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Zwei mal zwei iſt vier.
D.C. Das ist alt. Ja freilich. Heutzutage aber gehört es
zu jenen allereinfachſten Wahrheiten , die man recht oft zu
wiederholen alle Ursache hat, aus dem höchſt betrübenden
Grunde, weil unsere Zeit eine von den troſtloſen Epochen
ist, wo gerade die Wahrheiten am Meiſten in ihrer Geltung
bedroht ſind, die den Vorzug haben, so einfach wie ſchlagend
u Fein.
ſ 'Wie oft wird henzutage mit frechſter Stirn behauptet,
das Vaterland sei stärker geworden, kräftiger zum Wider-
ſtand, wirkungsvoller am Einsluß! Seit wann ſind denn
aber (um nur bei der Zweitheilung ſtehen zu bleiben) zwei
Hälften gleich dem Ganzen? ! In der mechaniſchen Welt
ſind sie's lang nicht immer, in der organiſchen Welt , in
der Welt der geistigen und ſittlichen Lebenskräſte ſind sie's
niemals. Ja , es iſt zu ſagen, da ist die Hälſte ſchlecht-
weg die Verneinung des Ganzen. Halbwegs ehrlich iſt
gewiß nicht ehrlich, halbwegs verſtändig iſt gewiß nicht
verſtändig, und um ein echt großpreußiſches Beiſpiel zu
nehmen: was der Unterschied zwischen zwei halben Armeen
und einer ganzen iſt, Das würde man in Berlin am Beſten
wiſſen, wenn man in Böhmen ſtatt eines Benedek einen
Napboleon sich gegenüber gehabt hätte.
Kommt nun gar hinzu, daß die Zweitheilung im
Grunde sogar eine Dreitheilung, ja ſchlimmer als Das:
eine Viertheilung iſt, so iſt vollends nicht abzuſehen , wo
die Waldec –~ nur noch das eine Gefühl, daß dieſ
nicht frei bleiben , sich nicht ſelbsiſtändig konstituiren und
Das
<e Welt ~ die Bismarck, die Bennigsen, die Braun,
c
er Süden
auch Niemanden anders zufallen dürfe, als Großpreußen.
Als deutſch an sich besteht er für alle jene Perſönlichkeiten
und die von ihnen repräſentirten Fraktionen von Tag zu
Tage weniger. Selbſt Miquel hat seine Lokomotive im
Stich gelassen; ſselbſt in den preußiſchen Thronreden, diesen
Prunkstätten nationalen Scheins ,
und damit Deutſchland nur noch durch ſeine Abwesenheit.
Da es nun im offiziellen Süddeutſchland leider sehr ent-
ſprechend aussieht und in Deutſchösterreich der offizielle wie
der offiziöóe, wie der oppoſitionelle und der nergelnde
Liberalismus die Mahnung an Deutſchland ziemlich bis
auf das Wort vermeidet, so ſind wir allmählich gläüctlich
wieder soweit, wie in den zwanziger und dreißiger Jahren,
wo einige poetiſche Gemüther die Tradition vom deutschen
Vaterland im ſ|tillen Herzensſchrein unter schwarzrothgold-
nem Band mit ſschwärmeriſcher Treue bewahrten. Im
Uebrigen sind wir königlich preußiſche u. s. w. Unterthanen,
gerad wie damals.
erſten Bruderkriegs.
glänzt Süddeutſchland
iſt der nationale Erfolg eines
auch nur die Aehnlichteit, geſchweige denn die Identität
mit dem Ganzen bleibt. Da soll denn die Phraſe von
der nationalen Pflicht des Zuſammenſtehens herhalten. Wohl,
und die Sicherheit dieses Zuſammensſtehens?! Iſt nicht die
Theilung auch in der Rüctſicht verhängnißvoll, daß sie ſogar
dieſe Sicherheit ausſchließt?! Und iſt nicht vielmehr diese
Sicherheit nur zu haben in der Aufhebung, der Beseitigung
jener Theilung?
_ Dieſe ſcheinbar abstrakten Sätze ſind in ihrer politiſchen
Nutzanwendung prattiſch genug. Wir wählen die heutige
Form mit Absicht, weil sie die leidenschaftloſeſte iſt. Und
wohl thut es Noth, daß wir ausdrücklich alle Formen
erſchöpfen, um immer wieter auf den einen entscheidenden
Punkt in dem Streite „Deutschland contra Zollern“ den
Sinn des Volkes hinzulenken. Das freiheitliche Moment
in unſerer nationalen Bewegung wird für den Augenblick
von den Großpreußen als unprattikabel aufgegeben; um Jo
ſtärker betonen ſie den Fortſchritt, den die Einheit gemacht
habe. Und da ereilt ſie .die Strafe für ihre Lüge am
Raſcheſten und Vernichtendſten. Indeß , Das gienge noch
an. Eine Lüge mehr oder weniger ~ was macht Das für
die Herren aus ? Wichtiger ist, was ein ſolcher Stand der
Dinge für die Nation bedentet, was er an Gefahren in ſich
ſchließt.
Wohl k a n n eine Nation ihre Freiheitsarbeit vertagen,
vorausgeſeßt, daß sie wenigstens ihrer ſelbſt Herr bleibt.
So bedenklich es iſt, so ſelten es vorkommen wird, daß
eine Nation, die ihre Eriſtenz in ſich hat, dabei doch ihre
freiheitliche Entwicklung aufschiebt; sie kann es. Wir
Deutsche z. B. konnten und wollten für die Cinheit Opfer
an Cinelfreiheit bringen, ja an der Geſammmtfreiheit
hätten wir sie gebracht, nur daß es unſere Einheit ſein
mußte, die wir erreichten; nur daß es eine wirkliche Ein-
he it war. Aber dieses Ding von erlogener Einheit, diese
dentbar größte Cinheitslige + ſowie der Cäſarismus die
denkbar größte Freiheitslüge iſt — schädigt und bedroht
uns eben an jedem Punkte unseres nationalen Sein und
Haben. Es iſt ein Stand der Dinge, der uns für den
Augenblick lahmlegt, für die nächste Zukunft gefährdet, auf
lange Zeit hinaus uns ausbeutet für Zwecke, die nicht die
unseren ſind; der uns demoraliſirt und korrumpirt vielleicht
für immer. Man sehe nur hin nach dem Norden , an
einen wie durchaus undeutſchen Gedantentreis ſich da die
Bevölkerung gewöhnt. Kein Regierungsblatt, keine Mani-
feſiation der Volksvertretung, kein Ton in Presse und
Voltsdemonſtrationen (mit wenigen Ausnahmen) erinnert
mehr an das große Vaterland, und wären nicht die
Seufzer der Unterdrückten, die Proteste der Paar Trenge-
dbliebenen, man könnte meinen, der Norden fühle sich als
fertiges Deutſchland, und die vaterländiſche Zeriſſenheit mit
all ihren Sünden und Verbrechen ſei ſelbſt als Thatſache
Uf der Erinnerung geſchwunden, wie sie aus der Empfin-
ung der eigentlich preußischen Welt längst wirklich ver-
ſchwunden iſt. Für Das, was das älteſte Deutschland war,
was in neuerer Zeit die Stätte der Wiedergeburt des
nationalen Gedankens (rein politiſch genommen) geworden
iſt, für d en de ut s < en S ü d e n hat die ganze groß-
Politiſche Uebersicht.
ſchluß auf Heimzahlung der Staatsſchuld in Gold baldigst
wiederholen werde, iſt bereits in Erfüllung gegangen. Das
Mannheim, 15. März.
* Die Erwartung, daß der Kongreß der n o rd am e -
rikaniſchen Union feinen durch die Nichtzuſtimmung
des früheren Präsidenten nicht rechtskräftig gewordenen Be-
©
Repräſentantenhaus hat dieſenBeſchluß am 12. erneut und
ſich „Hichei mit dem Senatsvorſchlage auf Streichung des
Verbotes einer Heimzahlung vor der Verfallzeit einverſtan-
Das Haus hat ſich bis zum 6. April ver-
die Spanier betheiligt.
getheilt.
tagt, vorher aber noch einen Antrag auf Anerkennung der
Unabhängigkeit Kuba's dem Ausschuß für die auswärtigen
Angelegenheiten überwiesen.
Die hiedurch ausgeſprochene Sympathie für Kuba, die
wohl von dem Wunſche nach Anschluß der ,Perle der
Antillen“ an die Union ſtart beeinflußt ist,
Bevölkerung allgemein
der Regierung, um Cinſchiffungen von Freiſchaaren nach
Kuba zu verhindern, ſind bereits ſchon viele einzelne Frei-
willige aus New-York, New-Orleans und anderen Städten
dahin abgegangen und haben ſich an dem Kampfe gegen
e : bett New -- York allein, wo ein tuba-
niſches Komite eifrig arbeitet, ſoll 700 dieser Leute geliefert
haben, die in Schaaren von 10 oder 20 theils dirett,
theils über Florida abgereiſt ſind.
den Weg nach Kuba, und amerikaniſchen Blättern zufolge
ſollen ſchon 15 Kanonen hingebracht und gegen die Spanier
im Felde ſein.
Ueber die Perſönlichkeiten und die bisherige politische
Laufbahn der nach dem Rücktritt Stewart's und Waſh-
wird in der
Trotz einiger Maßregeln
Auch Waffen finden
burne's von Grant ins M iniſt eri u m berufenen Herren
G. Boutwell und Alex. Fiſh lesen wir in englischen
Der Erſterc, geboren im Jahre 1818 bei Boston,
Präſidentenprozesse
beſte und durchſchlagendſte Rede, welche gegen Johnson ge-
richtet worden, und hat ſich immer als Gegner jeglicher
Art von Binsverweigerung oder unredlicher Finanzpolitit
überhaupt bewiesen. Er wurde ſchon früher von der republi-
taniſchen Partei als ein tüchtiger Finanz-Minister empfohlen.
Der neue Minister des Auswärtigen, Hamilton Fish, hat
ſich in ſsechszigjährigem Leben den Ruf eines hervorragenden
Rechtsgelehrten verſchafft.
gebenden Versammlung des Staates New-York, dann dem
Repräsentantenhauſe und später dem Senate der Vereinig-
ten Staaten an; auch iſt er Gouverneur von New - York
war seit 1842 Mitglied der gesetzgebenden Verſammlung
von Massachusetts und 1851 Gouverneur desjelben Staates;
1862 wurde er mit dem bedeutenden Amte der Oberauf-
ſicht der inländiſchen Steuern bekleidet.
Waſhington ins Repräsſentantenhaus gewählt, war er Mit-
glied des richterlichen und anderer Ausschüſſe, trat in dem
Später nach
als Ankläger auf, hielt vielleicht die
darauf die Berathung deſſelben beginnen werden.
vorgesſtrigen Kortesſitzung hat die schon bei einigen neuer-
lichen Fällen an den Tag getretene Veränderung des
Stimmenverhältnisles einen weiteren großen Fortschritt ge-liſt es gewesen, was die Nördlinger Miniſter-
Er gehörte seit 1837 der geseh-
! Aus S p anien wird angekündigt, daß der Verfas-
ſungsausſchuß in den erſten Tagen dieser Woche seinen
Entwurf den Kortes vorlegen und daß dieſe ſchon Tags
In der
macht. Bei Gelegenheit einer Wahlprüfung iſt die miniſte-
rielle Partei nur mit einer Mehrheit von 7 Stimmen
Siegerin geblieben. Aus dem Bericht über dieſelbe Sitzung
erfahren wir, was bisher weder in schriftlichen Berichten
noch in Telegrammen erwähnt war , daß in Malaga ein
bewaffneter Konflikt zwiſchen Polizei und Tabakverkäufern
ſtattgefunden hat. Nach den Erklärungen, die der Finanz-
minister auf eine deßhalb erfolgte Interpellation abgab,
hatten dortige Einwohner den Beschluß der Kortes , den
Vorſchlag auf Aufhebung des Tabakmonopols in Erwägung
zu ziehen, mit einem Beschluß auf Aufſhebung verwechſelt
und demzufolge den Tabatverkauf bereits für freigegeben
betrachtet. Ueber die auf gestern angekündigte Madrider
Demonstration zu Gunſten der Abschaffung der Konſkription
liegt noch keine Meldung vor. Der von republikaniſcher
Seite geſtellte Antrag auf diese Abschaffung iſt bekanntlich
mit 112 gegen 99 Stimmen von den Kortes abgelehnt
worden. Das Volk wird nun sei n e Stimme abgeben.
Hat die vom republikaniſchen Ausſchuß veranſtaltete De-
monſtration in Madrid den Erfolg, den wir wünschen und
hoffen, und findet dieselbe in anderen Landestheilen träftige
Nachahmung, ſo wird das Volk in Spanien dadurch mehr,
als dureh alles Andere, ſeine republikaniſche Gesinnung
beweisen , denn die Abschaffung der „Militärſklaverei“, wie
ein Schweizer Blatt das Institut der ſtehenden Heere nennt ;
iſt der erſte und wichtigſte Schritt zur Aufrichtung der
Volksherrſchaft.
Ueber den Stand der wegen des belgiſchen Eiſen-
ba hngesetzes ſchwebenden Differenzen zwischen dem Pa-
riſer und Brüſſeler Kabinet haben der geſtrige und der
heutige Tag abermals die widersprechendften Nachrichten ge-
bracht. Jeder Angabe ist ſofort eine Ableugnung oder eine
Berichtiqung gefolgt. Gewiß scheint nur zu sein, daß die
Angabe von der Absicht einer ſchiedsgerichtlichen Entschei-
dung durch eine oder mehrere Mächte vollständig unbe-
gründet war. Die französischen offiziösen Blätter reden in
einem immer mehr friedlichen Tone; die weiteſt gehenden
beschränken sich darauf, den Glauben an die Einsetzung
einer franzöſiſch-belgiſchen Kommission zur Verſtändigung
über die wirthſchaftlichen Seiten der Frage aufrecht zu er-
halten. Aus Brüſſel wird dem „Frkf. Journ." gemeldet,
der vorgeſtern aus Paris dort wieder eingetroffene franzö-
ſiſche Gesandte habe ,verſöhnliche" Instruktionen mitge-
bracht, nach welchen Frankreich auf die Uebernahme der
Luxemburger Bahn durch die ſranzösiſche Oſtbahngeſellſchast
verzichte.
Während ſich auf dieſer Seite die Wogen wieder glätten,
erweiſen ſich auch die Beunruhigungen, welche an die Ab-
reiſe des italieniſchen Gesandten v. Nigra in ſeine Heimath
und des französischen Botſchafters in Wien, Herzog von
Gra mmont, nach Paris geknüpft worden waren, als
unbegründet. Der Urstere, deſfen Entsernung von Paris
man als eine dauernde betrachten und einer, durch ſeine
preußenfreundliche Gesinnung veranlaßten Mißliebigkeit bei
Naholeon hatte zuſchreiben wollen, wird, wie mit Beſtimmt-
heit verlautet, auf ſeinen Poſten nach Paris zurückkehren,
und der Letztere, der nach einer früheren Angabe wegen
„unfreundlicher“ Gestaltung der Verhältnisse zwiſchen Frank-
reich und Preußen ſchon vor mehreren Tagen sofort nach
Paris beordert und dort angekommen sein sollte, hat erſt
geſtern Wien verlaſſen. Gefahr lag demnach jedenfalls nicht
im Verzuge, und die Wiener Nachricht, daß der Herzog
ſich wegen Privatverhältnisse einen Urlaub erbeten habe,
erscheint nicht unglaubwürdig.
Aus S < w e d e n wird von einem großen Volkstumult
berichtet, zu welchem in voriger Woche in der Stadt Hudils-
vall die Unzufriedenheit über Steuererhöhung Anlaß ge-
geben hatte. Mit Anwendung der Feuerwaffe wurde der
Auflauf gedämpft, nachdem ein Menſch erſchoſſen und
mehrere verwundet worden. Die Ruhe iſt wieder hergeſstellt,
die erhöhte Steuer ist geblieben. Cinen glücklicheren Erfolg
hat im Schwesterlande N or w e ge n der Storthing gehabt,
indem seine vielfachen Beschwerden gegen den Marineminiſter
Haffner diesen zur Einreichung eines Entlasſſungsgeſuches
veranlaßten. Der König hat das Geſuch genehmigt, in
einer sehr ungnädigen Entschließung jedoch der Volksver-
tretung das Recht abgeſprochen, durch Mißtrauensvota in
das Kronrecht der Miniſterwahl einzugreifen.
Nicht die politiſche Frage eines ſüddeutſchen Bündniſſes,
wie Anfangs, und nicht die wirthſchaftliche Frage des
Handelsvertrages mit der Schweiz, k Ö
worden, sondern die Auseinanderſeßzung desnoch nichtvollſtändig.
geordneten, vom Bundestag ſelig hinterlaſſenen Eigenthums
wie später vermuthen. M