F. 158.
Organ der deutſchen Vol
. H
„Viannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
p UT W Wr ms WW
Zum ökumeniſchen Konzil.
Noch trennen uns beinahe sechs Monate von dem
Tage, für welchen der Zuſammentritt des ökumeniſchen
Konzils auberaumt iſt, und schon iſt der Kampf gegen
dasselbe auf der ganzen Linie entbrannt. Obgleich noch
von keinem europäiſchen Kabinete ein direkter Schritt gegen
das Konzil unternommen wurde, deutet alles darauf hin,
daß die Regierungen faſt ohne Ausnahme ſich ablehnend
dazu verhalten. Inzwischen mehren ſich mit jedem Tage die
Andeutungen über Ungeheuerlichkeiten, welche mittelst dieſes
dem Papſte so ſehr am Herzen liegenden Konzils zu Tage
gesördert werden sollen. Ein Mailänder Blatt, die
„Perseveranza“, bringt eine Reihe von Briefen aus Rom,
welche über die Taktik, die beim Konzil beobachtet wer-
den soll, und über die durch dasselbe zu verwirklichenden
jeſuitiſchen Ziele ein grelles Licht verbreiten.
dieser Briefe heißt es:
„Nach dem Einberufungsſchreiben vom 8. September
1868 erwartete das katholiſche Episkopat eine andere
Encyelica, welche das Programm des Konzils kundmachen
würde. Allein dieses Programm ist nicht erſchienen und
wird nicht erſcheinen. Die Bischöfe sollen hierher kommen,
um Thatsachen zu ſanktioniren, nicht um Rechte zu dis-
kutiren. Als der Papst die Bulle von der unbeflectten
Empfängniß der Jungfrau veröffentlichte, beries er die
Bischöfe nicht, um zu verhandeln, sondern einzig und
allein, damit ſie bei der kühnsten Bestätigung ſeiner geiſt-
lichen Autorität zugegen seien. Kein Papſt hatte vor-
her eine so verwegene Neuerung gewagt, und der Pater
Paſſaglia, der Verfaſſer der Bulle, dachte dazumal nicht
daran, daß er in die Hände des Papſtes eben die Waffe
gäbe, die ihn selbſt acht Jahre später treffen ſollte. Die
Jeſuiten waren logiſch. Indem das katholische Ebiskopat
ohne Diskussion ein von dem Papſte ex eathedra ver-
kündigtes neues Dogma annahm, gestand es damit auch
die Unfehlbarkeit des Papſtes zu. Es unterliegt daher
keinem Zweifel, daß dieſe Unfehlbarkeit von dem Konzil
ohne große Schwierigkeit und vielleicht ohne Diskussion
ausgeſprochen werden wird. Allein da man diesen Aus-
spruch mit einer anderen dogmatiſchen Definition beſchö-
nigen will, ſo wird der Papst gleichzeitig dem Konzil
eine Bulle mittheilen, durch welche als Glaubensartikel
erklärt wird, was bisher nur frommer Glaube gewesen
— die körperliche Himmelfahrt der heiligen Jungfrau.
Nachdem das Konzil diese neuen Dogmen sanktionirt
haben wird, kann es nicht Wunder nehmen, wenn es
auch bereitwillig die Propositionen des Syllabus annimmt
und sie in Pauſch und Bogen ohne Erörterung, ohne
böſe Miene votir. Dann, um sich doch den Anschein zu
geben, als resormire man ein paar Mißbräuche, wird
einer oder der andere Kanon bezüglich der Tisziplin der
Geistlichen feſtgeſtelltt werden, und hierauf ſchictt man die
Biſchöfe mit einer Erinnerungs-Medaille heim in ihre
Diözesen . . . Aber, so könnte Jemand fragen, wo bleibt
In einem
denn die weltliche Gewalt, welche ja doch der Hauptzweck der
Berufung ſein soll? Hierauf ließe ſich antworten, daß die
bezügliche Propoſition im Syllabus ſanktionirt und im
Dogma der Unfehlbarteit des Papſtes enthalten ist; doch
wird man die Sache wohl anders behandeln. Der Vor-
schlag wird gethan werden, doch nicht von den Jeſuiten ;
er wird unterſtütt werden , doch nicht von ihnen ; man
wird ihn einbringen, aber ohne daß er auf dem Pro-
gramme steht. Wenn die Leute erprobt und alle von
lauterem Golde befunden ſind , dann kommt der Antrag
zum Vorschein , wird durch die Initiative einiger Väter
des Konzis und durch das gewohnte Mittel der Akkla-
mation votirt. Cine etwaige furchtſame Bemerkung oder
muthige Einwendung wird von dem Rufen und Hände-
klatſchen der Bänke und Tribünen erſtictt werden."
Angesichts desſſen, werden Viele die Neugierde der
„N. Fr. Presſe“ theilen ; ob die napoleoniſche Politik es
wagen wird, durch die Autorität der Trikolore Frankreichs
den in der Kirchengeſchichte beispiellosen Humbug zu be-
ſchühen, der mit diesem Konzil beabſichtigt wird. Auch
werden sie neugierig sein, zu erfahren, ob denn die geſommte
katholiſche Prieſterwelt in ihren Prälaten und Bischöfen
so vollſtändig im Knechtsdienſte Roms erstorben iſt,, daß
keine einzige Stimme von Autorität ſich gegen diese Kon-
zilspolitikt zu erheben wagt. Eine einzige Stimme von
Gewicht würde genügen, um innerhalb der katholiſchen
Geisſtlichteit eine kompakte Opposition zu organiſiren. Es
iſt ja ganz unmöglich, daß der Klerus beider Hemiſphären
ſich mit den unerhörten Dingen einverstanden erklärt, zu
denen dieses Konzil gebraucht werden soll, die ja noch
viel schlimmer sind als die Zuſtände, gegen welche einſt
die Reformation ſich erhob.
Politiſche Ueberſicht.
h Mannheim, 6. Juli.
* Bei Beurlauhung des Grafen Bismarck haben die
offiziösen Berliner Blätter hervorgehoben, daß der Bun-
deskanzler damit jede Verantwortlichkeit für die Beſchlüſſe
des preußischen Ministeriums ablehne. Zu dieser Gattung
von Beschlüſſen rechnet die „Zukunft“ denjenigen, welcher
während der Abwesenheit des wirkl. Geh. Oberreg.-Raths
Wehrmann die Arbeiten deſſelben an den Geh. Oberreg.-
Rath Wagener überträgt. Die Arbeiten Wehrmanns sind
ihrer Hauptſache nach die Vorträge beim Könige in Staats-
ministerialſachen und um dieses bedeutungsvolle Amt fand
bekanntlich schon vor einigen Monaten eine sehr lebhafte
Wettbewerbung statt. Die Kreuzzeitung quchte daſſelbe
damals für Herrn Wagener zu erlangen, drang aber nicht
durch, da die politiſch indifferente Persönlichkeit des Herrn
Wehrmann vorgezogen wurde. Jett iſt Herr Wagener
deſſen Vertreter geworden, was nach den Traditionen des
preußischen Beamtenthums eine eventuell ſtels wieder-
tehrende Stellung iſt und, falls Herr Wagener das er-
wünſchte Geschick entfaltet, mit der Zeit wohl auch eine
definitive Anstellung werden wird. Die Kreuzzeitungs-
partei hat damit nun auch in Sachen der Zivil-
verwaltung einen ſo direkten und regelmägigen Zutritt
zum Könige erlangt, wie ſie seit Friedrich Wilhelm dem
Vierten ihn nicht mehr gehabt hat.
Das Auftreten der Oppoſition im geſetß gebenden
Körber Frankreichs nimmt einen immer entſchiedeneren
(Charakter an. Inder geſtrigen Sit ung verlangte Raspail |
von dem Juſtizminifter Rechenſchaft über eine in den
Blättern veröffentlichte Notiz, in welcher die Verhaftung
der Herren Raspail und Rochefort angekündigt wurde.
Er fragt, ob man durch dieſe Notiz auf ihn die Anſchul-
digung des Vergehens habe zurückfallen laſſen wollen,
welches man rechiſchaffenen Familienvätern vorwerfe, in-
dem sie sich hätten zu Schulden kommen lassen, ihn zu
wählen. Der Juſtizminiſter ertlärt , er verſtehe diese Art
von Interpellationen nicht, er habe keine Notiz in die |
Blätter einrücken laſſen. Raspail erwiderte, der Juſtiz-
minister müsſſe wahrſcheinlich wiſſen, welches das Vergehen
sei, das den verhafteten Bürgern vorgeworfen werde. Der |
Präsident erklärt : diese Angelegenheit stehe in keinem Zu-
ſammenhang mit der vorliegenden Wahlprüfung ; wenn
Raspail Interpellationen einzubringen habe, so tönne er
dieselben später deponiren. Raspail schließt, indem er
ſagt : Es werden JInterpellationen kommen und zwar
ſchrectliche!
Wenige Stunden, nachdem der Papſt am 26. Juni
im geheimen Konsiſtorium von dem Gotte der Barmherzig-
keit geſprochen nachdem er der Grauſamteiten Erwähnung
gethan, denen die polniſchen Biſchöfe zum Opfer fallen,
bewegte sich, düſter und geſpensterhaft, ein A rme n-
sünd erzug gen Rocca di Papa. Francesco Martini
hieß der Unglückliche, der ~ bei Mentana den wunder-
wirkenden Chaſſepots glücklich entronnen ~ nun durch
Henktersh and in ſeinem Geburtsorte den Tod erleiden
ſollle. Freunde, bekannte Gesichter waren es, die Mar-
tini's Hochgerüſt umſtanden; man schien es förmlich da-
rauf abgeſehen zu haben, ihm den Abſchied vom Leben ſo
schwer als möglich zu machen. Und doch war der Glaube
in der Zuſchauermenge allgemein, es werde die Begnadi-
gung nicht auf ſich warten laſſen. Dieſe Erwartungen
wurden getäuſcht, mit Schaudern sahen die Umsiehenden
das Haupt des Mitbürgers fallen. Glaubt der Vatican
wirklich, durch dieſes vergoſſene Blut die weltliche Herr-
ſchaft zu stärken ? Glaubt er, daß durch die Vollstreckung
seiner Todesurtheile die Garibaldianer sich werden abhalten
laſſen, ihr altes Feldgeſchrei: „Rom oder der Tod !“
zur erheben ? Die Creigniſſe werden ihn bald, ſehr bald
eines Beſſeren belehren. Eine Zuſchriftt aus R o m an
die „N. Fr. Pr.“ sagt : Die Beſtunterrichteten bestätigen
es, daß die Tage der franzöſiſchen Oktupation gezählt
ſind und von Seite Frankreichs zur September-Konvention
zurückgegangen werden wird.
Dazu kommt, daß die fortgesetzten Deſertionen in der
p äpstlichen Armee Veranlaſſung sind, den dortigen
Gewalthabern ernſte Beſorgniſſe über das fernere Zuſam-
menhalten der einzelnen Korps einzuflößen. Die Bildung
einer deutschen Legion ſoll aufgegeben , dagegen die Bil-
dung einer belgiſchen aufgenommen sein. In Lindau
SY
S
§ 1
ksparlei in
Paden.
Fefltage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poftantſtalten.
ſind in der letteren Zeit viele Deutſche durchgekommen,
die, in den Fremdenkorps der Armee bisher dienend, in
ihre Heimath zurücktehren. Ohne Ausnahme klagten dieſe
Zurückkehrenden auf das bitterſte über die Zuſtände,
welche im römiſchen Militär herrſchten und wie nament-
lich der Deutſche von den vielen Franzoſen im päpstlichen
Heere hochmüthig behandelt und über die Achſel angesehen,
von den Italienern aber auf das heſtigſte gehaßt werde.
Wie versichert wird, hat der Zuzug von Deutſchen für
die römischen Fremdenkorps in letter Zeit faſt gänzlich
aufgehört und es will so leicht Niemand sich mehr an-
werben laſſen.
„In Serbien ſind Regierung und Volksvertretung
darin einig, daß die geſezgebende Verſammlung aus
120 Deputirten beſtehen, deren 90 das Volk erwählt,
während 80 vom Fürſten ernannt werden. Der neue
Verfaſſungsentwurf enthält 180 Paragraphen. Die
Haupſache ist, daß dieſelben die Rechte des Volkes wahren
und daß sie gehalten werden.
Auch in Portugal dos Bedürfniß der Steuerer-
| höhung. Die Abgeordneten haben dieſelbe bewilligt. Die
Bevölkerung iſt darüber höchſt unzufrieden. Auf den Azoren
ſind sogar ernſte Ruheſtörungen ausgebrochen und die
Leute schlagen den probaten Weg ein, um die Steuerzettel
los zu werden: ſie werfen ſie ins Feuer.
Aus Waſhington wird gemeldet, daß dort am 1.
d. M. Abends dem Expräſidenten Johnſon eine Serenade
gebracht worden ſei. Er hielt bei dieser Gelegenheit eine
Rede , in welcher er die politiſche Lage des Landes be-
klagte, und in seiner Verbiſſenheit erklärte,, daß man auf
dem beſten Wege zu einer militäriſchen Ditktatorherrſchaft,
oder einer Monarchie sei . . .
Deutſchland.
* Karlsruhe, 6. Juli. Amtliches. Den Re-
viſoren Holt mann bei der Domänendirektion, Hautſch bei
der Steuerdirettion und Wucherer bei der Zolldirektion
wurde der Charakter als Rechnungsrath ertheilt. ]
Das Gesetzes- und Verordnungsblatt Nr. 16 enthält :
Das G e s e ß, die Beſteuerung des Zuckers betreffend.
Verord nun gen : Die Fertigung der Doppelſchriften
in Prozeſſen der Armenparteien und die Gebühren der
Anwälte in Berwaltungsſtreitigkeiten, Verwaltungs- und
Poljzeiſachen betreffend. + In Folge des Geſetßes vom
19. Mai d. J. wird vom 1. Juli 1869 an von dem
aus dem freien Verkehr des Großherzogthums nach Heſſen
eingeführten Branntwein eine Uebergangsabgabe von 12 fl.
136/10 kr. für die heſſiſche Ohm bei 50 Prozent Alko-
holſtärke nach Tralles erhoben. Be kann tma ch ung:
Den Anſchluß preußiſcher und hamburgiſcher Gebietstheile an
den Zollverein betreffend.
* Mannheim, 6. Juli. Der Entwurf der badischen
Regierung zu einer Fiſcherei- Ordnung für den Rhein
setzt noch feſt, daß jeder der kontrahirenden Staaten für
sein Hoheitsgebiet einen Fiſcherei-Bevollmächtigten zu er-
nennen hat.. Die Fiſcherei-Bevollmächtigten haben sich
die in ihrem Staate getroffenen Anordnungen über das
"Fischereiwesen im Rhein und seinen in ihrem Gebiete
liegenden Zuflüſſen, beziehungsweise seinen Abflüſſen in
das offene Meer, und jährlich Nachweiſungen über den
Ertrag des Salmenfanges, ſowie über die in das freie
Wasser gesetten künſtlich ausgebrüteteten jungen Salmen
zur Kenntnißnahme gegenseitig mitzutheilen, und im
Korreſpondenzwege oder bei zeitweiligem Zuſammentritte
die gemeinsamen Interesſcen der Fischerei in den bezeich-
neten Gewäſſern zu befördern. ~ Die zu treffende
Uebereinkunft soll eine Dauer von 10 Jahren haben.
/\. Heidelberg, 6. Juli. Hr. Prof. Dr. Wundt
hat seine Stelle als Abgeordneter für Heidelberg nieder-
gelegt. Als Grund dieses Schrittes bezeichnet Hr. Wundt,
daß es ihm bei dem zeitraubenden Amte eines Abgeord-
neten künftig nicht möglich sei, seiner wiſjenſchaftlichen
Thätigkeit in dem Maße, wie er es wünſche, nachzukommen.
Hr. Wundt scheint von den Vorgängen der letzten Wochen
nichts weniger als erbaut und daher wohl Angesichts der
Wahlen fein Eniſchluß, zurückzutreten. + Für den zu
gründenden F onds der gemischten Schule sind bis daher
gegen 11,000 fl. gezeichnet. Es iſt in Ausficht genom-
men, die Volksſchule durch den neubegründeten Fonds in
Stand zu sehen, Anschaffungen vonLandkarten, Modellen,
phyſiktalischen Apparaten zu machen ; naturwiſſenſchaftliche
Sammlungen , Gründung einer Schülerbibliothet, Unter-
ſtützung an verdiente Lehrer und Austheilung vonPreiſen
an die Schüler der oberen Klaſſen zu ermöglichen. Unſeee U
]
Organ der deutſchen Vol
. H
„Viannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
p UT W Wr ms WW
Zum ökumeniſchen Konzil.
Noch trennen uns beinahe sechs Monate von dem
Tage, für welchen der Zuſammentritt des ökumeniſchen
Konzils auberaumt iſt, und schon iſt der Kampf gegen
dasselbe auf der ganzen Linie entbrannt. Obgleich noch
von keinem europäiſchen Kabinete ein direkter Schritt gegen
das Konzil unternommen wurde, deutet alles darauf hin,
daß die Regierungen faſt ohne Ausnahme ſich ablehnend
dazu verhalten. Inzwischen mehren ſich mit jedem Tage die
Andeutungen über Ungeheuerlichkeiten, welche mittelst dieſes
dem Papſte so ſehr am Herzen liegenden Konzils zu Tage
gesördert werden sollen. Ein Mailänder Blatt, die
„Perseveranza“, bringt eine Reihe von Briefen aus Rom,
welche über die Taktik, die beim Konzil beobachtet wer-
den soll, und über die durch dasselbe zu verwirklichenden
jeſuitiſchen Ziele ein grelles Licht verbreiten.
dieser Briefe heißt es:
„Nach dem Einberufungsſchreiben vom 8. September
1868 erwartete das katholiſche Episkopat eine andere
Encyelica, welche das Programm des Konzils kundmachen
würde. Allein dieses Programm ist nicht erſchienen und
wird nicht erſcheinen. Die Bischöfe sollen hierher kommen,
um Thatsachen zu ſanktioniren, nicht um Rechte zu dis-
kutiren. Als der Papst die Bulle von der unbeflectten
Empfängniß der Jungfrau veröffentlichte, beries er die
Bischöfe nicht, um zu verhandeln, sondern einzig und
allein, damit ſie bei der kühnsten Bestätigung ſeiner geiſt-
lichen Autorität zugegen seien. Kein Papſt hatte vor-
her eine so verwegene Neuerung gewagt, und der Pater
Paſſaglia, der Verfaſſer der Bulle, dachte dazumal nicht
daran, daß er in die Hände des Papſtes eben die Waffe
gäbe, die ihn selbſt acht Jahre später treffen ſollte. Die
Jeſuiten waren logiſch. Indem das katholische Ebiskopat
ohne Diskussion ein von dem Papſte ex eathedra ver-
kündigtes neues Dogma annahm, gestand es damit auch
die Unfehlbarkeit des Papſtes zu. Es unterliegt daher
keinem Zweifel, daß dieſe Unfehlbarkeit von dem Konzil
ohne große Schwierigkeit und vielleicht ohne Diskussion
ausgeſprochen werden wird. Allein da man diesen Aus-
spruch mit einer anderen dogmatiſchen Definition beſchö-
nigen will, ſo wird der Papst gleichzeitig dem Konzil
eine Bulle mittheilen, durch welche als Glaubensartikel
erklärt wird, was bisher nur frommer Glaube gewesen
— die körperliche Himmelfahrt der heiligen Jungfrau.
Nachdem das Konzil diese neuen Dogmen sanktionirt
haben wird, kann es nicht Wunder nehmen, wenn es
auch bereitwillig die Propositionen des Syllabus annimmt
und sie in Pauſch und Bogen ohne Erörterung, ohne
böſe Miene votir. Dann, um sich doch den Anschein zu
geben, als resormire man ein paar Mißbräuche, wird
einer oder der andere Kanon bezüglich der Tisziplin der
Geistlichen feſtgeſtelltt werden, und hierauf ſchictt man die
Biſchöfe mit einer Erinnerungs-Medaille heim in ihre
Diözesen . . . Aber, so könnte Jemand fragen, wo bleibt
In einem
denn die weltliche Gewalt, welche ja doch der Hauptzweck der
Berufung ſein soll? Hierauf ließe ſich antworten, daß die
bezügliche Propoſition im Syllabus ſanktionirt und im
Dogma der Unfehlbarteit des Papſtes enthalten ist; doch
wird man die Sache wohl anders behandeln. Der Vor-
schlag wird gethan werden, doch nicht von den Jeſuiten ;
er wird unterſtütt werden , doch nicht von ihnen ; man
wird ihn einbringen, aber ohne daß er auf dem Pro-
gramme steht. Wenn die Leute erprobt und alle von
lauterem Golde befunden ſind , dann kommt der Antrag
zum Vorschein , wird durch die Initiative einiger Väter
des Konzis und durch das gewohnte Mittel der Akkla-
mation votirt. Cine etwaige furchtſame Bemerkung oder
muthige Einwendung wird von dem Rufen und Hände-
klatſchen der Bänke und Tribünen erſtictt werden."
Angesichts desſſen, werden Viele die Neugierde der
„N. Fr. Presſe“ theilen ; ob die napoleoniſche Politik es
wagen wird, durch die Autorität der Trikolore Frankreichs
den in der Kirchengeſchichte beispiellosen Humbug zu be-
ſchühen, der mit diesem Konzil beabſichtigt wird. Auch
werden sie neugierig sein, zu erfahren, ob denn die geſommte
katholiſche Prieſterwelt in ihren Prälaten und Bischöfen
so vollſtändig im Knechtsdienſte Roms erstorben iſt,, daß
keine einzige Stimme von Autorität ſich gegen diese Kon-
zilspolitikt zu erheben wagt. Eine einzige Stimme von
Gewicht würde genügen, um innerhalb der katholiſchen
Geisſtlichteit eine kompakte Opposition zu organiſiren. Es
iſt ja ganz unmöglich, daß der Klerus beider Hemiſphären
ſich mit den unerhörten Dingen einverstanden erklärt, zu
denen dieses Konzil gebraucht werden soll, die ja noch
viel schlimmer sind als die Zuſtände, gegen welche einſt
die Reformation ſich erhob.
Politiſche Ueberſicht.
h Mannheim, 6. Juli.
* Bei Beurlauhung des Grafen Bismarck haben die
offiziösen Berliner Blätter hervorgehoben, daß der Bun-
deskanzler damit jede Verantwortlichkeit für die Beſchlüſſe
des preußischen Ministeriums ablehne. Zu dieser Gattung
von Beschlüſſen rechnet die „Zukunft“ denjenigen, welcher
während der Abwesenheit des wirkl. Geh. Oberreg.-Raths
Wehrmann die Arbeiten deſſelben an den Geh. Oberreg.-
Rath Wagener überträgt. Die Arbeiten Wehrmanns sind
ihrer Hauptſache nach die Vorträge beim Könige in Staats-
ministerialſachen und um dieses bedeutungsvolle Amt fand
bekanntlich schon vor einigen Monaten eine sehr lebhafte
Wettbewerbung statt. Die Kreuzzeitung quchte daſſelbe
damals für Herrn Wagener zu erlangen, drang aber nicht
durch, da die politiſch indifferente Persönlichkeit des Herrn
Wehrmann vorgezogen wurde. Jett iſt Herr Wagener
deſſen Vertreter geworden, was nach den Traditionen des
preußischen Beamtenthums eine eventuell ſtels wieder-
tehrende Stellung iſt und, falls Herr Wagener das er-
wünſchte Geschick entfaltet, mit der Zeit wohl auch eine
definitive Anstellung werden wird. Die Kreuzzeitungs-
partei hat damit nun auch in Sachen der Zivil-
verwaltung einen ſo direkten und regelmägigen Zutritt
zum Könige erlangt, wie ſie seit Friedrich Wilhelm dem
Vierten ihn nicht mehr gehabt hat.
Das Auftreten der Oppoſition im geſetß gebenden
Körber Frankreichs nimmt einen immer entſchiedeneren
(Charakter an. Inder geſtrigen Sit ung verlangte Raspail |
von dem Juſtizminifter Rechenſchaft über eine in den
Blättern veröffentlichte Notiz, in welcher die Verhaftung
der Herren Raspail und Rochefort angekündigt wurde.
Er fragt, ob man durch dieſe Notiz auf ihn die Anſchul-
digung des Vergehens habe zurückfallen laſſen wollen,
welches man rechiſchaffenen Familienvätern vorwerfe, in-
dem sie sich hätten zu Schulden kommen lassen, ihn zu
wählen. Der Juſtizminiſter ertlärt , er verſtehe diese Art
von Interpellationen nicht, er habe keine Notiz in die |
Blätter einrücken laſſen. Raspail erwiderte, der Juſtiz-
minister müsſſe wahrſcheinlich wiſſen, welches das Vergehen
sei, das den verhafteten Bürgern vorgeworfen werde. Der |
Präsident erklärt : diese Angelegenheit stehe in keinem Zu-
ſammenhang mit der vorliegenden Wahlprüfung ; wenn
Raspail Interpellationen einzubringen habe, so tönne er
dieselben später deponiren. Raspail schließt, indem er
ſagt : Es werden JInterpellationen kommen und zwar
ſchrectliche!
Wenige Stunden, nachdem der Papſt am 26. Juni
im geheimen Konsiſtorium von dem Gotte der Barmherzig-
keit geſprochen nachdem er der Grauſamteiten Erwähnung
gethan, denen die polniſchen Biſchöfe zum Opfer fallen,
bewegte sich, düſter und geſpensterhaft, ein A rme n-
sünd erzug gen Rocca di Papa. Francesco Martini
hieß der Unglückliche, der ~ bei Mentana den wunder-
wirkenden Chaſſepots glücklich entronnen ~ nun durch
Henktersh and in ſeinem Geburtsorte den Tod erleiden
ſollle. Freunde, bekannte Gesichter waren es, die Mar-
tini's Hochgerüſt umſtanden; man schien es förmlich da-
rauf abgeſehen zu haben, ihm den Abſchied vom Leben ſo
schwer als möglich zu machen. Und doch war der Glaube
in der Zuſchauermenge allgemein, es werde die Begnadi-
gung nicht auf ſich warten laſſen. Dieſe Erwartungen
wurden getäuſcht, mit Schaudern sahen die Umsiehenden
das Haupt des Mitbürgers fallen. Glaubt der Vatican
wirklich, durch dieſes vergoſſene Blut die weltliche Herr-
ſchaft zu stärken ? Glaubt er, daß durch die Vollstreckung
seiner Todesurtheile die Garibaldianer sich werden abhalten
laſſen, ihr altes Feldgeſchrei: „Rom oder der Tod !“
zur erheben ? Die Creigniſſe werden ihn bald, ſehr bald
eines Beſſeren belehren. Eine Zuſchriftt aus R o m an
die „N. Fr. Pr.“ sagt : Die Beſtunterrichteten bestätigen
es, daß die Tage der franzöſiſchen Oktupation gezählt
ſind und von Seite Frankreichs zur September-Konvention
zurückgegangen werden wird.
Dazu kommt, daß die fortgesetzten Deſertionen in der
p äpstlichen Armee Veranlaſſung sind, den dortigen
Gewalthabern ernſte Beſorgniſſe über das fernere Zuſam-
menhalten der einzelnen Korps einzuflößen. Die Bildung
einer deutschen Legion ſoll aufgegeben , dagegen die Bil-
dung einer belgiſchen aufgenommen sein. In Lindau
SY
S
§ 1
ksparlei in
Paden.
Fefltage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poftantſtalten.
ſind in der letteren Zeit viele Deutſche durchgekommen,
die, in den Fremdenkorps der Armee bisher dienend, in
ihre Heimath zurücktehren. Ohne Ausnahme klagten dieſe
Zurückkehrenden auf das bitterſte über die Zuſtände,
welche im römiſchen Militär herrſchten und wie nament-
lich der Deutſche von den vielen Franzoſen im päpstlichen
Heere hochmüthig behandelt und über die Achſel angesehen,
von den Italienern aber auf das heſtigſte gehaßt werde.
Wie versichert wird, hat der Zuzug von Deutſchen für
die römischen Fremdenkorps in letter Zeit faſt gänzlich
aufgehört und es will so leicht Niemand sich mehr an-
werben laſſen.
„In Serbien ſind Regierung und Volksvertretung
darin einig, daß die geſezgebende Verſammlung aus
120 Deputirten beſtehen, deren 90 das Volk erwählt,
während 80 vom Fürſten ernannt werden. Der neue
Verfaſſungsentwurf enthält 180 Paragraphen. Die
Haupſache ist, daß dieſelben die Rechte des Volkes wahren
und daß sie gehalten werden.
Auch in Portugal dos Bedürfniß der Steuerer-
| höhung. Die Abgeordneten haben dieſelbe bewilligt. Die
Bevölkerung iſt darüber höchſt unzufrieden. Auf den Azoren
ſind sogar ernſte Ruheſtörungen ausgebrochen und die
Leute schlagen den probaten Weg ein, um die Steuerzettel
los zu werden: ſie werfen ſie ins Feuer.
Aus Waſhington wird gemeldet, daß dort am 1.
d. M. Abends dem Expräſidenten Johnſon eine Serenade
gebracht worden ſei. Er hielt bei dieser Gelegenheit eine
Rede , in welcher er die politiſche Lage des Landes be-
klagte, und in seiner Verbiſſenheit erklärte,, daß man auf
dem beſten Wege zu einer militäriſchen Ditktatorherrſchaft,
oder einer Monarchie sei . . .
Deutſchland.
* Karlsruhe, 6. Juli. Amtliches. Den Re-
viſoren Holt mann bei der Domänendirektion, Hautſch bei
der Steuerdirettion und Wucherer bei der Zolldirektion
wurde der Charakter als Rechnungsrath ertheilt. ]
Das Gesetzes- und Verordnungsblatt Nr. 16 enthält :
Das G e s e ß, die Beſteuerung des Zuckers betreffend.
Verord nun gen : Die Fertigung der Doppelſchriften
in Prozeſſen der Armenparteien und die Gebühren der
Anwälte in Berwaltungsſtreitigkeiten, Verwaltungs- und
Poljzeiſachen betreffend. + In Folge des Geſetßes vom
19. Mai d. J. wird vom 1. Juli 1869 an von dem
aus dem freien Verkehr des Großherzogthums nach Heſſen
eingeführten Branntwein eine Uebergangsabgabe von 12 fl.
136/10 kr. für die heſſiſche Ohm bei 50 Prozent Alko-
holſtärke nach Tralles erhoben. Be kann tma ch ung:
Den Anſchluß preußiſcher und hamburgiſcher Gebietstheile an
den Zollverein betreffend.
* Mannheim, 6. Juli. Der Entwurf der badischen
Regierung zu einer Fiſcherei- Ordnung für den Rhein
setzt noch feſt, daß jeder der kontrahirenden Staaten für
sein Hoheitsgebiet einen Fiſcherei-Bevollmächtigten zu er-
nennen hat.. Die Fiſcherei-Bevollmächtigten haben sich
die in ihrem Staate getroffenen Anordnungen über das
"Fischereiwesen im Rhein und seinen in ihrem Gebiete
liegenden Zuflüſſen, beziehungsweise seinen Abflüſſen in
das offene Meer, und jährlich Nachweiſungen über den
Ertrag des Salmenfanges, ſowie über die in das freie
Wasser gesetten künſtlich ausgebrüteteten jungen Salmen
zur Kenntnißnahme gegenseitig mitzutheilen, und im
Korreſpondenzwege oder bei zeitweiligem Zuſammentritte
die gemeinsamen Interesſcen der Fischerei in den bezeich-
neten Gewäſſern zu befördern. ~ Die zu treffende
Uebereinkunft soll eine Dauer von 10 Jahren haben.
/\. Heidelberg, 6. Juli. Hr. Prof. Dr. Wundt
hat seine Stelle als Abgeordneter für Heidelberg nieder-
gelegt. Als Grund dieses Schrittes bezeichnet Hr. Wundt,
daß es ihm bei dem zeitraubenden Amte eines Abgeord-
neten künftig nicht möglich sei, seiner wiſjenſchaftlichen
Thätigkeit in dem Maße, wie er es wünſche, nachzukommen.
Hr. Wundt scheint von den Vorgängen der letzten Wochen
nichts weniger als erbaut und daher wohl Angesichts der
Wahlen fein Eniſchluß, zurückzutreten. + Für den zu
gründenden F onds der gemischten Schule sind bis daher
gegen 11,000 fl. gezeichnet. Es iſt in Ausficht genom-
men, die Volksſchule durch den neubegründeten Fonds in
Stand zu sehen, Anschaffungen vonLandkarten, Modellen,
phyſiktalischen Apparaten zu machen ; naturwiſſenſchaftliche
Sammlungen , Gründung einer Schülerbibliothet, Unter-
ſtützung an verdiente Lehrer und Austheilung vonPreiſen
an die Schüler der oberen Klaſſen zu ermöglichen. Unſeee U
]