J2. 89.
Freitag, 16. April.
Mannheimer Abendzeitung.
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
T
1869.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile
Ausnahme der Sonntage und Feſttage —
3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
Beſtellungen bei der Expedition CQ 1 Nr.
täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden,
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
ohne Poſtauſſchlag
Wie Flöten ſo ſuüſßz!
| Was das für eine Sehnſucht nach dem lieben
Frieden iſt, und wie wenig verdient dieſes Geschlecht den
dauernden gesicherten Frieden! Unser „Hangen und
Bangen in schwebender Pein“ entspricht völlig der herr-
ſchenden Börsenſtimmung; wie die Cffekten „himmelhoch
jauchzen“ oder „zum Tode betrübt“ sind, ſo wanken und
schwanken auch die Kriegs- und Friedensaspekten zwiſchen
Hauſſe und Baisse.
Wird da wieder ein Wesen gemacht aus der Lava-
lette’schen Friedensrede im geſetßgebenden Körper zu Pa-
ris! Niemals iſt ‘die Ruhe Europa'’s gesicherter geweſen
~ auf acht Tage; niemals hat ſich die napoleoniſche
Politik so positiv vernünftig ausgeſprochen! Und ſelbſt
der kleine Krakehler Thiers stimmte beifällig zu, und
Jules Favre gab dem Bismarck ein Zeugniß des Wohl-
verhaltens : er habe Frankreich in keiner Weiſe provozirt.
„Mein Liebchen was willſt Du noch mehr?"
Es iſt wahr; Hr. de Lavalette war wieder recht nett;
während der bärbeinige Riel stets mitten in die Eier hin-
eintappſt, durchtanzt der diplomatische Lavalette ſie mit
hoher Voltigirkunſt; er berührt die Cier nie, zerbricht bei
Leibe keins. Und wenn die Equilibriſtik vorüber iſt, ſo
liegen die Eier und die Dinge noch immer, wie vorher.
Was hat der Miniſter der auswärtigen Angelegenhei-
ten geſagt? Daß keine ,ſpezielen Verhandlungen“ mit
Deuiſchland geführt worden sind, daß Frantreich den „auf-
richtigen Wunsch“ hat, „jede Cinmiſchung in die rein
deutſchen Angelegenheiten zu vermeiden“ ; daß die Ber- |
änderungen in Deutſchtand vom Jahre 1866 eine böse |
Zwiſchenperiode mit sich führten, voll allerhand „Begeh-
ren, ſreitenden Intereſſen und Klagen“, und daß es Sache
der Zeit sei, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
Das heißt doch, aus dem Diplomatiſchen ins Ver-
ſtändliche übersetzt, nichts Anderes als : 1866 iſt geſchehen
und durch den Prager Frieden. ſanktionirt. Wir haben
ihn ſchließen helfen, diesen Frieden, und können weder
den Welfen noch dem Dietrich Trost bringen; „Este und
Brabant“ werden sich mit der Zeit fügen lernen. Auch
der bekannte „Brief an einen Wähler“, bekanntlich hohen
offiziellen Ursprungs, macht sich sehr breit damit, daß
Lonis Napoleon den Prager Frieden zu Stande gebracht
und daß auch in Deutſchland die Verträge von 1815
durch ein napoleoniſches Werk erſeßt worden ſeien.
Nun, Das wissen wir Alle längſt, daß Frantreich nicht
am Prager Frkeden rütteln wird; im Gegentheil, es wünſcht
ihn zu befestigen und etliche Stütpfähle daneben zu ram-
men, die ihm noch fehlen, als daeſind: Grenzregulirung
nach Dänemark zu, chineſiſche Mauer am Main, Aufhe-
bung der Allianzverträge mit Süddeut’chland, Mainzer
Frage. Hr. de Lavalette nennt diese Dinge natürlich
nicht mit Namen, aber er spielt ſehr verſtändlich um diese
Beiſpiele herum. Man hùre!
Abermals versichert er, „jede Cinmiſchung in Fragen
zu vermeiden, die uns nicht dirett interessiren“. Da kommt
ſchon ein indirettes „Intereſſe“. „Nur Gründe von
grvßem Gewicht . könnten uns veranlassen, dieſe Haltung
aufzugeben“. Es gäbe alſo doch solche „Gründe“. „Wir
reſpektiren die Rechte Anderer, um so weniger brauchen
wir zu fürchten, daß man die unsrigen nicht reſpektiren
werde". Man tönnte sie alſo doch einmal nicht ,reſpel-
tiren“, diese franzöſiſchen „Rechte“!
Glaubt wohl Jemand, der franzöſiſche Miniſter spiele
da auf gewisse chauviniſtiſche Nothdürfteleien an, mit denen
ſich die Bismarck'ſchen Kothſaſſen hin und wieder Muth
in der Dunkelheit machen? Denkt Einer, er deute auf
das Zähring' sche Königreich von den Vogesen bis Ulm
hin? Oder es handle sich gar um Lothringen und die
Ausdehnung des Regierungsbezirks Trier? Nein, das
„indirekte Intereſſe“, die „Gründe von großem Gewicht“,
die Möglichteit der Geringschätung französischer „Rechte“
D i liegen alle, ſammt und sonders in dem Prager
Friedensinſtrument. Dieses Altenstück iſt für Frantreich
ſo unerſchütterlich, so ſatkroſankt, so tanoniſch, daß es ihm
förmlich zum Völkerrecht in Bezug auf Denutſchland ge-
worden iſt und daß es jede Ueberſchreitung des buchſtäb-
lichen Textes in jedem Augenblick als Verletzung seiner
„Rechte“ hinſtellen zu können glaubt.
] _ S0 ſicher fühlt sich Frantreich hinter diejer Schanze,
daß Hr. de Lavalette ganz emphatiſch ausruft : „Eine
fürchterliche Veraniwortung würde derjenige auf ſJich laden,
welcher der Empfindlichkeit oder dem Chrgeiz nach-
gebend, zwei Nationen auf einander hetztte." Anſtatt
„Empsindlichkeit“ lese man Nerven; anstatt „Ehrgeiz“
„Vollendung des Werkes“, und man wird ſelbſt den net-
ten Lavalette recht nett verſtehen.
Wer kann es ändern, daß Frankreich die bedrohliche
Position einnimmt. daß, nicht Sieg oder Niederlage, son-
dern die Ruhe Europa's, Handel und Wandel, Induſtrie
und Wohifahrt, vom Augetzwicken des Cäsar an der
Seine abhängen? Niemand, kein Einzelner. Das „Wert!
iſt schuld, das „Werk“ ist verfehlt und verpfuſcht. Das
„Werk“ muß umgewirkt werden, wenn wir wieder zu
Athem und Ruhe kommen jollen.
* Berichtigung. In dem an der Spitze unſerer Nummer
86 befindlichen Artikel: „Die mobile Nationalgarde in Frank-
reich“ iſt die Behauptung, daß im Falle eines französiſch-deutſchen
Krieges „ein Paar Kolonnen Cliſaßer mobiler Nationalgarden ge-
nügen würden, um Süddeutſchland zu überziehen, auszuſaugen, zu
verderben“, als in der Arkolay ſchen Broſchüre aufgestellt
bezeichnet. Eine freundliche Mittheilung des Verfaſſers der ge-
nannten Broſchüre macht uns heute darauf aufmerkſam , daß letz-
tere dieſe Behauptung nicht enthält, und wir erfüllen eine gerne
geübte Pflicht, indem wir dieser Berichtigung hier Raum geben.
Bolitiſche Ueberſicht.
Mannheim, 15. April.
* Die vom Pa pt am Vorabend seiner Sekundizfeier
gewährte Amnestie iſt, wie wir vor wenig Tagen be-
fürchtet hatten, keine allgemeine , doch iſt dieſelbe immer-
hin umfassender ausgefallen, als in Rom, laut einem der
„Italia“ von dort zugegangenen Berichte, erwartet worden
war. Venanzi, Galmanelli, Mattrioli, d’Agoſtino und viele
andere politische Verurtheilte sind vollſtänoig in Freiheit
geseßt worden. Die zu 20 Jahren Verurtheilten erhalten
einen Nachlaß bis auf ein Drittel ihrer Strafzeit, vom
Tage ihrer Verhaftung an gerechnet. Die, welche bereits
ein Drittel ihrer Strafzeit überſtanden haben, werden am
11. Morgens unter der Bedingung, den Kirchenstaat zu
verlaſſen, freigegeben. Der Freund Mazzini's, Advotat
Petroni, von Bologna (im Jahre 1857 zu lebenslänglicher
Gefangenſchaft verurtheilt), iſt vollſtändig begnadigt wor-
den, und zwar, nachdem er ſich geweigert hatte, durch
irgend ein Versprechen seine Freiheit zu ertaufen.
Rach einer, der „Frankfurter Zeitung“ aus München
zugetommenen Mitheilung soll von dort in Wien leiſe
und verſchämt angefragt worden ſein, ob man ſich zur
Bildung eines Süd b un ds der Unterſtütung ODeſsterreichs
versichert halten dürfe, worauf von Wien die Antwort
gekommen, daß ein thätiges oder auch nur ein rathendes
Eingreifen Oeſterreicchs in derartige Verhandlungen ſich
mit der durch den Prager Frieden geschaffenen Stellung
des Kaiserſtaates nicht vertrage. Die „Frankfurter Zei-
tung“ will die Richtigkeit dieser Angaben nicht verbürgen;
meint jedoch, daß Fürſt Hohenlohe, wenn er die berichtete
Anfrage wirklich in Wien gestellt habe, die erhaltene Ant-
wort ehrlich verdient habe. Mit Betteln vor Anderer
Thüren, mit Einholung von Erlaubniß dazu hier und
dort werde ein Südbund gewiß nicht zu Stande gebracht
werden.
Unter der Rubrik München findet ſich ein Bericht
über die Erklärungen, welche der Kultusminiſter Bayerns
bezüglich der formalen Stellung der Staatsregierung zur
Frage der Einführung gemischter Schulen abgegehen hat.
Der bureauktratiſche Glaubensſaßt : „Was nicht in den
Akten, Das ist nicht in der Welt“, spielt in dem mini-
ſteriellen Aufschluß eine erheiternde Rolle. Von den Vor-
fällen in Kirchheimbolanden, wo die Kreisregierung, unter
Androhung polizeilicher Gewaltanwendung, die Vornahme
der Abstimmung hat einſtellen laſſen, weiß der Herr Mi-
uiſter nichts, weil . . in seiner Regiſtratur kein Attenstück
darüber eingelaufen iſt! Ein fröſtelnder Ton durchzieht
die geſammte Erklärung: was sie, Angesichts der bestehen-
den Gesetze, nicht verhindern kann, geſtattet die Staats-
regierung; von einer die Errichtung gemiſchter Schulen
fördernden Wirtſamtkeit iſt alleweg keine Rede. Die per-
ſönliche Vorliebe des bayeriſchen Kultusminiſters für
konfessionelle Schulen ist kein Geheimniß. Er hat sie be-
reits in einer Sitzung des reichsräthlichen Ausschusses bei
Berathung des neuen Schulgeseßgentwurfes kundgegeben,
und die Cinleitungsworte des in der Golsenſchen Inter-
pellation erwähnten Ministerialreskriptes ſind von Vollblut-
Mühler’ſchem Geiste durchweht. Wie vom Berliner, so
auch vom Münchener Kultusminisſterium gilt das Schil-
ler’ ſche Wort :
„Es geht ein finſtrer Geiſt durch dieses Haus."
| Poſtbehörden ausgestellte
Deutſchland.
* us Baden, 15. April. Auch das Organ der
National-Konſervativen hält die Unfertigkeit, Zerfahrenheit
und Haltloſigkeit unserer jezigen Zuſtände in Baden für
so groß, daß ihm eine Aenderung in Syſtem und
Personen als das Ziel erscheint, auf welches zur Zeit
alle Kraft zu konzentriren iſt. Selbstverſtändlich wollen
die National-Konservativen jedoch diese Aenderung in
ihrem Sinne, und ſie erhoffen von Nichts eine so durch-
greifende Heilung der Schäden unseres jetzigen Syſtems,
„wie von der Verpreußung.“ Hilierbei ſind die
National-Konſervativen so offen auszusprechen: der De-
mokratie wäre mit der Verpreußung allerdings übel ge-
dient, ſo übel wie dem Liberalismus, nur die Katholiten
dürften von Preußen Bürgschaft genug für die Freiheit
ihrer Kirche haben. Es geht nichts darüber, einer Sache
frei und entschieden ins Gesicht zu ſehen. Die National-
Konservativen oder beſſer die pietiſtiſchen Großpreußen ſind
ehrlich genug, einzugestehen, daß die Demokratie, ja sſelbſt
der abgeblaſſte Liberalismus nur Schlimmes von der
Verpreußung zu erwarten habe. Der Rückſchritt auf
kirchlichem und ſtaatlichem Gebiete iſts allein , der etwas
von der Verpreußung zu erwarten hat. Diese Beſtäti-
gung, welche eine längst erkannte Wahrheit durch das
Organ der National-Konſservativen erhält , hat für die
Demotratie keinerlei Bedeutung; denn diese ist ſo ſehr
von den Gefahren, welche die Verpreußung mit sich bringt,
überzeugt, daß jedes weitere Wort der Belehrung über-
flüssig erscheint. Aber die Liberal - Nationalen oder Na-
tional - Liberalen ſollten den Orakelſpruch der National-
Konservativen nicht leicht nehmen; ſie ſollten doch endlich
Einkehr halten zur ernsten Prüfung ihres Thuns und
Treibens für die Verpreußzung des Südens. Jhr Wahn,
wenn wir nur erſt in die „Einheit“ hineingeſchlüpft
seien, ſo würden wir ſchon eher und mehr für die „Frei-
heit“ wirken können, iſt ein ſchlimmer Wahn. Hat man
uns nur einmal die pietiſtiſchzjunkerliche Zwangsjacke an-
gelegt, so ists mit der Entfaltung unserer freiheitlichen
Kräfte vorbei, während wir, der Jacke ledig, nicht allein
im Stande sind, für die. Erhaltung unserer Freiheit und
Selbſtständigkeit zu wirken, sondern auch der Freiheit eine
Gasſe in den Norden hinein zu bahnen, das unfreie Re-
giment daſelbſt zur Umkehr zu zwingen oder zu brechen.
Gebt mir einen Punkt außerhalb der Erde und ich werde
sie aus ihren Angeln heben. Dieſer wohlbekannte Aus-
fpruch hat fir unſere Verhältniſſe seine Bedeutung.
Schafft der Freiheit eine Stätte außerhalb des Nordbun-
des - und ihr könnt Dieß + dann wird es ein Leichtes
sein, die Wiedervereinigung Deutschlands zu erreichen, und
zwar nicht, indem sich das deutsche Volk neuerdings dem
Absolutismus unterwirft, sondern indem es die Selbstbestim-
mung und Selbstregierung des Volkes aufrichtet und begründet.
Indem wir uns df dem Gebiete der Politik gegen die
Verpreußung erklären und sie nach Kräften abwehren, sind
wir nicht ſo ſchwach, guten Einrichtungen und Beſtrebun-
gen, die vom Norden ausgehen, die Anerkennung zu ver-
sagen. Wir verzeichnen mit der „Karlsr. Ztg." das Ver-
dienſt des Generalpoſtamtes des Nordbundes, die poſta-
liſchen Verhältnisse im Norden und im Wechſel-
verkehre mit demSüden, mit Oeſterreich-Ungarn, den meisten
europäischen Staaten und überseeischen Ländern geordnet
zu haben und bestrebt zu ſein, mit den noch ausstehenden
Staaten, wie jetzt dem Kirchensſtaate, Poſtverträge zum
Abschluſſe zu bringen. Auch unterstüyzen wir die Forde-
rung, es möge bei uns die in Preußen giltige Berord-
nung zur Anwendung kommen, wonach bei Poſteinzah-
lungen bis zum Betrag von 50 Thlr. (87 ſl. 30 tr.)
ſowohl für Staatsverrechnungen, als auch Gemeinde-,
Stiftungs- und Körperſchaftsverrechnungen de:
Einlieferungsſchein als vollgilti-
ger Empfangsſchein anzusehen iſt und die Rechnung da-
mik belegt werden kann, es somit eines beſondern Em-
pfangsſcheins des Empfängers nicht mehr bedarf. Die
Heidelb. Ztg.“ kündigt an, die Verhandlungen im Berlin
ivegen einer Ilebereinkunst zwiſchen Baden und dem Nord-
deutſchen Bunde bezüglich der gegenseitigen Ablei-
ſtung der Militärpflicht in den reſp. Heeren jeien
ſo weit gediehen, daß die Angelegenheit, Allem nach, noch
in dieser Seſſion des Reichstages zur Erledigung tommen
werde. Unſern badiſchen Staatsangehörigen wird die
Sache nicht preſſiren, und dürfte sich die Regierung in
Karlsruhe hierin überhaupt eine Mühe machen, die ſie
beſſer hätte anwenden können. — Eine neue Vorlage,
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der von den
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Freitag, 16. April.
Mannheimer Abendzeitung.
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
T
1869.
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile
Ausnahme der Sonntage und Feſttage —
3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
Beſtellungen bei der Expedition CQ 1 Nr.
täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden,
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
ohne Poſtauſſchlag
Wie Flöten ſo ſuüſßz!
| Was das für eine Sehnſucht nach dem lieben
Frieden iſt, und wie wenig verdient dieſes Geschlecht den
dauernden gesicherten Frieden! Unser „Hangen und
Bangen in schwebender Pein“ entspricht völlig der herr-
ſchenden Börsenſtimmung; wie die Cffekten „himmelhoch
jauchzen“ oder „zum Tode betrübt“ sind, ſo wanken und
schwanken auch die Kriegs- und Friedensaspekten zwiſchen
Hauſſe und Baisse.
Wird da wieder ein Wesen gemacht aus der Lava-
lette’schen Friedensrede im geſetßgebenden Körper zu Pa-
ris! Niemals iſt ‘die Ruhe Europa'’s gesicherter geweſen
~ auf acht Tage; niemals hat ſich die napoleoniſche
Politik so positiv vernünftig ausgeſprochen! Und ſelbſt
der kleine Krakehler Thiers stimmte beifällig zu, und
Jules Favre gab dem Bismarck ein Zeugniß des Wohl-
verhaltens : er habe Frankreich in keiner Weiſe provozirt.
„Mein Liebchen was willſt Du noch mehr?"
Es iſt wahr; Hr. de Lavalette war wieder recht nett;
während der bärbeinige Riel stets mitten in die Eier hin-
eintappſt, durchtanzt der diplomatische Lavalette ſie mit
hoher Voltigirkunſt; er berührt die Cier nie, zerbricht bei
Leibe keins. Und wenn die Equilibriſtik vorüber iſt, ſo
liegen die Eier und die Dinge noch immer, wie vorher.
Was hat der Miniſter der auswärtigen Angelegenhei-
ten geſagt? Daß keine ,ſpezielen Verhandlungen“ mit
Deuiſchland geführt worden sind, daß Frantreich den „auf-
richtigen Wunsch“ hat, „jede Cinmiſchung in die rein
deutſchen Angelegenheiten zu vermeiden“ ; daß die Ber- |
änderungen in Deutſchtand vom Jahre 1866 eine böse |
Zwiſchenperiode mit sich führten, voll allerhand „Begeh-
ren, ſreitenden Intereſſen und Klagen“, und daß es Sache
der Zeit sei, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
Das heißt doch, aus dem Diplomatiſchen ins Ver-
ſtändliche übersetzt, nichts Anderes als : 1866 iſt geſchehen
und durch den Prager Frieden. ſanktionirt. Wir haben
ihn ſchließen helfen, diesen Frieden, und können weder
den Welfen noch dem Dietrich Trost bringen; „Este und
Brabant“ werden sich mit der Zeit fügen lernen. Auch
der bekannte „Brief an einen Wähler“, bekanntlich hohen
offiziellen Ursprungs, macht sich sehr breit damit, daß
Lonis Napoleon den Prager Frieden zu Stande gebracht
und daß auch in Deutſchland die Verträge von 1815
durch ein napoleoniſches Werk erſeßt worden ſeien.
Nun, Das wissen wir Alle längſt, daß Frantreich nicht
am Prager Frkeden rütteln wird; im Gegentheil, es wünſcht
ihn zu befestigen und etliche Stütpfähle daneben zu ram-
men, die ihm noch fehlen, als daeſind: Grenzregulirung
nach Dänemark zu, chineſiſche Mauer am Main, Aufhe-
bung der Allianzverträge mit Süddeut’chland, Mainzer
Frage. Hr. de Lavalette nennt diese Dinge natürlich
nicht mit Namen, aber er spielt ſehr verſtändlich um diese
Beiſpiele herum. Man hùre!
Abermals versichert er, „jede Cinmiſchung in Fragen
zu vermeiden, die uns nicht dirett interessiren“. Da kommt
ſchon ein indirettes „Intereſſe“. „Nur Gründe von
grvßem Gewicht . könnten uns veranlassen, dieſe Haltung
aufzugeben“. Es gäbe alſo doch solche „Gründe“. „Wir
reſpektiren die Rechte Anderer, um so weniger brauchen
wir zu fürchten, daß man die unsrigen nicht reſpektiren
werde". Man tönnte sie alſo doch einmal nicht ,reſpel-
tiren“, diese franzöſiſchen „Rechte“!
Glaubt wohl Jemand, der franzöſiſche Miniſter spiele
da auf gewisse chauviniſtiſche Nothdürfteleien an, mit denen
ſich die Bismarck'ſchen Kothſaſſen hin und wieder Muth
in der Dunkelheit machen? Denkt Einer, er deute auf
das Zähring' sche Königreich von den Vogesen bis Ulm
hin? Oder es handle sich gar um Lothringen und die
Ausdehnung des Regierungsbezirks Trier? Nein, das
„indirekte Intereſſe“, die „Gründe von großem Gewicht“,
die Möglichteit der Geringschätung französischer „Rechte“
D i liegen alle, ſammt und sonders in dem Prager
Friedensinſtrument. Dieses Altenstück iſt für Frantreich
ſo unerſchütterlich, so ſatkroſankt, so tanoniſch, daß es ihm
förmlich zum Völkerrecht in Bezug auf Denutſchland ge-
worden iſt und daß es jede Ueberſchreitung des buchſtäb-
lichen Textes in jedem Augenblick als Verletzung seiner
„Rechte“ hinſtellen zu können glaubt.
] _ S0 ſicher fühlt sich Frantreich hinter diejer Schanze,
daß Hr. de Lavalette ganz emphatiſch ausruft : „Eine
fürchterliche Veraniwortung würde derjenige auf ſJich laden,
welcher der Empfindlichkeit oder dem Chrgeiz nach-
gebend, zwei Nationen auf einander hetztte." Anſtatt
„Empsindlichkeit“ lese man Nerven; anstatt „Ehrgeiz“
„Vollendung des Werkes“, und man wird ſelbſt den net-
ten Lavalette recht nett verſtehen.
Wer kann es ändern, daß Frankreich die bedrohliche
Position einnimmt. daß, nicht Sieg oder Niederlage, son-
dern die Ruhe Europa's, Handel und Wandel, Induſtrie
und Wohifahrt, vom Augetzwicken des Cäsar an der
Seine abhängen? Niemand, kein Einzelner. Das „Wert!
iſt schuld, das „Werk“ ist verfehlt und verpfuſcht. Das
„Werk“ muß umgewirkt werden, wenn wir wieder zu
Athem und Ruhe kommen jollen.
* Berichtigung. In dem an der Spitze unſerer Nummer
86 befindlichen Artikel: „Die mobile Nationalgarde in Frank-
reich“ iſt die Behauptung, daß im Falle eines französiſch-deutſchen
Krieges „ein Paar Kolonnen Cliſaßer mobiler Nationalgarden ge-
nügen würden, um Süddeutſchland zu überziehen, auszuſaugen, zu
verderben“, als in der Arkolay ſchen Broſchüre aufgestellt
bezeichnet. Eine freundliche Mittheilung des Verfaſſers der ge-
nannten Broſchüre macht uns heute darauf aufmerkſam , daß letz-
tere dieſe Behauptung nicht enthält, und wir erfüllen eine gerne
geübte Pflicht, indem wir dieser Berichtigung hier Raum geben.
Bolitiſche Ueberſicht.
Mannheim, 15. April.
* Die vom Pa pt am Vorabend seiner Sekundizfeier
gewährte Amnestie iſt, wie wir vor wenig Tagen be-
fürchtet hatten, keine allgemeine , doch iſt dieſelbe immer-
hin umfassender ausgefallen, als in Rom, laut einem der
„Italia“ von dort zugegangenen Berichte, erwartet worden
war. Venanzi, Galmanelli, Mattrioli, d’Agoſtino und viele
andere politische Verurtheilte sind vollſtänoig in Freiheit
geseßt worden. Die zu 20 Jahren Verurtheilten erhalten
einen Nachlaß bis auf ein Drittel ihrer Strafzeit, vom
Tage ihrer Verhaftung an gerechnet. Die, welche bereits
ein Drittel ihrer Strafzeit überſtanden haben, werden am
11. Morgens unter der Bedingung, den Kirchenstaat zu
verlaſſen, freigegeben. Der Freund Mazzini's, Advotat
Petroni, von Bologna (im Jahre 1857 zu lebenslänglicher
Gefangenſchaft verurtheilt), iſt vollſtändig begnadigt wor-
den, und zwar, nachdem er ſich geweigert hatte, durch
irgend ein Versprechen seine Freiheit zu ertaufen.
Rach einer, der „Frankfurter Zeitung“ aus München
zugetommenen Mitheilung soll von dort in Wien leiſe
und verſchämt angefragt worden ſein, ob man ſich zur
Bildung eines Süd b un ds der Unterſtütung ODeſsterreichs
versichert halten dürfe, worauf von Wien die Antwort
gekommen, daß ein thätiges oder auch nur ein rathendes
Eingreifen Oeſterreicchs in derartige Verhandlungen ſich
mit der durch den Prager Frieden geschaffenen Stellung
des Kaiserſtaates nicht vertrage. Die „Frankfurter Zei-
tung“ will die Richtigkeit dieser Angaben nicht verbürgen;
meint jedoch, daß Fürſt Hohenlohe, wenn er die berichtete
Anfrage wirklich in Wien gestellt habe, die erhaltene Ant-
wort ehrlich verdient habe. Mit Betteln vor Anderer
Thüren, mit Einholung von Erlaubniß dazu hier und
dort werde ein Südbund gewiß nicht zu Stande gebracht
werden.
Unter der Rubrik München findet ſich ein Bericht
über die Erklärungen, welche der Kultusminiſter Bayerns
bezüglich der formalen Stellung der Staatsregierung zur
Frage der Einführung gemischter Schulen abgegehen hat.
Der bureauktratiſche Glaubensſaßt : „Was nicht in den
Akten, Das ist nicht in der Welt“, spielt in dem mini-
ſteriellen Aufschluß eine erheiternde Rolle. Von den Vor-
fällen in Kirchheimbolanden, wo die Kreisregierung, unter
Androhung polizeilicher Gewaltanwendung, die Vornahme
der Abstimmung hat einſtellen laſſen, weiß der Herr Mi-
uiſter nichts, weil . . in seiner Regiſtratur kein Attenstück
darüber eingelaufen iſt! Ein fröſtelnder Ton durchzieht
die geſammte Erklärung: was sie, Angesichts der bestehen-
den Gesetze, nicht verhindern kann, geſtattet die Staats-
regierung; von einer die Errichtung gemiſchter Schulen
fördernden Wirtſamtkeit iſt alleweg keine Rede. Die per-
ſönliche Vorliebe des bayeriſchen Kultusminiſters für
konfessionelle Schulen ist kein Geheimniß. Er hat sie be-
reits in einer Sitzung des reichsräthlichen Ausschusses bei
Berathung des neuen Schulgeseßgentwurfes kundgegeben,
und die Cinleitungsworte des in der Golsenſchen Inter-
pellation erwähnten Ministerialreskriptes ſind von Vollblut-
Mühler’ſchem Geiste durchweht. Wie vom Berliner, so
auch vom Münchener Kultusminisſterium gilt das Schil-
ler’ ſche Wort :
„Es geht ein finſtrer Geiſt durch dieses Haus."
| Poſtbehörden ausgestellte
Deutſchland.
* us Baden, 15. April. Auch das Organ der
National-Konſervativen hält die Unfertigkeit, Zerfahrenheit
und Haltloſigkeit unserer jezigen Zuſtände in Baden für
so groß, daß ihm eine Aenderung in Syſtem und
Personen als das Ziel erscheint, auf welches zur Zeit
alle Kraft zu konzentriren iſt. Selbstverſtändlich wollen
die National-Konservativen jedoch diese Aenderung in
ihrem Sinne, und ſie erhoffen von Nichts eine so durch-
greifende Heilung der Schäden unseres jetzigen Syſtems,
„wie von der Verpreußung.“ Hilierbei ſind die
National-Konſervativen so offen auszusprechen: der De-
mokratie wäre mit der Verpreußung allerdings übel ge-
dient, ſo übel wie dem Liberalismus, nur die Katholiten
dürften von Preußen Bürgschaft genug für die Freiheit
ihrer Kirche haben. Es geht nichts darüber, einer Sache
frei und entschieden ins Gesicht zu ſehen. Die National-
Konservativen oder beſſer die pietiſtiſchen Großpreußen ſind
ehrlich genug, einzugestehen, daß die Demokratie, ja sſelbſt
der abgeblaſſte Liberalismus nur Schlimmes von der
Verpreußung zu erwarten habe. Der Rückſchritt auf
kirchlichem und ſtaatlichem Gebiete iſts allein , der etwas
von der Verpreußung zu erwarten hat. Diese Beſtäti-
gung, welche eine längst erkannte Wahrheit durch das
Organ der National-Konſservativen erhält , hat für die
Demotratie keinerlei Bedeutung; denn diese ist ſo ſehr
von den Gefahren, welche die Verpreußung mit sich bringt,
überzeugt, daß jedes weitere Wort der Belehrung über-
flüssig erscheint. Aber die Liberal - Nationalen oder Na-
tional - Liberalen ſollten den Orakelſpruch der National-
Konservativen nicht leicht nehmen; ſie ſollten doch endlich
Einkehr halten zur ernsten Prüfung ihres Thuns und
Treibens für die Verpreußzung des Südens. Jhr Wahn,
wenn wir nur erſt in die „Einheit“ hineingeſchlüpft
seien, ſo würden wir ſchon eher und mehr für die „Frei-
heit“ wirken können, iſt ein ſchlimmer Wahn. Hat man
uns nur einmal die pietiſtiſchzjunkerliche Zwangsjacke an-
gelegt, so ists mit der Entfaltung unserer freiheitlichen
Kräfte vorbei, während wir, der Jacke ledig, nicht allein
im Stande sind, für die. Erhaltung unserer Freiheit und
Selbſtständigkeit zu wirken, sondern auch der Freiheit eine
Gasſe in den Norden hinein zu bahnen, das unfreie Re-
giment daſelbſt zur Umkehr zu zwingen oder zu brechen.
Gebt mir einen Punkt außerhalb der Erde und ich werde
sie aus ihren Angeln heben. Dieſer wohlbekannte Aus-
fpruch hat fir unſere Verhältniſſe seine Bedeutung.
Schafft der Freiheit eine Stätte außerhalb des Nordbun-
des - und ihr könnt Dieß + dann wird es ein Leichtes
sein, die Wiedervereinigung Deutschlands zu erreichen, und
zwar nicht, indem sich das deutsche Volk neuerdings dem
Absolutismus unterwirft, sondern indem es die Selbstbestim-
mung und Selbstregierung des Volkes aufrichtet und begründet.
Indem wir uns df dem Gebiete der Politik gegen die
Verpreußung erklären und sie nach Kräften abwehren, sind
wir nicht ſo ſchwach, guten Einrichtungen und Beſtrebun-
gen, die vom Norden ausgehen, die Anerkennung zu ver-
sagen. Wir verzeichnen mit der „Karlsr. Ztg." das Ver-
dienſt des Generalpoſtamtes des Nordbundes, die poſta-
liſchen Verhältnisse im Norden und im Wechſel-
verkehre mit demSüden, mit Oeſterreich-Ungarn, den meisten
europäischen Staaten und überseeischen Ländern geordnet
zu haben und bestrebt zu ſein, mit den noch ausstehenden
Staaten, wie jetzt dem Kirchensſtaate, Poſtverträge zum
Abschluſſe zu bringen. Auch unterstüyzen wir die Forde-
rung, es möge bei uns die in Preußen giltige Berord-
nung zur Anwendung kommen, wonach bei Poſteinzah-
lungen bis zum Betrag von 50 Thlr. (87 ſl. 30 tr.)
ſowohl für Staatsverrechnungen, als auch Gemeinde-,
Stiftungs- und Körperſchaftsverrechnungen de:
Einlieferungsſchein als vollgilti-
ger Empfangsſchein anzusehen iſt und die Rechnung da-
mik belegt werden kann, es somit eines beſondern Em-
pfangsſcheins des Empfängers nicht mehr bedarf. Die
Heidelb. Ztg.“ kündigt an, die Verhandlungen im Berlin
ivegen einer Ilebereinkunst zwiſchen Baden und dem Nord-
deutſchen Bunde bezüglich der gegenseitigen Ablei-
ſtung der Militärpflicht in den reſp. Heeren jeien
ſo weit gediehen, daß die Angelegenheit, Allem nach, noch
in dieser Seſſion des Reichstages zur Erledigung tommen
werde. Unſern badiſchen Staatsangehörigen wird die
Sache nicht preſſiren, und dürfte sich die Regierung in
Karlsruhe hierin überhaupt eine Mühe machen, die ſie
beſſer hätte anwenden können. — Eine neue Vorlage,
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