Donnerſtag, 13. Mai.
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird –~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täg
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
lich als Abendblatt ausgegeben. — Der
Bestellungen bei der Expedition CQ 1 Nr.
Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Der Eintritt in den Norddeutſchen
y! |
Der gesunde Sinn des Volkes läßt sich durch alles
Schönreden und Schönfärben der National - Liberalen
darüber nicht täuschen, daß die Lage Deutſchlands durch
das Jahr 1866 und dessen Creigniſſe ſchlechter geworden
iſt, als ſie vorher war. Das Volk weiß es, daß der deutsche
Bund Luxemburg zu halten im Stande war, der nord-
deutsche Bund dasselbe vor den Drohungen Napoleons
preisgeben mußte. Das deutſche Volk und ganz beſon-
ders das in Süddeutschland weiß es, daß in demselben
Augenblicke, in welchem Oesterreich mit Frankreich sich
verbündet, Preußen und die mit demſelben verbündeten
süd: eutschen Staaten von Frankreich, Italien und Öster-
reich in einer Weiſe eingekeilt und umspannt sind , daß
eine Befreiung, wenn nicht unmöglich, doch nur mit den
unerhörteſten Opfern an Menſchen und Vermögen zu er-
reichen iſt. Wenn das deutsche Volk es nicht versteht,
der Vergrößerungsſucht des hohenzollern’ schen Fürstenhauses
Cinhalt zu thun, muß über kurz oder lang der Tag
kommen, wo Oesterreich zu einer Selbsterhaltung den
Nrieg gegen Preußen aufzunehmen gezwungen iſt. : Selbſt
abgeſehen von dieſen kriegerischen Eventualitäten, hält das
Volk daran feſt , daß der Norddeutſche Bund nicht sicher
iſt und durch den Eintritt Süddeutschlands in denselben
nicht nur nicht sicherer, ſondern den Angriffen von Außen
noch mehr ausgeſeßt würde. Daraus folgt für das Volk
weiter, daß wir , so lange dieser Zuſtand dauert , weder
zum Frieden, noch zur Freiheit kommen. Das Volk will
aber die ungeheueren Ausgaben für das Militär,, die
Hingabe seines Gutes an die Ausrüſtung zum Massen-
mord nicht länger tragen. Es sieht, daß für diejenigen Zwecke
in Staat und Gemeinde, welche ihm zu Gute kommen : für
Schulen, Rechtspflege, Verkehr, Landwirthſchaft, Wohl-
fahrtsanstalten aller Art, immer weniger geſchieht und
geſchehen kann, weil immer höhere Summen für militä-
riſche Zwecke hingegeben werden müssen, und Das alles
nur zu dem Ende, daß eines Tages zu den Millionen
Gulden auch noch Tausende und abermals Tausende von
Menschen geopfert werden können. Das Volk in Deutsch-
land weiß recht gut , daß von all Dem nur die Ver-
größerungsſucht des preußischen Fürſtenhauſes die Schuld
irägt. Es weiß recht gut, daß durch jedes Eingehen auf
deſſen Verlangen, so namentlich auch durch den Eintritt
des Südens in den Norddeutſchen Bund, seine Lage nur noch
verſchlechtert wiro. Das Volk weiß, daß die von Preußen
eroberten und die andern zum Norddeutſchen Bund ge-
hörenden Länder in Staat und Gemeinde das Doppelte
von Steuern gegen früher zahlen müſſen, daß ſſtatt
Schulen Kasernen gebaut, ſtatt der Gehalte der Lehrer die
Gagen der Offiziere erhöht, die Richterstellen vermindert
und die Militärchargen vermehrt, daß für die Soldaten
immer günſtigere, für die übrige Bevölkerung immer
härtere Gesetze geſchaffen werden, daß es mit der Selbst-
verwaltung in der. Gemeinde, mit der Unparteilichkeit der
Rechlspflege, mit der Freiheit der Preſſe und der Vereine
und mit der Theilnahme des Volkes an der Verwaltnng
des Staates nach Innen und Außen auch in Süddeutſch-
land vorbei sein würde , sobald dieses unter das eiserne
Szepter der preußischen Militärherrſchaft gebeugt iſt. Das
Volk läßt sich auch nichts vormalen von einer hesſeren
HZutkunft, für welche die harte Gegenwart nur die Ueber-
— gqangsperiode sei. Es will nichts wiſſen von dem Schwin-
del, daß ein Volk zuerſt mächtig werden müſſe, ehe es
frei und reich werden könne. Es weiß, daß Amerika
zu erſt frei und dann groß und mächtig geworden ist,
daß die Niederlande, die Schweiz den Kampf für die
Freiheit aufgenommen und durchgeführt haben, trotz ihrer
geringen Militärmacht und der inneren Spaltungen. Der
Mann aus dem Volk will ſelbſt noch in dem Hauſe
wohnen, das von seinem Vermögen gebaut wird, er weiß,
daß, wenn er ſich verbaut hat, ſeine Kinder den Bau
auch nicht fertig bringen werden. Das Volk weiß, daß,
wenn das gegenwärtige Geschlecht durch Militärrüſtungen
ausgesogen, durch Kriege dezimirt , durch eine deſpotiſche
Regierung demoraliſirt it, das nächſte auch nicht auf
einmal zum Reichthum, Edeiſinn und Freiheit gelangen
wird. Das Volk weiß, daß bei den Menschen der Vater
den Sohn, die eine Generation die andere erzieht und
daß, wenn der Vater arm und unfrei geworden iſt, auf
den Sohn mit seltenen Ausnahmen dasselbe Loos und
*) Aus einer am 8. April in Erlangen gehaltenen Wahl-
_ c rede des Hrn. Papellier.
[ in Philadelphia wurde
dieselbe Gesinnung ſich vererben. Das Volk weiß, daß,
wenn es ſelbſt den Kampf um ein menschenwürdiges Da-
sein aufgegeben hat, die folgenden Generationen denselben
ganz gewiß nicht mehr aufnehmen, da dieſe dann nicht
einmal das Bewußtsein davon haben, daß es anders sein
fktönnte und müßte. Und wir sollen dieſe heiligen Güter,
für welche in den dreißiger Jahren die Blüthe der deut-
ſchen Jugend die härtesten Verfolgungen erduldete, für
welche im Jahre 1848 das ganze deutsche Volk sich erhoben
hat, jetzt, nicht auf den Altar des Vaterlandes , sondern
dem preußischen Könige zu Füßen legen! Es iſt nicht
wahr, daß Preußen eine deutſche Miſſion erfüllen , ein
großes einheitliches Deuſchland schaffen will — Preußen
will nicht in Deutschland , sondern Deutſchland soll in
Preußen aufgehen ! Aber, sagen die Herren National-
Liberalen, wenn wir uns mit dem yreußiſchen Bund ver-
einigen, wenn wir einträten in den Norddeutſchen Bund,
wir mit unserer Freiheitsbegeiſterung, wir würden andere
Verfaſſungszuſtände herbeiführen. Das preußiſche Volk
soll nur ſelbſt den BVerfaſſungskampf wieder aufnehmen,
den es, lüſtern nach fremdem Gut, zu seinem und unse-
rem Verderben hat fallen laſſen. Wir wollen derweilen
bei uns zu Hauſe unter dem Schutze unserer Verfassung
an der Freiheit weiterbauen, und wenn die Preußen ein
gut Stück Weges nachgekommen ſind, dann wollen wir
uns umschauen, wie es bei ihnen und sonst in der Welt
aussieht, und dann wollen wir die Frage der nationalen
Einigung weiter beſprechen. So nügten wir auch dem
preußischen Volke selbſt nicht mehr; was hülfe es ihnen,
wenn auch wir uns in Ketten ſchlagen ließen! Aber es
hilft ja Alles nichts, sagen die nationalen Historiker , die
Geschichte lehrt uns , daß so und so oft das Unrecht ge-
ſiegt hat und daß eigentlich nur auf dem Wege der Ge-
walt Großes geschaffen wird ; was hilft euch die „Nicht-
beachtung geschichtlich gewordener Verhältnisſſe“ ? Das ist
auch wieder so eine Profesſorenweisheit, der die Liebe und
der Glaube fehlen. Weil das Recht häufig gesiegt hat,
sollen wir dem Unrecht nicht entgegentreten. Die Ges-
schichte lehrt allerdings, daß oft , leider zu oft, das Un-
recht siegte, ſie lehrt aber auch, daß es allezeit Männer
gegeben hat , die dem Unrecht entgegengetreten sind , für
Wahrheit, Recht und Freiheit opfermuthig gestritten und
dadurch noch mehr Unrecht, noch mehr Unglück verhütet
haben. Das lehrt uns die Geſchichte! Wir wiſsen auch,
daß die Geschichte nicht mit dem Jahre 1866 abge-
ſchloſſen hat, und daß zur Geschichte des deutschen Volkes
z Allem auch Liebe Wahrheit, Recht und Freiheit
gehören !
Deutſchland.
* Karlsruhe, 11. Mai. Amtliches. Die Por-
tepeefähnriche Ph. Reinhart im Feſt.-Art.-Bat. und F.
Frhr. v. Degenfeld im 2. Drag.-Reg. wurden zu Se-
kondelieulenants befördert. Aſſisſtenzarzt Dr. J. Merz
im 6. Inf.Reg. wurde zum Leib-Gren.-Reg. verſeßt und
der prati. Arzt Dr. S. Zimmern zum Aſsiſtenzarzt im
6. Inf.-Reg. ernannt. ~ Deos erledigte großh. KonJqulat
dem Konſul des Nordbundes,
Karl F. F. Vezin daselbſt übertragen. Reviſor W. Becker
beim kath. Oberstiftungsrath wurde zum Setretär daſelbſt
ernannn. Der zum Amtsvorſtand in Durlach ernannte
Oberamtmann Jägerſchnid wurde der Funktion eines
Mitglieds der Miniſterialkommission ſür die neue Kataſtri-
rung des landwirthschaftlichen Geländes und der Gebäude
enthoben und an desſen Stelle Verwaltungsgerichts-Rath
Schwarzmann ernannt. Der Vorsſtand der Wasser- und
Straßenbau-Inspektion Lahr , Oberingenieur F. Greiner,
wurde in den Ruhestand verſekt; dem Vorstand der
Wasser- und Straßenbau-Inſpektion Donaueschingen, Be-
zirksing. M. Hoffmann , die Wasser- und Straßenbau-
Inspektion Lahr übertragen und IngenieurF. Graben-
dörfer, proviſ. Vorſtand der Eiſenbahn-Insp. Triberg,
zum Bezirksitgenieur ernannt. Reviſor J. Waag bei der
Direktion der Verkehrsansſtalten wurde bis zur Wieder-
herstellung seiner Geſundheit in den Ruhestand versett.
Der „Staa tsanz eig er“ Nr. 12 vom 11. Mai
meldet: Dem zum franzöſiſchen Konſul in Mannheim er-
nannten Rheinschiffahrts-Kommissär v. Zeltner wurde das
Exequatur ertheil. Auf Grund der in dieſem Frühjahr
vorgenommenen zweiten juristischen Staatsprüfung werden
folgende Rechtspraktikanten in nachstehender Reihenfolge
zu Referendären ernannt: A. Horn von Gronau , G.
Chriſt von Heidelberg, K. Loes von Oberöwisheim, H.
Baumiüller von Karlsruhe, M. Böckh von Karlsruhe, A.
Brecht von Waldfiſchbach, Fr. Walz von Bruchsal, R.
Betk von Wolfach, G. Leonhard von Heidelberg, E. v.
Stockhorn von Mannheim , A. Jung von Meersburg.
M. Föhrenbach von Freiburg , A. v. Weiler oon Kehl,
Al. Reinhard von Walldürn , R. Kupfer von Koburg,
Ad. Birkenmaier von Breiſach, L. Kiefer vonSchwetingen,
G. Mößner von Offenburg, O. Armbruſter von Rastatt,
R. Hagenunger von Freiburg, K. Lauck von Karlsruhe,
W. Krauß von Wörrstadt, A. Boulanger von Mann-
heim, A. Spangenberg von Bretten.
** Karlsruhe, 11. Mai. Ueber die auffallende
Verſetzung des Oberamtsrichters von Wänktk er von Ober-
kirch an die Stelle des verdrängten Herrn Oberamtsrichters
Kärcher hat sich die „Karlsruher Zeitung“ zwar ver-
nehmen laſſen, allein die Aufklärung läßt ſich in die
Worte zuſammenfasſen: Wir fanden für gut, so zu hans
deln, und damit ~ Baſta! Die „Konstanzer Zeitung“
begnügt sich auch mit dieser Antwort auf ihre äugßerſt
beſcheidene Anfrage. Der geſunde Sinn des Publikums
aber kann sich mit einer ſolchen Abfertigung nicht be-
gnügen und wir haben aus guter Quelle ermittelt, daß
allerdings eine schriftliche Bewerbung des Herrn v. Wänter
um die Stelle in Konstanz aus neuester Zeit nicht vor-
liegt; dagegen hat dieser Herr ſeinen nun erfüllten Wunſch
schon öfters ſeit 1865 an den Mann gebracht. Herr
Oberamtsrichter Kärcher, ein durch Charakter, Fleiß und
Pflichttreue ausgezeichneter Mann, wird nun ſo hingeſtillt,
als ob das Intereſſe des öffentlichen Dienstes ſeine Ent-
fernung erheiſche; zum Lohne für seine Hingebung an
den Dienst wird er öffentlich verdächtigt, nur damit der
durch seine Familienverhältnisse Begünstigte mit einigem
Scheine des Rechts die Stelle behaupten kann. Herr
Oberamtsrichter Kärcher hat remonstrirt, natürlich umſonſt.
Dieser Versetzuungsakt berührt die badischen Richter noch
weit unangenehmer, als z. B. eine gewisse Beförderung
eines jungen Amtsrichters in Mannheim zum Kreisge-
richtsrathe daselbſt. Der Glaube an die Unpartheilichkeit
der betreffenden Behörde wird im Volke immer mehr ge-
ſchwächt.
* Mannheim, 12. Mai. Dicht von Menſchen
gefüllt und an den Eingängen noch von Hunderten ver-
geblich nach Play Suchender umgeben, waren geſtern
Abend die großen Räumlichkeiten des „Grünen Hauſes,“
als nach 8 Uhr der erſte Vorſtand unseres demotratiſchen
Vereins, Herr Cichelsdörfer, die Volksverſammlung
eröffnete, zu welcher der Ausschuß des genannten Vereins
am Morgen durch öffentliche Anſchläge eingeladen hatte.
Der Erörterung der auf die Tagesordnung gestellten Fra-
gen: „Aufruf des provisoriſchen Zentral-Ausschuſſes für
Bildung einer Wahlreform-Liga in Baden“ und die „Adresse
an den Großherzog“ ging aus dem Munde des Hrn. Ei-
chelsdörfer ein kurzer Bericht über die Entstehung der Agi-
tation, über die zwei Beſprechungen in Achern und Frei-
burg, über die dem Plane in allen Theilen des Landes
entgegentommenden Sympathieen und über die Gründe
voraus, aus welchen der Zentralausſchuß bezüglich der
Frage, ob das Land sein Verlangen nach zeitgemäßer
Wahlreform in einer Adreſſe an den Großherzog oder an
die Kammer oder an das Miniſterium aussprechen Jolle,
ſich für den erſteren Weg entschieden habe. Nach dieſer
Berichterſtattung stellte Herr Eichelsdörfer noch den vom
Organ der badischen Regierung in trauter, ehrlicher Ge-
meinſamkeit mit anderen Nordbundsschwärmeriſchen Blät-
tern ſo freigebig ausgeſtreuten Verdächtigungen eines
„Bündnisses“ der demokratiſchen mit der ultramontanen
Partei die entschiedene Versicherung entgegen, daß keinerlei
Vereinbarung , keinerlei Pakt beſtehe oder beabsichtigt ſei,
und schloß mit der persſönlichen Erklärung, daß die von
einem benachbarten Blatte aufgestellte Behauptung: er sei
„eingeſtandenermaßen ein Anhänger der Laſſalle schen
Lehren, er besuche und beeinfluſſe die Arbeiterverſammlun-
gen, in welchen die Arbeitseinstellungen beschlossen
t ven. Und trete ; dort: :qls ;: Reduer.. guſs,: t
Lüge ſei welche Sache er übrigens nur darum zur Bes
sprechung bringe, um zu zeigen, auf welch perfide
Weiſe man durch Verdächtigungen der an der Agitation
für Wahlreform ſich betheiligenden Personen diese Agitation
selbſt zu verdächtigen ſuche. Zur Begründung des vom
Zentralausſchuſse ergangenen Aufrufes und der vorge-
ſchlagenen Adreſſe ergriff hierauf Herr Oberhofgerichts-
advokat Dr. Elle r das Wort. Es gebricht uns an
Raum, um die klare Darlegung der dermaligen Zu-
vielmehr Mißstände im Staatsleben Badens und der haupt-
sächlich in der Verpreußungsmanie des Ministeriums Jolly