Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

DOI Heft:
No. 180 - No. 205 (1. August - 31. August)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0795

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Samſtag, 21. August.

1869.











Die „Wannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Fesſitage. > tägli
jeu u. r Anzeigen-Gebühr :! die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. B

bes S s % .

Pianuheimer Abendzeitung

Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.





< als Abendblait ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
eſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten. :

LL T



: „Pulver und Blei.'‘

Y *.* Sie wollen füsiliren, die Span ier. Wir er-
heben unjere Stimme dagegen im Namen der Menſchheit,

im Namen der Demokratie. Die Todesstrafe iſt an und

für ſich kaum je zu vertheidigen, nie vom höhern Stand-
punkte der Gesittung und der Menschenwürde. Daß es
einzelne. Fälle geben kann , wo der Tod eines Mörders,

eines Räubers, eines Uſurpators , der Tauſende von |

Mordthaten und Räubereien auf dem Gewissen hat, und

deſſen Beseitigung als eine Art von Sühne gegen die
zum höchsten verlette und verachtete Menſchheit, als
eine gebotene Nothwendigkeit noch Vielen erſcheinen kann,
das wagen wir nicht zu leugnen. Aber dieHinrichtungen

durch Pulver und Blei nach erlangtem Siege erſcheinen

uns eben auch als nichts Ande es denn feige Mordthaten.
Die Hinrichtungen der Feinde , der paolitiſchen Gegner,
wie zur Zeit des Schreckens in Frankreich iſt lange nicht
so verleßend, denn ſie fanden statt, während des Kampfes,
in Fieber, im Rauſche der Rivolution. Aber deßwegen
waren sie nicht weniger Verbrechen , und wie die klugen
Staatstünſiler der Franzoſen ſagen, mehr als ein Ver-
brechen, Fehler. Und diesen „Fehler“ der Revolution
büßt noch heute die ganze europäiſche Gesellſchaft, wie sie

aus der franzöſiſchen Revolution hervorgegangen iſt. Dem

Schrecken folgte der Zäſarjsmus, und dieser wurzelt noch
heute in Frankreich, ſo gut wie in Deutſchland, im
Schrecken des furchtbaren Jahres 1793. Die Franzoſen
saglen damals: „Les morts ne réviennent pas!“ Die
Todten kommen nicht wieder! Aber nicht weniger geiſt-
reiche Franzoſen erwiderten: „Ce ne sont que les morts
qui réviennent!“ d. h. Nur die Todten kommen wieder,
kommen als Gespenster (revenants) zurück.“ Und dieser
leztere Spruch hat sich bewährt, denn das „rot h e Ger
ſpensſt" geht ſeit der Zeit um und bedingt die ver-
kehrten, die heilloſen Zuſtände, welche mit dem Zäſaris-
mus auf Europa laſten.

Der Schrecken, das Morden nach der Schlacht, nach
dem Siege + die Begnadigung durch „Pulver und Blei“
iſt der größte „Fehler“, den ein: Partei begehen kann.
Und die Demokratie darf der Reaktion von 1849-50
Dank ſagen, daß auch ſie diesen „Fehler“ begangen, und
die „Gespenſter“ des Jahres 1850 neben die des Jahres
1793 gestellt hat. So wurde geſühnt, mit Blut ver-
wischt, was die Revolution, die Demokratie in den neun-
ziger Jahren mit Blut geſündigt hatte.

Das Verbrechen des Mordens nach der Schlacht, der
„Fehler“ der Rache durch Pulver und Blei nach dem
Siege, des Mordes zur Erreichung politiſcher Ziele iſt ein
bodenloſer Hohn gegen den gesunden Menſchenverstand
und die Gesſittung. Marat und Charlotte Corday, die
ſchärssten beiden Gegenſätße der ganzen Revolution , faſt
der ganzen Weltgeschichte ſtehen in Bezug auf den politi-
sehen Mord auf demſelben Boden. Bor Gericht erklärte
Charlotte Corday, daß sie Marat gemordet habe „um zu
ſchrecen." ~ „Iſt dieser Cine todt", erklärte ſie vor
dem Blutgericht, ſo werden die Andern Furcht bekommen z
ilh tödte diesen Einen, um Tauſende zu r tten." Es ist
dieß Wort, dieſer Gedanke, dieser Grundſaß ~ wenn
wir ihn so nennen wollen ~ ganz derselbe, nach dem
auch Marat handelte.

Auch der Erfolg war derselbe. Erſt nach Marats
Tod + kam die ſchreckliche Zeit, welche die ganze Gironde
auf die Guillotine führte.

Der poiitiſche Mord ſchadet der Sache, die sich ſeiner
bedienen zu dürfen glaubt. Der politiſche Mord der
Beſiegten nach der Schlacht, nach dem Siege heiligt die
Sache des Beſiegten, entehrt den Sieger, beſudelt seine
Fahne, zerſtört die Folgen, welche ſein Sieg hätte haben
können.

Wir halten es für ein Glück, für eine Bürgschaft zu-
zukünstigen Sieges der Demotraten, daß ihre Gegner
nach den letten Schlachten , welche ſie gewonnen haben,
die Besſiegten kalten Blutes hinrichten ließen. Wir legten
Widerspruch dagegen ein, daß dieß je wieder irgendwo
im Namen der Revolution und der Demokratie geschehe,
„richten diesen Widerſpruch heute an die Tagesherrſcher
Spaniens!“ Die ſpaniſchen Republikaner mögen daſſelbe
in Spanien laut und offen mit uns aussprechen.

Politiſche Ueberficht.
Is ! Mannheim, 20. August.
_. * Die Münchener Nachricht, daß die Geheimhal-
tung der Besſchlüſſe der Bundesliquidationskom-







ES Es



miſsion in. Betreff der zu bildenden „Festungskommiſ-
sion“ verabredet worden ſei (ſ. Nr. 195 d. A.) beruht,
wie die „A. A. Z.“ dus authentischer Quelle erfahren
hat , auf einem Mißverſtändnißk. Es könne, ſo ſagt der

Gewährsmann des genannten Blattes, um so weniger ;
von der Geheimhaltung der bezüglichen Beschlüsse die |

Rede sein, als Württemberg und B aden dieselben
ihren Kammern alsbald vorlegen würden . . . ;
Wenn nun diese Beſchlüſſe den betreffenden La nd -
tag en vorgelegt werden, so werden die Letzteren erfahren,
daß es Preußen gelungen iſt, ſich in die ſüddeutſche
Feſtungskommission hineinzuſchmuggeln. Abgesehen davon,
daß B aden als preußischer Trabant die preußiſchen
Intereſſen wie seine eigenen vertreten hätte, iſt wie
die „Südd. Poſt“ mittheit + auch noch beſtimmt, daß
die ſüddeutſchen Staaten in allen wichtigen Fragen, die
von Einflus auf das gesammtdeutsche Vertheidigungs-
ſyſtem sind, die An si ch te n (neuester Ausdruck für „Be-
fehle) des norddeutschen Bundes einzuholen haben. Wer-
ſentlich und thatsächlich haben wir also eine „gJemeinſame
deutsche Militär- und Feſtungskommission“ vor uns, wie
ſie Preußen anſtrebte. Mun hat aber das bayeriſche

Ministerium in der Korr. Hofmann vor nicht gar langer

Zeit erklären laſſen,, daß eine solche Kommission eine
Verleßung des Prager Friedens wäre. Mit dieser Er-
klärung iſt die Einwilligung zu einer ſolchen Institution
für den Hausverſtand unvereinbar und es heiß t den
Frieden muthwillig gefährden, wenn man troy der Ein-
sicht, daß die fragliche Kommission vertragswidrig ist, zu
ihrer Schaffung die Hand bietet.

Graf Beuſt hat die preuß.i s < e Depeſche vom
4. Auguſt beantwortet. Die preußische Depesche wurde
ihm kurz vor den Berathungen in den Delegationen über-
geben. Graf Beuft hat ſich "dadurch nicht im Mindeſten
beirren laſſen, ſeinen Standpunkt in den Delegationen zu
wahren und damit bewiesen, daß er ſich nicht einschüchtern

lies. Der gemäßigte Ton der Beusiſchen Antwort zeigt

aber auch, daß er sich nicht reizen ließ. Die Antwort
eröffnet nach Berührung der Depesche vom 18. Juli mil
der Erklärung, daß Graf Beuſt einer Interpellation über
die in den Ausſchüſſen der Delegationen gefallenen
Aeußerungen prinzipiell nicht Rede ſtehen könne. In einer
feinen Wendung gebraucht hiebei Graf Beuſt fast die-
selben Worte der preußi chen Depeſche vom 18. Juli, in-
dem er sagt: „Was von den Vertretern der Regierung
in den nicht öffentlich zur Verhandlung kommenden Bes-
rathungen der parlamentariſchen Ausſchüſſe geſagt wird,
entzieht sich ~ ich bediene mich nur der Ausdrucksweise
des Herrn Unter-Staatssſekretärs ~ der Kontrole aus-
wärtiger Regierungen. Ich erlaubte mir ferner, dem
königlich preußischen Herrn Gesandlen zu bemerken , daß
ich nicht in Zweifel darüber sei, wie Graf Bismarck im
umgekehrten Falle eine gleiche Cröffnung erwidern würde
und ich daher überzeugt ſein dürfe, daß meine Zurück-
haltung in diesem Punkte umſsoweniger auffällig erscheinen
werde.“

Die Stelle der Antwortsdepeſche aber, welcher
im Algemeinen und für uns in Süddeutſchland die
meiſte Bedeutung zukommt , verweiſt auf die betannte
Note vom 28. März 1868 an die öſterreichiſchen Ver-
treter zu München und Stuttgart, welche auch dem
Grafen Bismarck zur Kenntnißnahme übermittelt wurde.
Graf Beuſt ſagt, die öfterreichiſche Regierung ſei der
in jener Note ausgesprochenen (dem Südbunde günſtigen)
Auffaſſung, „welche damals keine Anfechtung fand und
gewiß den Stempel größter Versſöhnlichkeit an sich trug“
treu geblieben. Weil dieß die Wiener Regierung auch
ferner zu thun beabsichtige, ſo möchte ſie die in der Ber-
liner Depeſche angeregte Frage über den Art. 4 des
Prager Friedens nicht diskutiren. Nur will Beuſt darauf
auſmerkſam machen, daß Oeſterreich sich damals nicht
darüber ausgesprochen habe, ob der Prager Friede die
ſüddeutschen Staaten hindere, mit anderen und mit welchen
Staaten Verträge abzuſchließen, sondern darüber, daß bei
der Unterzeichnung des Prager Friedens der vorausg e-
gang ene Ahſchluß der bekannten Verträge Oeſterreich
verheimlicht und dadurch dem öſterreichiſchen Unter-
händler die Möglichkeit entzogen wurde, seiner Regierung
die Frage vorzulegen, ob der Paſſus von der ,internatio-
nalen Unabhängigkeit des Südens“ entweder als bedeu-
tungslos auszulassen sei oder, um eine gesicherte Bedeu-
tung zu haben , eine andere Fasſung erhalten Jolle . . ..
Darnach iſt die Diskuſſion des heiklen Punktes nur ver-
ſ <h oben aber ~ nicht aufg ehoben.

vor Eröffnung des Landtags.







ES

Der Karliſten-Putſch in S p ani e n iſt zu Ende.
Der Kronen-Eroberer vormochte überhaupt nur Freunde
zu gewinnen und Anhänger, so lange er vermochte, die-
ſelben zu b ez ah len. Nachdem die klingende Münze
ausgegangen, haben sich die Parteigänger entweder in
die Berge geschlagen, um auf eigene Fauſt zu rauben
oder haben von der ihnen angebetenen Amnestie Gebrauch
gemacht und sich den Behörden geſstellt.



Deutſchland.

* Mannheim, 20. Auguſt. Das hiesige „Journal“
führt heute die Besprechung der vier in der Angelegen-
heit der Wahlmänner-Wahlen von uns veröffentlichten
Artikeln zu Ende. Die anfänglich angeschlagene Tonart

der „Düùſseldorfer Harfenmädchen“ schwingt sich in dieſer

Besprechung ſo ſehr auf die höhere Stufe der „G aſſs en-
: : g e n.
des nationalliberalen Blattes zur Nachricht.

daß wir uns ſchuldig ſind, darüber zu

f

* Aus Baden, 20. Aug. Heute mahnt uns unser
zwanzigjähriger Geſschichtskalender ein To desurtheil
und ein Urtheil auf 10 Jahre Zuchthaus zu verzeichnen.
Ersteres traf Gebhard K ro m e r von Brombach, Soldat
im bad. 2. Inf. Reg., vollzogen am 21. Aug. 1849,
und das letztere traf Franz Ba > o f von Wäſchbach, bad.
Artilleriewachmeister. :

Eine Heidelberger Korrespondenz der Wiener „N.
fr. Preſſe“ beſpricht unsere Wahlvorgänge und das sichere
Ergebniß : daß der nächste Landtag in seiner großen Mehr-
heit nationalliberal ſein wird. Selbſtverſtändlich — |o
ſchreibt der Berichterstatter gibt es dann eine Adreſſ-

debatte mit obligaten Gewinſel um Anschluß an den

Nordbund. Indeſen glaubt der Berichterſtatter, es werde
dieſes alles den Sturz des Ministeriums Jolly nicht auf-
halten können: wenn dem Volke noch mehr die Augen
aufgegangen sein und es fragen würde : Was habt ihr
aus unserm ſchönen Lande gemacht . . . Ja der Freiheit
wird die Zukunft überall +~ auch in Baden gehören
troß Ueberläufern und Philiſtern. '

Indeſſen rüsten sich die Hauptführer der Bis-
märkerei in Baden. zu einer leßten Verſammlung
Dieselbe iſt auf nächsten
Sonntag nach Villingen angeſagt und wird zu der-
selben auch die Mitwirkung des Führers der national-
liberalen Partei in Württemberg, des Hrn. Hölder aus
Stuttgart, angekündigt. Hugleich wird dießes Erreigni
ausgegeben, als „ein erſter Schritt zu dem auf der
großen Pforzheimer Versammlung beſchloſſenen Zuſammen
wirken der badiſchen und württembergiſchen National-
Liberalen." Ein recht ſ< w ach er Schritt des am 18.
April zu Pforzheim genommenen Anlaufs , wo nicht von
einem Huſammenwirken mit den Gesinnungsgenoſsen in
Württemberg allein, sondern von einer zu berufenden
Verſammlung der Anhänger des Nationalliberalismus
a l l e r ſüddeutſchen Staaten die Rede war.

Viel Geſchre und wenig Wolle, derart war es faſt
immer auf Seite unserer NNational-Liberalen. Offenburg
~ hin und zurük. So wird es ſich auch jetzt erweiſen,
wenn ein hervorragender Führer der Nationalliberalen
aus Offenburg die, wie er ſagt, „gedankenloſe oder auf
mangelnder Sachkenntniß beruhende Aeußerungen be-
freundeter Blätter“ über die Möglichkeit der Abzweigung
einer national-demokratiſchen Partei für Märchen erklärt
und zugleich v er n che rt: „Wir werden im Ve.laufe des
bevorſtehenden Landtags das Offenburger Programm
durchführen. * Der Offenburger Feldherr ſtützt sich
auf den Ausgleich vom 23. Mai; er vertraut dem
ofsiziösen Artikel der „Karlsr. Ztg.“ , welcher die Bes

willigung der von den National-Liberalen aufgestellten. 1.1

Reformen in Aussicht nahm. Der Offenburger Feldherr
scheint heute noch keine Ahnung zu haben , von Dem,
was uns im erſten Augenblicke Gewißheit war, daß näm-
lich die „Offenburger“ am 23. Mai von der Regierungs-
partei überliſtet wurden. ; ] ; z

Vor dem 23. Mai hatte die Regierung einen ſchweren
Stand. Sie hatte Niemanden für sich, als die Leute,
die mit jeder Regierung gehen; g egen ſich die „Offen-
burger“ in den inneren Angelegenheiten, die demokratische
Partei und die Ultramontanen in den äußeren und in-
neren Fragen. Geſchicktte Regierungsmänner bewirkten
den Ausgleich vom 23. Mai und verpflichteten die „O -
fenburger“ bei den Wahlmännerwahlen mit der Regierung
zu gehen. Der Mohr hat ſeine Schuldigkeit gethan-

d

1






Dieß den Verwandten und Freunn. |



tui


 
Annotationen