchrieb ſie auf
Rechnung des Vaters, dem der ſstrenge Familientypus
abging.

Andere Erscheinungen kamen ihr wie ein Räthſel vor ;
sſo auch die Erklärung der Freifrau, daß sie derſelben
vortheilhaft empfohlen worden.

Durch wen konnte Dieß geschehen sein ? Durch den
Kanzleirath Sebrecht oder durch Auberg, den ſie zu ihrem
Schrecken am Tage nach ihrer Ankunst mit dem Frei-
herrn von Roodhuſen hatte ins Schloß kommen ſehen.

Die beiden Herren mußten ſich angelegentlich mit
wichtigen Fragen beschäftigen, denn der Junker wurde
aus. den Stallungen gerufen, und die drei Männer be-
gaben ſich in einen Gartenpavillon , welcher Henriettens
Fenster gegenüber lag. Junker Wolf bewohnte diesen
Pavillon bei ſeiner Anwesenheit auf dem Gute, die wäh-
rend der Ferienzeit ſtattfand; er war nach der Sitte sei-
nes Standes Offizier geworden und beſuchte auf den
Wunſch ſeiner Eltern die Landesuniverſität, um ich die




 
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