16869.
F. 104.
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§. n. B Ê E. .
Z § J
TV Rs w tu w Er
. . . E L H
. V t ;; M. V >: h
f3 ) ct h V :. Y:: % .
: Bj r TF U V s;
G
Organ der deutſchen Volksparlei i
U;
i:
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile z tx.,
bei Lokalanzeigen 2 kr.
d cs Fs
| t ;P
si o "Eu
. c "s
n
Vaden.
1:2: täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementzpreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
TEE O -
Der Depeſchen-Sehlüſſel.
** Gifl und Galle hat nun langegenugin Berlin undim
preußischen Lager geziſcht von wegen der Biemarck-Goltz-De-
peſche vom 20. Juli 1866. Bis zum Himmel ſprittte der
dampfende Gischt; aber der Himmel bleibt taub, er läßt
weder Schwefel noch Pech auf den ſündigen öſterreichiſchen
Staatskanzler regnen; auch 1m dortigen Generalstabe ſoll
bis jeßt noch Niemanden der Schlag getroffen haben.
Uns aber, den alten Verbündeten der deutschen Bundes-
Präsidialmacht, die wir so tapfer für das gute Recht ins
Feld zogen, ziemt es wohl, ein Wort in diese Angelegen-
heit hineinzureden. Vorab läßt der Reichstanzler Graf
Beuſt in der deutlichſten Weiſe erklären, er habe von
jener Depesche nichts gewußt; sie sei vor seinem Amts-
antritt in ölterreichisſche Hände gerathen. Weßhalb verdient
dieses Dementi keinen Glauben? Quilibet praesumitur
bonus, Jeder hat den Anſpruch für ehrlich gehalten zu
werden, bis das Gegenlheil erwiesen iſt. Wo hat Graf
Beuſt gelogen? Müssen denn alle Kanzler absolut lügen ?
Zweitens verwies man die Herrn Schreier zu Berlin,
Breslau, Magdeburg und Bremen nach Paris; man ſagte
ihnen mit dürren Worten, die franzöſiſche Regierung
habe die Depesche nach Wien gesandt, um dort die Stim-
mung im preußiſchen Lager genau bekannt zu machen.
Oeſterreich mußte doch wiſſen, was Preußen und nament-
lich der König im Schilde führte, um bemessen zu können,
ob es nachgeben, oder ſich auf den äußerſten Kampf vor-
hereiten sollte. Weßhalb wenden sich nun die preußischen
Federſpitzen nicht gegen Paris, weßhalb verfolgen sie das
Reptil nicht in dieser Höhle? Wir sind ,landesverräthe-
riſch" genug, die Antwort vorher zu wissen, welche der
Bismarck schen Soldpreſſe und dem national- liberalen
Janhagel ven Paris zu Theil werden würde. Sie
wagen's einfach nicht, die großen Ritter der Nationalehre,
die Amputirer von Luremburg! Sie wissen, daß in jenem
Yeolusſchlauche noch andere Enthiüillungewinde lauern , die
leicht einen Orkan über Deutschland verbreiten könnten,
der das ganze „Werk“ vollends mit den Wurzeln nach
oben kehrte.
e. noch mehr, noch viel mehr! Angenommen, Graf
v. d. Goltz habe die Depesche in Paris blos vorgelesen,
ſie nur ihrem Inhalt nach mitgetheilt; man besitze also
den Worllaut in Paris gar nicht. Dennoch iſt es ſchlech-
terdings unnöthig, daß Graf Beuſt sie in der Reichs-
Ianzlei beseſſen habe; eben ſo unnöthig, daß Graf Mens-
dorf den Schlüſsel habe stehlen laſſen. Und doch kann
man die Depyeſche gelesen haben, wie Figura
zeige. Wie Das zugegangen sein kann, brauchen
wir doch Denjenigen nicht zu enthüllen, die bei Ausbruch
des Krieges die Persönlichkeiten, z. B. in Hannover, bei.
Heller und Pfennig taxirten: ,„der da iſt für 20,000
Friedrichsd’'ors zu haben , der dort koſtet mich ſo und so
viel rc.“
Ja wir gehen noch weiter. Man hat den Schlüssel
erlangen können, ehne ein „Zehnerl“ dafür auszugeben,
ohne zu bestechen und zu ſtehlen, und Graf Mensdorf iſt
unſehuldig, Graf Beuſt noch unſchuldiger. Der General-
ſtab aber, der ohne Einmiſchung ter Politik ſein Verhal-
ten nicht klarlegen konnte, der Generalſtab, desſſcen Anord-
nungen und Unterlaſſungen völlig dunkel sein würden
ohne die betreffende Depeſche, nun, der Generalstab hat
die böſe Schlüſſelfrage in aller Unschuld gelöſt! Dem
denket nach, ihr Herren Schreier! Wir haben längst über
Cuch und das französiſche Sprichwort nachgedacht: Qui
se fâche, a fort. Wer im Unrecht iſt, wird wüthend.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 3. Mai.
_ * Dem Senat Frankreichs iſt in der lezten Stunde
Jeiner Session aus dem Munde des Ministers Lavalette
die Versicherung geworden, daß die kaiserliche Regierung
an eine Zurüctziehung der franzöſiſchen Truppen aus
Rom im gegenwärtigen Augenblick nicht denkt. Die Ver-
anlaſſung zu dieser Ankündigung hatte eine Rede des
Grafen Segur d’Aguesseau gegeben, worin der Behaup-
tung, daß zwischen der römiſchen und italieniſchen Re-
gierung, zwiſchen dem ,„Beraubten und dem Räuber,“
eine Verſtändigung unmöglich sci, die Forderung einer
größeren Entſchiedenheit der französischen Politik bezüglich
Roms gefolgt war. Der Miniſter erklärte, daß die
Sicherheit des Papſtes der taiſerlichen Regierung mehr
als alles Andere am Herzen liege und daß demnach, da
die Sepiemberkonvention mit Italien „durch Italiens
Schuld und durch deſſen Schuld allein“ nicht habe ganz
aufrecht erhalten werden können, die in dieser Konvention
in Aussicht genommene Zurückziehung der französiſchen
Truppen aus Rom erſt an dem Tage eine Möglichkeit
sein werde, an welchem Frankreich über die Sicherheit des
Papstes vollkommen beruhigt ſei.
Das nun nach seinem vollen Wortlaute bekannte
Protokoll über das Ergebniß der Pariſer Verhandlungen
bezüglich der belgiſchen Eiſenbahnangelegenheit
kouſtatirt das vollſtändige Scheitern des diplomatiſchen
Feldzuges, welchen Frankreich unter so lautem Halloh
seiner oſfiziöſen Preſſe eröfſnet hatte. Von eincm Ueber-
gang der 1uremburgiſchen Bahnen in den Beſiy der fran-
zöſiſßchen Oſtbahngeſellſchaft, ja auch nur von einer pacht-
weijen Ueberlaſung des Betriebs iſt keine Rede mehr.
Cine Mitwirkung der belgischen Regierung zur „Regelung
des direkten Dienstes“ und zur „Verwendung der Transit-
züge zum Lokaldienſt“ iſt Alles, was der belgiſche Miniſter
zugeſtanden hat. Der französiſche Minister ſpricht zwar
die Meinung aus, daß der Abſchluß neuer Verträge die
glücklichſte Löſung der Frage ſein würde, iſt aber, da er
ſich „glücklich ſschäßen würde,“ wenn die angeſtrebten
„ökonomiſchen“ Zwecke auf dem von Betigien vorgeſchlage-
nen Wege gleich gut erreicht werden könnten, zu einer
Prüfung der belgiſchen Vorschläge bereit. Di se Prüfung
wird nun die Aufgabe der aus drei fsranzöſiſchen und
drei belgischen Fachmännern zu bildenden Kommission
sein, welche binnen der nächſlen 14 Tage zuſammen-
treten ſoll.
t k Spanien wird, in unverbürgter Weiſe, das
Erſcheinen von karlistiſchen und isabelliſtiſchen Schaaren
an der Nordgrenze gemeldet. Die laut Pariſer Nachrich-
ten am I. eingetretene Unterbrechung der Telegraphen-
verbindung ſteht vielleicht in Verbindung mit dieſem Ge-
rüchte, welches auch in der vorgeſtrigen Kortesſizung zur
Sprache gebracht wurde und dem Juſtizminiſter Anlaß
zu der Erklärung gab, daß die genannten beiden Par-
teien fortgesetzt zu Cn'fachung des B rgerkriegs konſpiriren,
daß aber die Regierung energiſche Gegenmagßregeln treffen
werde.
Die Nachricht, daß die Regierung der nordamerikani-
ſchen Union sich jeder Einmiſchung in die Dinge auf
Kuba zu enthalten beschloſſen habe, soll durch eine teke-
graphiſche Mittheilung des Präsidenten Grant an den
ſpaniſchen Kolonien-Miniſter Beſtätigung erhalten haben.
Zugleich wiro von der Insel ein neuerliches Abnehmen
des Aufstandes und die Ergebung mehrerer Inſurgenten-
ſchaaren gemeldet. Cine neue Verlegenheit für die spa-
niſche Regierung wird aber aus London angekündigt.
Bekanntlich haben spaniſche Kriegsschiffe vor Kuba einige
nordamerikaniſche Fahrzeuge unter der Anschuldigung,
daß déeſelben den Auſfständiſchen Unterſtüßzung zufüh-
ren sollten, weggenommen. Eines derselben iſt nach
Havanna gebracht und vonÿ den ſſpaniſchen Ge-
richten für eine gute P iſe ertlärt worden. Von der
nordamerikaniſchen Regierung sind bereits Reklamationen
wegen Rückgabe des Schiffes erhoben worden; wie die
„Morningpoſt“ nun mittheilt, soll jetzt auch der Kom-
mandant des engliſch-westindiſchen Geſchwaders von London
aus den Befehl erhalten haben, auf Freigabe des Schiffes zu
dringen, weil dasselbe ſich zur Zeit der Wegnahme nur
2 Meilen von Ragged Jsland, alſo noch in englischem
Gewäſſer befunden habe.
Die in der königlichen Botschaft bei Eröffnung des
engliſchen Parlamentes am 16. Februar ausgesprochene
Hoſfnung auf ein Verſchwinden der feniſchen Agitation
in Irland iſt, wie aus dem Londoner Bericht in unserer
vorgeſtrigen Nummer ersichtlich, nicht in Erfüllung ge-
gangen. In beiden Häuſern des Parlaments haben die
tumultuariſchen Vorfälle in Londonderry und mehr noch
die oſfen aufrühreriſchen Werte , mit welchen der Bürger-
meiſter von Cork, der zweiten Stadt Irlands, die in die
Verbannung nach Amerika abreiſenden feniſchen Verur-
theilen und das vorjährige Attentat auf den Priuzen
Arthur verherrlichte, Anlaß zu Interpellationen gegeben.
Aus den miniſterzellen Antworten ging hervor, daß die
Regierung bereits die Feſtſtellung des Wortlauts der auf-
rühreriſchen Rede angeordnet und mit dem Statthalter
von J land in Verhandlungen getreten iſt, die eine Ver-
ſchärfung des hierher bezüglichen Gesetzes und feiner Durch-
führung bezwecken.
Wie franzöſiſche Blätter berichten, hat die italienische
Regierung in Betreff Mazzin i's keine „Note“ an die
Schweizer Bundesregierung erlaſſen, sondern fich darauf !
beschränkt, durch ihren Gesandten in Bern mündlich.
Vorstellungen machen zu laſſen. Auch die N. Zür. Ztg
widerspricht der Nachricht vom Einlaufen einer Note dieß
Betreffs beim Bundesrath.
Wie sehr es in allen Ländern Europa's faſt dieſelben
Flecke sind, an welchen die Bevölkerungen ~ um uns
des vulgören Ausdrucks zu bedienen ~ ,der Schuh drückt“,
zeigt ein Programm, welches kürzlich in Schwe d en vom
Ausschuß der neugebildeten demotratiſchen Partei erlaſſen
worden und in welchem als die hauptſächlichſten For-
derungen aufgestellt ſind: „Erweiterte Rechte für das Volk
zur Theilnahme an den Reichstagen durch Herabſezung
des Zenſus für das Wahlr echt und die Wählbarkeit,
Einschränkung der Zivilli ſte und des Hofluxus,
Entwickelung der parlamentariſchen Regierungsform, ſo
daß die Regierung ein Ausdruck des Volks-
willens iſt, Aufhebung der Alleinherrſchaſt des Königs
in der ökonomiſchen Geſezgebung, Milderung des Straf-
geſeßes, Vereinfachung der Verwaltung und Cinziehung
aller überflüssigen Aemter, völlige Religionsfreiheit, zeitge-
mäße Reform des Unterrichts, Abschaffung der Grund-
steuer, Gründung der Landesvertheidigung auf Volksbe-
waffnung ec.“ Im Eingang des Programmes ergeht
eine eindringliche Mahnung an das Volk, daß es nicht
vertrauensſelg und mùüßig ſeiner Vertretung allein die
Wahrung der Landesintereſſen überlaſſen, sondern daß es
seine Angelegenheiten s elbſt in die Hand nehmen
und vor allen Dingen ſich des Verſammlungsrechtes flei-
ßig bedienen, dort ſeine Verlangen freimüthig aussprechen
und dann auch dafür sorgen möge, daß diesſeiben zur
Kenntniß der Regierung gelangen. Dieſe Mahnung,
dünkt nns, iſt auch anderwärts, und zumal in unserer
nächſten Nähe trefflich am Plate.
Nach ein Paar Tagen Ruhe kommt die Nordd. Allg.
Ztg. in ihrer neueſten Nummer wieder auf das ſo fatale
Mißgeſchick zu ſprechen, welches der öſterreichiſchen Regie-
rung die „Blick-ins-Herz-Depeſsche“ vom 20.
Juli 1866 in die Hände geſpielt hat. Daß.die fran-
zöſiſche Diplomatie hierbei ganz unschuldig, hat sie bereits
für eine ausgemachte Sache erklärt; jetzt verſucht ſie in
ganz niedlicher Weiſe, Frankreich gegen Oesterreich zu
heßen, indem sie anführt, daß die Benützung des öſter-
reichiſchen Telegraphen für die fragliche Depesche in Folge
einer Vermittelung des franzöſiſchen Bolſchafters Benedetti
von Obſterreich geſtattet worden sei, woraus ganz un-
zweifelhaft fließe, daß die Veröffentlichung im öſterreichi-
ſchen Generalſtabswerke „vein Vertrauens mißbranch (!)
nicht bloß gegen Preußen (!), sondern auch gegen Frank-
reich (!1)" sei. Interesſſanter als diese Auslassung, bei
der der Ingrimm über die gesunde Vernunft den Sieg
davongetragen hat, iſt die Mittheilung des Bismarck-
ſchen Blattes, daß die Beschaffung des famoſen
Lexikons, ohne welches die Depeſche absolut nicht
zu enträthſeIn, „durch den Vertrauensmann eines
bekannten Handelsagenten an einem bekannten Orte
erfolgt sein ſoll.“ Da dasselbe Blatt früher wiederholt
angegeben hat, das fragliche Lexitvn habe sich nur in
höchſiens „drei bis vier“ Händen befunden, ſo ſollte
man meinen, daß die preußiſche Regierung durch
geeignete Ermittelungen bei den Eigenthümern der ,drei
bis vier Hände“ ſich die Löſung des Räthsels ſehr leicht
verſchafen könnte. Davor scheint man aber in Berlin
eine gewaltige Scheu zu verſpüren, und der Grund dieser
Scheu iſt vielleicht aus einer Berliner Korreſpondenz der
„Allg. Ztg.“ zu errathen, in welcher zu lesen iſt, daß
man ,in Berlin sehr wohl weiß, daß eine Klage wegen
Bestechung und Verraths an eine ganz andere Adresse zu
richten sei, als an die öſterreichiſche. Angeſichts dieses
Vorgangs wird man auch unwillkührlich an den Anfangs
der fünfziger Jahre verübten Potsdamer Depesſchen-Dieb-
ſtahl erinnert, dem bekanntlich bald darauf die Verſeßzung
des damaligen franzöſiſchen Gesandten am preußischen
Hofe folgte.“
R
Deutſchland.
* Karlsruhe, 3. Mai. Amtliches. Der ſeit-
her in provisoriſcher Eigenschaft bei Gr. Hofsſekretariat als
Buchhalter verwendete Kammeralaſſiſtennt A. Adam
wurde definitiv zum Buchhalter bei genannter Stelle er-
wut Aus Baden, 3. Mai. Ein Scherz ſoll helfen.
Die „Bad. Ldsztg.“ ſchreiklt: Wer in ernſter Zeit ſich
in eine heitere Stimmung verſeßgen wolle , dem empfehle
sie als wirksamſtes Mittel das Leſen der neueſten Jeſuitens
F. 104.
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§. n. B Ê E. .
Z § J
TV Rs w tu w Er
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. V t ;; M. V >: h
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: Bj r TF U V s;
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Organ der deutſchen Volksparlei i
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i:
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile z tx.,
bei Lokalanzeigen 2 kr.
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| t ;P
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1:2: täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementzpreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
TEE O -
Der Depeſchen-Sehlüſſel.
** Gifl und Galle hat nun langegenugin Berlin undim
preußischen Lager geziſcht von wegen der Biemarck-Goltz-De-
peſche vom 20. Juli 1866. Bis zum Himmel ſprittte der
dampfende Gischt; aber der Himmel bleibt taub, er läßt
weder Schwefel noch Pech auf den ſündigen öſterreichiſchen
Staatskanzler regnen; auch 1m dortigen Generalstabe ſoll
bis jeßt noch Niemanden der Schlag getroffen haben.
Uns aber, den alten Verbündeten der deutschen Bundes-
Präsidialmacht, die wir so tapfer für das gute Recht ins
Feld zogen, ziemt es wohl, ein Wort in diese Angelegen-
heit hineinzureden. Vorab läßt der Reichstanzler Graf
Beuſt in der deutlichſten Weiſe erklären, er habe von
jener Depesche nichts gewußt; sie sei vor seinem Amts-
antritt in ölterreichisſche Hände gerathen. Weßhalb verdient
dieses Dementi keinen Glauben? Quilibet praesumitur
bonus, Jeder hat den Anſpruch für ehrlich gehalten zu
werden, bis das Gegenlheil erwiesen iſt. Wo hat Graf
Beuſt gelogen? Müssen denn alle Kanzler absolut lügen ?
Zweitens verwies man die Herrn Schreier zu Berlin,
Breslau, Magdeburg und Bremen nach Paris; man ſagte
ihnen mit dürren Worten, die franzöſiſche Regierung
habe die Depesche nach Wien gesandt, um dort die Stim-
mung im preußiſchen Lager genau bekannt zu machen.
Oeſterreich mußte doch wiſſen, was Preußen und nament-
lich der König im Schilde führte, um bemessen zu können,
ob es nachgeben, oder ſich auf den äußerſten Kampf vor-
hereiten sollte. Weßhalb wenden sich nun die preußischen
Federſpitzen nicht gegen Paris, weßhalb verfolgen sie das
Reptil nicht in dieser Höhle? Wir sind ,landesverräthe-
riſch" genug, die Antwort vorher zu wissen, welche der
Bismarck schen Soldpreſſe und dem national- liberalen
Janhagel ven Paris zu Theil werden würde. Sie
wagen's einfach nicht, die großen Ritter der Nationalehre,
die Amputirer von Luremburg! Sie wissen, daß in jenem
Yeolusſchlauche noch andere Enthiüillungewinde lauern , die
leicht einen Orkan über Deutschland verbreiten könnten,
der das ganze „Werk“ vollends mit den Wurzeln nach
oben kehrte.
e. noch mehr, noch viel mehr! Angenommen, Graf
v. d. Goltz habe die Depesche in Paris blos vorgelesen,
ſie nur ihrem Inhalt nach mitgetheilt; man besitze also
den Worllaut in Paris gar nicht. Dennoch iſt es ſchlech-
terdings unnöthig, daß Graf Beuſt sie in der Reichs-
Ianzlei beseſſen habe; eben ſo unnöthig, daß Graf Mens-
dorf den Schlüſsel habe stehlen laſſen. Und doch kann
man die Depyeſche gelesen haben, wie Figura
zeige. Wie Das zugegangen sein kann, brauchen
wir doch Denjenigen nicht zu enthüllen, die bei Ausbruch
des Krieges die Persönlichkeiten, z. B. in Hannover, bei.
Heller und Pfennig taxirten: ,„der da iſt für 20,000
Friedrichsd’'ors zu haben , der dort koſtet mich ſo und so
viel rc.“
Ja wir gehen noch weiter. Man hat den Schlüssel
erlangen können, ehne ein „Zehnerl“ dafür auszugeben,
ohne zu bestechen und zu ſtehlen, und Graf Mensdorf iſt
unſehuldig, Graf Beuſt noch unſchuldiger. Der General-
ſtab aber, der ohne Einmiſchung ter Politik ſein Verhal-
ten nicht klarlegen konnte, der Generalſtab, desſſcen Anord-
nungen und Unterlaſſungen völlig dunkel sein würden
ohne die betreffende Depeſche, nun, der Generalstab hat
die böſe Schlüſſelfrage in aller Unschuld gelöſt! Dem
denket nach, ihr Herren Schreier! Wir haben längst über
Cuch und das französiſche Sprichwort nachgedacht: Qui
se fâche, a fort. Wer im Unrecht iſt, wird wüthend.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 3. Mai.
_ * Dem Senat Frankreichs iſt in der lezten Stunde
Jeiner Session aus dem Munde des Ministers Lavalette
die Versicherung geworden, daß die kaiserliche Regierung
an eine Zurüctziehung der franzöſiſchen Truppen aus
Rom im gegenwärtigen Augenblick nicht denkt. Die Ver-
anlaſſung zu dieser Ankündigung hatte eine Rede des
Grafen Segur d’Aguesseau gegeben, worin der Behaup-
tung, daß zwischen der römiſchen und italieniſchen Re-
gierung, zwiſchen dem ,„Beraubten und dem Räuber,“
eine Verſtändigung unmöglich sci, die Forderung einer
größeren Entſchiedenheit der französischen Politik bezüglich
Roms gefolgt war. Der Miniſter erklärte, daß die
Sicherheit des Papſtes der taiſerlichen Regierung mehr
als alles Andere am Herzen liege und daß demnach, da
die Sepiemberkonvention mit Italien „durch Italiens
Schuld und durch deſſen Schuld allein“ nicht habe ganz
aufrecht erhalten werden können, die in dieser Konvention
in Aussicht genommene Zurückziehung der französiſchen
Truppen aus Rom erſt an dem Tage eine Möglichkeit
sein werde, an welchem Frankreich über die Sicherheit des
Papstes vollkommen beruhigt ſei.
Das nun nach seinem vollen Wortlaute bekannte
Protokoll über das Ergebniß der Pariſer Verhandlungen
bezüglich der belgiſchen Eiſenbahnangelegenheit
kouſtatirt das vollſtändige Scheitern des diplomatiſchen
Feldzuges, welchen Frankreich unter so lautem Halloh
seiner oſfiziöſen Preſſe eröfſnet hatte. Von eincm Ueber-
gang der 1uremburgiſchen Bahnen in den Beſiy der fran-
zöſiſßchen Oſtbahngeſellſchaft, ja auch nur von einer pacht-
weijen Ueberlaſung des Betriebs iſt keine Rede mehr.
Cine Mitwirkung der belgischen Regierung zur „Regelung
des direkten Dienstes“ und zur „Verwendung der Transit-
züge zum Lokaldienſt“ iſt Alles, was der belgiſche Miniſter
zugeſtanden hat. Der französiſche Minister ſpricht zwar
die Meinung aus, daß der Abſchluß neuer Verträge die
glücklichſte Löſung der Frage ſein würde, iſt aber, da er
ſich „glücklich ſschäßen würde,“ wenn die angeſtrebten
„ökonomiſchen“ Zwecke auf dem von Betigien vorgeſchlage-
nen Wege gleich gut erreicht werden könnten, zu einer
Prüfung der belgiſchen Vorschläge bereit. Di se Prüfung
wird nun die Aufgabe der aus drei fsranzöſiſchen und
drei belgischen Fachmännern zu bildenden Kommission
sein, welche binnen der nächſlen 14 Tage zuſammen-
treten ſoll.
t k Spanien wird, in unverbürgter Weiſe, das
Erſcheinen von karlistiſchen und isabelliſtiſchen Schaaren
an der Nordgrenze gemeldet. Die laut Pariſer Nachrich-
ten am I. eingetretene Unterbrechung der Telegraphen-
verbindung ſteht vielleicht in Verbindung mit dieſem Ge-
rüchte, welches auch in der vorgeſtrigen Kortesſizung zur
Sprache gebracht wurde und dem Juſtizminiſter Anlaß
zu der Erklärung gab, daß die genannten beiden Par-
teien fortgesetzt zu Cn'fachung des B rgerkriegs konſpiriren,
daß aber die Regierung energiſche Gegenmagßregeln treffen
werde.
Die Nachricht, daß die Regierung der nordamerikani-
ſchen Union sich jeder Einmiſchung in die Dinge auf
Kuba zu enthalten beschloſſen habe, soll durch eine teke-
graphiſche Mittheilung des Präsidenten Grant an den
ſpaniſchen Kolonien-Miniſter Beſtätigung erhalten haben.
Zugleich wiro von der Insel ein neuerliches Abnehmen
des Aufstandes und die Ergebung mehrerer Inſurgenten-
ſchaaren gemeldet. Cine neue Verlegenheit für die spa-
niſche Regierung wird aber aus London angekündigt.
Bekanntlich haben spaniſche Kriegsschiffe vor Kuba einige
nordamerikaniſche Fahrzeuge unter der Anschuldigung,
daß déeſelben den Auſfständiſchen Unterſtüßzung zufüh-
ren sollten, weggenommen. Eines derselben iſt nach
Havanna gebracht und vonÿ den ſſpaniſchen Ge-
richten für eine gute P iſe ertlärt worden. Von der
nordamerikaniſchen Regierung sind bereits Reklamationen
wegen Rückgabe des Schiffes erhoben worden; wie die
„Morningpoſt“ nun mittheilt, soll jetzt auch der Kom-
mandant des engliſch-westindiſchen Geſchwaders von London
aus den Befehl erhalten haben, auf Freigabe des Schiffes zu
dringen, weil dasselbe ſich zur Zeit der Wegnahme nur
2 Meilen von Ragged Jsland, alſo noch in englischem
Gewäſſer befunden habe.
Die in der königlichen Botschaft bei Eröffnung des
engliſchen Parlamentes am 16. Februar ausgesprochene
Hoſfnung auf ein Verſchwinden der feniſchen Agitation
in Irland iſt, wie aus dem Londoner Bericht in unserer
vorgeſtrigen Nummer ersichtlich, nicht in Erfüllung ge-
gangen. In beiden Häuſern des Parlaments haben die
tumultuariſchen Vorfälle in Londonderry und mehr noch
die oſfen aufrühreriſchen Werte , mit welchen der Bürger-
meiſter von Cork, der zweiten Stadt Irlands, die in die
Verbannung nach Amerika abreiſenden feniſchen Verur-
theilen und das vorjährige Attentat auf den Priuzen
Arthur verherrlichte, Anlaß zu Interpellationen gegeben.
Aus den miniſterzellen Antworten ging hervor, daß die
Regierung bereits die Feſtſtellung des Wortlauts der auf-
rühreriſchen Rede angeordnet und mit dem Statthalter
von J land in Verhandlungen getreten iſt, die eine Ver-
ſchärfung des hierher bezüglichen Gesetzes und feiner Durch-
führung bezwecken.
Wie franzöſiſche Blätter berichten, hat die italienische
Regierung in Betreff Mazzin i's keine „Note“ an die
Schweizer Bundesregierung erlaſſen, sondern fich darauf !
beschränkt, durch ihren Gesandten in Bern mündlich.
Vorstellungen machen zu laſſen. Auch die N. Zür. Ztg
widerspricht der Nachricht vom Einlaufen einer Note dieß
Betreffs beim Bundesrath.
Wie sehr es in allen Ländern Europa's faſt dieſelben
Flecke sind, an welchen die Bevölkerungen ~ um uns
des vulgören Ausdrucks zu bedienen ~ ,der Schuh drückt“,
zeigt ein Programm, welches kürzlich in Schwe d en vom
Ausschuß der neugebildeten demotratiſchen Partei erlaſſen
worden und in welchem als die hauptſächlichſten For-
derungen aufgestellt ſind: „Erweiterte Rechte für das Volk
zur Theilnahme an den Reichstagen durch Herabſezung
des Zenſus für das Wahlr echt und die Wählbarkeit,
Einschränkung der Zivilli ſte und des Hofluxus,
Entwickelung der parlamentariſchen Regierungsform, ſo
daß die Regierung ein Ausdruck des Volks-
willens iſt, Aufhebung der Alleinherrſchaſt des Königs
in der ökonomiſchen Geſezgebung, Milderung des Straf-
geſeßes, Vereinfachung der Verwaltung und Cinziehung
aller überflüssigen Aemter, völlige Religionsfreiheit, zeitge-
mäße Reform des Unterrichts, Abschaffung der Grund-
steuer, Gründung der Landesvertheidigung auf Volksbe-
waffnung ec.“ Im Eingang des Programmes ergeht
eine eindringliche Mahnung an das Volk, daß es nicht
vertrauensſelg und mùüßig ſeiner Vertretung allein die
Wahrung der Landesintereſſen überlaſſen, sondern daß es
seine Angelegenheiten s elbſt in die Hand nehmen
und vor allen Dingen ſich des Verſammlungsrechtes flei-
ßig bedienen, dort ſeine Verlangen freimüthig aussprechen
und dann auch dafür sorgen möge, daß diesſeiben zur
Kenntniß der Regierung gelangen. Dieſe Mahnung,
dünkt nns, iſt auch anderwärts, und zumal in unserer
nächſten Nähe trefflich am Plate.
Nach ein Paar Tagen Ruhe kommt die Nordd. Allg.
Ztg. in ihrer neueſten Nummer wieder auf das ſo fatale
Mißgeſchick zu ſprechen, welches der öſterreichiſchen Regie-
rung die „Blick-ins-Herz-Depeſsche“ vom 20.
Juli 1866 in die Hände geſpielt hat. Daß.die fran-
zöſiſche Diplomatie hierbei ganz unschuldig, hat sie bereits
für eine ausgemachte Sache erklärt; jetzt verſucht ſie in
ganz niedlicher Weiſe, Frankreich gegen Oesterreich zu
heßen, indem sie anführt, daß die Benützung des öſter-
reichiſchen Telegraphen für die fragliche Depesche in Folge
einer Vermittelung des franzöſiſchen Bolſchafters Benedetti
von Obſterreich geſtattet worden sei, woraus ganz un-
zweifelhaft fließe, daß die Veröffentlichung im öſterreichi-
ſchen Generalſtabswerke „vein Vertrauens mißbranch (!)
nicht bloß gegen Preußen (!), sondern auch gegen Frank-
reich (!1)" sei. Interesſſanter als diese Auslassung, bei
der der Ingrimm über die gesunde Vernunft den Sieg
davongetragen hat, iſt die Mittheilung des Bismarck-
ſchen Blattes, daß die Beschaffung des famoſen
Lexikons, ohne welches die Depeſche absolut nicht
zu enträthſeIn, „durch den Vertrauensmann eines
bekannten Handelsagenten an einem bekannten Orte
erfolgt sein ſoll.“ Da dasselbe Blatt früher wiederholt
angegeben hat, das fragliche Lexitvn habe sich nur in
höchſiens „drei bis vier“ Händen befunden, ſo ſollte
man meinen, daß die preußiſche Regierung durch
geeignete Ermittelungen bei den Eigenthümern der ,drei
bis vier Hände“ ſich die Löſung des Räthsels ſehr leicht
verſchafen könnte. Davor scheint man aber in Berlin
eine gewaltige Scheu zu verſpüren, und der Grund dieser
Scheu iſt vielleicht aus einer Berliner Korreſpondenz der
„Allg. Ztg.“ zu errathen, in welcher zu lesen iſt, daß
man ,in Berlin sehr wohl weiß, daß eine Klage wegen
Bestechung und Verraths an eine ganz andere Adresse zu
richten sei, als an die öſterreichiſche. Angeſichts dieses
Vorgangs wird man auch unwillkührlich an den Anfangs
der fünfziger Jahre verübten Potsdamer Depesſchen-Dieb-
ſtahl erinnert, dem bekanntlich bald darauf die Verſeßzung
des damaligen franzöſiſchen Gesandten am preußischen
Hofe folgte.“
R
Deutſchland.
* Karlsruhe, 3. Mai. Amtliches. Der ſeit-
her in provisoriſcher Eigenschaft bei Gr. Hofsſekretariat als
Buchhalter verwendete Kammeralaſſiſtennt A. Adam
wurde definitiv zum Buchhalter bei genannter Stelle er-
wut Aus Baden, 3. Mai. Ein Scherz ſoll helfen.
Die „Bad. Ldsztg.“ ſchreiklt: Wer in ernſter Zeit ſich
in eine heitere Stimmung verſeßgen wolle , dem empfehle
sie als wirksamſtes Mittel das Leſen der neueſten Jeſuitens